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Als Gemeinsame Wissenskonstruktion auch kollektive Wissenskonstruktion kollaborative Wissenskonstruktion oder Diskursive Wissensgenerierung wird vor allem in der Soziologie und der Padagogik ein Prozess bezeichnet in dem die organisierte Wissensarbeit auf der Basis neuer Kollaborationstechnologien um den Aspekt der sozialen Interaktivitat erweitert wird Sie ist ein Arbeitsfeld der Wissenschafts Umwelt und der Wissenssoziologie Kollektive Wissenskonstruktion wird dabei als neue Herausforderung im Zuge der gesellschaftlichen Entwicklung von Industrie zu Wissensgesellschaften verstanden Der Begriff wird auch in der Organisationslehre Wissensmanagement verwendet um neue Formen wissensbasierter Kollaborationen zu beschreiben Inhaltsverzeichnis 1 Der Begriff Kollektive Wissenskonstruktion 2 Der Wandel von der Industrie zur Wissensgesellschaft 3 Kollektive Wissenskonstruktion in Organisationen 4 Die Wissensbasierung als Herausforderung fur die Padagogik kooperatives Lernen 5 Siehe auch 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseDer Begriff Kollektive Wissenskonstruktion BearbeitenDer Begriff Wissen wird in der Regel in Abgrenzung zu Informationen und Daten definiert In einer Definition nach Norbert Fuhr sind Daten Eintrage deren Typ oder syntaktische Struktur bekannt ist Als Wissen werden Eintrage definiert bei denen bekannt ist was sie beschreiben oder welche Eigenschaften eines Objektes sie reprasentieren Wissen setzt also eine semantische Struktur voraus Informationen sind in dieser Definition kontextgebundene Daten also Eintrage die nur in Verbindung mit einer konkreten Situation genutzt werden konnen Bei der Definition von Wissen ist strittig ob Wissen an ein menschliches Bewusstsein gebunden ist oder ob es auch Gegenstand technologischer Prozesse sein kann In der Definition Fuhrs ist letzteres eingeschlossen Als Wissensformen werden das implizite und das explizite Wissen unterschieden Ersteres ist nicht formal fassbar sondern basiert auf personlichen Erfahrungen erlernten Fertigkeiten und deren Kombination Explizites Wissen ist konkret erfassbar da es in formalen Strukturen zum Beispiel grammatische Satze mathematische Ausdrucke vorliegt In Bezug auf Wissen lasst sich eine individuelle Ebene und eine Gruppenebene bzw Organisationsebene unterscheiden Die Diskussion einer kollektiven Wissenskonstruktion unterstellt eine Verlagerung des Wissens von der ersten auf die zweite und dritte Stufe Daher wird ein nicht an das menschliche Bewusstsein gebundener Wissensbegriff betont Als Konstruktion wird nach Jean Piaget The equilibrium of cognitive structures 1985 ein Prozess verstanden in dem das Individuum seine Erfahrungen reflektiert und organisiert Ziel dieses Prozesses ist es die jeweilige Umwelt zu strukturieren und sich andererseits an diese anzupassen Dabei werden Kognitive Systeme angewendet um eine gegebene Situation zu interpretieren zum anderen werden Eindrucke verwendet um die Kognitiven Systeme uber die Zeit zu verandern und anzupassen Fur Piaget gibt es allerdings nur individuelles Wissen weil Wissen immer an konkrete Individuen und damit an menschliches Bewusstsein gebunden ist Als Wissenskonstruktion wird also ein kognitiver Lernprozess verstanden der in einer Wechselwirkung externe Einflusse aufnimmt und verarbeitet und interne Impulse setzt um die jeweilige Umwelt zu strukturieren Der Aspekt der Gemeinsamkeit der Wissenskonstruktion verweist auf einen Diskurs im Kontext des Verstehens und Wissenserwerbsprozesses Nach Piaget bedingt das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Auffassungen eine Storung Perturbation des individuellen kognitiven Gleichgewichts Aquilibrium Das Individuum strebt danach dieses Gleichgewicht zu erhalten Aquilibration Kann die Storung nicht auf bereits Bekanntes zuruckgefuhrt werden Assimilation wird durch Akkommodation ein neues Muster mit den vom bisherigen abweichenden Merkmalen erzeugt Es spielt dabei keine Rolle ob die Storungen empirischer oder mentaler Natur sind Mentale Perturbationen sind wesentlich haufiger Mentale Perturbationen stellen als Gedankenexperimente die wohl ergiebigste Quelle fur Lernprozesse dar Diese kognitiven Wechselwirkungen im Zusammenhang einer sozialen Dimension der Entstehung und Veranderung von Wissen wird verschiedentlich mit dem Begriff der kollektiven oder gemeinsamen jedes Individuum fur sich Wissenskonstruktion beschrieben Willke Fischer und andere teilen diesen Ansatz nicht Der Wandel von der Industrie zur Wissensgesellschaft BearbeitenSoziologen vor allem Helmut Willke sehen in der sog Wissensarbeit ein Kernelement der Transformation von der Industriegesellschaft zur Wissensgesellschaft Von einer Wissensgesellschaft im Sinne von Amitai Etzioni und Daniel Bell lasst sich sprechen wenn die Strukturen und Prozesse der materiellen und symbolischen Reproduktion einer Gesellschaft so von wissensabhangigen Operationen durchdrungen sind dass Informationsverarbeitung symbolische Analyse und Expertensysteme gegenuber anderen Faktoren der Reproduktion vorrangig werden Von einer wissensbasierenden Gesellschaft konne erst dann gesprochen werden wenn kontextspezifische Expertise in allen gesellschaftlichen Bereichen generiert werde In einer Wissensgesellschaft existierte also keine Wissensklasse mehr im Sinne einer Vorherrschaft von Experten Ist Wissenskonstruktion jedoch eine gesamtgesellschaftliche demokratisierte Aktivitat wuchse den Moglichkeiten und Formen kollektiver Wissenskonstruktion gesteigerte Bedeutung zu Vor allem organisationssoziologisch ist dieser Wandel fur Willke von besonderem Interesse In dem Masse wie organisierte Wissensarbeit zum Operationsmodus wissensbasierter Organisationen wird wandle sich auch der Begriff von Wissen Wahrend wissensbasierte Tatigkeiten bislang auf der spezialisierten Expertise von Spezialisten basiert hatten die sich ihr Fachwissen in langwierigen Ausbildungsprozessen aneigneten beziehe sich der Begriff Wissensarbeit nicht auf ein Wissen dass einmal im Leben durch Erfahrung Initiation Lehre Fachausbildung oder Professionalisierung erworben und dann angewendet werde sondern auf ein Wissen das fortlaufend konstruiert und aktualisiert werden musse Vielmehr erfordert Wissensarbeit im hier gemeinten Sinn dass das relevante Wissen 1 kontinuierlich revidiert 2 permanent als verbesserungswurdig angesehen 3 prinzipiell nicht als Wahrheit sondern als Ressource betrachtet wird und 4 untrennbar mit Nichtwissen gekoppelt ist so dass mit Wissensarbeit spezifische Risiken verbunden sind 1 Hier ruckte die Konstruktion von Wissen im Kontext von Arbeit und die verwendete Technologie in den Vordergrund Wissen wird zum Rohstoff und Produkt organisationaler Aktivitat Wissensarbeit wird dabei nicht als personengebundene Tatigkeit begriffen sondern als eine Aktivitat die auf einem elaborierten Zusammenspiel personaler und organisationaler Momente der Wissensbasierung beruht Kollektive Wissenskonstruktion in Organisationen BearbeitenWenn Firmen und andere Organisationen zunehmend wissensbasiert operieren stellt sich die Frage nach dem Management der Ressource Wissen In dem Masse in dem die Bedeutung komplexer wissensbasierter Guter zunimmt steigt die Bedeutung effizienter Formen die es erlauben vor allem spezialisiertes Wissen zu koordinieren und unternehmensweit verfugbar zu machen Wissen als intellektuelles Kapital gehorcht dabei einer anderen Logik als klassische Produktionsmechanismen Die Zunahme wissensbasierter Sozialsysteme und der kollektiven Konstruktion von Wissen erfordert daher eine Revision der okonomischen Theorie der Firma und der soziologischen Theorie der Organisation Eine konkrete Herausforderung fur wissensbasierte Organisationen ist der Aufbau einer intelligenten Wissensinfrastruktur Das ist vor allem ein Thema der Managementtheorie 2 Fur die Managementtheorie ist die intelligente Organisation der Ort an dem personale und systemische Intelligenz rekombiniert werden Mit Hilfe von Wissensmanagement muss das Wissen von Organisationsmitgliedern einschliesslich des impliziten Wissens tacit knowledge aufbereitet organisiert und in ein kollektives Wissen der Organisation transformiert werden Dies geschieht mit Hilfe von Dokumentenmanagement People to Document oder Expertensystemen People to People Es gilt fur ein Unternehmen also die kollektive Wissenskonstruktion zu fordern und deren Potentiale zu assimilieren Dadurch entstehe systemische Intelligenz Die Wissensbasierung als Herausforderung fur die Padagogik kooperatives Lernen Bearbeiten Hauptartikel Social Learning Nach Ansicht von Padagogen fuhren die Chancen und Herausforderungen weltweiter Kommunikation vermittels neuer Technologien zu neuen Herausforderungen fur Bildung und Weiterbildung Demzufolge musse die Padagogik mehr Wert auf abstrakte Kompetenzen legen wozu Kommunikationsfahigkeit explorative Kompetenz situierte Kognition kooperatives Lernen und gemeinsame Wissenskonstruktion gehoren Die gesellschaftlichen Veranderungen in Richtung einer Wissensgesellschaft und die damit einhergehenden Anforderungen an einen verantwortungsvollen und selbstandigen Umgang mit vielfaltigen Wissensquellen wurden auch eine Neuorientierung in der Weiterbildungslandschaft notwendig machen 3 Folgt man dieser Pramisse so muss Wissen in Zukunft starker problembezogen erworben und nicht nur konsumiert sondern auch selbst konstruiert werden Das Internet bzw Online Communities bieten nach Auffassung von Padagogen und Psychologen neuartige Vehikel fur die soziale Konstruktion von Wissen 4 5 Als Modell fur eine Struktur die zur effektiven Wissenskonstruktion fuhrt bietet sich nach Ansicht von Kognitionswissenschaftlern das Gehirn an 6 Laut dem Padagogen Jean Pol Martin werde im gegenwartigen Forschungs und Ausbildungssystem Wissen immer noch von Experten gehortet und an Eingeweihte uber Monographien und wissenschaftliche Artikel weitergeleitet Das auf diese Weise prasentierte Wissen werde von den Abnehmern die sich in der Regel keine hohere Kompetenz als dem Verfasser zuschreiben weder in Frage gestellt noch durch eigene Beitrage angereichert Die neuen Kommunikationsmittel beteiligten dagegen ungleich mehr Menschen So werde in der neuen Wissensgesellschaft die Produktion von Wissen in einem dynamischen Prozess kontinuierlicher Prasentation Prufung und Speicherung demokratisiert Das Konzept Lernen durch Lehren LdL weitet Martin auf die kollektive Konstruktion von Wissen im Internet aus vor allem um explorative Kompetenzen sowie Netzsensibilitat zu fordern 7 Siehe auch BearbeitenRessourcenorientierung KollaborationsskriptLiteratur BearbeitenFrank Fischer Gemeinsame Wissenskonstruktion Theoretische und methodologische Aspekte Padagogik Oktober 2001 online Memento vom 6 Juli 2003 im Internet Archive Sabine Gruber Intermediare Organisationen in der Stadtentwicklung Moglichkeitsraume fur kollektives Lernen und Demokratieentwicklung Munchen 2007 1 Konstruktion von Wissen in Unternehmen Seminararbeit bei Wolf Andreas Liebert Edmund Kosel Die Konstruktion von Wissen Eine didaktische Epistemologie Bahlingen 2007 Heinz Mandl und Ulrike Marie Krause Lernkompetenz fur die Wissensgesellschaft 2001 Padagogik PDF 124 kB Heinz Mandl Katrin Winkler Wissensmanagement in Communities Communities als zentrales Szenario der Weiterbildungslandschaft im dritten Jahrtausend Praxisbericht Nr 27 2003 online Memento vom 19 Juni 2006 im Internet Archive Jean Pol Martin Forschungshomepage Homepageforschung in E Piepho A Kubanek German Hrsg I beg to differ Beitrage zum sperrigen interkulturellen Nachdenken uber eine Welt in Frieden Festschrift fur Hans Hunfeld Munchen Judicum 1998 205 213 PDF Datei 472 kB Memento vom 26 Juni 2003 im Internet Archive Jean Pol Martin Wissenscontainer Online Communities und kollektive Lernprozesse In Neveling Christiane Hrsg Perspektiven fur die zukunftige Fremdsprachendidaktik Tubingen Narr S 89 102 2002 online Memento vom 27 Juli 2003 im Internet Archive Rezension Klaus Neundlinger Die Performance der Wissensarbeit Immaterielle Wertschopfung und Neue Selbststandigkeit Wien Graz Nausner amp Nausner 2010 Sigmar Olaf Tergan Lernen und Wissensmanagement mit Hypermedien In Tergan S O 2003 Lernen und Wissensmanagement mit Hypermedien Unterrichtswissenschaft 31 4 334 358 2 Jorg Zumbach Andreas Rapp Hypermedien und Wissenskonstruktion Osnabrucker Beitrage zur Sprachtheorie Heft 63 3 darin Wissenserwerb mit Hypermedien Eine kognitionswissenschaftliche Betrachtung S 27 44 Reinhard Willfort Klaus Tochtermann Aljoscha Neubauer Hg Creativity Work fur Wissensarbeit Aachen 2007 ISBN 9783832260286 Christian Pentzold Machtvolle Wahrheiten Diskursive Wissensgenerierung in Wikipedia aus Foucault scher Perspektive In Stegbauer Christian Schmidt Jan Schonberger Klaus Hrsg Wikis Diskurse Theorien und Anwendungen Sonderausgabe von kommunikation gesellschaft Jg 8 Online Publikation PDF Wolf Anneke Wikipedia und kollaboratives Arbeiten im Internet in Thomas Hengartner und Johannes Moser Hg Grenzen und Differenzen Zur Macht sozialer und kultureller Grenzziehungen 35 Kongress der Deutschen Gesellschaft fur Volkskunde Dresden 2005 Leipzig 2007 Schriften zur sachsischen Geschichte und Volkskunde Bd 17 S 639 650 Moskaliuk Johannes Hg Konstruktion und Kommunikation von Wissen mit Wikis Boizenburg Verlag Werner Hulsbusch 2008 ISBN 3 940 31729 2Weblinks Bearbeiten nbsp Wikiversity Wissenswissenschaften KursmaterialienEinzelnachweise Bearbeiten Helmut Willke Organisierte Wissensarbeit In Zeitschrift fur Soziologie Band 27 Heft 3 Juni 1998 S 161 177 PDF 932 kB James Quinn Intelligente Organisation 1992 So sagt etwa der Psychologe Heinz Mandl Neben bewahrten traditionellen Weiterbildungskonzepten werden Ansatze zentral die sowohl Wissens und Erfahrungsaustausch selbst gesteuertes und kooperatives Lernen als auch arbeitsplatznahes und anwendungsorientiertes Lernen betonen Der zielgerichtete Umgang mit der Ressource Wissen sowie zeitnaher Wissenserwerb und transfer werden im dritten Jahrtausend zu einem wichtigen Teil der Weiterbildung Wissensmanagement in Communities zusammen mit Katrin Winkler 2003 Einige Anhanger der Kondratjew Theorie wie beispielsweise Erik Handeler betrachten die neuen Kommunikationsmittel als Voraussetzung zu einem neuen Wirtschaftszyklus dem 6 Kondratjeff E Handeler 2003 Die Geschichte der Zukunft Sozialverhalten heute und der Wohlstand von morgen So schreibt der Lehr und Lernforscher Frank Fischer in einem Forschungsbericht aus dem Jahre 2001 Padagogen und Psychologen sind heute gleichermassen fasziniert von Phanomenen gemeinsamer Wissenskonstruktion Gruppen von Lernenden diskutieren ohne intensive Eingriffe von Lehrenden komplexe Themen und versuchen ihre eigenen Erfahrungen im Kontext theoretischer Konzepte zu reflektieren und dabei gleichzeitig die Bedeutung der verwendeten Konzepte zu verstehen Zunachst verspricht man sich von solchen Szenarien dass die Lernenden besseres also etwa mehrperspektivischeres oder kritischeres Wissen erwerben Des Weiteren wird von solchen Szenarien angenommen dass die Lernenden beim kooperativen Lernen wichtige soziale und gesellschaftliche Handlungskompetenzen erwerben wie etwa argumentative Kompetenzen Schliesslich rucken in manchen Ansatzen mehr und mehr die gemeinsamen Ergebnisse der Kooperation in den Vordergrund also etwa die gemeinsam konstruierte externale Wissensbasis die allen Lernpartnern dauerhaft zur Verfugung steht Frank Fischer 2001 Gemeinsame Wissenskonstruktion Theoretische und methodologische Aspekte Fuhrt man diesen Vergleich durch so konnen Internet User metaphorisch als Neurone definiert werden die in grosser Zahl und grosser Frequenz miteinander interagieren Bezogen auf das Gehirn werden die emergierenden Ergebnisse dieser scheinbar chaotisch verlaufenden Neuronen Interaktionen neuronale Netze Gedanken genannt Auf das Internet ubertragen konnen durch intensive Interaktionen zwischen Menschen Neuronen fur die Menschheit relevante Problemlosungen erarbeitet werden Siehe dazu Hans Strohner Kognitive Systeme Eine Einfuhrung in die Kognitionswissenschaft Opladen Westdeutscher Verlag 1995 S 209 210 und J de Rosnay P Russel Jean Pol Martin Gemeinsam Wissen konstruieren am Beispiel der Wikipedia In Klebl Michael Kock Michael Hg Projekte und Perspektiven im Studium Digitale Munster LIT Verlag 2006 157 164 online Memento vom 2 Januar 2006 im Internet Archive Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Gemeinsame Wissenskonstruktion amp oldid 233623693