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Das KZ Aussenlager Schillstrasse 1 in Braunschweig wurde am 5 November 1944 als Aussenlager des KZ Neuengamme errichtet Dieses KZ Aussenlager der SS wurde auch als Lager Bussing NAG Schillstrasse nach der Firma bezeichnet 2 fur die zunachst rund 2000 KZ Haftlinge Zwangsarbeit in der Rustungsproduktion der Braunschweiger Automobilwerke Bussing NAG leisten mussten Im Marz 1945 wurde das Konzentrationslager aufgelost da die Produktion in den Bussing Werken aufgrund von Bombenschaden eingestellt werden musste Die Haftlinge wurden in andere Konzentrationslager verlegt Das Podest aus gemauerten Ziegeln von Sigrid Sigurdsson im Vordergrund und die Wandgestaltung mit zahlreichen TafelnAuf dem ehemaligen Lagergelande und bei der heutigen Gedenkstatte daran befindet sich auch das Schill Denkmal das 1837 als Grabstatte fur den Major Ferdinand von Schill und einige seiner Offiziere errichtet wurde Ferdinand von Schill leitete 1809 einen gescheiterten Aufstandsversuch gegen die napoleonische Besatzung 1955 wurde das Schilldenkmal neugeweiht und sollte dann auch an die gefallenen Braunschweiger Soldaten des Zweiten Weltkrieges erinnern Bis zur Errichtung der Gedenkstatte fand am Volkstrauertag die offizielle Gedenkveranstaltung des Volksbund Deutsche Kriegsgraberfursorge VDK und der Stadt Braunschweig am Schilldenkmal statt Vertreter der Stadt der Volksparteien der Bundeswehr und Traditionsverbande ehemaliger Truppenteile legten dort Kranze nieder 1994 und 1995 kam es am Schilldenkmal zu Auseinandersetzungen der Teilnehmer der offiziellen Gedenkveranstaltung mit Teilnehmern einer an gleicher Stelle und zu gleicher Zeit stattfindenden Gedenkveranstaltung antifaschistischer Gruppen fur die Opfer des KZ Aussenlagers Diese Auseinandersetzungen fuhrten schliesslich dazu dass die Stadt die Gedenkstatte KZ Aussenlager Schillstrasse errichtete und die offizielle Gedenkveranstaltung auf den Hauptfriedhof verlegte Inhaltsverzeichnis 1 Entstehung des Lagers 2 Lager und Arbeit 3 Auflosung des Konzentrationslagers 4 Entschadigung von Zwangsarbeitern 5 Auseinandersetzungen um die Formen des Gedenkens 6 Gedenkstatte KZ Aussenlager Schillstrasse 7 Weitere bislang bekannte NS Arbeitslager in Braunschweig 8 Literatur 9 Weblinks 10 EinzelnachweiseEntstehung des Lagers Bearbeiten nbsp Abbildung des Lagers als Wandtafel an der Gedenkstatte SchillstrasseSeit etwa 1942 forderten die Bussing Werke bei verschiedenen Regierungsstellen Zwangsarbeiter fur den Einsatz in der Rustungsproduktion an Zunachst stellte u a das Strafgefangnis Wolfenbuttel Gefangene fur diesen Zweck ab Deren Zahl reichte jedoch nicht aus um die Produktion von Lastwagen des Bussingwerks und Flugzeugmotoren die Bussing ab 1935 in Lizenz von Daimler Benz in den Niedersachsischen Motorenwerke NIEMO in Braunschweig Querum herstellte sicherzustellen Im Fruhjahr 1944 versiegte der gewaltsam herbeigefuhrte Zustrom von auslandischen Zivilarbeitern im Dritten Reich und in der regimenahen Wirtschaft wurden Uberlegungen angestellt das Potential der Haftlinge in den Konzentrationslagern zu nutzen Zahlreiche bekannte Firmen wie beispielsweise die Firma Bussing NVA reichten Antrage auf Zuteilung von Haftlingen die beim SS Wirtschaftsverwaltungshauptamt zu stellen waren ein Zustandig waren hier der SS Standartenfuhrer Gerhard Maurer und Maurers Vorgesetzter der SS Gruppenfuhrer Richard Glucks sowie Oswald Pohl 3 Wurde die Zuteilung von Haftlingen genehmigt kontrollierten Mitarbeiter des Wirtschaftsverwaltungsamtes und der zustandige Lagerkommandant das Vorhaben hinsichtlich einer Eignung Dabei wurde besonders auf die entsprechende Einzaunung und das Risiko der Kontaktaufnahme zu Zivilarbeitern geachtet Waren die Voraussetzungen durch die beantragende Firma erfullt wurde das KZ Stammlager angewiesen eine Anzahl von KZ Haftlingen zuzuweisen und diese Zahl konstant zu halten 4 Die Firmen konnten selbst die Auswahl unter den Haftlingen treffen Auch Bussing stellte einen Antrag der genehmigt wurde und im September 1944 reisten zwei Mitarbeiter der Bussing NAG der Ingenieur Pfander und der kaufmannische Angestellte Scholmeyer 5 ins KZ Auschwitz um 1 000 bis 1 200 Haftlinge mit Erfahrungen in der Metallindustrie auszuwahlen Die meisten der ausgewahlten Manner stammten aus dem judischen Ghetto in Lodz In mehreren Transporten wurden die Haftlinge anschliessend nach Braunschweig gefahren Ein Teil kam zunachst in das KZ Aussenlager Vechelde in Vechelde der andere ins Lager Schillstrasse Zuvor wurden aus dem Stammlager Neuengamme 126 Haftlinge nach Braunschweig gebracht um dort das Lager Schillstrasse einzurichten Unter den 126 Haftlingen waren 74 franzosische Widerstandskampfer 42 Russen Letten Esten acht Deutsche und zwei Polen 4 Es wurden vier Baracken zur Unterbringung der Gefangenen und eine fur die SS Wachmannschaft errichtet Entsprechend den geltenden Vorschriften sollte jede Baracke 312 Personen aufnehmen In die Wohnbaracke der SS Wachmannschaft kamen zunachst 25 und spater 50 Wachter 6 Das Lager war am 5 November 1944 fertiggestellt und der Lagerkommandant Max Kirstein ubernahm mit dem SS Fuhrer Rolfs in der Lagerschreibstube der bereits im KZ Aussenlager Vechelde seinem Vertreter war Heinrich Sebrantke SS Scharfuhrer Robert Nordmann zustandig fur Essensverpflegung SS Mann Gerjet Backer den SS Schutzen Hermann Schier und August Sonntag SS Sturmmann L Sagell sowie SS Oberscharfuhrer Paul Braszeszwewitz das Kommando im KZ Schillstrasse das dem KZ Neuengamme unterstand 7 Lager und Arbeit BearbeitenIm KZ waren nach den Transporten Mitte September Mitte Oktober und am 9 November 1944 etwa 1200 Haftlinge untergebracht Die Haftlinge wurden in zwei Tagesschichten eingesetzt Es musste in 3 Stockwerk Betten geschlafen werden Um 4 Uhr morgens wurden die Haftlinge geweckt sie wurden durch Appelle und wegen angeblicher Vergehen schikaniert und mit Prugelstrafen belegt Zur Arbeit mussten sie 1 2 Kilometer marschieren und waren in der Reparaturabteilung fur Maschinen und im sogenannten Dieselbunker eingesetzt Dort mussten sie Maschinengehause bearbeiten und ihre Kleidung die noch aus dem Lager Auschwitz stammte war durch die zu verrichteten Arbeiten vollig verolt und verschmutzt Es gab keine Kleidung zum Wechseln oder Kleider Waschmoglichkeit Die Haftlinge hatten keine warme Kleidung und zum Teil waren die KZ Kleidung derart verschmutzt dass deren Streifen nicht mehr erkennbar waren Sie hatten wahrend der 12 stundigen Arbeitszeit einmal 30 Minuten Pause zur Essenseinnahme das aus einer warmen Suppe bestand Die Suppe in Schusseln wurde ihnen aus den Handen geschlagen wenn sie innerhalb der vorgegebenen Zeit nicht inklusive Essensausgabe fertig gegessen hatten Das Essen wurde in der Kuche der Firma Bussing zubereitet und von Funktionshaftlingen ausgegeben Lagerkommandant Kirstein anderte dies ab seine SS Wachter gaben das Essen selbst aus und stahlen offensichtlich einen Teil des fur die Haftlinge zugeteilten Essens Dies ist beispielsweise im zum Lager Schillstrasse gehorigen KZ Unterlager Vechelde nachgewiesen 8 Der Gesundheitszustand der Haftlinge war schon bei Ankunft schlecht Ende 1944 starben taglich 8 bis 10 Personen an Durchfall Typhus und Tuberkulose Es gab zwar Arzte unter den Haftlingen die aber ohne entsprechende Medizin und medizinische Geratschaften wenig dagegen ausrichten konnten Die Sterberate fuhrte dazu dass Anfang Januar ein Vertreter des KZ Neuengamme 200 kranke Haftlinge ins KZ Watenstedt verlegen liess Nach Schatzungen wurden 400 bis 500 Haftlingsleichen nach Salzgitter und 80 weitere ins Krematorium Braunschweig transportiert 9 Auflosung des Konzentrationslagers BearbeitenAb 26 Marz 1945 mussten die verbliebenen Haftlinge das Lager in der Schillstrasse verlassen da die Bussing Werke durch einen Bombenangriff zerstort wurden und waren kurz im KZ Watenstedt Leinde in Leinde inhaftiert Am 7 und 8 April verliessen sie Watenstedt in offenen Eisenbahnwaggons und sollten Richtung KZ Neuengamme transportiert werden Der Zug fuhr sie allerdings in Richtung Stendal und hielt in Uchtspringe an wo 66 tote Haftlinge aus dem Zug entfernt und in einem Massengrab beerdigt wurden Nach einer sechstagigen Irrfahrt kamen sie im Konzentrationslager Ravensbruck an Am 24 April sollten die wenigen Uberlebenden von der SS nach Hamburg gebracht werden der Zug wurde bombardiert und musste zuruckkehren Sie wurden am 27 April 1945 mit Lkw ins KZ Wobbelin gebracht und dort am 2 Mai 1945 von der 82nd Airborne Division befreit Am 12 April 1945 wurde die Ubergabe der Stadt Braunschweig an Einheiten der 30 US Infanteriedivision vollzogen Nichts deutete mehr auf das ehemalige KZ hin Die inzwischen dort untergebrachten Kriegsgefangenen wurden befreit Bereits am 15 April wurde die Produktion bei der Bussing NAG wieder aufgenommen drei Tage spater erteilte die Militarregierung die Erlaubnis zur Wiederaufnahme der Produktion Entschadigung von Zwangsarbeitern BearbeitenIm Jahr 1948 beauftragte der ehemalige Zwangsarbeiter Adolf Diamant einen Rechtsanwalt aus Israel Schadenersatzanspruche fur die geleistete Arbeit gegenuber der Bussing NAG einzuklagen Die Bussing NAG bescheinigte zwar dass Diamant Zwangsarbeit geleistet habe er sei aber nicht eingestellt oder angefordert worden sein Arbeitseinsatz sei von Regierungsstellen angewiesen worden Folglich weigerte sich die Bussing NAG ihm nachtraglich Lohn zu zahlen Das Amtsgericht Braunschweig verurteilte die Bussing NAG schliesslich am 20 Juni 1965 zu einer Lohnnachzahlung von 177 80 DM 1977 wurde das KZ in die Anlage zum Bundesentschadigungsgesetz BEG aufgenommen Auseinandersetzungen um die Formen des Gedenkens Bearbeiten nbsp Das Gebaude der Gedenkstatte Schillstrasse Invalidenhauschen Seit 1955 fand am Schilldenkmal das direkt an das ehemalige Lagergelande angrenzt alljahrlich zum Volkstrauertag die offizielle Gedenkveranstaltung des Volksbundes Deutsche Kriegsgraberfursorge und der Stadt Braunschweig statt Es wurde den gefallenen Soldaten der in Braunschweig stationierten Truppenteile und den Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft gedacht An das KZ Aussenlager wurde dabei nicht erinnert 1991 stellte die Initiative KZ Aussenkommando Schilldenkmal eine Tafel mit Informationen zum Konzentrationslager auf dem Gelande des Schilldenkmals auf Diese wurde jedoch von der Stadt entfernt Am Volkstrauertag 1994 und 1995 veranstalteten das Antifaschistische Plenum und die Jugend Antifa Aktion JAA an gleicher Stelle und zum gleichen Zeitpunkt wie die offizielle Kranzniederlegung eine Gedenkveranstaltung fur die Opfer des KZ Aussenlagers Es kam zu korperlichen Auseinandersetzungen Polizeieinsatzen und anschliessenden Gerichtsverfahren Diese Auseinandersetzungen fuhrten schliesslich dazu dass der Rat der Stadt 1996 beschloss einen Kunstlerwettbewerb zur Gestaltung einer Gedenkstatte auszuschreiben Die offizielle Gedenkveranstaltung wurde auf den Hauptfriedhof verlegt Gedenkstatte KZ Aussenlager Schillstrasse Bearbeiten nbsp Wandgestaltung an der Gedenkstatte SchillstrasseSeit Mai 2000 erinnert die von der Kunstlerin Sigrid Sigurdsson konzipierte und von der Stadt Braunschweig errichtete Gedenkstatte KZ Aussenlager Braunschweig Schillstrasse an das Geschehene Im Invalidenhauschen erbaut 1840 als Herberge fur den Verwalter des Schill Denkmals befindet sich nun ein sogenanntes Offenes Archiv zu dessen Entstehung verschiedenen Braunschweiger Burger Organisationen und Parteien mit Dokumenten Erlebnisberichten Erinnerungen und Forschungsarbeiten zur Geschichte des Lagers aber auch zur Auseinandersetzung um die Formen des Erinnerns seit 1945 beigetragen haben Texte aus dem offenen Archiv sind auf Tafeln an Mauern auf dem Gelande angebracht Auf dem ehemaligen Gelande des Konzentrationslagers das heute von der Post AG benutzt wird wurde eine Leuchtschrift mit der Mahnung Die Zukunft hat eine lange Vergangenheit angebracht Weitere bislang bekannte NS Arbeitslager in Braunschweig BearbeitenKralenriede Ruhmerberg Schuntersiedlung Mascherode Schutzenplatz 10 Dietrich Klagges Stadt KZ Aussenlager SS Reitschule Entbindungsheim fur Ostarbeiterinnen Broitzemer Strasse 200 heute Munchenstrasse 11 Literatur BearbeitenBernhild Vogel Denkstatte Schillstrasse Materialien fur Schule und Bildungsarbeit Hrsg vom Jugendring Braunschweig Braunschweig 1998 ISBN 3 9801592 3 X Karl Liedke Braunschweig Bussing In Wolfgang Benz Barbara Distel Hrsg Der Ort des Terrors Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager Band 5 Hinzert Auschwitz Neuengamme C H Beck Munchen 2007 ISBN 978 3 406 52965 8 S 357 ff Karl Liedke Gesichter der Zwangsarbeit Polen in Braunschweig 1939 1945 Arbeitskreis Andere Geschichte Braunschweig 1998 ISBN 3 929778 05 X Karl Liedke Das KZ Aussenlager Schillstrasse in Braunschweig 1944 1945 Hrsg vom Kulturinstitut der Stadt Braunschweig Appelhans Braunschweig 2006 ISBN 3 937664 38 6 Karl Liedke Vernichtung durch Arbeit Juden aus Lodz bei der Bussing NAG in Braunschweig 1944 1945 In Gudrun Fiedler Hans Ulrich Ludewig Zwangsarbeit und Kriegswirtschaft im Lande Braunschweig 1939 1945 Appelhans Braunschweig 2003 ISBN 3 930292 78 5 Axel Richter Das Unterkommando Vechelde des Konzentrationslagers Neuengamme Zum Einsatz von KZ Haftlingen in der Rustungsproduktion Hrsg Gemeinde Vechelde Vechelde 1985 Weblinks BearbeitenOffizielle Website der Gedenkstatte Vernetztes Gedachtnis Topographie der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Braunschweig Auflistung weiterer ErinnerungsorteEinzelnachweise Bearbeiten Es befindet sich in der erst um 1960 benannten Schillstrasse grenzte jedoch gleichwohl wahrend seines Bestehens an die altere bis um 1960 existierende Schillstrasse Verzeichnis der Konzentrationslager und ihrer Aussenkommandos gemass 42 Abs 2 BEG Nr 165 Braunschweig Lager Bussing und Schilldenkmal Liedke Vernichtung durch Arbeit S 217 a b Liedke Vernichtung durch Arbeit S 218 Liedke Braunschweig Bussing S 357 Liedke Vernichtung durch Arbeit S 219 Liedke Vernichtung durch Arbeit S 220 Zu den einzelnen SS Rangbezeichnungen siehe hier Liedke Vernichtung durch Arbeit S 226 ff Liedke Vernichtung durch Arbeit S 228 f und S 231 Industrielager Schutzenplatz online52 256666666667 10 541111111111 Koordinaten 52 15 24 N 10 32 28 O Normdaten Korperschaft GND 4397422 3 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title KZ Aussenlager Schillstrasse amp oldid 221304596