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Jakob Stern 28 Mai 1843 in Niederstetten 4 April 1911 in Stuttgart eigentlich Isaak Stern war ein deutscher Rabbiner Journalist und sozialistischer Schriftsteller der sich vom orthodoxen Juden zum freidenkenden Sozialisten wandelte Jakob Stern Inhaltsverzeichnis 1 Leben 1 1 Bruch mit dem Judentum 1 2 Sozialdemokratische Aktivitaten 1 3 Tod 1 4 Varia 2 Werke Auswahl 3 Literatur 4 Einzelnachweise 5 WeblinksLeben BearbeitenJakob der ursprunglich Isaak hiess war der Sohn von Moses Stern 1809 1898 und Flora Stern geb Frankfurter 1817 1897 Zunachst lernte er bei dem orthodoxen Rabbiner Mendel Rosenbaum in Zell am Main ehe er ab 1858 fur eineinhalb Jahre die Jeschiwa in Pressburg besuchte die damals grosste und einflussreichste Talmud Hochschule in Europa 1 Mit einem Morenu Diplom zuruckgekehrt bekannte er sich eine Zeitlang zum Chassidismus 2 In Stuttgart nahm er gymnasialen Privatunterricht und lernte den Reformrabbiner und Mitglied der israelitischen Oberkirchenbehorde Joseph von Maier kennen bei dem er gewohnt haben soll 1866 bestand er in Tubingen die Maturitatsprufung Voraussetzung fur das Studium der damals so genannten mosaischen Theologie Die erste Dienstprufung legte Stern 1869 ab In dieser Zeit befasste er sich bereits mit Baruch de Spinoza dessen Schrift Ethik er spater vom Lateinischen ins Deutsche ubersetzte Anschliessend kehrte er nach Niederstetten zuruck wo er als Rabbinatskandidat auf eine Stelle wartete 3 Auf seine Anregung hin grundete sich in Niederstetten ein reformjudischer Verein 4 In seiner Heimatstadt heiratete er 1872 Rebekka Rifka Ney die 1886 verstarb Das Ehepaar hatte zwei Tochter und zwei Sohne Beide Sohne kamen nach dem Tod der Mutter bei Verwandten in den Vereinigten Staaten unter die Tochter Maria und Viola blieben beim Vater Viola wurde wahrend der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in das KZ Theresienstadt deportiert und uberlebte 5 Noch von Niederstetten aus veroffentlichte er in Berlin und Leipzig sein zweibandiges Werk Gottesflamme dem er das Motto voransetzte Die Religion Israels nach dem Geiste und die reine Religion der Humanitat sind identisch Er sprach sich darin gegen die Beobachtung jener vielen Ceremonialgesetze aus sofern sie mit der Vernunft in Widerspruch stunden Die Vernunft sei das einzige unfehlbare Organ der gottlichen Offenbarung Die Forderung vernunftwidrige Lehren zu glauben und anzuerkennen sei eine religionsfeindliche und verscharfend diese Forderung sei Blasphemie 6 Bruch mit dem Judentum Bearbeiten Vom November 1873 an war er beim Bezirksrabbinat Muhringen als Rabbinatsverweser tatig 1874 absolvierte er die zweite Dienstprufung und wurde als Rabbiner nach Buttenhausen bei Munsingen versetzt In der Anfangszeit gelang es ihm den Gottesdienst nach seinen Vorstellungen zu gestalten 7 doch dann eskalierte die Situation mit seinen lokalen Gegnern 1879 wurde ein Disziplinarverfahren wegen Verfehlungen gegen das Ritualgesetz eingeleitet 8 Auf Grund seiner freidenkerischen Ausserungen und Veroffentlichungen und weil er Buttenhausener Juden des Wuchers bezichtigte wurde er 1880 als Rabbiner suspendiert und 1882 ohne Bezuge endgultig aus dem Rabbinat entlassen Die Vorwurfe Beschuldigungen und Vorkommnisse waren derart zahlreich wenn auch haufig aberwitzig dass sich zum Fall Stern laut Hellmut G Haasis einige tausend Seiten starke Aktenberge in den staatlichen Archiven von Stuttgart Ludwigsburg und Sigmaringen erhalten haben 9 Die Ereignisse in Buttenhausen zogen absurde Behauptungen und Legenden nach sich wozu auch jene von Eduard Fuchs geschilderte Szene zu zahlen ist Stern habe sich am Sabbat vor die Stuttgarter Synagoge gesetzt und demonstrativ Schinkenbrotchen gegessen 10 Sozialdemokratische Aktivitaten Bearbeiten Nach seiner Entlassung aus dem Rabbinat arbeitete Stern als Journalist und freier Schriftsteller in Stuttgart Er soll zum Christentum ubergetreten sein 11 doch spricht eine Konfessionsloserklarung fur sich und seine Familie vom Marz 1883 dagegen 12 Jakob Stern wurde wahrend des Sozialistengesetzes und vor allem nach 1890 zu einem der theoretischen Wortfuhrer der Sozialdemokraten Wurttembergs Fur deren Presseorgan die Schwabische Tagwacht schrieb er regelmassig die Leitartikel 13 Er kandidierte 1887 fur den Reichstag 1889 fur den wurttembergischen Landtag und betatigte sich als sozialdemokratischer Funktionar Als Journalist und gewandter Redner sei Stern so Clara Zetkin der Liebling und Wortfuhrer der Stuttgarter Arbeiterschaft gewesen Dabei hatte es Stern als Intellektueller unter den wurttembergischen Parteikollegen weitaus schwerer als es Zetkins Nachruf und das daraus entnommene Zitat vermittelt Was wird wohl unser Rabbi heute sagen Ich bin neugierig wie das Jakoble sich dazu stellt Das waren Fragen die in den neunziger Jahren einander begegnende Parteigenossen in Stuttgart sich zuriefen wenn die Gemuter durch ein bedeutsames Ereignis des offentlichen Lebens erregt wurden Clara Zetkin Nachruf auf Jakob Stern In Die Neue Zeit Wochenschrift der Deutschen Sozialdemokratie Bd 2 1911 Heft 28 S 56 60 Ende Mai 1886 hielt Jakob Stern auf dem Stuttgarter Freidenkerkongress eine Rede mit dem Titel Halbes und ganzes Freidenkertum in der er betonte dass der ganze Freidenker sich nicht nur auf das religiose Gebiet beschranken durfe Vielmehr seien vernunftige politische und soziale Verhaltnisse der Boden in welchem die Vernunft ihre Wurzeln ausbreiten konne Das Freidenkertum musse sich mit dem Geschick der Arbeiterbewegung verketten 14 Damit wandte er sich nicht nur gegen burgerliche Freidenker wie Ludwig Buchner sondern auch gegen seinen Sterns Vorganger in der Stuttgarter Freidenkergemeinde Albert Dulk der gleichwohl bekennender Sozialist dem Kampf gegen die konfessionellen Religionen die Prioritat zusprach Auf dem Erfurter Parteitag der Sozialdemokratischen Partei von 1891 legte Jakob Stern einen eigenen Programmentwurf vor Einen Doktortitel hat Jakob Stern nie erworben Zwar reichte er im Juli 1880 in Tubingen ein Promotionsgesuch ein jedoch zog er auf Anraten der Fakultat sein Gesuch kurz darauf zuruck 15 Das gescheiterte Promotionsthema Thierqualerei und Thierleben in der judischen Literatur publizierte er noch im gleichen Jahr bei Schabelitz im Zuricher Verlags Magazin Tod Bearbeiten Seit 1903 konnte Jakob Stern nicht mehr offentlich auftreten da er an schweren Depressionen litt doch war er weiterhin schriftstellerisch tatig Um 1909 erkrankte er an Darmkrebs In suizidaler Absicht schoss er sich am 1 April 1911 eine Kugel in den Kopf uberlebte schwerverletzt starb aber drei Tage spater im Stuttgarter Burgerhospital Varia Bearbeiten Der Schweizer Schriftsteller Charles Lewinsky lasst in seinem Roman Melnitz eine Figur mit dem Namen Dr Jakob Stern auftreten einen Rabbiner aus der kleinen Ortschaft Buttenhausen Er wird zum Freidenker und sinniert uber das Schachten von Opfertieren Tatsachlich reichte der historische Jakob Stern im Juli 1880 ein entsprechendes Promotionsgesuch in Tubingen ein siehe dazu aber den Abschnitt weiter oben Werke Auswahl BearbeitenLaut Biographischem Handbuch der Rabbiner S 591 hinterliess Jakob Stern etwa 40 eigenstandige Publikationen sowie eine enorme Anzahl von Aufsatzen und Zeitungsartikeln Seine Themen umfassten nicht nur Theologie Philosophie und Politik sondern auch Drama Komodie und Satire Zudem schrieb er Benimmbucher Ratgeber und gab gesammelte Humoristika heraus Stern nutzte dabei insgesamt mindestens 17 Pseudonyme 1872 73 Gottesflamme Religiose Reden uber die Festtage und Wochenabschnitte 2 Bande Online der 1 Band Berlin 1872 4 Der 2 Band erschien 1873 in Leipzig 1878 Der alte und der neue Glaube im Judentum 1879 Die Frau im Talmud 1879 Lehrbuch der Vernunftreligion als Pater Ambrosius 1880 Thierqualerei und Thierleben in der judischen Literatur Den Thierschutzvereinen gewidmet Online 5 1882 Lichtstrahlen aus dem Talmud Neudruck 1929 1883 Das Schachten Steitschrift gegen den judischen Schlachtritus 1883 Die Religion der Zukunft J H W Dietz Stuttgart mehrere Auflagen 1883 Unbeschrankte Volksvermehrung 1884 Giebt es Gespenster 1886 Halbes und ganzes Freidenkertum Zeit und Streitschrift J H W Dietz Stuttgart 1888 Der Einfluss der sozialen Zustande auf alle Zweige des Kulturlebens J H W Dietz Stuttgart mehrere Auflagen 1889 Thesen uber den Sozialismus Sein Wesen seine Durchfuhrbarkeit und Zweckmassigkeit J H W Dietz Stuttgart 1890 Die Soziale Krankheit ihre Ursachen und ihre Heilung J H W Dietz Stuttgart 1890 Nach zwolf Jahren 1890 Die Philosophie Spinozas Erstmals grundlich aufgehellt und popular dargestellt J H W Dietz Stuttgart mehrere Auflagen Internationale Bibliothek 8 1891 Die Bismarckspende Lustspiel in zwei Aufzugen J H W Dietz Stuttgart 1894 Morgenroth Sozialdemokratische Fest und Zeitgedichte Folge 1 und 2 1899 Das Lexikon der feinen Sitte Neuestes Universalbuch des guten Tones und der feinen Lebensart Praktisches Hand und Nachschlagewerk fur alle Falle des gesellschaftlichen Verkehrs Neudruck 1926 1906 Der Zukunftsstaat Thesen uber den Sozialismus Sein Wesen seine Durchfuhrbarkeit und Zweckmassigkeit 5 wesentlich verbesserte Auflage 1907 Gott Gottglaube oder Atheismus 1909 Tod der TodesstrafeLiteratur BearbeitenJakob Stern In Der Wahre Jacob Nr 646 vom 25 April 1911 S 7038 Digitalisat Heiner Jestrabek Hrsg Vom Rabbiner zum Atheisten Ausgewahlte religionskritische Schriften Jakob Stern IBDK Verlag Aschaffenburg Berlin 1997 ISBN 3 922601 29 4 Hellmut G Haasis Ich bin ein armer Teufel der ums liebe Brot schreibt Zum 150 Geburtstag des wurttembergischen Reformrabbiners und sozialistischen Schriftstellers Jakob Stern 1843 1911 aus Niederstetten In Manfred Bosch Hrsg Alemannisches Judentum Spuren einer verlorenen Kultur Eggingen 2001 S 341 352 Michael Brocke und Julius Carlebach Hrsg Biographisches Handbuch der Rabbiner Teil 2 Die Rabbiner im Deutschen Reich 1871 1945 Bearbeitet von Katrin Nele Jansen Band 2 Munchen 2009 S 590 591 ISBN 978 3 598 24874 0 Web Ressource Web Ressource Einzelnachweise Bearbeiten Biographisches Handbuch der Rabbiner S 590 Hellmut G Haasis S 345 Vgl die zeitgenossischen Berichte Online 1 Biographisches Handbuch der Rabbiner S 590 Allgemeine Zeitung des Judentums 8 Marz 1870 Vgl Gottesflamme Band 1 S 151 157 Hellmut G Haasis S 350 und S 352 Gottesflamme Band 1 S 261 Online zusammengestellt in 2 Biographisches Handbuch der Rabbiner S 590 Hellmut G Haasis S 348 Eduard Fuchs Die Juden in der Karikatur Ein Beitrag zur Kulturgeschichte Langen Munchen 1921 Biographisches Handbuch der Rabbiner Band 2 S 590 Staatsarchiv Ludwigsburg Signatur E 212 Bu 119 Online 3 Vgl Hellmut G Haasis S 344 Ursula Goldenbaum Zur Aneignung Spinozas in der deutschen Sozialdemokratie In Michael Czelinski u a Hrsg Transformation der Metaphysik in die Moderne Zur Gegenwartigkeit der theoretischen und praktischen Philosophie Spinozas Konigshausen amp Neumann Wurzburg 2003 S 248f ISBN 3 8260 2645 4 Sebastian Prufer Sozialismus statt Religion Die deutsche Sozialdemokratie vor der religiosen Frage 1863 1890 Gottingen 2002 S 239 Biographisches Handbuch der Rabbiner S 590 Von einer Promotion schrieb hingegen Utz Jeggle Judendorfer in Wurttemberg 1969 S 138 erw Neuauflage 1999 S 129 Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Jakob Stern im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Jakob Stern im Marxists Internet ArchiveNormdaten Person GND 119144360 lobid OGND AKS LCCN n87903075 VIAF 30340246 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Stern JakobALTERNATIVNAMEN Stern Isaak Pater Ambrosius Adelfels KurtKURZBESCHREIBUNG deutscher Rabbiner der sich zum freidenkenden Sozialisten wandelte AutorGEBURTSDATUM 28 Mai 1843GEBURTSORT NiederstettenSTERBEDATUM 1 April 1911STERBEORT Stuttgart Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Jakob Stern amp oldid 226668141