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Die Judische Gemeinde Fellheim war eine von 1670 bis 1942 bestehende landliche judische Gemeinde im oberschwabischen Fellheim im heutigen Landkreis Unterallgau in Bayern Weitere grossere judische Gemeinden in der naheren Umgebung bestanden in Altenstadt Iller Bad Buchau Ichenhausen Laupheim und Memmingen Sie befand sich in der Form eines Strassendorfes mit Synagoge am sudlichen Ortseingang in der Memminger Strasse 1833 wohnten 80 judische Familien in Fellheim und stellten 70 der Einwohnerschaft der Ortsbevolkerung Es entstanden dadurch zwei unterschiedliche Siedlungstypen im Suden der judische Teil Fellheims ab 1670 auch Judenhausen genannt 1 und im nordlichen Teil das eigentliche bauerliche Dorf mit dem gewohnten Ortsbild Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 1 1 Beginn im 17 Jahrhundert 1 2 Pogrom vom 10 November 1938 1 3 Das Ende der judischen Gemeinde 1 4 Nach 1945 1 5 Judische Kriegsveteranen 1 6 Rabbiner von Fellheim 1 7 Sonstige Personen 2 Siehe auch 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseGeschichte Bearbeiten nbsp Rathaus von Fellheim in der ehemaligen judischen Schule 2008 Beginn im 17 Jahrhundert Bearbeiten In den Territorien der Wittelsbacher von denen sich das heutige Bundesland Bayern herleitet gab es keine einzige Ansiedlung von Juden Nur im Bereich des spateren Regierungsbezirkes Schwaben in den ehemaligen kleinen geistlichen und weltlichen Territorien die oftmals unter Geldmangel litten siedelten sich Familien judischen Glaubens unter dem rechtlichen Konstrukt des Judenregals an Den Juden war es nicht erlaubt Mitglied einer Zunft zu werden Ihre beruflichen Tatigkeiten waren auf den Beruf des Hausierers sowie den Fell Vieh Salz und Getreidehandel beschrankt Spater kam unter Einschrankungen das Geldgewerbe hinzu Nach dem Dreissigjahrigen Krieg erlaubte Freiherr Phillip Bernhard von Reichlin Meldegg im Jahre 1670 den Zuzug von zunachst funf judischen Familien nach Fellheim 1716 wurde Marx Nissont als Rabbiner von der Gemeinde angestellt Er war Vorsanger Religions und Elementarlehrer Gemeindeschreiber und Schachter 1786 wurde auf dem heutigen Grundstuck Memminger Strasse 17 eine Synagoge erbaut Spater kam ein judischer Friedhof hinzu Zuvor gab es fur die judischen Familien einen Betsaal 1794 wurde eine Mikwe ein Gebaude fur das rituelle Tauchbad der Gemeinde sowie die erste Schule erwahnt Nachdem ab 1812 auch ein christlicher Lehrer an der Schule unterrichtete dieser jedoch aufgrund der Bevorzugung von Juden nach Lindau versetzt wurde stellte die judische Gemeinde 1814 einen eigenen Lehrer zum Gehalt von 300 Gulden an Bereits 1829 sind insgesamt 79 Werktagsschuler und 64 Sonntagsschuler verzeichnet Diese Anzahl stieg bis 1833 auf 86 Werktagsschuler an wahrend die Sonntagsschuler bei 63 Schulern stagnierte Nachdem die alten Raumlichkeiten untragbar und auch zu klein geworden sind wurde 1836 ein Neubau in der Memminger Strasse 44 gebaut Im Jahre 1860 waren nur noch 48 Werktagsschuler und 33 Sonntagsschuler verzeichnet Diese Anzahl sank bis 1900 auf drei Werktagsschuler und zwei Sonntagsschuler 1910 wurde der Schulbetrieb eingestellt und die verbliebenen judischen Schuler in die christliche Grundschule geschickt Den judischen Religionsunterricht ubernahm ein judischer Religionslehrer aus dem nahen Memmingen 2 Das Schulhaus wurde 1911 von der christlichen Gemeinde zum Preis von 6000 Mark erworben und als Schulhaus verwandt Heute ist es das Rathaus der Gemeinde Fellheim Des Weiteren gab es eine rituelle Metzgerei in der Memminger Strasse 16 Die Wohnhauser der judischen Familien befanden sich im sudwestlichen Teil des Dorfes Die Hauser sind noch an ihrem allgemeinen Erscheinungsbild einer geringen Grundflache und der dichten oftmals zusammenhangenden Bebauung erkennbar Bis 1806 gehorte Fellheim dem Adelshaus der Reichsfreiherrn von Reichlin Meldegg Im Jahre 1833 wurde die Hochstzahl an judischen Einwohnern mit etwa 500 Personen erreicht Damit waren 70 der Ortsbevolkerung Fellheims judischer Konfession Die judische Gemeinde gehorte zum Distriktsrabbinat Augsburg Eine judische Schule die 1910 geschlossen wurde erhielt die Gemeinde 1836 Danach fand eine Abwanderung der judischen Gemeindemitglieder wegen besserer Lebensbedingungen in die umliegenden Stadte statt So verliess auch die Familie Rosenthal Fellheim und grundete in Munchen das Rosenthal Antiquariat in einem in den Jahren 1909 bis 1911 in der Brienner Strasse 47 errichteten Stadtpalais 1910 wurden noch 22 judische Einwohner gezahlt funfzehn Jahre spater noch 20 Nach 1933 konnten allerdings erst in den Jahren 1938 bis 1941 12 judische Einwohner auswandern Die letzten 14 Gemeindemitglieder wurden 1942 deportiert Pogrom vom 10 November 1938 Bearbeiten Wahrend des Pogroms am 10 November 1938 kamen circa vierzig Manner auf drei Lastautos aus dem benachbarten Boos nach Fellheim Sie drangen in die Synagoge ein und zerschlugen einen Teil der Inneneinrichtung Danach entwendeten sie die Gegenstande fur Ritus und Kult zehn alte Torarollen und einen Toramantel aus dem 18 Jahrhundert und verbrannten sie auf dem Ruckweg nach Boos Zur Unterstutzung der geplanten Aktion kamen zusatzlich SS Leute aus dem nahen Memmingen nach Fellheim Die SS Leute zerstorten den Rest des Inventars und beschadigten den Toraschrein schwer Einige Dorfbewohner beteiligten sich an der Verwustung Die Mehrheit der Fellheimer Einwohnerschaft widersetzte sich aber der Zerstorung der Synagoge Wahrend des Krieges wurde das leerstehende Gebaude militarisch genutzt und diente der Unterbringung von Flugzeugmotoren Das Ende der judischen Gemeinde Bearbeiten Die folgenden Personen wurden im Marz und Juli 1942 nach Piaski in Polen verschleppt Isaak Einstein Berta Einstein Julius Einstein Samuel Hess Paula Hess Siegfried Mayer Elias Mayer Jeanette Mayer Beathe Mayer Hanna Mayer Martin Mayer Hans Mayer Bertha MayerDort verliert sich ihre Spur Es existiert ein letzter Brief von Berta und Isaak Einstein an ihre Kinder Fellheim 27 Juli 1942Meine lieben guten Kinder Alle nbsp Judischer Friedhof Fellheim Memminger Strasse 2012 Noch der letzte Gruss aus unserer Heimat ob der Euch liebe Kinder und liebe Enkel erreicht muss Gott uberlassen werden Seit Tischa beAv wissen wir dass wir fortkommen gesammelt werden mit noch zwolf alteren Leuten aus Memmingen und Augsburg Uber das Ziel wissen wir noch nichts Bestimmtes man sagt von Theresienstadt in der Tschechei wo auch schon Bekannte von Munchen sind schreiben durfen wir denke ich nicht Der liebe Onkel Adolf ist trotz seiner Gebrechen von Heggbach weggekommen er liess schreiben nach Stuttgart Teilt uns mit wohin er kommt doch bis jetzt konnten wir nichts erfahren so G W Gott will auch nach Theresienstadt Meine guten Kinder und Enkel dass nur ihr noch fort gekommen seid ist unser Trost Nur dass Du liebe Marta nicht mit Deinem lieben Mann zusammen sein durftest ist von Gott hoffe dass er es zum Guten lenkt Mit seinen Eltern stand ich in stetem Briefwechsel Gesund sind wir G L Gott lob beide und teilen in Gottes Namen das Los Tausender Liebe Tochter Eure lieben Schwestern haben Packchen nach Piaski Sammellager in Polen geschickt so lange es moglich war so Gott will gibt es ein Wiedersehen Meine Gedanken begleiten Euch stundlich Lebt wohl gute Kinder und Enkel Gluck und Segen gebe Euch der Allmachtige Grusse und kusse Euch innig Eure MutterMeine lieben und guten Kinder und Enkel Die liebe Mutter hat alles andere schon geschrieben es muss halt sein und man kann nichts andern Sonst sind wir Gott sei Dank wohl und gesund das Gleiche von Euch meine Lieben hoffe ich auch Es grusst Euch und kusst Euch Euer Euch liebender Vater Isaak 3 Die Kinder der Einsteins uberlebten den Holocaust und erhielten den Brief nach Kriegsende Nach 1945 Bearbeiten Nach 1945 wurde das Gebaude von der einruckenden US Armee beschlagnahmt und der judischen Vermogensverwaltung JRSO Jewish Restitution Successor Organization ubertragen 1951 wurde es an Privatpersonen verkauft die es 1954 renovierten und zu einem Wohnhaus umbauten Im August 1948 wurde vor dem Landgericht Memmingen gegen acht Personen wegen Beteiligung am Pogrom Anklage erhoben Zwei wurden freigesprochen sechs erhielten Gefangnisstrafen zwischen 4 und 15 Monaten Im Jahre 2007 kaufte die Gemeinde Fellheim das Gebaude der ehemaligen Synagoge und den Platz zwischen Synagoge und Friedhof 4 In den kommenden Jahren ist geplant die ehemalige Synagoge mit einem Kostenaufwand von 1 7 Millionen Euro wieder instand zu setzen An dem Vorhaben beteiligt sich der bayerische Staat in Hohe von 1 3 Millionen Euro Judische Kriegsveteranen Bearbeiten nbsp Jacques Rosenthal portratiert von Lenbach 1904Ludwig Heilbronner aus Fellheim Gefreiter im 12 Bayerischen Infanterie Regiment wurde wegen seines ausgezeichneten Verhaltens in der Schlacht bei Sedan mit dem Eisernen Kreuz dekoriert Am 5 August 1926 starb Albert Einstein altester judische Veteran Schwabens Korporalschaftsfuhrer Antiquitatenhandler und Kriegsteilnehmer der Feldzuge 1866 und 70 71 und langjahriger Vorstand der Kultusgemeinde Fellheim Bahnvorstand Ostermann wies in seiner Traueransprache darauf hin dass der Korporalschaftsfuhrer Einstein die Behauptung Lugen strafte dass Soldatenehre und Tapferkeit von der Konfession abhingen Rabbiner von Fellheim Bearbeiten Max Nissont 1716 Jacob Bar Simon Leopold Laupheimer Joel Nathan Greilsheimer 1778 1800 Marx Hayum Seligsberg 1830 1877 Sonstige Personen Bearbeiten Joseph Rosenthal 1805 1885 Buchhandler Ludwig Rosenthal 1840 1928 Buchhandler Jacques Rosenthal 1854 1937 BuchhandlerSiehe auch BearbeitenListe der Baudenkmaler in FellheimLiteratur BearbeitenFellheim an der Iller Eine bebilderte Fuhrung durch den ehemaligen judischen Ortskern Fellheims hgg v Arbeitskreis Geschichte Brauchtum und Chronik in Zusammenarbeit mit dem Amt fur landliche Entwicklung und der Gemeinde Fellheim 2007 Georg Dehio Handbuch der Deutschen Kunstdenkmaler Bayern III Schwaben Deutscher Kunstverlag Munchen 1989 Aktualisierung geplant fur 2006 2008 Die Rosenthals Der Aufstieg einer judischen Antiquarsfamilie zu Weltruhm Mit Beitragen von Elisabeth Angermaier Jens Koch Anton Loffelmeier Eva Ohlen und Ingo Schwab Bohlau Verlag Wien Koln Weimar Bernard M Rosenthal Cartel Clan or Dynastiy The Olschkis and the Rosenthals 1859 1976 Harvard Library Bulletin Volume XXV Number 4 October 1977Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Judische Siedlung in Fellheim Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Geschichte der Synagoge in der Alemannia Judaica Forderkreis Synagoge Fellheim e V auf der Seite der Verwaltungsgemeinschaft BoosEinzelnachweise Bearbeiten Tilmann Breuer Heinrich Kreisel Adam Horn Hrsg Stadt und Landkreis Memmingen Deutscher Kunstverlag Munchen 1959 S 106 Geschichte es Dorfes Fellheim an der Iller Landkreis Memmingen Wilhelm Rapp 1960 Verlag Gemeinde Fellheim Seite 140 142 Fellheim an der Iller Eine bebilderte Fuhrung durch den ehemaligen judischen Ortskern Fellheims hgg v Arbeitskreis Geschichte Brauchtum und Chronik in Zusammenarbeit mit dem Amt fur landliche Entwicklung und der Gemeinde Fellheim 2007 S 14 Forderkreis fur Synagoge geplant In all in de 4 November 2009 abgerufen am 19 Februar 2023 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Judische Gemeinde Fellheim amp oldid 231038513