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Das Internationale Stahlkartell genauer Internationale Rohstahlgemeinschaft oder Festlandische Rohstahlgemeinschaft 1926 31 und Internationale Rohstahlexportgemeinschaft 1933 39 war ein 1926 gegrundetes Wirtschaftskartell zunachst der kontinentaleuropaischen Stahlindustrie und spater auch der Englands und Amerikas 1 Es existierte mit einer kurzen Unterbrechung 1931 33 bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs 1939 und zerbrach dann Einige Traditionen dieses Kartells lebten zwischen 1940 und 1944 im deutsch besetzten Kontinentaleuropa fort siehe auch Kriegswirtschaft Deutschland 1939 1945 2 Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Kartellformen und Kartellentwicklung 3 Das Internationale Stahlkartell als Vorlaufer der europaischen Einigung 4 Neugrundungsversuche eines internationalen Stahlkartells in der spateren Nachkriegszeit 5 Literatur 6 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenAm 30 September 1926 grundeten die Stahlindustrien Frankreichs Belgiens Luxemburgs des Saarlands und Deutschlands einen Marktverband unter dem Namen Internationale Rohstahlgemeinschaft um im Wettbewerb mit der britischen und amerikanischen Stahlindustrie besser bestehen zu konnen Die Organisationsbildung erfolgte unter Fuhrung des Luxemburgers Emil Mayrisch und des Deutschen Fritz Thyssen sowie mit Unterstutzung der Regierungen der beteiligten Kartellgruppen Mayrisch war es gelungen die zuvor festgefahrenen Verhandlungen zwischen dem deutschen und dem franzosischen Stahlverband wieder aufzulockern und auf eine Gesamtlosung fur Westeuropa hinzulenken 3 Vorsitzender des Verbandes wurde der Luxemburger Aloyse Meyer Am 1 Januar 1927 traten die Stahlindustrien Osterreichs Ungarns und der Tschechoslowakei bei Der deutschen Stahlindustrie in welcher nunmehr der kurz zuvor gebildeten Grosskonzern Vereinigte Stahlwerke dominierte wurde eine Quote von 40 der gesamten Stahlproduktion zugebilligt Wenige Jahre nach seiner Grundung zerfiel das Kartell wieder Im Mai 1929 trat zunachst die deutsche Gruppe aus 4 In der Weltwirtschaftskrise setzte ein ruinoses Dumping ein welche die beschlossene Regulierung vollends durchkreuzte Seit 1930 wurden keine Ausgleichszahlungen mehr geleistet 1931 entfielen die letzten Produktionsbindungen und auch die Schweizer Treuhand stellte ihre Dienste als neutrales Kontrollorgan ein 5 1933 kam es zur Neugrundung des Kartells unter dem Namen Internationale Rohstahlexportgemeinschaft IREG d h nur fur den Export der beteiligten nationalen Kartellverbande 1935 traten die britischen Stahlproduzenten bei 1938 kontrollierte das Kartell 90 des internationalen Handels nachdem sich die drei grossten amerikanischen Stahlhersteller United States Steel Bethlehem Steel und Republic Steel angeschlossen hatten Die US Firmen waren nur informelle inoffizielle Mitglieder des Kartells Mit Kriegsausbruch 1939 zerfiel das Kartell Wegen des Wirtschaftskrieges zwischen den Alliierten und den Achsenmachten und auch durch die weltweit gestiegene Stahlnachfrage waren vereinbarte Produktionsbegrenzungen sinnlos und uberflussig geworden Ab Sommer 1940 nach dem Westfeldzug lebten im deutsch besetzten Kontinentaleuropa die gerade erst zusammengebrochenen Kartellstrukturen wieder auf insbesondere zwischen den deutschen franzosischen und belgischen Produzentengruppen Deren Zusammenarbeit diente nun wesentlich der Wirtschaftssteuerung durch Berlin also durch das kriegfuhrende Dritte Reich Kartellformen und Kartellentwicklung BearbeitenDas Internationale Stahlkartell war ein Dachkartell aus nationalen Kartellgruppen Die Internationale Rohstahlgemeinschaft IRG war ein internationales Produktionskartell in der Variante des Kontingentierungskartells welches die zu produzierenden Herstellungsmengen fur seine Mitglieder jeweils einzeln festsetzte Dabei waren Exportmoglichkeiten der Produzenten aus dem Montandreieck Lothringen Luxemburg und Saarland Saar Lor Lux nach Deutschland wichtig Die Internationale Rohstahlexportgemeinschaft IREG war ein reines Exportkartell Bei der Neugrundung des Stahlkartells 1933 verzichtete man auf eine Regulierung des inlandischen Absatzes der einzelnen Kartellgruppen und uberliess ihnen die Heimatmarkte exklusiv Fur den Export aber waren zentrale Verkaufsstellen fur die einzelnen Produktgruppen eingerichtet worden so dass die IREG eine Assoziation mehrerer internationaler Syndikate darstellte Das deutsche Ruhrstahlsyndikat hatte sich in den 1920er und 1930er Jahren als Lehrmeister fur die Syndikatsorganisation in den anderen europaischen Kartellgruppen betatigt 6 So ist zu erklaren dass Internationale Stahlkartell ab 1933 durch die Ubernahme deutscher Kartelltechnik eine Reihe von Verkaufskontoren fur bestimmte Produktgruppen erhalten hatte Der Organisationsgrad war also gegenuber der IRG deutlich gestiegen Ein komplexes Syndikatskartell das seine Mitglieder uber die Monopolisierung des Absatzes kontrollierte und zusammenhielt war entstanden Es gab sieben engere d h im Zusammenhang mit der IREG gegrundete Exportverbande und zwar fur die wichtigsten Walzprodukte namlich Formeisen Stabeisen Grobbleche Mittelbleche Universaleisen Bandeisen und Rohrenstreifen 7 Die Kontore waren bei den vier Grundungsmitgliedern der IREG angesiedelt in Dusseldorf Paris Brussel Luttich und Luxemburg 8 Das Internationale Stahlkartell als Vorlaufer der europaischen Einigung BearbeitenDas Internationale Stahlkartell insbesondere die IRG von 1926 gilt seit spatestens den 1960er Jahren als Vorlaufer der Europaischen Montanunion 9 Diese Auffassung kam auf obwohl jener Zusammenhang von den Grundern der Montanunion Jean Monnet und Robert Schuman fruhzeitig und ausdrucklich dementiert worden war 10 Nach dem Jahr 2000 kamen aber von mehreren Seiten Kritik an der These der Vorbildfunktion der Kartelle auf Der deutsche Historiker Clemens Wurm prufte 2004 die Analogie der Montanunion gegenuber den internationalen Stahlkartellen anhand von drei Kriterien ab 11 Nur in einem Punkt dem Aspekt des Interessenausgleichs und des Konfliktabbaus sei eine weitgehende Ahnlichkeit zwischen dem ersten Stahlkartell IRG und der Montanunion erfullt Fur die beiden anderen Kriterien gelte dies nicht So sei die Montanunion ein politisches und zwischenstaatliches Projekt kein unternehmerisches 12 Ausserdem sollte die Montanunion die europaischen Markte fur Eisen und Stahl international integrieren die Kartelle hingegen wollten dies nicht 13 Der Luxemburger Historiker Charles Barthel stritt 2007 noch starker als sein Kollege Wurm ein paradigmatisches Wirken des Stahlkartells von 1926 fur die Montanunion weitgehend ab 14 Er wies archivalisch nach dass sich die am Kartell beteiligten Stahlverbande an den eigenen wirtschaftlichen Interessen orientiert und idealistische Europaideen keine Rolle gespielt hatten 15 Dem Bauplan der Kartellprojekt selbst lag eine transnationale Integration fern im Gegenteil ging es um Besitzstande und eine moglichst ausschliessliche Beherrschung beanspruchter Markte 16 Die Internationale Rohstahlgemeinschaft sei deshalb nur ein vermeintlicher Vorlaufer eines vereinigten Europa gewesen der aber bis heute hochgepriesen sei Der Kartelltheoretiker H A Leonhardt wies 2013 in einem Vergleich verschiedener Organisationsformen nach dass die internationalen Stahlkartelle der Zwischenkriegszeit nur eine von mehreren Wurzeln des Bauplans der Montanunion darstellten 17 Wichtiger als diese seien die Erfahrungen gewesen die der Initiator des Schumanplans Jean Monnet aus der alliierten Kriegswirtschaft mitgebracht hatte in welcher er 1914 19 und 1939 40 in zwischenstaatlichen Beschaffungskartellen fur kriegswichtigen Bedarf tatig gewesen war 18 Die dort umgesetzte Staatenkartell Konzeption sei das Substrat fur die Montanunion gewesen in welches dann die benotigten Instrumentarien nationalstaatlicher Wirtschaftspolitik einerseits und unternehmerischer Kartelltechnik andererseits eingearbeitet wurden Eine weitere Abwandlung des Bauplans erfolgte gemass politischer Forderungen durch das Einfugen eines demokratischen Organs der Gemeinsamen Versammlung Im Endeffekt entstand ein Kartell zwischen Staaten und nicht mehr ein solches zwischen Unternehmen Die Staaten hatten ihre eigene Unternehmerschaft aus den Schaltzentralen der neuen Gemeinschaft ausgebootet 19 Neugrundungsversuche eines internationalen Stahlkartells in der spateren Nachkriegszeit BearbeitenDie Europaische Montanunion sah grundsatzlich ein Verbot von unternehmerischen Kartellen vor Kaum war sie 1952 gegrundet suchten die Stahlindustrien der beteiligten sechs Staaten die Grenzen der vereinbarten Ausnahmeregelungen zu testen Die Europaische Gemeinschaft fur Kohle und Stahl genehmigte auf diese Weise immerhin 32 Kartelle bis 1964 20 Davon waren einige durchaus grenzuberschreitend so die Konvention von Brussel ein Exportkartell der belgischen niederlandischen und deutschen Stahlindustrien von 1953 fur Ausfuhren in Lander ausserhalb der Gemeinschaft 21 Ein anderes grosser angelegtes Projekt verliess hingegen eindeutiger den rechtlich noch zulassigen Rahmen In der Krisensituation der Stahlindustrie ab 1962 suchten die Stahlunternehmer der Montanunion internationale Absprachen einzugehen und auch die Hohe Behorde dafur zu gewinnen 1965 67 suchten sie die eingetretene Schwachung der Hohen Behorde durch die bevorstehende EG Fusion auszunutzen Sie grundeten 1965 ein gemeinschaftsubergreifendes supercartel mit u a Verkaufskontoren fur die wichtigsten sechs Produktgruppen von Walzstahl 22 Dafur hatte man der Hohen Behorde die Schirmherrschaft angeboten die sich jedoch ausweichend verhielt 23 Das neue Stahlkartell nach Art der IREG aber mit durchaus transnationaler Integration hielt dann wegen der internen Streitigkeiten unter seinen Mitgliedern und der mangelnden Unterstutzung durch Ministerrat und Hoher Behorde der Montanunion nur bis 1967 24 Literatur BearbeitenBarthel Charles Die Stunde des Herrn Mayrisch Charles Barthel Die Stunde des Herrn Mayrisch Zur Mitwirkung des luxemburgischen Stahlindustriellen an der wirtschaftlichen Entspannung in Europa 1925 26 in Galerie Revue culturelle et pedagogique 25 2007 S 403 481 Barthel Charles La Haute Autorite de la CECA et les cartels siderurgiques Une relation ambivalente 1950 1967 in Schirmann Sylvain Hrsg L Europe par l economie Des projets initiaux aux debats actuels Brussel 2013 39 58 Gillingham John Zur Vorgeschichte der Montanunion in Vierteljahrshefte fur Zeitgeschichte 34 1986 S 381 405 PDF Hexner Ervin The International Steel Cartel Chapel Hill 1943 Kiersch Gunther Internationale Eisen und Stahlkartelle Essen 1954 Leonhardt Holm A Kartelltheorie und Internationale Beziehungen Theoriegeschichtliche Studien Hildesheim 2013 Reichert Jakob Wilhelm Die Festlandische Rohstahlgemeinschaft in Weltwirtschaftliches Archiv 25 1927 S 340 376 Clemens A Wurm Les Cartels internationaux de l acier de L entre deux guerres Precurseurs du plan Schuman in Andreas Wilkens Hrsg Le plan Schuman dans l histoire Interets nationaux et projet europeen Bruxelles 2004 S 53 80 Industrielle Interessenpolitik und Staat Internationale Kartelle in der britischen Aussen und Wirtschaftspolitik in der Zwischenkriegszeit De Gruyter 1988 Veroffentlichung der Historischen Kommission zu Bsrlin Band 71 25 Einzelnachweise Bearbeiten Gunther Kiersch Die internationalen Stahlkartelle zwischen den beiden Weltkriegen in Ludwig Kastl Hrsg Kartelle in der Wirklichkeit Festschr f Max Metzner zum 75 Geburtstag Koln S 349 351 John Gillingham Zur Vorgeschichte der Montanunion in Vierteljahrshefte fur Zeitgeschichte 34 1986 S 390 403 Charles Barthel Die Stunde des Herrn Mayrisch Zur Mitwirkung des luxemburgischen Stahlindustriellen an der wirtschaftlichen Entspannung in Europa 1925 26 in Galerie Revue culturelle et pedagogique 25 2007 H 3 S 416 477 Gunther Kiersch Internationale Eisen und Stahlkartelle Essen 1954 S 24 Gunther Kiersch Internationale Eisen und Stahlkartelle Essen 1954 S 25 John Gillingham Zur Vorgeschichte der Montanunion in Vierteljahrshefte fur Zeitgeschichte 34 1986 S 382 384 Gunther Kiersch Internationale Eisen und Stahlkartelle Essen 1954 S 70 Gunther Kiersch Internationale Eisen und Stahlkartelle Essen 1954 S 71 Clemens A Wurm Les Cartels internationaux de l acier de L entre deux guerres Precurseurs du plan Schuman in Andreas Wilkens Hrsg Le plan Schuman dans l histoire Interets nationaux et projet europeen Bruxelles 2004 S 67 Holm A Leonhardt Kartelltheorie und Internationale Beziehungen Theoriegeschichtliche Studien Hildesheim 2013 S 57 Clemens A Wurm Les Cartels internationaux de l acier de L entre deux guerres Precurseurs du plan Schuman in Andreas Wilkens Hrsg Le plan Schuman dans l histoire Interets nationaux et projet europeen Bruxelles 2004 S 67 Clemens A Wurm Les Cartels internationaux de l acier de L entre deux guerres Precurseurs du plan Schuman in Andreas Wilkens Hrsg Le plan Schuman dans l histoire Interets nationaux et projet europeen Bruxelles 2004 S 70 71 Clemens A Wurm Les Cartels internationaux de l acier de L entre deux guerres Precurseurs du plan Schuman in Andreas Wilkens Hrsg Le plan Schuman dans l histoire Interets nationaux et projet europeen Bruxelles 2004 S 71 78 Charles Barthel Die Stunde des Herrn Mayrisch Zur Mitwirkung des luxemburgischen Stahlindustriellen an der wirtschaftlichen Entspannung in Europa 1925 26 in Galerie Revue culturelle et pedagogique 25 Jg 2007 H 3 S 478 Charles Barthel Die Stunde des Herrn Mayrisch Zur Mitwirkung des luxemburgischen Stahlindustriellen an der wirtschaftlichen Entspannung in Europa 1925 26 in Galerie Revue culturelle et pedagogique 25 Jg 2007 H 3 S 404 Charles Barthel Die Stunde des Herrn Mayrisch Zur Mitwirkung des luxemburgischen Stahlindustriellen an der wirtschaftlichen Entspannung in Europa 1925 26 in Galerie Revue culturelle et pedagogique 25 Jg 2007 H 3 S 478 Holm A Leonhardt Kartelltheorie und Internationale Beziehungen Theoriegeschichtliche Studien Hildesheim 2013 S 633 Holm A Leonhardt Kartelltheorie und Internationale Beziehungen Theoriegeschichtliche Studien Hildesheim 2013 S 533 554 568 574 Holm A Leonhardt Kartelltheorie und Internationale Beziehungen Theoriegeschichtliche Studien Hildesheim 2013 S 597 599 634 Holm A Leonhardt Kartelltheorie und Internationale Beziehungen Theoriegeschichtliche Studien Hildesheim 2013 S 324 Charles Barthel La Haute Autorite de la CECA et les cartels siderurgiques Une relation ambivalente 1950 1967 in Sylvain Schirmann Hrsg L Europe par l economie Des projets initiaux aux debats actuels Brussel 2013 S 45 Charles Barthel La Haute Autorite de la CECA et les cartels siderurgiques Une relation ambivalente 1950 1967 in Sylvain Schirmann Hrsg L Europe par l economie Des projets initiaux aux debats actuels Brussel 2013 S 47 Charles Barthel La Haute Autorite de la CECA et les cartels siderurgiques Une relation ambivalente 1950 1967 in Sylvain Schirmann Hrsg L Europe par l economie Des projets initiaux aux debats actuels Brussel 2013 S 49 Charles Barthel La Haute Autorite de la CECA et les cartels siderurgiques Une relation ambivalente 1950 1967 in Sylvain Schirmann Hrsg L Europe par l economie Des projets initiaux aux debats actuels Brussel 2013 S 56 Teil I S 1 342 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Internationales Stahlkartell amp oldid 236160256