www.wikidata.de-de.nina.az
Die Inschrift des Tiberinius Celerianus ist eine Weihinschrift fur den Gott Camulos bzw Mars die 2002 am Tabard Square im London Borough of Southwark gefunden wurde Bei dem in lateinischer Sprache verfassten Votivstein handelt es sich um das bisher alteste bekannte inschriftliche Dokument die die Londoner wohl als organisierte Gemeinschaft und damit indirekt die antike Stadt Londinium nennt Die knappe Selbstbezeichnung des Stifters wird unterschiedlich interpretiert Moglicherweise handelte es sich einfach um einen gallischstammigen Handler der das Zentrum seiner Aktivitaten nach London verlegt hatte 1 vielleicht fungierte er aber auch als offizieller Vertreter der Londoner Bevolkerung in ihren Beziehungen zu seiner Heimatstadt Caesaromagus Seine Weihinschrift war wohl ursprunglich in einem Tempelbezirk aufgestellt bis sie in der Spatantike entfernt und anscheinend behutsam vergraben wurde Inschrift des Tiberinius Celerianus Inhaltsverzeichnis 1 Fundsituation und Beschreibung 2 Inhalt und Analyse 3 Ubersetzung 4 Weblinks 5 Literatur 6 EinzelnachweiseFundsituation und Beschreibung BearbeitenDie Inschrift wurde am 3 Oktober 2002 im Rahmen einer Notgrabung sudlich der Themse gefunden Sie lag in einer Grube innerhalb des keltisch romischen Tempelbezirks am Tabard Square wo sie wohl absichtlich 2 vergraben worden war Der Tempelbezirk bestand aus mindestens zwei Tempeln im gallo romischen Stil Er war einst mit Statuen geschmuckt die sich jedoch nur noch in kleinen Bruchstucken fanden 3 Die Inschrift lag am Boden der Grube mit dem Text nach oben Daruber fand sich eine grosse Scherbe die den Eindruck erweckt als ob die Inschrift geschutzt werden sollte In der Grube fand sich auch Keramik die in die zweite Halfte des vierten Jahrhunderts vielleicht sogar spater datiert zu diesem Zeitpunkt scheint also auch die Inschrift in der Erde gelandet zu sein Der Ausgraber vermutet dass sie einst im nordlichen der beiden Tempel angebracht war 4 Bei dem Tempelbezirk kreuzten sich in der Antike zwei fur den Handel bedeutende Romerstrassen 5 Nach der konservatorischen Arbeit am Museum of London wurde die Inschrift in das Cuming Museum verbracht heute befindet sie sich wieder im Museum of London Die Inschrift befindet sich auf einer ursprunglich rechteckigen Tafel aus weissem wohl italienischem Marmor die unten abgebrochen ist die Unterkante weist ungefahr die Form eines flachen V auf Das noch vorhandene Stuck war bei der Auffindung seinerseits in drei Teile zerbrochen die sich aber problemlos zusammenfugen liessen Der Stein ist 29 4 cm breit Die Hohe variiert da die Tafel schrag abgebrochen ist und betragt in der Mitte noch 32 5 cm 6 Die Dicke schwankt und betragt auf der linken Seite 33 mm auf der rechten dagegen 25 mm Die Ruckseite ist unbeschrieben und unbeschadigt der gesamte Stein wurde aber vor der Beschreibung sauber geglattet und ist bis heute kaum verwittert Von dem Text der Inschrift sind nur die ersten acht Zeilen komplett erhalten Von der neunten Zeile lasst sich aufgrund der erhaltenen Buchstaben das Wort primus sicher rekonstruieren danach folgte vermutlich ein Worttrenner und dann wieder ein Wort von dessen erstem Buchstaben noch die obere geschwungene Linie erhalten ist sodass man ein C oder ein S vermuten kann Von der zehnten Zeile ist nur noch der Mittelteil namlich ein V und ein weiterer Buchstabe A oder M in Ansatzen erhalten 7 Der Text lautet damit insgesamt in Wiedergabe nach dem Leidener Klammersystem Num inibus Augg ustorum deo Marti Ca mulo Tiberini us Celerianus c ivis Bell ovacus moritix Londiniensi um Primus ṣ vạ 8 Die Buchstaben sind durchschnittlich 3 cm hoch und bis auf kleine Fehler sauber geschrieben Die Worttrennung ist sorgfaltig ausgefuhrt allerdings nicht konsequent eingesetzt diente also vermutlich eher dekorativen Zwecken Zwei Efeublatter sogenannte hederae die das Wortpaar moritix Londiniensium rahmen verzieren die Inschrift In Zeile 5 sind noch Reste einer Hilfslinie fur die Zeilenfuhrung zu erkennen Die ursprunglich vorhandene rotliche Ausmalung der Buchstaben ist nicht mehr vorhanden in den Vertiefungen lassen sich jedoch noch Eisenoxidpigmente nachweisen Inhalt und Analyse BearbeitenDie Inschrift offnet mit einer Weihformel an die Numina der Kaiser muss also zu einer Zeit entstanden sein als mehr als ein Kaiser regierte Dies bietet einen Ansatzpunkt zur zeitlichen Einordnung Da das Schriftbild des Textes palaographisch in das spate zweite Jahrhundert datiert werden kann kommen die Regierungszeiten der Kaiser Mark Aurel und Lucius Verus 161 169 beziehungsweise Mark Aurel und Commodus 177 180 in Betracht 9 Auf die formelhafte Weihung an die Herrscher folgt die Weihung an den Gott Mars Camulus also den im Rahmen der Interpretatio Romana mit dem romischen Mars gleichgesetzten keltischen Gott Camulos Dies ist der einzige Hinweis auf eine in dem hier freigelegten Tempelbezirk verehrte Gottheit allerdings wurde Mars Camulus zwar auch in Britannien aber vor allem im Westen Galliens und in Germanien verehrt 10 Tiberinius Celerianus mag also einem Gott seiner Heimat einen Weihestein errichtet haben Sein als Pseudogentiliz gebildeter Familienname Tiberinius der von dem lateinischen Cognomen Tiberinus abgeleitet ist deutet namlich auf eine gallische Herkunft hin und die Abkurzung C BELL in der funften Zeile lasst sich als Cives Bellovacus Burger der Bellovaker auflosen Dieser gallische Stamm hatte seinen Hauptort in Caesaromagus dem modernen Beauvais Die beiden Namen weisen den Gallier daruber hinaus als romischen Burger aus Auf die Herkunftsangabe folgt eine Beschreibung des Stifters als moritix Londiniensium Das Wort moritix oder auch moritex 11 ist im klassischen Latein nicht bekannt es handelt sich um einen Begriff keltischen Ursprungs Das keltische Wort mori teg tig bedeutet so viel wie der zur See geht also Seefahrer oder Seemann und wurde anscheinend als Regionalismus in das Latein der nordwestlichen Provinzen des romischen Reiches aufgenommen obwohl es den prinzipiell bedeutungsgleichen lateinischen Begriff nauta gab 12 Moglicherweise hatte moritex moritix allerdings eine spezifische engere Bedeutung welche eine Ubernahme ins Lateinische nahelegte 7 Monique Dondin Payre und Xavier Loriot denken in dieser Hinsicht konkret an einen Vertreter Londons in seiner jenseits der See gelegenen Heimatstadt Caesaromagus etwa vergleichbar mit dem Amt des Proxenos in antiken Griechenland 13 Das Wort Londiniensium ist der Genitiv Plural des vermutlich substantivierten Adjektivs Londiniensis das sich auf die Stadt London bezieht die in der Antike Londinium hiess Es lasst sich einerseits als Neutrum der Londoner Dinge verstehen sodass anfangs vermutet worden ist Tiberius Celerianus sei moritix im Sinne von Handler mit Waren aus Londinium gewesen 14 Wahrscheinlicher ist aber dass an dieser Stelle das Adjektiv als Maskulinum Femininum gemeint ist der Londoner Burger Handler Der moritix Tiberinius Celerianus scheint demnach im Dienste der Londoner gestanden zu haben oder ein Teil von ihnen gewesen zu sein Mit dem Begriff durfte allerdings nicht die gesamte Stadtbevolkerung gemeint sein sondern eher die enger definierte Burgergemeinschaft Vielleicht muss man unter den Londinienses sogar ein Collegium beziehungsweise eine sonstige fest organisierte Gruppe verstehen die im Handel oder der Wirtschaft tatig war 15 Aus der Weihung einer Inschrift an die beiden Augusti durch den moritix Tiberius Celerianus ist geschlossen worden dass diese Korperschaft der Londinienses dann unter staatlicher Aufsicht oder Forderung gestanden haben muss moglicherweise aufgrund der Bedeutsamkeit ihrer Aktivitaten 16 Der Begriff Primus der in der achten Zeile anhand der noch erhaltenen Buchstaben erschlossen werden kann konnte ein Personenname sein und dann entweder einen zweiten Stifter bezeichnen oder denjenigen der die Weihung fur Celerianus durchfuhrte Wahrscheinlicher ist aber dass das Wort einfach mit der Erste der Bedeutendste zu ubersetzen ist In diesem Fall konnte es sich entweder auf Tiberinius Celerianus und seine Tatigkeit als Moritix bzw Londoner beziehen oder einen zweiten verloren gegangenen Abschnitt der Inschrift einleiten 17 Ubersetzung BearbeitenDen bisherigen epigraphischen Untersuchungen zufolge lasst sich die Inschrift mit gewisser Wahrscheinlichkeit folgendermassen ubersetzen Den Numina gottlichen Wirkkraften der Kaiser und dem Gott Mars Ca mulus weihte dies Tiberini us Celerianus Burger der Bellovaker und moritix der Londoner der Erste Bedeutendste oder Primus Fur die letzten erhaltenen Zeilen nach dem Namen sind auch andere Ubersetzungen moglich Burger der Bellovaker und moritix der Erste Bedeutendste der Londoner Diese Ubersetzung ergibt nur dann einen Sinn wenn man unter den Londinienses Londonern eine Handler Gemeinschaft versteht der auch Nicht Stadtburger wie der Bellovaker Tiberinius angehoren konnten Wenn man unter den Londonern dagegen die gesamte Burgerschaft Londons versteht scheidet die Variante aus 15 Burger der Bellovaker der erste bedeutendste moritix der Londoner 18 Weblinks BearbeitenEintrag zur Inschrift in der Epigraphischen Datenbank Heidelberg Eintrag zur Inschrift auf Ubi erat lupa Bibliographie zur Inschrift auf der Website des Corpus Inscriptionum LatinarumLiteratur BearbeitenSimon Corcoran Benet Salway Peter Salway Moritix Londiniensium A Recent Epigraphic Find in London In The British Epigraphy Society Newsletter N S Band 8 Herbst 2002 S 10 13 PDF online L Annee epigraphique 2002 Nr 882 2003 Nr 1015 2008 Nr 774 R S O Tomlin M W C Hassall Roman Britain in 2002 II Inscriptions In Britannia Band 34 2003 S 361 382 hier S 364 mit Foto und genauer Umzeichnung der Inschrift James Noel Adams The Wordmoritixin a New Inscription from London In Zeitschrift fur Papyrologie und Epigraphik Band 143 2003 S 275 276 Monique Dondin Payre Xavier Loriot Tiberinius Celerianus a Londres Bellovaque etmoritix In L Antiquite classique Band 77 2008 S 127 169 online R S O Tomlin R P Wright M W C Hassall The Roman Inscriptions of Britain Band 3 Inscriptions on Stone Found or Notified between 1 January 1955 and 31 December 2006 Oxbow Books Oxford 2009 ISBN 978 1 84217 368 8 S 30 f Nr 3014 Roger Tomlin Inscriptions In Douglas Killock Hrsg Temples and Suburbs Excavations at Tabard Square Southwark Pre construct archaeology Limited London 2015 ISBN 978 0 9926672 5 2 S 192 193 Einzelnachweise Bearbeiten L Annee epigraphique 2003 Nr 1015 R S O Tomlin M W C Hassall Roman Britain in 2002 II Inscriptions In Britannia Band 34 2003 S 361 382 hier S 364 Martin Henig u a Statuary Sculpture Inscriptions and Architectural Fragments In Douglas Killock Hrsg Temples and Suburbs Excavations at Tabard Square Southwark Pre construct archaeology Limited London 2015 ISBN 978 0 9926672 5 2 S 187 198 Douglas Killock Temples and Suburbs Excavations at Tabard Square Southwark Pre construct archaeology Limited London 2015 ISBN 978 0 9926672 5 2 S 66 Dazu Monique Dondin Payre Xavier Loriot Tiberinius Celerianus a Londres Bellovaque etmoritix In L Antiquite classique Band 77 2008 S 127 169 hier S 127 129 online Breite und Hohe werden in der Literatur unterschiedlich angegeben Fur die Breite finden sich auch noch die Angaben 28 5 und 29 5 cm fur die Hohe noch der Wert 39 cm Die hier angefuhrten Daten folgen L Annee epigraphique 2002 Nr 882 sowie R S O Tomlin R P Wright M W C Hassall The Roman Inscriptions of Britain Band 3 Inscriptions on Stone Found or Notified between 1 January 1955 and 31 December 2006 Oxbow Books Oxford 2009 ISBN 978 1 84217 368 8 S 30 f Nr 3014 a b R S O Tomlin R P Wright M W C Hassall The Roman Inscriptions of Britain Band 3 Inscriptions on Stone Found or Notified between 1 January 1955 and 31 December 2006 Oxbow Books Oxford 2009 ISBN 978 1 84217 368 8 S 31 Nr 3014 AE 2002 882 Simon Corcoran Benet Salway Peter Salway Moritix Londiniensium A recent epigraphic find in London In The British Epigraphy Society Newsletter N S Band 8 Herbst 2002 S 10 13 hier S 11 online Memento vom 3 Marz 2016 im Internet Archive Zur Verbreitung ausfuhrlich Monique Dondin Payre Xavier Loriot Tiberinius Celerianus a Londres Bellovaque etmoritix In L Antiquite classique Band 77 2008 S 127 169 hier S 134 138 online CIL 13 8164a Apollini C aius Aurelius C ai l ibertus Verus negotiator Britannicianus moritex d onum d edit l ocus d atus d ecreto d ecurionum Inschrift aus der Colonia Claudia Ara Agrippinensium dem heutigen Koln James Noel Adams The wordmoritixin a new inscription from London In Zeitschrift fur Papyrologie und Epigraphik Band 143 2003 S 275 276 zum Regionalismus siehe Derselbe The Regional Diversification of Latin 200 BC AD 600 Cambridge University Press Cambridge 2007 zur Inschrift im Speziellen S 311 312 Monique Dondin Payre Xavier Loriot Tiberinius Celerianus a Londres Bellovaque etmoritix In L Antiquite classique Band 77 2008 S 127 169 hier S 139 145 online Simon Corcoran Benet Salway Peter Salway Moritix Londiniensium A recent epigraphic find in London In The British Epigraphy Society Newsletter N S Band 8 Herbst 2002 S 10 13 hier S 11 online Memento vom 3 Marz 2016 im Internet Archive a b Eine Art Collegium sieht in den Londinienses James Noel Adams The wordmoritixin a new inscription from London In Zeitschrift fur Papyrologie und Epigraphik Band 143 2003 S 275 276 hier S 276 Auf die gesamte Burgerschaft dagegen beziehen die Stelle Monique Dondin Payre Xavier Loriot Tiberinius Celerianus a Londres Bellovaque etmoritix In L Antiquite classique Band 77 2008 S 127 169 hier S 147 online So L Annee epigraphique 2002 Nr 882 Simon Corcoran Benet Salway Peter Salway Moritix Londiniensium A recent epigraphic find in London In The British Epigraphy Society Newsletter N S Band 8 Herbst 2002 S 10 13 hier S 12 online Memento vom 3 Marz 2016 im Internet Archive Zu dieser Ubersetzung Monique Dondin Payre Xavier Loriot Tiberinius Celerianus a Londres Bellovaque etmoritix In L Antiquite classique Band 77 2008 S 127 169 hier S 145 f online Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Inschrift des Tiberinius Celerianus amp oldid 233875701