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Ilse Schwipper 24 Juni 1937 in Berlin als Ilse Nikolaus 27 September 2007 ebenda war eine deutsche Anarchafeministin Durch ihre Ehen trug sie zeitweise die Nachnamen Bongartz und Jandt und wurde wegen ihrer anarchistischen Aktivitaten in Wolfsburg von der Lokalpresse als Rote Ilse bezeichnet Inhaltsverzeichnis 1 Leben 1 1 Kindheit Jugend und Ehe 1 2 Politisches Engagement 1 3 Festnahme 1971 1 4 Prozess 1972 1 5 Entlassung und erneute Heirat 1 6 Schmucker Verfahren und Haft 1 7 Spateres politisches Engagement 2 Literatur 3 Weblinks 4 EinzelnachweiseLeben BearbeitenKindheit Jugend und Ehe Bearbeiten Ilse Schwipper wurde als uneheliches Kind der Buchhalterin Clara Schwipper in Berlin geboren 1 Dort wuchs sie bei ihrer Grosstante und ihrem Grossonkel auf Er war als Anarchist der Antifaschistischen Aktion im Widerstand gegen das Hitler Regime aktiv 1944 lernte die Mutter Clara den Zigarrenfabrikanten Heinrich Henneke aus Helmstedt kennen und zog mit Ilse dorthin Ilses Stiefvater hatte einen autoritaren Charakter und war ein bekennender Parteiganger der NSDAP Kurz vor Kriegsende zog die Familie in die nahegelegene Stadt des KdF Wagens Ilse schloss die Hauptschule ab und brach spater die Handelsschule ab Sie begann eine Burolehre im Volkswagenwerk Wolfsburg und wurde wegen Fehlverhaltens als Arbeiterin weiter beschaftigt 1955 heiratete sie Helmut Bongartz einen Kollegen Sie bekam vier Kinder und wurde Hausfrau Politisches Engagement Bearbeiten Anfang der 1960er Jahre wurde sie auf die schlechten Lebensbedingungen der italienischen Gastarbeiter des VW Werks aufmerksam Sie sammelte Unterschriften verfasste Leserbriefe und engagierte sich daruber hinaus als Mutter in der Nachbarschaftsarbeit fur Spielplatze Der Tod ihrer altesten Tochter 1968 mit zwolf Jahren als Folge einer Krankheit war fur Ilse Schwipper das Signal politisch aktiv zu werden Sie engagierte sich bei den Jusos und trat 1969 in die SPD ein obwohl sie sich nicht als Sozialdemokratin sondern eher als Anarchistin fuhlte Kurze Zeit spater wurde sie wegen einer Unterschriftensammlung fur die DKP in Wolfsburg zusammen mit 18 anderen Jusos aus der SPD ausgeschlossen Ihre Ehe zerbrach 1970 grundete sie in der vorher ehelichen Wohnung in der Breslauer Strasse in Wolfsburg die Kommune K 3 bezugnehmend auf die Berliner Kommunen 1 und 2 Dazu gehorten neben ihr und ihren drei Kindern uberwiegend jugendliche Mitbewohner Als 34 Jahrige galt sie unter den jungeren Leuten als der Kopf Festnahme 1971 Bearbeiten Die Wolfsburger Kriminalpolizei ermittelte schon seit 1970 gegen die Bewohner der Kommune K 3 wegen des Verdachts auf verschiedene Straftaten Nachdem im April und Mai 2 1971 in Wolfsburg mehrere Brandanschlage verubt worden waren kam es am 10 Juni 1971 zu einem Grosseinsatz 3 der ortlichen Polizei Betroffen waren auch die Bewohner einer weiteren Kommune in der Grauhorststrasse denen Einbruche und Haschischhandel vorgeworfen wurden Ilse Schwipper damals Bongartz und ihre acht Mitbewohner sassen bis zum Prozess 1972 in Untersuchungshaft Bis auf sie und zwei Bewohner gestanden 4 die Festgenommenen etliche Straftaten Sie raumten eine Brandstiftung an einem Jugendtreff der in einen Club mit Mitgliedsausweisen umgewandelt werden sollte zwei Brandstiftungen an einer Wolfsburger Schule wegen einer geplanten NPD Veranstaltung den Versuch einen Guterzug mit VW Neuwagen bei Fallersleben zum Entgleisen zu bringen Beschadigungen von ortlichen Denkmalern Porsche Buste die misslungene Sprengung des Vertriebenen Denkmals Bombendrohungen gegen die Polizei das Rathaus und das Hotel Holiday Inn sowie mehrere Eigentumsdelikte Autodiebstahl Einbruche ein Teilweise handelte es sich bei den Taten um Versuchshandlungen bei denen der beabsichtigte Erfolg ausgeblieben war Den Schaden durch die Straftaten bezifferte die Polizei auf mehrere hunderttausend DM Ein Mitbewohner der Kommune fuhrte die Polizei im Juli 1971 in ein Waldstuck in Wolfsburg Detmerode Dort hatte er zwei Kleinkalibergewehre und mehrere hundert Schuss Munition vergraben die aus einem Einbruch stammten Prozess 1972 Bearbeiten Der Prozess vor dem Landgericht Hildesheim gegen die nicht vorbestrafte Ilse Schwipper und acht mannliche Jugendliche dauerte sieben Wochen von Februar bis April 1972 Die lange Prozessdauer beruhte auch auf dem Widerruf der ursprunglichen Gestandnisse Die Presse betitelte die Gerichtsverhandlung nach der Angeklagten Ilse Schwipper damals Bongartz als Bongartz Prozess Die Anklage 5 lautete auf eine vollendete und zwei versuchte Brandstiftungen einen Sprengstoffanschlag eine versuchte Zugentgleisung sowie zahlreiche Einbruche Aus Anlass der Verhandlung hatte sich ein Initiativkreis zum K 3 Prozess gebildet Laut dessen Flugblattern bestand das Verbrechen der Kommune K 3 in ihrer politischen Einstellung und Praxis mit der Unterstutzung von Bundeswehr Deserteuren Haftlingen und fluchtigen Fursorgezoglingen Seitens der Staatsanwaltschaft wurde eine politische Auseinandersetzung im Prozess vollkommen in Abrede gestellt es gehe um rein kriminelle Handlungen Im Prozess verlas Ilse Schwipper eine Erklarung wonach die Stadt Wolfsburg eine nazistische Grundung und Ausdruck kapitalistischer Ausbeutung sei Im Schlusswort 6 forderte sie Freispruch fur die Kommune 3 und fur das Leben Sie habe keine Straftaten begangen sondern Kindern und Jugendlichen eine antiautoritare Erziehung angedeihen lassen wollen Das Gericht verurteilte sie zu einer Haftstrafe von drei Jahren die die bereits seit 1971 Inhaftierte bis Ende 1973 in der Frauenhaftanstalt Vechta verbrachte Die Mitangeklagten wurden nach dem Jugendstrafrecht beurteilt und erhielten Bewahrungsstrafen Im Prozess kam es mehrfach zu Turbulenzen seitens der Angeklagten und der Zuschauer die ihre Sympathie ausserten Er war durch strenge Sicherheitsvorkehrungen 7 mit einem grosseren Polizeiaufgebot begleitet Entlassung und erneute Heirat Bearbeiten Nach der Haftentlassung kehrte Ilse Schwipper nach Wolfsburg zuruck Sie grundete mit Jugendlichen ein weiteres Kommuneprojekt in einem alteren Bauernhaus in der Backergasse im historischen Stadtteil Wolfsburg Hesslingen Die Gruppe kontaktierte und sympathisierte mit der linksextremen Terrororganisation Bewegung 2 Juni ohne an deren Aktionen beteiligt zu sein 1973 lernte Ilse Schwipper damals noch Bongartz in Hamburg in der Kommune des RAF Terroristen Werner Hoppe den der anarchistischen Szene zugehorigen Wolfgang Jandt kennen Er war wegen Kaufhausbrandstiftungen verurteilt worden Durch die Heirat trug sie ab 1973 den Namen Jandt Die Ehe hielt nur einige Wochen Danach machte sie 1974 in Berlin die Bekanntschaft mit Jurgen Bodeux der ihr bereits wahrend ihrer Haftzeit 1973 geschrieben hatte Er lebte auch in ihrer Kommune in Wolfsburg Hesslingen und wurde ihr Geliebter Schmucker Verfahren und Haft Bearbeiten Hauptartikel Schmucker Prozess Ende 1973 machte Ilse Schwipper die Bekanntschaft des Berliner Studenten Ulrich Schmucker der dem Umfeld der terroristischen Gruppe Bewegung 2 Juni angehorte Er besuchte sie in Wolfsburg Zu dieser Zeit galt Schmucker bereits als V Mann des Berliner Verfassungsschutzes Nachdem er im Juni 1974 in Berlin ermordet worden war wurde Ilse Schwipper noch im gleichen Monat als Zeugin vorgeladen und da sie Aussagen verweigerte drei Wochen lang in Beugehaft genommen Im August 1974 wurde sie in Darmstadt erneut wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung inhaftiert Die anderen funf Mitglieder ihrer Kommune in Hesslingen kamen ebenfalls in Haft Alle wurden der Beteiligung an dem Mord verdachtigt Einer der Verhafteten Jurgen Bodeux wurde zum Kronzeugen der Anklage Aufgrund seiner Aussagen unter anderem dass Schwipper und er den spateren Tatort ausgekundschaftet hatten wurde gegen beide Anklage erhoben Im Juni 1976 verurteilte das Gericht Schwipper und die Mitangeklagten im ersten Schmucker Prozess wegen gemeinschaftlichen Mordes Sie erhielt eine lebenslange Haftstrafe die funf anderen Angeklagten wurden zu Jugendstrafen verurteilt Nur Bodeux nahm das Urteil an Fur Schwipper endete das Verfahren nach drei Revisionsverfahren erst 1991 mit der Verfahrenseinstellung weil die Tat unter anderem wegen der Verwicklung des Verfassungsschutzes nicht mehr aufgeklart werden konnte Noch in der Untersuchungshaft heiratete Ilse den Krankenpfleger Jurgen Schwipper Die Ehe wurde bald geschieden Meine Haftbedingungen waren von insgesamt fast 12 Jahren 6 5 Jahre Isolationshaft mit allen Merkmalen der Weissen Folter erklarte Schwipper 2002 im Interview mit der anarchopazifistischen Zeitschrift Graswurzelrevolution Diese Haftbedingungen haben zu schweren korperlichen und seelischen Erkrankungen gefuhrt so dass ich am 2 Mai um 15 15 Uhr 1982 schwerkrank als haftunfahig entlassen wurde Bis zum heutigen Tag habe ich oft mit den Spatfolgen zu kampfen Spateres politisches Engagement Bearbeiten Im selben Interview erklarte sie ruckblickend dass die Politik der Stadtguerilla eine richtige war 8 Sie lebte zuletzt in Berlin und engagierte sich unter anderem fur Anarchafeminismus und bessere Haftbedingungen von politischen Gefangenen vor allem in der Turkei Uber die Bibliothek der Freien war sie in Berlin mit der anarchistischen Szene verbunden und war 2005 beteiligt an einer Veranstaltung uber Zenzl Muhsam im Haus der Demokratie und Menschenrechte Literatur BearbeitenDas Isolationszellensystem als wissenschaftliches Forschungsprojekt Artikel von Ilse Schwipper in Peter Nowak Gulten Sesen Martin Beckmann Hrsg Bei lebendigem Leib Von Stammheim zu den F Typ Zellen Gefangnissystem und Gefangenenwiderstand in der Turkei Unrast Munster 2001 Stefan Aust Der Lockvogel Die todliche Geschichte eines V Mannes zwischen Verfassungsschutz und Terrorismus Rowohlt Verlag Hamburg 2002 ISBN 3 498 00063 2 Ich traume noch immer von der Revolution Ein Interview mit der Ex Stadtguerillera Ilse Schwipper in Bernd Drucke Hg ja Anarchismus Gelebte Utopie im 21 Jahrhundert Interviews und Gesprache Karin Kramer Verlag Berlin 2006 ISBN 978 3 87956 307 4 Seite 221 233 Diverse Artikel von Ilse Schwipper erschienen in Schwarzer Faden Vierteljahresschrift fur Lust und Freiheit in Graswurzelrevolution Monatszeitung fur eine gewaltfreie herrschaftslose Gesellschaft und in der Tageszeitung junge Welt Birgit Schneider Bonninger Simone Neteler Die Rote Ilse und ihr Traum von der Revolution In Die Wolfsburg Saga 2008 Weblinks BearbeitenNachruf vom 7 Dezember 2007 im Berliner Tagesspiegel Bericht uber den Prozess gegen Ilse Schwipper 1973 Die weisse Folter wird geleugnet Interview zur RAF Debatte 2007 Ilse Schwipper Gedenkseite beim anarchistischen DadA Web ilse presente und Gedenkveranstaltung als Nachrufe bei Indymedia Von der Werkbank zur Stadtguerilla Nachruf bei der taz Ilse Schwippers Texte bei der Trend Onlinezeitung Ein Nachruf der Redaktion Artikelserie der Braunschweiger Zeitung im Jahre 2008 uber die Rote Ilse Teil 1 Teil 2 Teil 3 Teil 4 Teil 5 Teil 6 Teil 7 Teil 8 Teil 9 Teil 10 Dokumente der Schwarzen Hilfe Hannover und der Schwarzen Hilfe Wolfsburg zum Prozess gegen die sogenannte Kommune 3 aus Wolfsburg 1972 vor dem Amtsgericht HildesheimEinzelnachweise Bearbeiten Nachruf vom 7 Dezember 2007 im Berliner Tagesspiegel Wolfsburger Nachrichten 27 Mai 1971 Brandstifter wieder unterwegs Feuer brannte in der Aula Wolfsburger Nachrichten 12 Juni 1971 Wolfsburger Terrorbande bei Polizeiaktion gefasst Wolfsburger Nachrichten 27 Juli 1971 Die meisten Kommunarden legten Gestandnisse ab Wolfsburger Nachrichten 24 Februar 1972 Die Rote Ilse und ihre Wolfsburger Kommune vor Gericht in Hildesheim Wolfsburger Nachrichten 6 April 1972 Ilse Bongartz Freiheit fur das Leben Wolfsburger Nachrichten 26 Februar 1972 Rote Ilse dirigiert auch auf der Anklagebank Ich traume noch immer von der Revolution September 2002 Memento vom 9 Oktober 2007 im Internet Archive Normdaten Person GND 133742946 lobid OGND AKS VIAF 35653892 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Schwipper IlseALTERNATIVNAMEN Bongartz Ilse Jandt Ilse Nikolaus Ilse Geburtsname KURZBESCHREIBUNG deutsche AnarchafeministinGEBURTSDATUM 24 Juni 1937GEBURTSORT BerlinSTERBEDATUM 27 September 2007STERBEORT Berlin Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Ilse Schwipper amp oldid 236984542