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Herta Oberheuser 15 Mai 1911 in Koln 24 Januar 1978 in Linz am Rhein war als Arztin im KZ Ravensbruck verantwortlich fur Menschenversuche mit Sulfonamiden fur die sie als einzige Frau beim Nurnberger Arzteprozess angeklagt und verurteilt wurde Herta Oberheuser als Angeklagte im Nurnberger Arzteprozess Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Menschenversuche im KZ Ravensbruck 3 Prozess gegen Herta Oberheuser 4 Ruckkehr ins burgerliche Leben 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseLeben BearbeitenOberheuser wurde am 15 Mai 1911 in Koln als Tochter eines Ingenieurs geboren Sie wuchs in Dusseldorf auf wo sie 1931 das Abitur ablegte Anschliessend studierte sie in Bonn und Dusseldorf Medizin Die Familie Oberheuser war nicht wohlhabend so dass Oberheuser sich ihr Studium teilweise selbst finanzieren musste Sie legte 1936 ihr Staatsexamen ab 1 wurde 1937 zum Dr med promoviert erhielt ihre erste Stelle als Assistenzarztin am Physiologischen Institut in Bonn und arbeitete danach an der Medizinischen Klinik in Dusseldorf Dann entschloss sie sich zu einer Fachausbildung als Hautarztin und wechselte an die Dusseldorfer Hautklinik Den Facharzttitel fur Dermatologie erlangte sie 1940 2 Ab 1940 war sie beim Gesundheitsamt in Dusseldorf tatig 3 Sie war auf Forschungsversuche an lebenden Tieren Vivisektion spezialisiert 4 Sie trat 1935 dem nationalsozialistischen Bund Deutscher Madel bei wo sie bis zur Ringarztin aufstieg 1937 wurde sie Mitglied in der NSDAP spater auch im Nationalsozialistischen Schwesternverband im NS Arztebund und im NS Luftschutzbund Im Jahre 1940 wurde sie auf eine Stellenanzeige in einer medizinischen Fachzeitschrift aufmerksam Es wurde eine Stelle als Lagerarztin in einem Frauen Umschulungslager ausgeschrieben Dabei handelte es sich um das Konzentrationslager Ravensbruck Auf ihre Bewerbung hin wurde sie zunachst drei Monate eingearbeitet und schliesslich fur das KZ Ravensbruck dienstverpflichtet wo sie von Anfang 1941 bis Sommer 1943 unter den Standortarzten Walter Sonntag und Gerhard Schiedlausky tatig war Danach wechselte sie als chirurgische Assistentin in die Heilanstalt Hohenlychen zu Karl Gebhardt wo sie bis Kriegsende arbeitete Menschenversuche im KZ Ravensbruck BearbeitenMedizinische Experimente in Ravensbruck dienten meist der Erforschung der Vitalfunktionen unter Extremzustanden oft mit Blick auf eine militarische Nutzung zur Behandlung von Erfrierungen oder Verletzungen die Soldaten im Kampf erleiden konnen Die entsprechenden Verletzungen wurden den Testpersonen zugefugt und man erstellte Statistiken und experimentierte mit Heilmitteln Nach Vorlaufer Experimenten im KZ Sachsenhausen wurden in Ravensbruck unter anderem Versuche mit Sulfonamiden unternommen auf die man als Antibiotika grosse Hoffnungen bei der Behandlung Verwundeter setzte Den Opfern der Versuche wurden Bakterien Faulniserreger Holzsplitter und Glas in eigens hierfur zugefugte Wunden eingebracht womit man Verletzungen durch Bombensplitter imitierte Der Wundverlauf und die Wirkung der getesteten Medikamente wurden dokumentiert und analysiert Viele Opfer starben noch wahrend der Experimente andere Jahre spater an den Folgeerscheinungen Bei all diesen Operationen war als verantwortlicher Arzt in Ravensbruck Karl Gebhardt genannt worden seine Assistenten waren Fritz Fischer Ludwig Stumpfegger und Oberheuser Da ihre Kollegen die Versuchsbedingungen mit der Zeit nicht mehr aushielten ubernahm Oberheuser nach und nach immer mehr Funktionen ihrer Kollegen wodurch sie die Durchfuhrung der Versuche sicherstellte 5 Zu ihren Aufgaben gehorte es die weiblichen Haftlinge fur die Experimente auszuwahlen wahrend der Operationen zu assistieren 6 und die Nachversorgung zu gewahrleisten welche zumeist aus einer gezielten Nichtversorgung oder auch gezielten Verschlechterung des Heilungsverlaufs bestand um ein Hochstmass an Infektion zu erreichen 5 Sie wahlte in erster Linie junge Polinnen aus die aus politischen Grunden im Konzentrationslager inhaftiert waren Nach erfolgter Behandlung wurden zahlreiche Frauen von Oberheuser durch Injektionen ermordet was sie im Nachhinein als humanitaren Akt darzustellen versuchte Anders als ihre Kollegen die ebenfalls Patientinnen gezielt durch Spritzen toteten wahlte Oberheuser Benzininjektionen deren Wirkung erst nach drei bis funf Minuten und bei vollem Bewusstsein der Versuchsopfer einsetzte 7 8 Aussagen Oberheusers zeigen deutlich ihre Einstellung gegenuber den Patientinnen welche sie als Kaninchen und nicht als Menschen wahrnahm 9 Oberheuser war nicht nur an medizinischen Experimenten sondern auch an Zwangsabtreibungen und weiteren medizinischen Eingriffen beteiligt Diese wurden selbst an Frauen die bereits im siebten oder achten Monat schwanger waren vorgenommen Gerhard Schiedlausky bestatigte dies allerdings habe er nur auf Befehl gehandelt Oberheuser und Rosenthal hatten ihm zunachst hierbei assistiert spater aber die Eingriffe selbstandig durchgefuhrt Neben der Abtreibung durch arztlichen Eingriff kam es auch zum Abort durch Schlage und zur Totung von Neugeborenen Die Arztin war wahrend ihrer Arbeitszeit in Ravensbruck nachweislich mit mindestens 60 Opfern konfrontiert 7 Anders als ihre mannlichen Kollegen hat Oberheuser die Ergebnisse ihrer Arbeit im Konzentrationslager Ravensbruck nicht fur ihre weitere Karriere nach Kriegsende benutzt 10 Sie sah ihre Aufgabe in der Unterstutzung ihrer mannlichen Vorgesetzten trug damit aber wesentlich zur Realisierung der Menschenversuche bei Prozess gegen Herta Oberheuser BearbeitenDie Verhandlung gegen Oberheuser fand am 3 und 8 April 1947 statt 11 Oberheuser war die einzige Frau die im Nurnberger Arzteprozess wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit angeklagt wurde 10 Sie wurde von Alfred Seidl der im Hauptkriegsverbrecherprozess Rudolf Hess und Hans Frank verteidigt hatte juristisch vertreten Oberheuser versuchte vor Gericht sich mit ihrer Weiblichkeit und dem Argument dass eine Frau also auch sie selbst nicht so brutal sein konne zu rechtfertigen Damit war ihr Verhalten bewusst oder unbewusst Teil eines gesellschaftlichen Konsenses dass Frauen und damit auch sie selbst nicht zu solchen Taten fahig seien 10 12 Wissenschaftlich wurde diese Frage im so genannten Historikerinnenstreit ausfuhrlich behandelt Auch erklarte sie dass die Experimente dem Zweck gedient hatten das Leben 100 000er verwundeter Wehrmachtssoldaten zu retten Oberheuser erklarte ferner vor Gericht dass sie von den Geschehnissen im Lager nichts gewusst habe beziehungsweise sich nicht mehr daran erinnern konne gleichzeitig zog sie sich immer wieder auf ihren medizinischen Status zuruck Ausserdem erklarte sie dass Anordnungen auf sie gewirkt hatten als ob sie direkt von Adolf Hitler kamen und damit legitim gewesen seien 13 Der von ihr geschilderten passiven Rolle widerspricht die Verleihung des Kriegsverdienstkreuzes 14 Arzte wie Oberheuser und Fischer gaben bei Befragungen nach Kriegsende an den zum Tode verurteilten Frauen mit diesen Versuchsoperationen eine Chance zum Uberleben gegeben zu haben Dem widerspricht aber dass Frauen wenn sie von den Experimenten genesen waren sehr haufig ermordet wurden oder infolge weiterer Versuche starben 13 Das Gericht befand sie nach vierwochiger Beratungszeit fur schuldig Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben Am 20 August 1947 wurde Oberheuser im Nurnberger Arzteprozess zu zwanzig Jahren Haft verurteilt ohne dass ihr die Zulassung als Arztin entzogen wurde Da sie aufgrund ihres Geschlechts nicht Mitglied der SS werden konnte wurde sie auch nicht wegen der Mitgliedschaft in einer verbotenen Organisation verurteilt Das Urteil wurde 1951 auf zehn Jahre reduziert und bereits am 4 April 1952 wurde Oberheuser aus dem Kriegsverbrechergefangnis Landsberg wegen guter Fuhrung entlassen Sie war etwa funf Jahre inhaftiert und wurde spater mit der Empfehlung des Bundesarbeitsministeriums 15 als Spatheimkehrer anerkannt wodurch sie eine spezielle berufliche Forderung genoss 3 Ruckkehr ins burgerliche Leben BearbeitenNach ihrer Haftentlassung liess sich Oberheuser wenig spater als praktische Arztin in Stocksee bei Neumunster nieder und arbeitete gleichzeitig bei der Johanniter Heilstatte in Plon Von einer Uberlebenden aus dem KZ Ravensbruck wurde sie 1956 erkannt und angezeigt Nach dem Bekanntwerden von Vorwurfen gegen ihre Person wurde sie aus der Johanniter Heilstatte entlassen Gleichzeitig eroffnete die Kieler Staatsanwaltschaft ein Verfahren gegen Oberheuser wegen des Verdachts einer strafbaren Handlung das jedoch bereits 1957 mit der Begrundung eingestellt wurde dass Oberheuser nicht zweimal fur die gleiche Tat bestraft werden konne und das Verfahren in Nurnberg rechtmassig abgeschlossen sei 16 Die Verfahren waren von grosseren burokratischen Schwierigkeiten gepragt da die Akten aus Nurnberg nie in den deutschen Bestand uberfuhrt worden waren Trotz des langwierigen und von starkem medialem Interesse gepragten Prozesses um die Schliessung der Praxis und Entziehung der Zulassung florierte Oberheusers Privatpraxis 16 Im August 1958 wurde ihr nach Protesten der Arbeitsgemeinschaft ehemaliger Ravensbruckerinnen 13 die Approbation entzogen Oberheuser erhob Anfechtungsklage die am 4 Dezember 1960 abgewiesen wurde Nach einer zwolfstundigen Verhandlung hat die achte Kammer des Schleswig Holsteinischen Verwaltungsgerichtes in Schleswig am Samstag die Anfechtungsklage der Arztin Oberheuser gegen den Kieler Innenminister Lemke der ihr wegen ihrer Tatigkeit in dem Frauen Konzentrationslager Ravensbruck die Approbation entzogen hatte kostenpflichtig abgewiesen 17 Neben dem Protest ehemaliger Haftlinge waren es besonders internationale Pressestimmen die den Entzug der Zulassung gefordert hatten 18 Oberheuser musste daraufhin ihre Praxis endgultig schliessen Im Mai 1965 verliess sie Stocksee und zog nach Bad Honnef Am 24 Januar 1978 starb sie im nahegelegenen Linz am Rhein Literatur BearbeitenAlexander Mitscherlich Fred Mielke Medizin ohne Menschlichkeit Dokumente des Nurnberger Arzteprozesses Fischer Heidelberg 1960 ISBN 3 596 22003 3 Claudia Taake Angeklagt SS Frauen vor Gericht BIS Verlag Oldenburg 1998 ISBN 3 8142 0640 1 PDF 476 kB Freya Klier Die Kaninchen von Ravensbruck Droemer Knaur 2001 Silke Schafer Zum Selbstverstandnis von Frauen im Konzentrationslager Das Lager Ravensbruck Berlin 2002 Dissertation TU Berlin urn nbn de kobv 83 opus 4303 doi 10 14279 depositonce 528 Wolfgang Woelk Frank Sparing Karen Bayer Michael Esch Hrsg Nach der Diktatur Die Medizinische Akademie Dusseldorf vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis in die 1960er Jahre Dusseldorfer Schriften zur Neueren Landesgeschichte und zur Geschichte Nordrhein Westfalens 66 Klartext Essen 2003 ISBN 3 89861 173 6 Sylvija Kavcic Dr Herta Oberheuser Karriere einer Arztin In Viola Schubert Lehnhardt Sylvia Korch Hrsg Frauen als Taterinnen und Mittaterinnen im Nationalsozialismus Martin Luther Universitat Halle Wittenberg Halle 2007 ISBN 3 86010 830 1 S 99 113 Ernst Klee Das Personenlexikon zum Dritten Reich Fischer Frankfurt am Main 2007 ISBN 978 3 596 16048 8 akt 2 Auflage Kathrin Kompisch Taterinnen Frauen im Nationalsozialismus Bohlau Verlag Koln 2008 ISBN 978 3 412 20188 3 S 143 f Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Herta Oberheuser Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Literatur von und uber Herta Oberheuser im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Menschenversuch aufs Exempel In Der Spiegel 11 1947 Ralf Jatzkowski Herta Oberheuser 1911 1978 auf shoa de Verhor Herta Oberhausers bei den Nurnberger Prozessen am 8 April 1947 United States Holocaust Memorial Museum 1 Einzelnachweise Bearbeiten Paul Weindling Herta Oberheuser in Wolfgang U Eckart Christoph Gradmann Hrsg Arzte Lexikon Springer Heidelberg 2006 S 244 ISBN 3 540 29584 4 Ralf Jatzkowski Herta Oberheuser 1911 1978 auf shoa de a b Ernst Klee Das Personenlexikon zum Dritten Reich Frankfurt am Main 2007 S 441 Iris Maria Hix Von der Fortpflanzung zur Vernichtungsauslese In Annette Kuhn Frauenleben im NS Alltag Bonn 1999 S 275 a b Angelika Ebbinghaus Hrsg Opfer und Taterinnen Frauenbiographien des Nationalsozialismus Band 2 Franz Greno Verlag Nordlingen 1987 ISBN 3 89190 951 9 Die Arztin Herta Oberheuser S 253 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Claudia Taake Angeklagt SS Frauen vor Gericht BIS Verlag Oldenburg 1998 ISBN 3 8142 0640 1 S 95 PDF 476 kB a b Iris Maria Hix Von der Fortpflanzung zur Vernichtungsauslese In Annette Kuhn Frauenleben im NS Alltag Bonn 1999 S 276 zitiert bei Alexander Mitscherlich Fred Mielke Medizin ohne Menschlichkeit Dokumente des Nurnberger Arzteprozesses Frankfurt am Main 2004 S 205 Nurnberger Dokumente Nr 862 in Teilen zitiert bei Ernst Klee Auschwitz die NS Medizin und ihre Opfer Frankfurt am Main 1997 S 156 a b c Angelika Ebbinghaus Hrsg Opfer und Taterinnen Frauenbiographien des Nationalsozialismus Band 2 Franz Greno Verlag Nordlingen 1987 ISBN 3 89190 951 9 Claudia Taake Angeklagt SS Frauen vor Gericht BIS Verlag Oldenburg 1998 ISBN 3 8142 0640 1 S 94 PDF 476 kB KZ Gedenkstatte Neuengamme Hrsg Entgrenzte Gewalt Taterinnen und Tater im Nationalsozialismus Beitrage zur Geschichte der nationalsozialistischen Verfolgung in Norddeutschland Nr 7 1 Auflage Edition Temmen Bremen 2002 ISBN 3 86108 371 X S 143 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche a b c Iris Maria Hix Von der Fortpflanzung zur Vernichtungsauslese In Annette Kuhn Frauenleben im NS Alltag Bonn 1999 S 277 Claudia Taake Angeklagt SS Frauen vor Gericht BIS Verlag Oldenburg 1998 ISBN 3 8142 0640 1 S 99 PDF 476 kB Monika Zorn Hitlers zweimal getotete Opfer Westdeutsche Endlosung des Antifaschismus auf dem Gebiet der DDR Freiburg 1994 S 72 a b Scherben in der Wunde In Der Spiegel Nr 46 1960 online Ehemalige KZ Arztin darf nicht praktizieren In Frankfurter Allgemeine Zeitung 5 Dezember 1960 Alexander Mitscherlich Der Nurnberger Arzteprozess im Spiegel seiner Aufarbeitung Berlin Hamburg Munster 1994 Normdaten Person GND 121907147 lobid OGND AKS LCCN no2004057608 VIAF 881622 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Oberheuser HertaKURZBESCHREIBUNG deutsche Arztin im KZ RavensbruckGEBURTSDATUM 15 Mai 1911GEBURTSORT KolnSTERBEDATUM 24 Januar 1978STERBEORT Linz am Rhein Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Herta Oberheuser amp oldid 230045875