www.wikidata.de-de.nina.az
Der Heiratssatz oder auch Satz von Hall benannt nach Philip Hall ist ein mathematischer Satz aus der Kombinatorik bzw aus der Theorie der endlichen Mengen aus dem Jahre 1935 1 Er gilt als Ausgangspunkt der Matching Theorie in der Graphentheorie 2 Inhaltsverzeichnis 1 Problemstellung 1 1 Interpretation 1 2 Notwendige Bedingung 2 Heiratssatz 3 Beweise und verwandte Satze 4 Graphentheoretische Darstellung 5 Verallgemeinerungen 5 1 Verallgemeinerung nach Philip A Ostrand 5 2 Verallgemeinerung nach Rado 5 3 Erweiterung auf den unendlichen Fall 6 Weblinks 7 Literatur 8 Einzelnachweise und AnmerkungenProblemstellung Bearbeiten nbsp 1 A 1 displaystyle 1 in A 1 nbsp 2 A 2 displaystyle 2 in A 2 nbsp 5 A 3 displaystyle 5 in A 3 nbsp und 7 A 4 displaystyle 7 in A 4 nbsp ist eine mogliche Auswahl nbsp Die Mengen A 1 A 2 A 3 displaystyle A 1 A 2 A 3 nbsp verletzen die Hall Bedingungen da deren Vereinigung nur 2 Elemente enthalt Gegeben seien eine naturliche Zahl n displaystyle n nbsp eine endliche Menge X displaystyle X nbsp und endlich viele Teilmengen A 1 A n displaystyle A 1 ldots A n nbsp von X displaystyle X nbsp die nicht notwendigerweise alle verschieden sein mussen Dann ist die Frage Gibt es ein Vertretersystem englisch system of distinct representatives also Elemente x i A i displaystyle x i in A i nbsp i 1 n displaystyle i 1 ldots n nbsp derart dass die x 1 x n displaystyle x 1 ldots x n nbsp alle verschieden sind Oder anders formuliert Gegeben seien eine endliche Indexmenge I displaystyle I nbsp und dazu eine Familie A A i i I displaystyle mathcal A A i i in I nbsp endlicher Mengen Dann ist die Frage Existiert fur A displaystyle mathcal A nbsp eine injektive Auswahlfunktion a I i I A i displaystyle a colon I to bigcup i in I A i nbsp so dass a i A i displaystyle a i in A i nbsp fur alle i I displaystyle i in I nbsp gilt Interpretation Bearbeiten Folgende Interpretation fuhrte zum weitverbreiteten Begriff Heiratssatz 3 Gegeben seien eine endliche Menge I displaystyle I nbsp heiratswilliger Frauen und dazu eine endliche Menge X displaystyle X nbsp von mit diesen Frauen befreundeten Mannern Fur jede Frau i I displaystyle i in I nbsp sei A i X displaystyle A i subseteq X nbsp die Menge der mit i displaystyle i nbsp befreundeten Manner Dann ist die Frage Lassen sich die Frauen mit den Mannern so verheiraten dass jede Frau einen der mit ihr befreundeten Manner heiratet ohne dass die Monogamieregel verletzt wird 2 Eine Veranschaulichung des Heiratssatzes findet sich in dem Beitrag von Konrad Jacobs in den Selecta Mathematica I 4 Notwendige Bedingung Bearbeiten Eine solche Heirat verlangt dass jede Frau i displaystyle i nbsp einen Mann x i A i displaystyle x i in A i nbsp zur Heirat auswahlt ohne dass dabei zwei Frauen denselben Mann heiraten Dies muss nicht nur fur die Gesamtheit der Frauen gelten sondern auch fur jede beliebige Teilmenge Es ist also offensichtlich notwendig dass je k displaystyle k nbsp Frauen immer mit mindestens k displaystyle k nbsp Mannern befreundet sind 5 Dies bedeutet Fur jede Teilmenge I 0 I displaystyle I 0 subseteq I nbsp muss es in der Vereinigungsmenge i I 0 A i displaystyle bigcup i in I 0 A i nbsp immer mindestens I 0 displaystyle I 0 nbsp Elemente geben 6 Zur Existenz einer Auswahl der verlangten Art erhalten wir exakt die folgende notwendige Bedingung die man auch die Hall Bedingung oder hallsche Bedingung englisch Hall s condition nennt Fur jede Teilmenge I 0 I displaystyle I 0 subseteq I nbsp ist i I 0 A i I 0 displaystyle bigcup i in I 0 A i geq I 0 nbsp Heiratssatz BearbeitenDer Heiratssatz sagt nun aus dass die Hall Bedingung fur die Existenz einer Auswahl nicht nur notwendig sondern auch hinreichend ist Es seien I displaystyle I nbsp und A displaystyle mathcal A nbsp wie oben beschrieben Dann sind folgende Aussagen aquivalent Es existiert fur A displaystyle mathcal A nbsp eine injektive Auswahlfunktiona I i I A i i x i A i displaystyle a colon I to bigcup i in I A i quad i mapsto x i in A i nbsp Die Hall Bedingung ist erfullt Beweise und verwandte Satze BearbeitenEin direkter Beweis kann mittels Induktion uber die Anzahl I displaystyle I nbsp der Mengen A i displaystyle A i nbsp gefuhrt werden Ein solcher Beweis findet sich in den Proofs from THE BOOK von Martin Aigner und Gunter Ziegler 2 Der Satz lasst sich ebenfalls direkt auf den Satz von Dilworth zuruckfuhren Wie sich zeigt lassen sich der Heiratssatz der Satz von Dilworth und der Satz von Konig leicht gegenseitig auseinander herleiten 7 Graphentheoretische Darstellung Bearbeiten nbsp Die blauen Kanten bilden ein Matching in dem alle Knoten aus A vorkommen Der Heiratssatz von Hall lasst sich wie folgt graphentheoretisch darstellen Es sei G V E displaystyle G V E nbsp ein bipartiter Graph mit Bipartition A B displaystyle A B nbsp Ein Matching ist eine Menge von verschiedenen Kanten die keine Knoten des Graphen gemeinsam haben Fur eine Teilmenge S A displaystyle S subset A nbsp sei N S displaystyle N S nbsp die Menge aller zu S displaystyle S nbsp benachbarten Punkte die wegen der Bipartitheit notwendigerweise eine Teilmenge von B displaystyle B nbsp sind Die Frage nach einem Matching in dem alle Knoten a A displaystyle a in A nbsp vorkommen ist die Frage nach einer Auswahl von paarweise verschiedenen Knoten b a N a displaystyle b a in N a nbsp fur alle a A displaystyle a in A nbsp Der Heiratssatz lautet in diesem Kontext 8 Fur einen bipartiten Graphen mit Bipartition A B displaystyle A B nbsp sind folgende Aussagen aquivalent Es gibt ein Matching in dem jeder Knoten aus A displaystyle A nbsp vorkommt Fur alle Teilmengen S A displaystyle S subseteq A nbsp gilt N S S displaystyle N S geq S nbsp Es existiert eine injektive Funktion f E displaystyle f subseteq E nbsp mit Definitionsbereich A displaystyle A nbsp welche eine mogliche injektive Auswahlfunktion wie in Kapitel Problemstellung beschrieben ist Ob ein derartiges Matching existiert lasst sich mithilfe des Modells des Netzflusses beantworten Verallgemeinerungen BearbeitenIn der Literatur zum Heiratssatz findet sich eine grosse Anzahl von Verallgemeinerungen und Erweiterungen unter verschiedenen Massgaben Verallgemeinerung nach Philip A Ostrand Bearbeiten Diese Verallgemeinerung Satz von Ostrand verscharft den Heiratssatz in der Weise dass hier eine untere Schranke zur Abschatzung der Anzahl der Vertretersysteme angegeben wird mit der sich der Heiratssatz unmittelbar ergibt 9 5 10 Gegeben seien eine naturliche Zahl n displaystyle n nbsp und dazu eine endliche Familie A A 1 A n displaystyle mathcal A A 1 ldots A n nbsp endlicher Mengen Diese sei in folgendem Sinne aufsteigend angeordnet A 1 A 2 A n displaystyle A 1 leq A 2 leq ldots leq A n nbsp Die Anzahl der Vertretersysteme von A displaystyle mathcal A nbsp werde mit v A displaystyle v mathcal A nbsp bezeichnet 11 Dann gilt Erfullt A displaystyle mathcal A nbsp die Hall Bedingung so ist v A i 1 n max 1 A i i 1 displaystyle v mathcal A geq prod i 1 n operatorname max left 1 left A i right i 1 right nbsp Die Verbindung zum Heiratssatz ergibt sich aus der Beobachtung dass fur i 1 n displaystyle i 1 ldots n nbsp durchweg max 1 A i i 1 gt 0 displaystyle operatorname max 1 A i i 1 gt 0 nbsp gilt Der Satz von Ostrand sagt also insbesondere aus dass bei Gultigkeit der Hall Bedingung die Anzahl der Vertretersysteme mindestens 1 displaystyle 1 nbsp sein muss dass also in diesem Falle ein Vertretersystem existiert Wie der niederlandische Mathematiker Jacobus Hendricus van Lint zeigen konnte ist die oben genannte Schranke wenn allein die Anzahlen A i displaystyle A i nbsp bekannt sind die bestmogliche 12 Verallgemeinerung nach Rado Bearbeiten Hauptartikel Satz von Rado Diese Verallgemeinerung welche auf Richard Rado zuruckgeht bringt den Heiratssatz in Verbindung mit der Matroidtheorie Ausgangspunkt ist hier die folgende Frage Unter welchen Bedingungen existiert zu einem gegebenen Matroid M X U displaystyle mathcal M X mathcal U nbsp und zu einer gegebenen endlichen Familie A A i i I displaystyle mathcal A A i i in I nbsp von X displaystyle X nbsp Teilmengen ein Vertretersystem a i i I displaystyle a i i in I nbsp derart dass die Teilmenge A a i i I displaystyle A a i i in I nbsp unabhangig ist 13 14 Eine solche Teilmenge A displaystyle A nbsp nennt man auch eine unabhangige Transversale Kurz und knapp formuliert ist die in Rede stehende Frage also so zu stellen Unter welchen Bedingungen hat ein gegebenes Matroid M displaystyle mathcal M nbsp zu einer gegebenen endlichen Teilmengenfamilie A displaystyle mathcal A nbsp eine unabhangige Transversale Die Antwort auf diese Frage gibt der Satz von Rado welcher folgendes besagt 15 16 17 18 M displaystyle mathcal M nbsp hat zu A displaystyle mathcal A nbsp eine unabhangige Transversale dann und nur dann wenn fur jede Teilfamilie A H A i i H displaystyle mathcal A H A i i in H nbsp H I displaystyle H subseteq I nbsp die Ungleichung r i H A i H displaystyle rho bigcup i in H A i geq H nbsp erfullt ist 19 Die letzte Bedingung nennt man kurz Rados Bedingung englisch Rado s condition oder auch Hall Rado Bedingung englisch Hall Rado condition oder ahnlich Sie bedeutet dass fur jedes H I displaystyle H subseteq I nbsp die zugehorige Vereinigungsmenge eine unabhangige Teilmenge mit mindestens H displaystyle H nbsp Elementen umfasst Von ihr aus gelangt man zur Hall Bedingung indem man als Rangfunktion die Anzahlfunktion P X N 0 displaystyle cdot colon mathcal P X to mathbb N 0 nbsp nimmt welche jeder Teilmenge T X displaystyle T subseteq X nbsp die Anzahl ihrer Elemente T displaystyle T nbsp zuordnet In dem zur Anzahlfunktion gehorigen Matroid sind alle Teilmengen von X displaystyle X nbsp unabhangig So erweist sich der Heiratssatz als Spezialfall des Satzes von Rado Erweiterung auf den unendlichen Fall Bearbeiten Zum Heiratssatz und zum Satz von Rado und ebenso zum Satz von Dilworth gibt es erweiterte Versionen welche u a den Fall einbeziehen dass die Grundmenge unendlich ist Die Beweise dieser transfiniten Versionen setzen allerdings ublicherweise als entscheidendes Hilfsmittel das Lemma von Zorn bzw den Satz von Tychonoff ein gehen also vom Auswahlaxiom aus 20 21 Die Erweiterung auf den unendlichen Fall wurde von Ron Aharoni Crispin Nash Williams und Saharon Shelah bewiesen 22 23 24 Weblinks Bearbeiten nbsp Wikiversity Ein Beweis des Heiratssatzes im Rahmen eines Kurses zur diskreten Mathematik KursmaterialienLiteratur BearbeitenMartin Aigner Gunter M Ziegler Proofs from THE BOOK Springer Verlag Berlin u a 1991 ISBN 3 540 63698 6 Martin Aigner Kombinatorik II Matroide und Transversaltheorie Hochschultext Springer Verlag Berlin u a 1976 ISBN 3 540 07949 1 MR0460127 Heinz Richard Halder Werner Heise Einfuhrung in die Kombinatorik Mathematische Grundlagen fur Mathematiker Physiker und Ingenieure Hanser Verlag Munchen Wien 1976 ISBN 3 446 12140 4 MR0498160 Konrad Jacobs Hrsg Selecta Mathematica I Heidelberger Taschenbucher Band 49 Springer Verlag Berlin Heidelberg New York 1969 S 103 141 Konrad Jacobs Dieter Jungnickel Einfuhrung in die Kombinatorik de Gruyter Lehrbuch 2 vollig neu bearbeitete und erweiterte Auflage de Gruyter Berlin u a 2004 ISBN 3 11 016727 1 Dieter Jungnickel Transversaltheorie Mathematik und ihre Anwendungen in Physik und Technik Band 39 Akademische Verlagsgesellschaft Geest amp Portig K G Leipzig 1982 MR0706076 L Lovasz M D Plummer Matching Theory North Holland Mathematics Studies Band 121 North Holland Amsterdam u a 1986 ISBN 0 444 87916 1 MR0859549 Heinz Luneburg Kombinatorik Elemente der Mathematik vom hoheren Standpunkt aus Band 6 Birkhauser Verlag Basel Stuttgart 1971 ISBN 3 7643 0548 7 MR0335267 Leonid Mirsky Transversal Theory North Holland Mathematics Studies Band 121 Academic Press New York London 1971 ISBN 0 12 498550 5 MR0282853 L Mirsky Hazel Perfect Systems of representatives In J Math Anal Appl Band 15 1966 S 520 568 sciencedirect com MR0204300 Philip A Ostrand Systems of distinct representatives II In J Math Anal Appl Band 32 1970 S 1 4 ac els cdn com PDF MR0280385 R Rado A theorem on independence relations In Quart J Math Oxford Band 13 1942 S 83 89 qjmath oxfordjournals org PDF MR0008250 Philip F Reichmeider The Equivalence of Some Combinatorial Matching Theorems Polygonal Publishing House Washington NJ 1984 ISBN 0 936428 09 0 MR0781348 D J A Welsh Matroid Theory L M S Monographs Band 8 Academic Press London u a 1976 ISBN 0 12 744050 X MR0427112 Hermann Weyl Almost periodic invariant vector sets in a metric vector space In Amer J Math Band 71 1949 S 178 205 JSTOR 2372104 MR0028530 Einzelnachweise und Anmerkungen Bearbeiten P Hall On representation of subsets Quart J Math Oxford 10 1935 S 26 30 a b c Aigner Ziegler S 134 136 Der Terminus Heiratssatz englisch marriage theorem und die damit verbundene Interpretation werden in der Fachliteratur auf Hermann Weyl zuruckgefuhrt vgl Jacobs Jungnickel S 23 393 Weyl nennt die in Rede stehende Fragestellung explizit das marriage problem vgl Weyl Amer J Math Band 71 S 202 ff Jacobs Selecta Mathematica I S 103 ff a b Halder Heise S 145 149 Dabei bezeichnet I 0 displaystyle I 0 nbsp die Anzahl der Elemente von I 0 displaystyle I 0 nbsp Jungnickel Konrad Jacobs S 27 ff Winfried Hochstattler Algorithmische Mathematik Springer Verlag 2010 ISBN 3 642 05421 8 Satz 4 36 Ostrand J Math Anal Appl Band 32 S 1 4 Die Notwendigkeit des Erfulltseins der hallschen Bedingung wird hierbei als evident angesehen Dies ist also die Anzahl der injektiven Auswahlfunktionen a 1 n A 1 A n displaystyle a colon 1 ldots n to A 1 cup ldots cup A n nbsp fur A A 1 A n displaystyle mathcal A A 1 ldots A n nbsp Hier gilt im Allgemeinen wenn nichts weiter vorausgesetzt wird v A 0 displaystyle v mathcal A 0 nbsp Halder Heise S 149 X displaystyle X nbsp ist die gegebene endliche Grundmenge in der alle A i displaystyle A i nbsp enthalten sind und U displaystyle mathcal U nbsp ist das zugehorige System der unabhangigen Teilmengen Stellt man den Zusammenhang mit der oben beschriebenen injektiven Auswahlfunktion a I i I A i displaystyle a colon I to bigcup i in I A i nbsp her so ist a i i I a i i I displaystyle a i i in I a i i in I nbsp wobei die Teilmenge A displaystyle A nbsp genau die a displaystyle a nbsp Bildmenge von I displaystyle I nbsp ist zu der sie auf diesem Wege in umkehrbar eindeutiger Beziehung steht Rado Quart J Math Oxford Band 13 S 83 ff Aigner S 246 ff Mirsky S 93 ff Welsh S 97 ff r P X N 0 displaystyle rho colon mathcal P X to mathbb N 0 nbsp ist die zu M displaystyle mathcal M nbsp gehorige Rangfunktion Welsh S 389 ff Siehe hierzu auch Rados Auswahlprinzip R Aharoni C S J A Nash Williams S Shelah Marriage in infinite societies in Progress in Graph Theory Waterloo Ontario 1982 Academic Press Toronto 1984 S 71 79 R Aharoni C S J A Nash Williams S Shelah A general criterion for the existence of transversals Proceedings of the London Mathematical Society Band 3 1983 S 43 68 R Aharoni C S J A Nash Williams S Shelah Another Form of a Criterion for the Existence of Transversals Journal of the London Mathematical Society Band 2 1984 S 193 203 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Heiratssatz amp oldid 231689522