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Goswin von Anchin um 1082 9 Oktober 1166 war ein franzosischer Abt des 12 Jahrhunderts und ein erklarter Gegner Peter Abaelards Goswin von Anchin nach einem mittelalterlichen Manuskript Inhaltsverzeichnis 1 Leben 1 1 Ausbildung 1 2 Klosterlaufbahn 1 3 Abbatiat 1 4 Letzte Tage 2 Literatur 3 WeblinksLeben BearbeitenAusbildung Bearbeiten Goswin der sich kurz vor seinem Tod auch Warinus nannte wurde um 1082 im Schloss Douai in Flandern als Spross der dortigen Adelsfamilie geboren Wie viele andere Zeitgenossen begann er zunachst nach Erreichen des legitimen Alters d h mit ca 15 Jahren mit dem Studium der Philosophie und begab sich dazu nach Paris um dort seine Kenntnisse in der Dialektik zu vollenden Sein erster Lehrer ein gewisser Meister Hamerich in Douai hatte ihm aufgrund seiner Begabung zu diesem Studium geraten Um 1111 soll Goswin entsprechend den Angaben seiner Vita einen Disputationssieg uber Peter Abaelard errungen haben Abaelard lehrt damals unter dem Protektorat Stephans von Garlande auf dem Genovefaberg in direkter Konkurrenz zum Dialektiklehrstuhl Wilhelms von Champeaux in der Cite Goswins Erfolg gegen den beruhmten Logiker aus Le Pallet begrundete nun seine eigene Karriere als Magister der Philosophie und Theologie er entwickelte sich zu einem versierten Priscian Kopisten und Kommentator welcher so auch in der Autobiographie Abaelards allerdings in anonymisierter Form als aemulus d h Nebenbuhler erwahnt wird Die 18 Bucher der Institutiones grammaticae des spatromischen Sprachlehrers Priscian um 500 n Chr die bis zum Ausgang des Mittelalters das Referenzwerk der lateinischen Grammatik schlechthin darstellten waren kurz zuvor neu entdeckt worden Fur die Sprachlogiker des 12 Jahrhunderts war Priscians Werk verstandlicherweise eine schier unerschopfliche Fundgrube Ein Manuskript gehorte dem Pariser Arzt Azo welcher es Goswin in Teilen zum Kopieren und zur Kommentierung uberliess Klosterlaufbahn Bearbeiten Nach seiner vorubergehenden Lehrtatigkeit als Magister in Paris und spater in Douai 1112 1114 er bekleidete ein gut dotiertes Kanonat am Kapitel von Saint Ame in Douai trat Goswin im Jahr 1113 nach anderen Quellen am 19 Juni 1114 oder 1115 als Monch in das Kloster Anchin bei Lille ein um von dort aus eine beispiellose Kirchenkarriere zu starten Die Benediktinerabtei von Anchin war von den Adeligen Walter und Siger von Douai erst ein Menschenleben zuvor im Jahr 1079 auf einer grossen Insel am Zusammenfluss von Scarpe und Bouchart in der Diozese Arras gegrundet worden Uberreste des einst so bedeutsamen Klosters haben sich heute nicht mehr erhalten es wurde wahrend der franzosischen Revolution vollstandig zerstort Mit dem amtierenden Klostervorsteher Alvisius Abt von Anchin zwischen 1111 und 1131 und spaterer Bischof von Arras hatte sich Goswin bereits zuvor angefreundet Nach dem Noviziatsjahr legte Goswin die Priesterweihe ab und avancierte binnen kurzer Zeit vom Prior quartus zum Prior tertius Was die Kloster in denen nun Goswin seine weitere Karriere als Klaustralprior beschritt von anderen Konventen seiner Zeit unterschied war die schwerpunktmassige Disziplinartatigkeit im Rahmen der Reform der sie sich verschrieben hatten Der Prior claustralis hatte dabei im wahrsten Sinne des Wortes Schlusselgewalt er ubte die Funktion eines Anstaltsleiters aus und verfugte uber einen Stab von Leuten die die Gefangenen bewachten die so genannten Claustrales oder Officiales Goswins erster Auftrag fuhrte ihn nach Soissons Abt Odo von Saint Crepin in Soissons richtete einen dringenden Appell an Alvisius von Anchin ihm einen energischen Helfer und Sittenwachter zu schicken Die Wahl fiel auf Goswin Als dieser von seinem offensichtlich zeitlich limitierten Einsatz in Soissons nach Anchin zuruckkehrte trug er wegen seines Erfolgs ein Empfehlungsschreiben Odos in der Tasche Wenig spater um 1120 erreichte Goswin ein erneuter Ruf nach Soissons Gottfried Hirschhals der neue Abt von Saint Medard rief ihn in sein Kloster in der Hoffnung Goswin konnte dort erneut erreichen was durch ihn selbst nicht sichergestellt war Sein Vorganger im Amt der Reformkanoniker Oger hatte in den vier Jahren seines Abbatiats zwischen 1126 und 1130 mit wenig glucklicher Hand regiert und sich zuletzt freiwillig in sein Mutterkloster Mont Saint Eloi bei Arras zuruckgezogen Erneut muss Goswins Tatigkeit von Erfolg gekront gewesen sein denn wenig spater wurde zu ihm in Saint Medard ein besonders prominenter Gefangener ein durch Konzilbeschluss verurteilter Ketzer zur Verwahrung eingewiesen namlich Peter Abaelard Dieser war im Jahr 1121 durch die Synodalen von Soissons unter der Leitung des papstlichen Legaten Cono von Praeneste zu Schweigen und Klosterhaft verurteilt worden anschliessend hatte man sein Buch uber die Trinitat den Flammen preisgegeben und den Autor zur Verwahrung in Saint Medard eingewiesen So kam es zu einem uberraschenden Wiedersehen zwischen den einstigen Disputanten nunmehr in vertauschten Rollen Goswins Erziehungsmassnahmen stiessen bei Peter Abaelard auf wenig Gegenliebe Was predigst du mir so vielfaltig den Anstand ratst zum Anstand lobst den Anstand Viele diskutieren uber die Gesichter des Anstands und sie wissen doch nicht was Anstand ist soll er zu Goswin gesagt haben worauf dieser zu Disziplinarmassnahmen griff Allerdings wurde Abaelard nach kurzer Zeit vom papstlichen Legaten begnadigt und freigelassen wie es ihm zuvor schon Bischof Gottfried von Chartres in Aussicht gestellt hatte Die Karriere Goswins dessen angebliche Umganglichkeit und Milde mit seinem Aufgabenfeld so sehr kontrastierte war mit seinem Aufseherdienst in Saint Medard noch nicht beendet ganz im Gegenteil Er konnte sich in der Folge vor Anfragen aus ganz Nordfrankreich kaum retten Als Nachstes promovierte er zum Klaustralprior des Klosters Saint Remi in Reims Auch dieser Auftrag war zeitlich limitiert Erneut mit Ruhm bedeckt kehrte Goswin schliesslich in sein Mutterkloster Anchin zuruck Die Berufung zum Abt von Saint Pierre aux Monts in Chalons sur Marne lehnte er trotz feierlicher und kanonischer Wahl ab Wenig spater wurde er zum Bischof von Lobbes im belgischen Hennegau ernannt wobei er intensiv von Meister Werimbald aus Cambrai unterstutzt worden sein soll Lange kann sein Episkopat nicht gedauert haben Im Gegensatz zu vielen anderen Grossen seiner Zeit fur welche die Berufung auf einen Bischofsstuhl die Kronung und letzte Stufe ihrer Laufbahn darstellte verzichtete Goswin nach kurzer Zeit auf Stab und Mitra und kehrte ins Klosterleben zuruck Abbatiat Bearbeiten Als sein geistiger Ziehvater Alvisius von Anchin im Jahr 1131 Bischof von Arras wurde ruckte Goswin an seine Stelle als Abt Noch im selben Jahr nahm er in dieser Funktion an einem Konzil in Reims teil welches von Papst Innozenz II geleitet wurde Spater wurde er ein enger Vertrauter der beruhmten Zisterzienser Bernhard von Clairvaux und Papst Eugen III Bei der Konzilsversammlung von Reims die im Jahr 1148 den Bischof von Poitiers Gilbert de la Porree verurteilen wollte war er ebenfalls vertreten als besondere Auszeichnung empfing er hier den papstlichen Bruderkuss und er wurde in die intimsten Beratungen aufgenommen Haufig wurde Goswin von den lokalen Grossen seiner Zeit in Anchin besucht Philipp von Vermandois der Graf von Flandern soll sein personlicher Freund gewesen sein Doch alle Gaste habe Goswin seiner Lebensbeschreibung nach gleichermassen bescheiden behandelt er habe sie statt in einem Prunksaal lediglich im Refektorium empfangen und ihnen beim Arbeitsessen ausschliesslich fleischlose Speisen vorgesetzt Zu Beginn seines Abbatiats prosperierte der Konvent von Anchin noch nicht mitunter wurde er durch den Abt von Cysoing materiell unterstutzt Dennoch scheint das Kloster unter Goswin allmahlich eine erhebliche Fortentwicklung erfahren zu haben So wurden unter seiner Agide bedeutende Baumassnahmen durchgefuhrt u a die Kirche Notre Dame auf der Klosterinsel Anchin von Grund auf neu errichtet und in seinem Beisein im Jahr 1155 von Bischof Gottschalk von Arras feierlich eingeweiht Ansonsten berichtet die Vita des Abtes von unzahligen Wundertaten und anderen denkwurdigen Begebenheiten wie z B von einem frommen Zweikampf Ein deutscher Berufsathlet habe sich im Auftrag des Abtes mit einem auswartigen Gegner des Klosters namens Chiret duelliert Der Kampf dessen Ausgang als Gottesurteil angesehen wurde sei zugunsten des Konvents von Anchin entschieden worden Diese und einige andere auch mundlich tradierte Anekdoten und Legenden berichtete der letzte Grossprior des Konvents M de Bar zu Beginn des 19 Jahrhunderts dem letzten Geschichtsschreiber von Anchin Goswin war viel im papstlichen Auftrag unterwegs Unter anderem ubertrug ihm Papst Eugen III ein zweites Mal die Sorge um das zwischenzeitlich verwaiste Kloster Saint Medard in Soissons Auf Goswins Vorschlag hin wurde schliesslich Ingrannus der Abt von Marchiennes zum neuen Leiter erklart In diese Zeit fallt auch die Reform des renitenten Sakularkanonikerstiftes Saint Corneilles in Compiegne Diese besonders schwierige Aufgabe ubernahm Goswins Schuler Alexander Prior und spaterer Nachfolger Goswins als Leiter des Konvents von Anchin Goswin ist als Abt von Anchin in den Jahren 1135 bis 1166 durchgehend bezeugt Nicht weniger als 27 Akten weisen Goswin als wichtigen kirchlichen Reprasentanten aus einmal fungierte er sogar als Stellvertreter des Bischofs Die rigorose monastische Reform der sich Goswin als uberzeugter Gregorianer zeit seines Lebens verschrieben hatte setzte sich auf der ganzen Linie durch Eine ganze Reihe von namhaften Abten gingen aus seiner Schule die auf ganz Nordfrankreich ausstrahlte hervor Leonhard Abt von Saint Bertin Roger Abt von Saint Quentin Lietbert Abt des Klosters Marchiennes Algot Abt von Saint Crepin in Reims Gerhard Abt von Honnecourt Fulbert Abt des Klosters vom Heiligen Grab in Cambrai Clarembald Abt von Hautmont und Albert Abt von Saint Thierry in Reims Letzte Tage Bearbeiten Insgesamt war Goswin eine lange Dienstzeit beschieden Erst im Herbst des Jahres 1166 d h im 36 Jahr seines Abbatiats und 24 Jahre nach Abaelards Tod zog er sich seine todbringende Krankheit zu Nach den Angaben der Vita erkrankte er in den letzten Septembertagen plotzlich an Vier Tage Fieber d h an Malaria Auf seiner letzten Wegstrecke wurde er von Hugo dem Abt von Saint Amand begleitet Die Biographie berichtet detailliert von seiner Agonie u a auch davon wie die letzte Olung empfing Kurz zuvor hatte sein Amtskollege Peter von Celle ebenfalls ein abtrunniger Abaelard Schuler und monastischer Reformer anlasslich des bevorstehenden Todes de fine et obitu tibi instante ein bewegendes Trostschreiben an den schwerkranken Abt von Anchin gerichtet Dieses ist im vollstandigen Wortlaut erhalten geblieben Peter von Celle war nach seiner Pariser Studienzeit Abt von Montier la Celle bei Troyes gewesen Nunmehr seit 1162 war er Abt von Saint Remi in Reims einige Jahre spater im Jahre 1182 wird er sogar noch Bischof von Chartres werden Abt Peters Kondolenzbrief hat Goswin vermutlich nicht mehr als Lebenden erreicht Zumindest war dieser zu einer personlichen Antwort nicht mehr im Stande denn das ebenfalls erhaltene Antwortschreiben stammt aus der Feder seines Nachfolgers Alexander dem auch die Abfassung von Teilen der Vita Gosvini zugeschrieben wird Nach einem mehrwochigen Krankenlager starb Goswin von Anchin am 9 Oktober 1166 im Alter von 84 Jahren in der Nacht von einem Samstag auf einen Sonntag Es handelte sich um das Fest des heiligen Dionysius und um den Jahrestag der Altarweihe von Anchin Goswin wurde in der Abteikirche Notre Dame in Nahe seiner vorherigen Gebetsstatte des Presbyteriums beigesetzt Literatur BearbeitenMS BM Douai 825 12 Jhd Vita Gozuini abbatis Aquiscincti fol 1 79r ed R Gibbon Ex Vita B Gosvini Aquicinctensis Abbatis Douai 1620 S 1 192 MS BM Douai 827 Ende 15 Jhd ed R Gibbon S 193 274 Auszuge in Recueil des Historiens des Gaules et de la France kunftig abgekurzt RdH ed L Delisle Bd 14 Paris 1877 S 442 448 V Cousin Petri Abaelardi Opera Bd 1 Paris 1849 S 43f Acta Sanctorum 2 Marz Sp 752 und 4 Oktober Sp 1085 1093 M Paulin Histoire litteraire de la France Bd 12 Paris 1869 S 605f Auch Ch de Remusat erwahnte in seiner Abaelard Biographie von E A Escallier L abbaye d Anchin Lille 1852 J P Gerzaguet L abbaye d Anchin de sa fondation 1079 au XIVieme siecle Villeneuve d Ascq 1997 Abelard Historia Calamitatum ed J Monfrin Paris 1959 La vie et les epistres Pierres Abaelart et Heloys sa fame ed E Hicks Paris 1991 Abaelard Der Briefwechsel mit Heloisa ed H W Krautz Stuttgart 1989 Abaelard Der Briefwechsel mit Heloisa ed E Brost Heidelberg 1979 W Robl Goswin von Anchin ein Widersacher Abaelards in U Niggli Abaelard Werk Leben Wirkung Freiburg 2003 S 267 292 Bibliotheque de Sainte Genevieve MS H fr 21 Histoire de Saincte Genevieve et de son eglise royale et apostolique p 583 Zitiert aus P Feret La faculte de theologie de Paris et ses docteurs les plus celebres Bd 1 Paris 1894 Otto von Freising Gesta Friderici ed F J Schmale Darmstadt 2000 S 224f The letters of Peter of Celle ed J Haseldine Oxford 2001 Weblinks BearbeitenGoswin von Anchin ein Widersacher Peter Abaelards Memento vom 13 Mai 2006 im Internet Archive Normdaten Person GND 128679018 lobid OGND AKS VIAF 18282623 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Goswin von AnchinKURZBESCHREIBUNG franzosischer AbtGEBURTSDATUM um 1082STERBEDATUM 9 Oktober 1166 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Goswin von Anchin amp oldid 215838081