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Das Goldschmidt Haus ist ein 1538 errichtetes und als Baudenkmal ausgewiesenes Burgerhaus in der Altstadt von Warburg Nordrhein Westfalen Es liegt in der Joseph Kohlschein Strasse 28 an der Ecke der Gasse an der unteren Burg nahe der ehemaligen Synagoge der judischen Gemeinde von Warburg Aufgrund der Religionszugehorigkeit seiner fruheren Bewohner wurde es auch noch in der Nachkriegszeit als Judenhaus bezeichnet Das Goldschmidthaus 2011Gedenktafel am Goldschmidthaus Inhaltsverzeichnis 1 Architektur 2 Geschichte 2 1 1538 1722 Die Familie Asshoeer 2 2 1722 1892 Salomon Leikes und die Familie Berg 2 3 1892 1942 Die Familie Goldschmidt 2 4 Das Haus seit 1942 3 Literatur 4 Sonstige Quellen 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseArchitektur BearbeitenDas dreigeschossige Haus hat eine Lange von 18 40 m bei einer Breite von ca 8 70 m Es ist aus Eichenbalken in Fachwerkbauweise errichtet die Gefache sind verputzt und weiss gestrichen Die Stander gehen vom Erdgeschoss zum ersten Obergeschoss Das zweite Obergeschoss und das Dachgeschoss kragen vor Der Sturzbalken uber dem spitzbogigen Eingangstor tragt die lateinische Inschrift completu expensis honesti Johannis Asshoeer Anno M cccc xxxviii iiiixx maii Das Haus beinhaltete ursprunglich eine 18 m lange 4 5 m breite und ca 6 m hohe befahrbare Langsdeele die sich rechts in zwei niedrige Luchtnischen weitete und dadurch eine grosse Wirtschaftsflache bot Uber den beiden Luchten wurden zwei kleine Schlafkammern angeordnet die uber eine steile Treppe durch zwei niedrige spitzbogige Turen erschlossen wurden Oberhalb der Deele wurde ein grosser zur Strasse und zur Gasse uber geschweifte Knaggen vorkragender Speicherstock mit einer Gesamtflache von 8 m 18 m aufgebaut Weiteren Lagerraum bot der daruber liegende Dachboden in dem zwischen zwei Firstsaulen eine Winde angebracht war mit der die Guter von der Deele nach oben transportiert werden konnten Links neben dem Giebelhaus wurde auf einen hohen Kellersockel aus Bruchsteinen ein dreigeschossiges Saalspeichergebaude direkt angebaut Der halbtonnengewolbte Keller wurde von der Deele des Haupthauses aus uber einen Kellerabgang erschlossen Der Zugang zum ersten Speichergeschoss erfolgte ebenfalls von der Deele uber einen holzernen Galeriegang der an den Fachwerkstandern angebracht war und dessen Zapflocher noch vorhanden sind Geschichte Bearbeiten1538 1722 Die Familie Asshoeer Bearbeiten Nach der oben genannten Bauinschrift wurde das Haus vollendet auf Kosten des ehrenhaften Johannis Asshoeer im Jahre 1538 16 Mai Den Namen des Bauherrn gibt es in Warburg noch heute als Familiennamen Ashauer Er kann ubersetzt werden mit Arschhauer oder Schinkenhauer und bezeichnet damit eine Sonderform des Fleischers der im Mittelalter allgemein Fleischhauer genannt wurde Mit dem Adjektiv honesti musste der Bauherr offenbar ausdrucklich auf seine Ehrenhaftigkeit d h den Besitz der Burgerrechts hinweisen denn viele der mit der Schlachterei zusammenhangende Berufe wie zum Beispiel die Abdecker galten im Mittelalter als unehrenhaft Man kann davon ausgehen dass der Bauherr den Fleischerberuf neben einer ublichen auf den eigenen Bedarf ausgerichteten kleinbauerlichen Landwirtschaft auch noch personlich ausgeubt und die Raumdisposition des Hauses hierzu ausgerichtet hat Dafur spricht auch die Lage des Hauses in der Nahe des Altstadter Rathauses in dessen Kellergeschoss sich die Fleischbanke befanden sowie die recht einfache etwas grobe Bauart der Fachwerkkonstruktion Die letzten Eigentumer des Hauses aus der Familie des Bauherrn waren 1722 Elisabeth und Rottgert Asshoer zusammen mit Ricus Vondey 1722 1892 Salomon Leikes und die Familie Berg Bearbeiten Ab wann genau in dem Hause judische Familien wohnten ist unsicher Ron Chernow der Verfasser der Geschichte der Bankiersfamilie Die Warburgs gibt unter der Abbildung des Hauses Joseph Kohlschein Strasse 28 an dass die Vorfahren der Familie von der Mitte des 16 Jahrhunderts bis ungefahr 1670 im Hause gelebt hatten Als Namen nennt er Samuel 1595 seinen Sohn Jakob Simon 1636 dessen Sohn Juspa Joseph 1678 und dessen Sohn Jacob Samuel Warburg der 1647 nach Altona ging und dort 1668 starb Jakob Simon habe der judischen Gemeinde im Bistum Paderborn vorgestanden und die Synagoge im eigenen Hause beherbergt Dass sich die Synagoge in der Joseph Kohlschein Strasse 28 befunden hat ist jedoch unwahrscheinlich Geht man davon aus dass der Standort der Synagoge gleich geblieben ist so muss sich um 1600 das Wohnhaus der Familie Warburg auf dem Eckgrundstuck der heutigen Joseph Kohlschein Strasse 26 An der Burg 4 befunden haben Denn dort wurde 1714 das noch bestehende Synagogengebaude mit separatem Zugang An der Burg 4 erbaut 1 davor ein traufstandiges zweigeschossiges Fachwerkhaus an der damaligen Oberestrasse das im spateren 18 und 19 Jahrhundert wohl dem Rabbiner als Wohnhaus diente und die Hausnummer 26 hatte Beide Hauser sind im Urkataster 1831 verzeichnet 2 Daher ist das Stammhaus der Bankiersfamilie Warburg eher in einem verschwundenen Vorgangerbau dieser Gebaude zu sehen nbsp Die Joseph Kohlschein Strasse fruher Oberestrasse mit den Hausnummern 28 und 26 um 1905Am 25 Januar 1722 verpfandeten Elisabeth und Rottgert Asshoer einen Hausanteil an den judischen Kaufmanns Salomon Leikes Lukas Dabei ist denkbar dass dieser bzw seine Familie bereits sehr viel langer das Haus genutzt und sich auf diese Weise von Mietzahlungen freigekauft hatten Salomon Leikes der gem Forensenkataster der Altstadt von 1755 mit allerley waaren handelte ubernahm den zweiten Teil des Hauses 1749 Die Gesamtsumme fur beide Hausteile betrug 6000 Reichsthaler Wenngleich den Juden zu dieser Zeit noch untersagt war Grundeigentum zu erwerben so ist doch davon auszugehen dass er mit der Zahlung dieser hohen Summe praktisch auf Lebenszeit die volle Verfugungsgewalt uber das Haus erworben hatte 1759 bekam Salomon Leikes einen Sohn und nannte ihn Herz Lucas Wahrend dieser Zeit erfolgte ein Umbau des Hauses bei dem in der Deele eine Zwischendecke eingezogen wurde Zudem wurden Schornsteine eingebaut um eine bessere Beheizung und Nutzung zu ermoglichen Aus dieser Umbauepoche sind noch drei nur 1 80 m hohe Kammerturen mit den zeittypischen Bekleidungsprofilen und schmiedeeisernen Rokokobeschlagen erhalten Im Brandschatzkataster von 1787 wurden die Masse des Hauses mit 48 Fuss 20 Fuss angegeben Herz Lucas ubernahm das Haus von seinem Vater um 1800 Er war verheiratet mit Reichel Elkan aus Warburg Das Paar bekam zwischen 1801 und 1810 vier Kinder Pesgen Hannchen Salomon und Lucas Nach Grundung des Konigreichs Westphalen 1807 und der damit verbundenen judischen Emanzipation erhielt Herz Lucas die vollen Eigentumsrechte uber das Haus und wahlte daraufhin fur seine Familie den Nachnamen Berg nbsp Das Gebaude des Hirsch Kaufhauses in AmsterdamSalomon Berg erbte das Haus fuhrte den Warenhandel weiter und heiratete Sarah Levy mit der er zwischen 1836 und 1840 vier Kinder bekam Lucas Lina Moritz und Josef Nach einem Brandschaden dem der Giebel und der Saalspeicher zum Opfer fielen liess er in der Mitte des 19 Jahrhunderts den Saalspeicheranbau an der Joseph Kohlschein Strasse abbrechen und durch ein neues dreistockiges Fachwerkhaus mit eigenem Eingang dessen obere Etagen jedoch vom Altbau aus erschlossen wurden ersetzen Der Giebel wurde in leicht zuruckgesetzter schlichter Form erneuert Der hintere Hausteil der durch Wasserandrang vom Burgberg her schadhaft geworden war und sich stark gesenkt hatte wurde neu fundamentiert und in Fachwerk neu errichtet Schliesslich wurden Haustur und Fenster im Stil des preussischen Klassizismus erneuert 1849 gehorte der Kaufmann Berg zu den 36 besten Burgen der damaligen Sparkasse Warburg 3 Nach dem Tode Sarah Levys heiratete Salomon Berg die wahrscheinlich aus Korbach stammende 17 Jahre jungere Sophie Wittgenstein Mit ihr bekam er zwischen 1851 und 1868 neun Kinder von denen drei fruh verstarben Max Fanny Albert Sally Selma Juliette Meinhard Hermann Simon und Moses 1861 wohnte Salomon Berg mit seiner Familie einer Magd und einem Gehilfen immer noch im Hause Er starb 1891 seine Frau folgte ihm 1892 Auf ihrem Grabstein wurden die Worte eingraviert Ihr Leben war Liebe und Arbeit Die Sohne Lucas Josef und Max grundeten erfolgreiche Texilgeschafte in der Warburger Neustadt Albert Sally begann 1873 eine Lehre in Brussel und wurde spater Mitgrunder und Direktor des Modekaufhauses Hirsch in Amsterdam 1892 1942 Die Familie Goldschmidt Bearbeiten 1867 hatte der aus Hessen zugezogene judische Kaufmann Hesse Hesekiel Goldschmidt mit seinem Bruder Jacob ein bescheidenes Handelsgeschaft mit Landesprodukten in Warburg gegrundet Offenbar war er ein Nachfahre des fruheren Vorstehers der hessischen Landesjudenschaft Benedikt Goldschmidt der um 1602 von Frankfurt uber Witzenhausen nach Kassel gezogen war Als Hoffaktor und Bankier der hessischen Landgrafen hatte er 1635 beim Landgraf Wilhelm V einen Erlass zur sofortigen Ausweisung aller in Kassel lebenden Juden mit Ausnahme seiner eigenen Familie erwirkt und damit den Grundstein fur die starke Position seiner Familie in der Landgrafschaft Hessen Kassel gelegt Als das Handelsgeschaft der Warburger Goldschmidt Bruder in den Verlustbereich geriet zog Jacob nach Marburg wahrend Hesse im geringsten Umfange mit Vieh Fellen Borsten Haaren Flachs Leinen Metallen und Zigarren weiterhandelte Er heiratete und bekam mehrere Kinder darunter Julie geboren am 16 Mai 1869 und Susanne geboren am 18 Juni 1878 Zur Unterbringung seines Geschafts und seiner Familie erwarb er das grosse Haus von der Erbengemeinschaft Berg und spezialisierte sich auf den Handel mit Antiquitaten insbesondere mit Schranken Truhen Tischen und Leuchten aus der deutschen Renaissance Nach Darstellung von Emil Herz war seine Liebe zu den Stucken so gross dass er nur verkaufte wenn finanzielle Not ihn dazu zwang Nach dem Tode Hesse Goldschmidts vor 1909 erbte seine Witwe Sophie das Anwesen und wohnte selbst mit ihren Kindern im Eckhaus Mit dem Haus verbunden waren ferner Fr Goldschmidt der in den BKD Westfalen 1939 als Eigentumer aufgefuhrt wurde und Arthur Goldschmidt moglicherweise weitere Kinder Hesse Goldschmidts Bei den Novemberpogromen gegen die Juden am 9 November 1938 blieb das Haus verschont Arthur Goldschmidt verliess Warburg am 12 Juli 1940 mit dem Ziel Mulheim Ruhr Julie und Susanne Goldschmidt wurden in hohem Alter am 28 Juli 1942 gemeinsam in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert Nach der 11 Verordnung zum Reichsburgergesetz vom 25 November 1941 fiel das Haus an das Deutsche Reich Susanne Goldschmidt wurde am 10 September 1942 Julie Goldschmidt am 5 Februar 1943 in Theresienstadt ermordet Das Haus seit 1942 Bearbeiten Nach Ende des Zweiten Weltkrieges und mit der Ubernahme der Regierung durch die Alliierten wurde das Haus nach seiner Ruckerstattung an eine judische Treuhandgesellschaft von der Stadt Warburg erworben Diese liess es 1956 zum Mietshaus umbauen und 1979 privatisieren Danach wohnten dort u a der Architekt Edgar Schlubach der Kaufmann Henning von Bonin die Cellistin Claudia Schwarze und der Orgelbauer Bernd Simon Literatur BearbeitenGunther Binding Udo Mainzer Anita Wiedenau Kleine Kunstgeschichte des deutschen Fachwerkbaus 2 erweiterte und veranderte Auflage Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1977 ISBN 3 534 06900 5 Abb 105 mit falscher Hausnummer und falscher Datierung Ron Chernow The Warburgs The Twentieth Century Odyssey of a remarkable Jewish Family Random House New York NY 1993 ISBN 0 679 41823 7 Wilhelm Hansen Kreft Herbert Fachwerk im Weserraum Niemeyer Hameln 1980 ISBN 3 87585 048 3 Baukunst im Weserraum 3 Hermann Hermes Deportationsziel Riga Schicksale Warburger Juden Hermes Warburg 1982 ISBN 3 922032 03 6 Emil Herz Denk ich an Deutschland in der Nacht Die Geschichte des Hauses Steg Verlag des Druckhauses Tempelhof Berlin 1951 Fred Kaspar Fachwerkbauten in Westfalen vor 1600 Coppenrath Munster 1978 ISBN 3 920192 69 9 Beitrage zur Volkskultur in Nordwestdeutschland 14 Volltext als PDF Elmar Nolte Zum Profanbau der mittelalterlichen Stadt Warburg In Franz Murmann Hrsg Die Stadt Warburg 1036 1986 Beitrage zur Geschichte einer Stadt Band 2 Hermes Warburg 1986 ISBN 3 922032 07 9 S 165 Nikolaus Rodenkirchen Kreis Warburg Mit geschichtlichen Einleitung von Gerhard Pfeiffer Aschendorff Munster 1939 Bau und Kunstdenkmaler von Westfalen 44 Franz Josef Dubbi Ortsartikel Warburg in Historisches Handbuch der judischen Gemeinschaften in Westfalen und Lippe Die Ortschaften und Territorien im heutigen Regierungsbezirk Detmold hg von Karl Hengst in Zusammenarbeit mit Ursula Olschewski Munster 2013 S 737 751 Online Fassung der Historischen Kommission fur Westfalen Sonstige Quellen BearbeitenForensenkataster der Altstadt Warburg von 1755 unter Nr A21 Stadtarchiv Warburg Brandschaftskataster der Stadt Warburg von 1787 Stadtarchiv Warburg Verzeichnis der Judenhauser 1804 C 8672 Stadtarchiv Warburg Bauantrag mit Planen und Baubeschreibung vom 31 August 1955 Staatsarchiv Detmold Elmar Nolte Zur Geschichte des Hauses Joseph Kohlschein Strasse 28 und seiner Bewohner Erfurt 2006 Unveroffentlichtes Manuskript Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Goldschmidthaus Sammlung von Bildern Videos und AudiodateienEinzelnachweise Bearbeiten Denkmaltopographie der Bundesrepublik Deutschland Stadt Warburg Imhof Verlag Petersberg 2015 S 168 Denkmaltopographie der Bundesrepublik Deutschland Stadt Warburg Imhof Verlag Petersberg 2015 S 113 Ulrich Ernst Die Grundung der Kreissparkasse Warburg 1844 in 150 Jahre Sparkasse in Warburg Hoxter 1994 S 3051 485474 9 145906 Koordinaten 51 29 7 7 N 9 8 45 3 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Goldschmidt Haus amp oldid 239569721