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Der Gnadenstuhl lat sedes gratiae ist ein Bildtypus der christlichen Kunst zur Darstellung der Trinitat Dreifaltigkeit Der zumeist gekronte Gottvater halt das Kreuz Kruzifix mit dem toten Christus in beiden Handen wahrend die Taube als Symbol des Heiligen Geistes daruber schwebt Gegen Ende des 13 Jahrhunderts kommen ausserdem Bildnisse auf bei denen Gott der Vater den Leichnam des toten Sohnes auf seinem Schoss halt oder stehend den Sohn vor sich zeigt Gnadenstuhl osterreichischer Meister Anfang 15 Jh Inhaltsverzeichnis 1 Entwicklung des Motivs 2 Theologischer Inhalt 3 Mystik 4 Beispiele 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseEntwicklung des Motivs BearbeitenDer Gnadenstuhl gilt als die bedeutendste mittelalterliche Bildschopfung fur das Motiv der Dreifaltigkeit Er wurde zur kennzeichnenden abendlandischen Form ihrer Vergegenwartigung 1 Das Bildmotiv entwickelte sich aus einer Verbindung des Kreuzes mit den Symbolen fur Gottvater und fur den Heiligen Geist Auf der Ruckseite des Lotharkreuzes aus dem Aachener Domschatz um 980 halt die rechte Hand Gottvaters den Siegeskranz mit der Taube die den Heiligen Geist versinnbildlicht uber den Gekreuzigten Auf diese Weise ist erstmals versucht worden den Opfertod Christi mit der gottlichen Trinitat in Verbindung zu bringen nbsp Miniatur im Missale von Cambrai um 1120 nbsp Gnadenstuhl in Kiedrich St Valentin 14 Jh nbsp Meister von Flemalle Gnadenstuhl um 1430 nbsp Gnadenstuhl mit Tiara gekrontem Gottvater Anfang 16 Jh Zu Beginn des 12 Jahrhunderts kam der neue Bildtypus des Gnadenstuhls auf Altestes erhaltenes Beispiel ist eine Miniatur in dem Missale von Cambrai um 1120 2 die in diesem Messbuch die Stelle zu Beginn des Canon Missae des Hochgebets in der christlichen Eucharistiefeier einnimmt Gottvater mit Kreuznimbus auf einem Thronsessel sitzend und von einer Mandorla umgeben halt den Kruzifixus mit beiden Handen Die Taube die den Heiligen Geistes versinnbildlicht ebenfalls mit Kreuznimbus stellt die Verbindung zwischen den gottlichen Personen her indem sie mit ihren Schwingen die Lippen von Gottvater und von Christus beruhrt Wolfgang Braunfels bezeichnet den Text des Canon missae als literarische Quelle fur das Motiv des Gnadenstuhls das entstanden sei um die Texte des Canon Missae zu veranschaulichen Eine weitere Variante des Gnadenstuhls zeigt die um 1140 entstandene Medaillonscheibe eines Chorfensters der Kathedrale von Saint Denis 3 Abt Suger von Saint Denis beschrieb die Darstellung als Bundeslade mit Kruzifixus auf der Quadriga Aminadab 4 Gottvater halt mit beiden Handen den Kruzifixus uber der geoffneten Bundeslade umgeben von den vier Evangelistensymbolen vor dem Hintergrund des hellblauen Himmels Vom Querbalken des Kreuzes hangt ein gelbes Velum herab das bis zum hinteren Rand der Bundeslade sichtbar ist In dieser Anordnung kann man Sugers Verbindung von Velum und Kreuz in eine historische Linie einreihen die bis zum konstantinischen Labarum zuruckfuhrt Die Komposition bezieht das Tuch offenbar nicht nur auf das Kreuz daruber sondern zugleich auch auf die Bundeslade darunter Demnach ist mit dem Velum der Vorhang gemeint der in dem alttestamentlichen Bundeszelt beziehungsweise Tempel das Sanctissimum in dem sich die Bundeslade befand vom Sanctum abtrennt 5 Das Kreuz ist in einen vierradrigen Wagen gestellt der als QUADRIGE AMINADAB lat Wagen des Amminadab bezeichnet ist Ausser dem Kruzifix als Inbegriff des Neuen Testamentes enthalt der Wagen die Bundeslade mit den Gesetzestafeln und den Aaronstab als Inbegriffe des Alten Testamentes Eine von Abt Suger stammende Inschrift bezeichnet den Gnadenstuhl als einen auf der Bundeslade errichteten Altar mit dem Kreuz Christi FEDERIS EX ARCA CRUCE XRI SISTITUR ARA FEDERE MAIORI VULT IBI VITA MORI Auf der Lade des Bundes ist aufgerichtet der Altar mit dem Kreuz Christi hier will das Leben sterben durch einen grosseren Bund In der Kunstgeschichte wurde der beschriebene Bildtypus zunachst als Trinitat bezeichnet erst im 19 Jahrhundert hat sich der Begriff Gnadenstuhl durchgesetzt Theologischer Inhalt BearbeitenDie Darstellungsform soll den Betrachtern dazu verhelfen sich das Geheimnis der Dreifaltigkeit Gottes Trinitat besser vorstellen zu konnen Gott Vater prasentiert seinen Sohn Jesus Christus den Menschen als denjenigen der fur ihre Sunden am Kreuz gestorben ist Der Heilige Geist ist das Band zwischen Gott Vater und Gott Sohn er selbst ist die dritte Person der Trinitat Der christliche Glaube lehrt den Glauben an einen Gott der in sich dreifaltig ist ein Gott in drei Personen die drei Personen des einen Gottes Der Begriff Gnadenstuhl stammt von Martin Luther als Ubersetzung fur propitiatorium dem goldenen Deckelaufsatz auf der Bundeslade Ex 25 17ff LUT 6 Im Anschluss an den Begriff Gnadenstuhl hat Luther auch den Begriff Gnadenthron gebildet 7 In Rom 3 25 LUT wird in Ubersetzung von ἱlasthrion hilasterion damit Christus bezeichnet durch den Luther zufolge jeder Mensch Gnade und Seligkeit erlangt 8 Der Messkanon beginnt mit der Bitte an Gottvater das im Gottesdienst dargebrachte Opfer eingedenk des Christusopfers anzunehmen Gottvater empfangt den Leib des Sohnes und reicht ihn den Menschen wieder dar was die Bilder des Gnadenstuhls aussagen sollen Im Gebet Supplices heisst es z B dort Wir bitten dich allmachtiger Gott Dein heiliger Engel trage diese Opfergabe auf deinen himmlischen Altar vor deine gottliche Herrlichkeit und wenn wir durch unsere Teilnahme am Altar den heiligen Leib und das Blut deines Sohnes empfangen erfulle uns mit aller Gnade und allem Segen des Himmels Mystik BearbeitenWahrend der Verbreitung der christlichen Mystik entstand seit dem 13 Jahrhundert eine Abwandlung des Gnadenstuhls insofern als Gottvater jetzt haufig den Leichnam des Sohnes auf seinem Schoss halt vgl Pieta wodurch im Sinne der Mystik auch die Trauer des Vaters ausgedruckt wird 1 Beispiele BearbeitenIn der bildenden Kunst gibt es zahlreiche Beispiele fur den Gnadenstuhl wovon einige hier in chronologischer Folge aufgefuhrt werden Wandmalerei in der Kirche von Houghton on the Hill Norfolk England um 1100 Miniatur im Missale von Cambrai um 1120 Deckplatte eines Tragaltars aus Hildesheim London vor 1132 Deckplatte des Mauritius Tragaltars St Servatius Siegburg um 1160 Buchmalerei auf einem Einzelblatt Wien Albertina 2 Halfte 12 Jh Altarretabel aus der Wiesenkirche in Soest Berlin 1250 1270 Gnadenstuhl in Kiedrich St Valentin 14 Jh Osterreichischer Meister Gnadenstuhl London um 1410 Meister von Flemalle auch Robert Campin zugeschrieben Trauer der Dreieinigkeit Petersburg 1430er Jahre Meister von Flemalle Gnadenstuhl Stadel Frankfurt am Main um 1430 Meister der Darmstadter Passion Gnadenstuhl aus St Martin in Bad Orb Berlin 1460 1470 Albrecht Durer Heilige Dreifaltigkeit Holzschnitt 1511 Lucas Cranach der Altere Dreifaltigkeit 1518 Meister von Messkirch Gnadenstuhl um 1530 Gnadenstuhl Epitaph Bremen Dommuseum 1549 El Greco Dreifaltigkeit Madrid Prado 1577 Nina Koch Gnadenstuhl Plastik vor der St Jodokus Kirche in Bielefeld 2005 Weiglkreuz NiederosterreichLiteratur BearbeitenWolfgang Braunfels Die Heilige Dreifaltigkeit Dusseldorf 1954 Fides Buchheim Der Gnadenstuhl Darstellung der Dreifaltigkeit Echter Verlag Wurzburg 1984 ISBN 3 429 00869 7 Gertrud Schiller Ikonographie der christlichen Kunst 2 Auflage Band 2 Gutersloher Verlagshaus Gutersloh 1983 ISBN 3 579 04136 3 S 133 ff 275 f mit Abb 395 409 414 Lexikon der christlichen Ikonographie LCI Band 1 Herder Freiburg 2004 Sp 535 f Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Gnadenstuhl Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien nbsp Wiktionary Gnadenstuhl Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme Ubersetzungen P W Hartmann Hrsg Gnadenstuhl In Das Grosse Kunstlexikon Einzelnachweise Bearbeiten a b LCI Bd 1 Sp 535 f Bibliotheque Municipale de Cambrai Ms 234 fol 2r Sophie Kelly Imagining the Unimaginable The Iconography of the Trinity in England c 1000 1300 Diss University of Kent Canterbury 2019 S 126 128 online abgerufen am 24 Februar 2023 Sugerus De rebus in administratione sua gestis 1146 49 Konrad Hoffmann Sugers Anagogisches Fenster in St Denis In Wallraf Richartz Jahrbuch 30 Koln 1968 S 66 gnadenstuhl In Jacob Grimm Wilhelm Grimm Hrsg Deutsches Worterbuch Band 8 Glibber Grazist IV 1 Abteilung Teil 5 S Hirzel Leipzig 1958 Sp 591 woerterbuchnetz de gnadenthron In Jacob Grimm Wilhelm Grimm Hrsg Deutsches Worterbuch Band 8 Glibber Grazist IV 1 Abteilung Teil 5 S Hirzel Leipzig 1958 Sp 592 woerterbuchnetz de Die heutigen Ubersetzungen nach Martin Luther bieten in Rom 3 25 Suhne Luther selber ubersetzte 1522 und 1546 mit gnade stuel bzw Gnadenstuel Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Gnadenstuhl amp oldid 236326445