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Die Elektromyografie oder Elektromyographie kurz EMG ist eine elektrophysiologische Methode in der neurologischen Diagnostik bei der die elektrische Muskelaktivitat anhand von Aktionsstromen der Muskeln gemessen und graphisch als Elektromyogramm dargestellt wird Mit Hilfe von konzentrischen Nadelelektroden lassen sich die Potentialschwankungen einzelner motorischer Einheiten ableiten Mit Spezialnadeln lassen sich auch einzelne Muskelfasern erfassen Einzelfasermyografie Auch Messungen der Potentialanderungen auf der Haut mit Oberflachenelektroden sind moglich jedoch wesentlich unpraziser da diese Technik das Summen Aktionspotential eines ganzen Muskels oder sogar mehrerer Muskeln misst Die Hauptanwendung ist das Erkennen von Myopathien und Neuropathien das heisst die Feststellung ob eine Krankheit muskulare oder nervliche Ursachen hat was insbesondere vor operativen Eingriffen am peripheren Nervensystem 1 indiziert ist Inhaltsverzeichnis 1 Allgemein 1 1 Signalableitung 1 2 Verstarkung 1 3 Dokumentationsgeschichte 2 Spontanaktivitat 2 1 Miniaturendplattenpotentiale 2 2 Fibrillationspotentiale und positive Wellen 2 3 Faszikulationspotentiale 2 4 Myotone Entladungen 3 Aktionspotentiale motorischer Einheiten MUAP 4 Siehe auch 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseAllgemein BearbeitenBei der Durchfuhrung eines EMGs wird die elektrische Aktivitat im ruhenden Muskel Spontan Aktivitat und bei unterschiedlich stark willkurlich kontrahiertem Muskel Muskel Aktionspotentiale gemessen In der medizinischen Elektrodiagnostik lassen sich durch das EMG Aussagen uber Krankheiten der Nerven und Muskelzellen machen 2 In der Biomechanik werden die Zusammenhange zwischen den Frequenzen oder den Amplituden der registrierten elektrischen Signale und der Kraft eines Muskels untersucht um etwa die Bewegungen von Sportlern zu optimieren Die Aufzeichnung von Nerven Aktionspotentialen wird als Elektroneurografie ENG bezeichnet Sie wird meist unter dem Oberbegriff Elektromyografie subsumiert Signalableitung Bearbeiten Zwei Arten von EMG sind weit verbreitet Oberflachen EMG und intramuskulares Nadel und Feindraht EMG Beim intramuskularen EMG wird eine Nadelelektrode oder eine Nadel mit zwei feinen Drahtelektroden durch die Haut in das Muskelgewebe eingefuhrt Abhangig von den mechanischen Dimensionen der verwendeten Elektroden lasst sich eine hohe Ortsauflosung und Aussagen uber einzelne Muskelfasern oder eine geringe Ortsauflosung und summarische Aussagen uber ganze Muskelgruppen erzielen Oberflachenelektroden erfassen schon auf Grund ihrer mechanischen Dimensionen elektrische Aktivitat bis zu einigen Zentimetern und daruber hinaus konnen aber nicht die Aktivitat einzelner motorischer Einheiten abbilden Derartige Elektroden werden zum Beispiel in der Sport Physiologie eingesetzt wenn es darum geht den Zeitpunkt des Beginns einer Muskelkontraktion zu bestimmen In der Neurologie dient die Oberflachenableitung vor allem der Tremoranalyse Zur Ableitung der elektrischen Signale des Muskels verwendet man fur das routinemassige diagnostische EMG in der Neurologie konzentrische Nadelelektroden Diese Nadeln bestehen aus einem zentralen Leiter Draht um den herum eine elektrische Isolationsschicht aufgebracht ist um die dann die aussere Metallhulle Rohr montiert ist Eine typische EMG Nadel ist 50 mm lang hat einen Aussendurchmesser von 0 45 mm und an der Spitze einen schragen Anschliff der den Mittelleiter isoliert von dem ovalen Anschliff der Metallhulse zeigt Die Potentialmessung erfolgt zwischen Mittelleiter und Metallhulle Durch diesen Aufbau werden vor allem spitzennahe Potentialanderungen im Wesentlichen bis zu einer Entfernung von 1 2 Millimetern erfasst Damit ist eine sehr gezielte Diagnostik moglich Bei der Einzelfaserelektromyografie mit Spezialnadeln betragt der erfasste Halbradius sogar nur 0 2 0 3 mm Fur Spezialzwecke werden auch monopolare Elektroden verwendet Diese Elektroden bestehen aus einer meist Teflon isolierten Nadel deren Metall nur an der Spitze freiliegt Die Spannung wird gegen eine separate Referenzelektrode meist Flachenelektrode auf der Haut gemessen Verstarkung Bearbeiten Die Potentialquelle des EMG ist das Membranpotential der Muskelzelle innen 70 mV gegenuber aussen Bei Erregung einer Muskelzelle etwa uber die motorische Endplatte offnen sich Ionenkanale und fuhren zu einer kurzzeitigen ca 1 ms und lokalen Umkehr des Membranpotentials Diese Potentialanderung ist messbar Welche Potentialdifferenz der Eingangsverstarker des Elektromyographen dabei erfasst ist von sehr vielen physikalischen und physiologischen und letztlich auch pathologischen Faktoren abhangig von der Entfernung der Elektrode von der Signalquelle Abschwachung mit der dritten Potenz der Entfernung von der Anzahl und Art der gleichzeitig aktiven Muskelfasern von der raumlichen Anordnung von leitenden und isolierenden Gewebekomponenten Blutleiter gute Leiter Fett schlechter Leiter und vielen anderen Faktoren mehr Es resultiert ein sehr komplexes elektrisches Feld Das Messergebnis wird sowohl von kapazitiven als auch ohmschen Widerstanden bestimmt Im Resultat wird in einer typischen medizinisch neurologischen Messanordnung fur ein EMG ein Signal gemessen das Potentiale im Bereich von 50 mV bis zu einigen Millivolt erfasst Die Entladungen einzelner motorischer Einheiten stellen sich dann als Potentialschwankungen von etwa 10 ms Dauer dar und enthalten Frequenzkomponenten bis einige Kilohertz Es werden elektrisch rauscharme potentialfreie Instrumentenverstarker mit sehr hohem Eingangswiderstand verwendet typisch 200 MOhm Eingangsimpedanz Rauschpegel noise 0 7 mV RMS Gleichtaktunterdruckung gt 100 dB Wenn aber zum Beispiel in der Sportphysiologie nicht die Binnenstruktur der muskularen Erregung erfasst werden soll sondern eher der grobe Ablauf einer Muskelzuckung wird haufig das EMG Signal elektrisch gleichgerichtet und mit einem Tiefpass gefiltert Daraus ergibt sich ein integriertes und geglattetes Signal mit entsprechend geringer raumlicher und zeitlicher Auflosung Die Gleichrichtung geht allerdings von einer Reihe oft nicht zutreffender Grundannahmen aus es handelt sich eben nicht um ein einfaches sinuskurvenformiges Wechselspannungssignal wie etwa die Netzspannung Das Ergebnis ist daher nur mit grosster Vorsicht zu interpretieren Dokumentationsgeschichte Bearbeiten Die Darstellung des EMG Signals erfolgte anfangs auf russgeschwarzten sich drehenden Trommeln auf die ein mechanischer Zeiger eine Spur zeichnete ahnlich wie bei der Seismologie Spater wurden Oszillographen und zur Speicherung Magnetbandgerate verwendet Seit breiterer Etablierung der digitalen Speichertechnik werden handelsubliche PCs oder Laptops mit Farbbildschirmen und entsprechende Drucker eingesetzt Spontanaktivitat BearbeitenBei vollstandiger Entspannung eines Skelettmuskels gelangen keine Nervenaktionspotentiale uber den versorgenden Nerven zum Muskel Der Muskel ist schlaff Die Muskelfasern eines gesunden Skelettmuskels der keine erregenden Nervenpulse erhalt zeigen dann ein konstantes Membranpotential das sich auf dem Schirm als gerade unausgelenkte waagerechte Linie darstellt Unter bestimmten meist krankhaften Bedingungen kommt es jedoch zur Spontanaktivitat also zu Eigenaktivitat der Muskelfasern ohne Anstoss durch erregende Nervenpulse Diese Spontanaktivitat aussert sich in verschiedenen Formen die sich hinsichtlich der Frequenz und Amplitudenwerte unterscheiden lassen Von der Spontanaktivitat zu trennen ist die Einstichaktivitat Sie entsteht bei der Verwendung von Nadelelektroden und wird durch eine vorubergehende mechanische Irritation der Muskelzelle erklart Miniaturendplattenpotentiale Bearbeiten Miniaturendplattenpotentiale auch Endplattenrauschen genannt haben negative Amplituden von unter 50 µV und dauern 0 5 bis 2 ms an Sie entstehen an den Kontaktstellen zwischen Axon und Muskelzelle durch spontane Transmitterausschuttungen die aber kein fortgeleitetes Aktionspotential auf der Muskelzellmembran auslosen Sie weisen daher nicht auf eine Muskelschadigung hin Endplattenpotentiale dauern ca 20 ms und sind stets uberschwellig Fibrillationspotentiale und positive Wellen Bearbeiten nbsp Positive scharfe Welle PSW Fibrillationspotentiale und positive Wellen entstehen in einzelnen Muskelzellen und sind Anzeichen fur eine fehlende Innervation Denervation Fibrillationspotentiale dauern 1 bis 5 ms an haben Amplituden bis zu mehreren 100 µV sind meist bi oder triphasisch und treten streng rhythmisch im Gegensatz zur modulierten Entladungsfrequenz gesunder motorischer Einheiten auf Positive scharfe Wellen dauern etwa 4 ms an haben Amplituden bis mehrere 100 µV sind mit charakteristischer Form biphasisch und treten rhythmisch mit einer Frequenz zwischen 3 und 50 Hz auf Faszikulationspotentiale Bearbeiten Faszikulationspotentiale werden von einer motorischen Einheit generiert Der Ursprung der Erregung liegt in dem versorgenden Neuron Bei Schadigung des innervierenden Neurons kann es zu einer Depolarisation der Nervenzellmembran kommen die als fortgeleitetes Aktionspotential die motorische Einheit erreicht Der Ursprungsort kann dabei weit entfernt im Zellsoma im Ruckenmark Motoneuron liegen oder aber auch distal in den Endaufzweigungen des Axons zu den einzelnen Muskelfasern Faszikulationspotentiale treten unregelmassig z B alle 1 30 s auf Faszikulationen deuten ebenfalls auf eine Neuropathie hin Myotone Entladungen Bearbeiten Myotone Entladungen sind hochfrequente Aktionspotentialfolgen 60 150 pro Sekunde mit einer Dauer von ein bis zwei oder drei Sekunden und einer Amplitude von 10 mV bis um 1 mV Sie deuten auf eine Fehlfunktion der Muskelmembran hin deren Ionenkanale beschadigt sind Aktionspotentiale motorischer Einheiten MUAP BearbeitenJede Nervenfaser verzweigt sich nach dem Eintritt in den Muskel in mehrere Endaufzweigungen die uber die motorischen Endplatten jeweils eine Muskelfaser innervieren Ein einzelnes fortgeleitetes Aktionspotential eines einzigen Motoneurons lost daher in mehreren Muskelfasern fast gleichzeitig eine Depolarisation Aktionspotential und folgend eine Kontraktion aus Die Summe der Depolarisationen einer motorischen Einheit lasst sich im EMG als ein charakteristischer Ausschlag am Monitor beobachten Die Hohe des Ausschlags gibt dabei ein grobes Mass fur die Anzahl der innervierten Muskelfasern grosse versus kleine motorische Einheit Die Dauer des Potentials kann Hinweise darauf geben ob alle Muskelfasern synchron entladen oder ob es Verzogerungen in einzelnen Endaufzweigungen gibt Bei der Auswertung sind Parameter wie Alter Typ des Muskels und Muskelgruppe zu beachten Die Ergebnisse werden mit Normwerten verglichen um Aussagen uber mogliche Erkrankungen zu machen Der Normwert fur die Dauer im mittleren Alter betragt 8 bis 10 ms und fur die Amplitude 1 bis 3 mV Ein Sonderfall der MUAP Untersuchung ist die Interferenzmuster Analyse bei der man die elektrische Aktivitat eines willentlich maximal kontrahierten Muskels misst Siehe auch BearbeitenAhnliche Methoden sind die Elektroneurografie bei Nerven sowie die Elektrookulografie bei Augen Siehe auch Elektroenzephalografie Literatur BearbeitenHans Piper Elektrophysiologie menschlicher Muskeln Julius Springer Berlin 1912 Gerhard Muhlau Hrsg Neuroelektrodiagnostik Eine Einfuhrung Fischer Jena 1990 ISBN 3 334 00280 2 Hanns C Hopf Hrsg Elektromyografie Atlas Thieme Stuttgart 1996 ISBN 3 13 102221 3 Christian Bischoff Hrsg Das EMG Buch EMG und periphere Neurologie in Frage und Antwort Thieme Stuttgart 2005 ISBN 3 13 110342 6 Manfred Stohr Robert Pfister Peter Reilich Klinische Elektromyographie und Neurographie Lehrbuch und Atlas 7 erweiterte und uberarbeitete Auflage Kohlhammer Stuttgart 2022 ISBN 978 3 17 035041 0 Weblinks Bearbeiten nbsp Wiktionary Elektromyografie Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme Ubersetzungen Infos zur Anwendung der Elektromyografie bei Brain Computer Interfaces PDF Datei 1 04 MB Elektro Myografie EMG eine kleine EinfuhrungEinzelnachweise Bearbeiten Wolfgang Seeger Carl Ludwig Geletneky Chirurgie des Nervensystems In Franz Xaver Sailer Friedrich Wilhelm Gierhake Hrsg Chirurgie historisch gesehen Anfang Entwicklung Differenzierung Dustri Verlag Deisenhofen bei Munchen 1973 ISBN 3 87185 021 7 S 229 262 hier S 236 237 Vgl etwa Edgar D Adrian Interpretation of the electromyogramm In Lancet Band 1 1925 S 1229 ff und 1281 ff Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Elektromyografie amp oldid 231308647