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Bei dem Eisenbahnunfall bei Markdorf am 22 Dezember 1939 stiessen ein Guterzug und ein voll besetzter Personenzug auf der Bahnstrecke Stahringen Friedrichshafen eines Teils der Bodenseegurtelbahn bei Markdorf auf der Gemarkung des heute zu Friedrichshafen gehorenden Orts Lipbach zusammen Der Eisenbahnunfall forderte uber 100 Todesopfer Bei dem Eisenbahnunfall bei Markdorf kamen uber 100 Menschen ums LebenGedenkstein fur den Eisenbahnunfall in Lipbach Inhaltsverzeichnis 1 Ausgangslage 1 1 Strecke 1 2 Bahnhof Markdorf 1 3 Personenzug in westliche Richtung 1 4 Guterzug in ostliche Richtung 2 Unfall 2 1 Bahnhof Markdorf 2 2 Bahnhof Kluftern 2 3 Durchfahrt des Guterzuges in Markdorf 2 4 Unfallgeschehen 3 Folgen 4 Eisenbahnunfall in Genthin an demselben Tag 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseAusgangslage BearbeitenStrecke Bearbeiten Die Strecke ist eingleisig und verlauft am Nordufer des Bodensees Dort herrschte an jenem Abend starker Nebel Die Personalsituation an der Strecke war aufgrund des Zweiten Weltkriegs angespannt so musste der einzige Mitarbeiter auf dem Stellwerk des Bahnhofs Markdorf zusatzlich einen 500 Meter entfernten beschrankten Bahnubergang ohne Fernbedienung mitbedienen Dazu fuhr er mit einem Fahrrad dorthin liess die Schranken hinunter wartete die Durchfahrt des Zuges ab hob die Schranken wieder an fuhr mit dem Fahrrad zuruck und stand nun erst wieder im Stellwerk zur Verfugung und das alles bei Verdunkelung 1 Bahnhof Markdorf Bearbeiten Im Bahnhof Markdorf war eine Reihe von Vorschriften zu beachten der Umgang mit ihnen trug zum Unfallgeschehen bei Alle verkehrenden Sonderzuge waren sobald ihr Verkehren bekannt gegeben worden war in ein Merkbuch einzutragen Alle Eintrage fur den betreffenden Tag waren um Mitternacht von dem diensthabenden Beamten dann auf eine im Bahnhofsburo aushangende Merktafel zu ubertragen Verdunkelung war reichsweit angeordnet der Bahnhof Markdorf einschliesslich des Bahnsteigs unbeleuchtet 2 Personenzug in westliche Richtung Bearbeiten Der Personenzug war ein Sonderzug von Oberstdorf nach Mullheim und in westlicher Richtung unterwegs Er trug die Bezeichnung P Kar 21154 2 und verkehrte in einer Fahrplantrasse die in Friedenszeiten einem Personenzug zur Verfugung stand der nun aber nur noch auf Anforderung in der Praxis aber selten verkehrte Fur diesen Bedarfsverkehr war die Trasse aber einschliesslich der erforderlichen Zugkreuzung in Markdorf im Fahrplan belassen worden Schon fur den Vortag angekundigt verkehrte der Sonderzug verspatet weil die Zahl der zur Verfugung stehenden Wagen zu knapp war Das war auch den Bahnhofen an der Strecke bekannt gegeben worden Der Zug wurde von einer Lokomotive der Baureihe 57 gezogen die eine Hochstgeschwindigkeit von 60 km h fuhr Ihr folgten elf Durchgangswagen und vier gedeckte Guterwagen fur das Gepack 3 Mit dem Zug reisten 700 Fahrgaste Einwohner aus Weil am Rhein und Umgebung die seit dem 3 September 1939 aufgrund des Zweiten Weltkriegs von der franzosischen Grenze ins Allgau evakuiert worden waren zuruck in ihre Wohnorte nachdem bis Ende 1939 nahezu keine Kampfhandlungen an der Grenze stattgefunden hatten Guterzug in ostliche Richtung Bearbeiten Der taglich verkehrende Kohlezug Dg 7953 fuhr die Strecke in ostlicher Richtung und hatte Lindau als Ziel Er wurde ebenfalls von einer Dampflokomotive der Baureihe 57 gezogen Ein mitfahrender Zugsicherer hatte sich im Bremserhaus des letzten Wagens aufzuhalten Bei Durchfahrt durch einen Bahnhof hatte er Blickkontakt mit dem Aufsichtsbeamten aufzunehmen tags mit Handanlegen an die Mutze zu grussen nachts durch Anheben der Signallaterne 2 Da es kalt war war der Zugsicherer aber mit Duldung des Zugfuhrers in den Packwagen der unmittelbar hinter der Lokomotive lief gestiegen um sich zu warmen 4 Die Zuge hatten planmassig in Markdorf kreuzen sollen Laut ortlicher Vorschrift hatte der Guterzug in jedem Fall in Markdorf halten mussen selbst wenn das Ausfahrsignal Fahrt frei zeigte und den Abfahrauftrag durch den Fahrdienstleiter abwarten mussen 4 Beide Zuge unterlagen ebenfalls den Verdunkelungsvorschriften das heisst dass sie kein Spitzensignal hatten sondern statt der friedensmassigen Beleuchtung nur schmale Lichtschlitze an den Lampen Unfall BearbeitenBahnhof Markdorf Bearbeiten Der stellvertretende Bahnhofsvorstand nahm am 21 Dezember 1939 kurz vor 20 00 Uhr das Telegramm entgegen das ankundigte dass der P Kar 21154 am folgenden Tag verkehren werde Er trug das nicht ins Merkbuch ein Sein ihn in der Tagschicht des 22 Dezember 1939 ablosender Chef bemerkte diesen Fehler auch nicht Ihn loste wiederum gegen 19 00 Uhr sein Stellvertreter ab Er hatte den Sonderzug offenbar vergessen Deshalb benachrichtigte er auch die anderen Mitarbeiter Weichenwarter und Stellwerk nicht 5 Bei Schreibarbeiten unterbrochen nahm er um 22 06 Uhr den Guterzug vom Bahnhof Bermatingen Ahausen an und stellte um 22 07 Uhr das Ausfahrsignal des Bahnhofs Markdorf auf Fahrt frei ohne den Guterzug vorher dem Bahnhof Kluftern anzubieten und dessen dortige Annahme abzuwarten 5 Einen Streckenblock der diesen Fehler hatte verhindern konnen gab es nicht Der stellvertretende Bahnhofsvorstand hatte im entscheidenden Moment einen Blackout war auf seine Schreibarbeiten konzentriert und hatte den entgegenkommenden Personenzug einfach vergessen Bahnhof Kluftern Bearbeiten Um 22 12 Uhr wurde der Sonderzug dem Bahnhof Kluftern aus Fischbach angeboten und der Fahrdienstleiter nahm ihn an 1 Um 22 14 Uhr bemuhte sich der Fahrdienstleiter in Kluftern vergeblich seinen Kollegen in Markdorf zu erreichen um ihm den Zug anzubieten dort ging niemand ans Telefon Er verliess sich daraufhin auf den Fahrplan und die darin vorgesehene Kreuzung der Zuge in Markdorf und liess den Personenzug auf die Strecke ohne sich zuvor in Markdorf zu versichern dass der nach dort fuhrende Streckenabschnitt frei war Anschliessend versuchte er erneut den Bahnhof Markdorf zu erreichen Da aber zeitgleich der Fahrdienstleiter von dort auch versuchte in Kluftern anzurufen um den Guterzug anzubieten kam keine Verbindung zustande Daraufhin sandte der Fahrdienstleiter Kluftern ein Lautesignal das einen Zug ankundigte an den Bahnhof Markdorf Durchfahrt des Guterzuges in Markdorf Bearbeiten Erst das Lautesignal bewirkte dass dem Fahrdienstleiter in Markdorf der Sonderzug wieder einfiel Er rannte auf den verdunkelten Bahnsteig aber die Lokomotive des Guterzuges hatte bereits das Empfangsgebaude passiert Er hatte weder einen beleuchteten Befehlsstab noch eine Handlaterne selbst seine Trillerpfeife nicht zur Hand Der Zug hielt entgegen der Vorschrift nicht niemand im Zug bemerkte ihn und der Zugsicherer der sich im letzten Wagen aufhalten sollte befand sich im Packwagen vorne im Zug Der Fahrdienstleiter rannte zuruck in sein Buro und versuchte das Stellwerk zu erreichen damit von dort ein Haltesignal gegeben werden konnte Das misslang denn der Mitarbeiter wartete bei der Schranke dass der Guterzug durchfuhr Der Fahrdienstleiter versuchte daraufhin nochmals den Bahnhof Kluftern zu erreichen Die Verbindung kam nun sofort zustande aber zu spat Der Sonderzug hatte den Bahnhof Kluftern bereits passiert Unfallgeschehen Bearbeiten Die beiden Zuge fuhren auf einer 2 5 Kilometer langen Geraden aufeinander zu Da dichter Nebel herrschte und die beiden Lokomotiven wegen der Verdunklung nur ein reduziertes schlecht erkennbares Spitzensignal fuhrten sahen sich die Lokomotivfuhrer trotzdem nicht oder erst im letzten Augenblick Wahrend der Guterzug uberhaupt nicht bremste hatte der Lokomotivfuhrer des Personenzuges noch im letzten Moment eine Schnellbremsung ausgelost 6 So stiessen die Zuge um 22 19 Uhr bei Streckenkilometer 43 190 frontal und nahezu ungebremst bei einer Geschwindigkeit von je 60 km h zusammen 7 2 Die Lokomotiven blieben stehen ohne umzusturzen Die beiden ersten Personenwagen wurden komplett zerstort der Schlepptender der Lok des Personenzuges baumte sich beim Aufprall auf und fiel dann auf den ersten Wagen zuruck Zwei weitere Personenwagen wurden schwer beschadigt Der Packwagen des Guterzuges und die ersten 15 offenen Kohlewagen turmten sich zu einem Trummerhaufen auf 3 Folgen BearbeitenDer Unfall forderte 101 Todesopfer 8 und 47 Verletzte 98 Todesopfer stammen aus dem Markgraflerland aus Binzen Egringen Fischingen Haltingen Weil am Rhein und Welmlingen 9 Auf dem Marktplatz in Markdorf wurden am ersten Weihnachtsfeiertag die Sarge aufgestellt und unter Beteiligung hochster Partei und Wehrmachtsvertreter unter anderem auch Gauleiter und Reichsstatthalter Robert Wagner wurde von den Toten Abschied genommen Anschliessend wurden sie mit einem Sonderzug in ihre Heimat uberfuhrt Das Landgericht Konstanz verurteilte am 3 Juli 1940 den Fahrdienstleiter von Kluftern zu zwolf Monaten Gefangnis sein Markdorfer Kollege der als Hauptschuldiger verurteilt wurde erhielt drei Jahre Gefangnis 6 In Lipbach wurde am 22 Dezember 1989 ein Gedenkstein enthullt der an den Unfall erinnert Eisenbahnunfall in Genthin an demselben Tag BearbeitenEbenfalls am 22 Dezember 1939 ereignete sich der Eisenbahnunfall von Genthin bei dem ein Schnellzug auf einen anderen auffuhr wobei mindestens 186 Menschen ums Leben kamen und zahlreiche weitere verletzt wurden Der Eisenbahnhistoriker Albert Kuntzemuller bezeichnete das Datum als den schwarzesten Tag der deutschen Eisenbahngeschichte 10 Literatur BearbeitenBernd Caesar Klufterner Hefte Nr 4 100 Jahre Eisenbahn und Gasthof am Bahnhof in Kluftern Arbeitskreis Heimatgeschichte Kluftern e V Kluftern 2001 Fritz Maier Friedrichshafen Heimatbuch Bd 2 Friedrichshafen 1994 S 311 ff Hans Joachim Ritzau Schatten der Eisenbahngeschichte Bd 1 2 Aufl 1994 S 286 ff Hans Joachim Ritzau Von Siegelsdorf nach Aitrang Die Eisenbahnkatastrophe als Symptom eine verkehrsgeschichtliche Studie Landsberg 1972 Stadt Weil am Rhein Hrsg Die Gedenkstatten des Eisenbahnunglucks bei Markdorf 22 Dezember 1939 Zum Gedenken an den 50 Jahrestag am 22 Dezember 1989 Weil am Rhein 1989 Bruno Rabus Die Gedenkstatten des Eisenbahnunglucks bei Markdorf 22 Dezember 1939 In Das Markgraflerland Heft 2 1990 S 154 170 Digitalisat der UB FreiburgWeblinks Bearbeiten nbsp Commons Eisenbahnunfall bei Markdorf Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Zugungluck In Burgerwiki Bodensee 2 Oktober 2016 archiviert vom Original am 20 Januar 2020 abgerufen am 2 Oktober 2021 Artikel zum Unfall auf Burgerwiki Friedrichshafen mit Ablaufplan der Ereignisse und Fotos Einzelnachweise Bearbeiten a b Ritzau Von Siegelsdorf S 76 a b c d Ritzau Von Siegelsdorf S 74 a b Ritzau Von Siegelsdorf S 77 a b Ritzau Von Siegelsdorf S 73 a b Ritzau Von Siegelsdorf S 75 a b Ritzau Von Siegelsdorf S 78 Zu den Einzelheiten vgl auch Unfall auf Burgerwiki Friedrichshafen 106 Tote nach Caesar Hintergrundinformation siehe Weblinks Albert Kuntzemuller Die badische Eisenbahnen G Braun Karlsruhe 1953 S 163 ff 47 699827 9 403095 Koordinaten 47 41 59 4 N 9 24 11 1 O Abgerufen von https de 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