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Die Einwandererzentralstelle EWZ war eine Mitte Oktober 1939 zunachst in Gotenhafen polnisch Gdynia eingerichtete nationalsozialistische Sammeldienststelle die die Einburgerung und Ansiedlung von bis zu 1 000 000 volksdeutschen Umsiedlern regelte Dabei erfolgte die Auswahl nach angeblich rassebiologischen und politischen Kriterien Inhaltsverzeichnis 1 Hintergrund 2 Organisation 3 Interner Aufbau 4 Kriterien 5 Auflosung und Weiterwirkung 6 Literatur 7 EinzelnachweiseHintergrund BearbeitenIm Zusammenhang mit dem Stahlpakt legte Heinrich Himmler im Mai 1939 eine Denkschrift zur Umsiedlung von rund 200 000 Sudtirolern Optanten vor und beauftragte spater Ulrich Greifelt mit der Organisation Dabei waren Grundzuge der spateren Umsiedlungspolitik bereits angelegt Es ging um die Ansiedlung gutrassiger Volksdeutscher im Osten eine beschleunigte Verleihung der deutschen Staatsangehorigkeit und den Transport durch die Volksdeutsche Mittelstelle Vomi Nach dem Deutsch sowjetischen Nichtangriffspakt und dessen Ausformung im Deutsch Sowjetischen Grenz und Freundschaftsvertrag vom 28 September 1939 konnten alle Bessarabiendeutsche Deutsch Balten und Bukowinadeutsche umgesiedelt werden Am 6 Oktober 1939 hielt Adolf Hitler eine Reichstagsrede in der er die Zerschlagung des polnischen Staates und die neue Ordnung der ethnographischen Verhaltnisse als Ziele nannte 1 Am Folgetag wurde Heinrich Himmler durch Fuhrererlass 2 mit der Festigung deutschen Volkstums beauftragt der seinerseits am 8 Oktober 1939 Reinhard Heydrich anwies eine Dienststelle zu schaffen mit der die Erfassung und Einburgerung der umzusiedelnden Deutschen durchzufuhren sei 3 Erste Umvolkungsaktionen betrafen die eingegliederten Ostgebiete namentlich das Wartheland und Danzig Westpreussen Dorthin wurden zunachst viele der 70 000 Baltendeutschen umgesiedelt 4 Organisation Bearbeiten nbsp Einwandererzentralstelle Nord Ost in Lodsch 1939 nbsp Einburgerung von Umsiedlern im Sonderzug der EWZ 1941 Die Einwandererzentralstelle wurde zuerst in Gotenhafen Gdynia eingerichtet und stand anfangs unter Leitung von Martin Sandberger Schon im November 1939 wurde sie nach Posen dann im Fruhjahr 1940 nach Berlin und im Herbst 1940 nach Litzmannstadt Lodz verlegt Einen Verbindungsstab hatte sie in Berlin Zweigstellen gab es noch in Gotenhafen Stettin und zeitweilig in Schneidemuhl Nebenstellen waren in Krakau und Paris Ausserdem wurden seit Mitte 1940 fliegende Kommissionen gebildet die zu den verschiedenen Lagern reisten und dort die Einburgerungen vornahmen 5 Bereits am 19 Oktober 1939 nahm die Einwandererzentralstelle EWZ ihre Arbeit in Gotenhafen auf Die Umsiedler aus Estland und Lettland mussten sich in der EWZ melden sie wurden registriert und gesundheitlich untersucht sowie fur einen Transport zum Ansiedlungsort erfasst es wurden Staatsangehorigkeitsfragen und Vermogensausgleich geklart und der Arbeitseinsatz geregelt Zwei Tage danach sollte ein abschliessender Bescheid uber den Einburgerungsantrag ausgehandigt werden 6 Um Platz fur die Baltendeutschen zu schaffen sorgte die EWZ in Zusammenarbeit mit der Einsatzgruppe III bis Februar 1940 zudem fur die Vertreibung von Polen aus Danzig Westpreussen 7 Bei einer Umorganisation wurde im April 1940 die Umwandererzentralstelle UWZ eingerichtet die die Deportationen organisieren sollte Damit begann die Entwicklung der EWZ zur Selektionsbehorde des Reichskommissars fur die Festigung des deutschen Volkstums Die EWZ war fur die erbbiologische Erfassung zustandig Dazu war ein als Durchschleusung bezeichneter Selektionsprozess nach rassischen und rassenhygienischen Prinzipien durch SS Arzte der EWS Teil des Einburgerungsverfahrens Interner Aufbau BearbeitenBei der EWZ handelte es sich um eine Sammeldienststelle mit einem Stab der hauptsachlich aus Mitarbeitern Heydrichs bestand Sie umfasste zudem abgeordnete Teilnehmer aus allen Behorden und Dienststellen die am Einburgerungsprozess beteiligt waren Dazu gehorten eine Melde und Ausweisstelle der Ordnungs und Sicherheitspolizei eine Gesundheitsstelle betreut durch Reichsgesundheitsamter eine Dienststelle des Rasse und Siedlungshauptamtes RuS Stelle eine Vermogensstelle unter Mitarbeit von Reichsfinanzministerium und Reichsbank eine Berufseinsatzstelle betreut vom Reichsarbeitsministerium eine Staatsangehorigkeitsstelle Reichsinnenministerium Abt I 8 Die Sammelbehorde unterstand dem Leiter Hans Ehlich der das Amt III B im Reichssicherheitshauptamt innehatte Unter seiner Oberaufsicht handelte die EWZ weitgehend selbstandig aber nicht autonom 9 Kriterien Bearbeiten nbsp Einburgerungsurkunde der damaligen Einwandererzentralstelle Nord Ost Zweigstelle LodzOb eine Umsiedlerfamilie eingeburgert wurde oder zuruckgeschickt wurde nach eingehender Prufung entschieden und hing von einer Ansatzentscheidung ab Sogenannte A Falle wurden im Altreich O Falle im Osten angesiedelt abgelehnte Bewerber wurden als S Falle ausgeschieden 10 Umsiedler der Kategorien O und A bekamen im gunstigsten Bewertungsfall die erhofften neuen Bauernhofe im Osten oder wurden als Fabrikarbeiter ins Altreich verwiesen Dabei waren funf Kriterien ausschlaggebend anthropologische Rassenbewertung positive erbbiologische Uberprufung berufliche Qualifikation kulturelle Merkmale und politische Zuverlassigkeit 11 Neben der medizinischen Untersuchung durch Arzte begutachteten so genannte Eignungsprufer Mitarbeiter des Rasse und Siedlungshauptamtes der SS RuSHA die Rasseeigenschaften Fanden die Arzte wahrend der Durchschleusung Hinweise auf mogliche Erbkrankheiten psychische Storungen oder sonstige auffallige Verhaltensweisen asoziales Verhalten triebhaft hatte das fur solche Personen unter Umstanden auch fur deren Angehorige das Abbrechen der Durchschleusung zur Folge Es wurden Sterilisationsmassnamen im Rahmen des Gesetz zur Verhutung erbkranken Nachwuchses vom 14 Juli 1933 eingeleitet die auch ohne die Einwilligung des Umzusiedelnden moglich waren oder die Einweisung in psychiatrische Einrichtungen Diese Einweisungen bedeuteten fur die als erbkrank eingestuften Umzusiedelnden insbesondere fur ihre als erbgesundheitlich belasteten Kinder oft eine dauerhafte Einbeziehung in das NS Psychiatriesystem die eine erhohte Gefahr fur Leib und Leben darstellte NS Krankenmorde TBC Impfversuche etc Grosse Umsiedlungsaktionen fanden zwischen 1939 und 1941 statt Danach veranderte sich die Gewichtung der Bewertungsmassstabe Anstelle der ursprunglich starken Betonung der deutschen Herkunft Volkszugehorigkeit gewann der Gesichtspunkt der rasseanthropologischen Einordnung an Bedeutung und es wurde auch mehr Wert auf okonomische Faktoren gelegt Grossere Gruppen von Volksdeutschen selektierte die EWZ dann wieder ab 1943 1944 um sie der Wehrmacht oder Wehrwirtschaft zuzufuhren Die Kategorie Rasse ermoglichte es mehr Personen zu erfassen und den Nachschub an Soldaten zu liefern 12 Die Bezeichnung Umsiedler legt nahe es habe sich stets um eine freiwillige Entscheidung gehandelt Bis 1941 gab es Entscheidungsmoglichkeiten so dass man nicht grundsatzlich von Zwang sprechen kann Die Umsiedlung der Ukrainedeutschen war jedoch eine Mischung aus Zwang und Evakuierung die von den Betroffenen wegen einer Verstrickung mit den nationalsozialistischen Besatzern mitgemacht oder auch gegen ihren Willen durchgefuhrt wurde 13 Auflosung und Weiterwirkung BearbeitenBis Ende Januar 1945 hatte die EWZ nach eigener Angabe mehr als eine Million Menschen selektiert Schon seit Sommer 1944 war die Arbeit der EWZ durch den Kriegsverlauf beeintrachtigt Beim Herannahen der Roten Armee floh der Fuhrungsstab im Januar 1945 aus Litzmannstadt nach Zwickau danach nach Bad Worishofen Der Mitarbeiterstab von rund 900 Personen wurden vorubergehend an das RSHA entlassen oder in SD Einheiten aufgenommen 14 Keiner der beteiligten SD Offiziere wurde wegen seiner Tatigkeit in der EWZ verurteilt Bei Ermittlungen der Ludwigsburger Zentralen Stelle erklarten die als Zeugen vernommenen Beteiligten die EWZ sei lediglich eine Einburgerungsbehorde gewesen und habe mit ethnischen Sauberungen und der Umwandererzentralstelle nichts zu tun gehabt 15 Nach dem Krieg wurden die EWZ Akten teilweise benutzt um uber die Staatsangehorigkeit von so genannten volksdeutschen Umsiedlern zu entscheiden Damit wurden nationalsozialistische Kriterien ubernommen Dies fuhrte zu einer grosszugigen Anerkennungspraxis Nach 1989 wurden die Kriterien geandert und die Zahl der anerkannten Antrage ging stark zuruck 16 Literatur BearbeitenMarkus Leniger Nationalsozialistische Volkstumsarbeit und Umsiedlungspolitik 1933 1945 Von der Minderheitenbetreuung zur Siedlerauslese Berlin 2006 ISBN 978 3 86596 082 5 Maria Fiebrandt Auslese fur die Siedlergesellschaft Die Einbeziehung Volksdeutscher in die NS Erbgesundheitspolitik im Kontext der Umsiedlungen 1939 1945 Gottingen 2014 Vandenhoeck amp Ruprecht ISBN 978 3 525 36967 8 nicht eingesehen Andreas Strippel NS Volkstumspolitik und die Neuordnung Europas rassenpolitische Selektion der Einwandererzentralstelle des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD 1939 1945 Paderborn 2011 ISBN 978 3 506 77170 4 Einzelnachweise Bearbeiten Zitiert aus Max Domarus Hitler Reden und Proklamationen Wurzburg 1963 Bd 2 S 1383 Rede Hitlers vor dem Reichstag 4 Sitzung 6 Oktober 1939 Erlass vom 7 Oktober 1939 abgedruckt als Dokument PS 686 in IMT Der Nurnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher fotomech Nachdruck Munchen 1989 Bd 26 ISBN 3 7735 2521 4 S 255 257 Andreas Strippel NS Volkstumspolitik und die Neuordnung Europas Rassenpolitische Selektion der Einwandererzentralstelle des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD 1939 1945 Paderborn 2011 ISBN 978 3 506 77170 4 S 74 Hans Buchheim Die SS das Herrschaftsinstrument In Anatomie des SS Staates Bd 1 Munchen 1967 S 195 Die Ruckfuhrung der Baltendeutschen war dabei kurzzeitig die Aufgabe der Volksdeutschen Mittelstelle S 194 Hans Buchheim Die SS das Herrschaftsinstrument In Anatomie des SS Staates Bd 1 Munchen 1967 S 196 Andernorts wird dargestellt der Hauptsitz sei seit Januar 1940 in Lodz gewesen Klaus Peter Friedrich Bearb Die Verfolgung und Ermordung der europaischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933 1945 Quellensammlung Band 4 Polen September 1939 Juli 1941 Munchen 2011 ISBN 978 3 486 58525 4 S 34 35 Andreas Strippel NS Volkstumspolitik und die Neuordnung Europas Paderborn 2011 ISBN 978 3 506 77170 4 S 75 Andreas Strippel NS Volkstumspolitik und die Neuordnung Europas Paderborn 2011 ISBN 978 3 506 77170 4 S 80 und 82 Hans Buchheim Die SS das Herrschaftsinstrument In Anatomie des SS Staates Bd 1 Munchen 1967 S 196 Andreas Strippel NS Volkstumspolitik und die Neuordnung Europas Paderborn 2011 ISBN 978 3 506 77170 4 S 333 Hans Buchheim Die SS das Herrschaftsinstrument In Anatomie des SS Staates Bd 1 Munchen 1967 S 196 Andreas Strippel NS Volkstumspolitik und die Neuordnung Europas Paderborn 2011 ISBN 978 3 506 77170 4 S 129 Andreas Strippel NS Volkstumspolitik und die Neuordnung Europas Paderborn 2011 ISBN 978 3 506 77170 4 S 334 Andreas Strippel NS Volkstumspolitik und die Neuordnung Europas Paderborn 2011 ISBN 978 3 506 77170 4 S 32 Andreas Strippel NS Volkstumspolitik und die Neuordnung Europas Paderborn 2011 ISBN 978 3 506 77170 4 S 298 Andreas Strippel NS Volkstumspolitik und die Neuordnung Europas Paderborn 2011 ISBN 978 3 506 77170 4 S 336 Andreas Strippel NS Volkstumspolitik und die Neuordnung Europas Paderborn 2011 ISBN 978 3 506 77170 4 S 335 Normdaten Korperschaft VIAF 136524095 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Einwandererzentralstelle amp oldid 236204812