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Die Dunkelmannerbriefe lateinisch Epistolae obscurorum virorum waren eine mit satirischer Absicht verbreitete Reihe gefalschter lateinischer Briefe aus den Jahren 1515 und 1517 mit denen deutsche Humanisten die Scholastik ins Lacherliche zogen die damals an den Universitaten noch weit verbreitet war und das ausschweifende Leben des Klerus anprangerten Die Drucke werden der Werkstatt von Peter Schoffer zugeordnet 1 Denkmal fur die Dunkelmannerbriefeverfasser in Erfurt Inhaltsverzeichnis 1 Hintergrund 2 Inhalt 3 Rezeption 4 Ausgaben 5 Ubersetzungen 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseHintergrund BearbeitenAnlass fur die Briefe der Dunkelmanner war der Streit der Kolner Dominikaner mit dem Humanisten und Hebraisten Johannes Reuchlin um die Frage ob judische Schriften insbesondere der Talmud verbrannt werden sollten oder nicht Fur Verbot und Verbrennung setzte sich mit Unterstutzung der Kolner Dominikaner vor allem Johannes Pfefferkorn ein ein zum Christentum konvertierter Jude wahrend Reuchlin fur den Erhalt der Schriften pladierte Der Schriftenstreit zwischen Pfefferkorn und Reuchlin begann im Jahre 1511 auf Pfefferkorns Handtspiegel reagierte Reuchlin mit seinem Augenspiegel Der Streit eskalierte dadurch dass weite Teile der damaligen Bildungselite in Deutschland und uber Deutschland hinaus fur eine der beiden Seiten Partei ergriffen wobei auf Seiten Pfefferkorns v a die Dominikaner und scholastische Theologen standen darunter Ortwin Gratius der Inquisitor Jakob van Hoogstraten die Universitaten Erfurt Mainz und Koln und mit einem Gutachten von 1514 auch die Pariser Universitat Reuchlin dagegen wurde von den meisten renommierten Humanisten Deutschlands unterstutzt allen voran von Ulrich von Hutten Crotus Rubeanus Mutianus Rufus Helius Eobanus Hessus und anderen aus deren Mitte einige Briefe stammten die Reuchlin 1514 mit einem Vorwort seines Grossneffen Philipp Melanchthon als clarorum virorum epistolae Briefe beruhmter Manner veroffentlichte das lateinische Wort clarus bedeutet sowohl hell als auch hervorragend beruhmt An diesen Titel knupften die epistolae obscurorum virorum Dunkelmannerbriefe an deren erste Abteilung Anfang Oktober 1515 und in einer erweiterten Fassung 1516 anonym publiziert wurden gedruckt von Heinrich Gran im elsassischen Hagenau Dieser erste Band enthielt 41 Briefe denen in der zweiten Auflage 1516 sieben weitere Briefe beigefugt wurden eine zweite Sammlung mit 62 Briefen folgte 1517 Als Hauptverfasser des ersten Teils gilt der zum Erfurter Humanistenkreis um Mutianus Rufus gehorende Crotus Rubeanus Die erganzten sieben Briefe in der zweiten Auflage und der gesamte zweite Band werden vor allem Ulrich von Hutten zugeschrieben zum geringeren Teil auch Hermann von dem Busche in Leipzig Inhalt Bearbeiten nbsp TitelseiteDas Werk enthalt fingierte Briefe die angeblich eine Reihe von Dominikanern unter anderem aus Erfurt Leipzig und anderen deutschen Stadten hauptsachlich an Gratius schreiben und ihn teils um Rat fragen teils ihn ihrer Solidaritat in der Angelegenheit mit Reuchlin versichern Dabei sind die Briefe in Form und Inhalt so gestaltet dass sie als Selbstentlarvung der Beteiligten wirken sollen So herrscht ein fehlergespicktes Kuchenlatein vor und in scholastischer Manier werden heute abstrus erscheinende Etymologien lateinischer Begriffe bemuht Die spatscholastischen Kleriker werden als unwissend denkfaul orthodox und eifernd hingestellt als philistros saturiert und auf sinnlichen Genuss bedacht ihre Methode besteht vor allem aus Zitieren Bibel Aristoteles Lehr und Handbucher sowie bezeichnenderweise Ovids Ars amatoria Volker Riedel Antikerezeption in der deutschen Literatur vom Renaissance Humanismus bis zur Gegenwart Eine Einfuhrung 2 Gegenuber Reuchlin und seinen Anhangern denen es ja an der notigen theologischen Qualifikation fehle zeigen sich die fiktiven Verfasser selbstgerecht Auch beschreiben sie recht drastisch Liebesabenteuer und Gelage Die Bakkalaureaten geben sich den Ordensoberen gegenuber besonders demutig und dienstbeflissen zugleich verfolgt man besorgt den weiteren Verlauf der Affare Reuchlin die nicht so recht zur Zufriedenheit der Dominikaner voranschreitet man trostet sich aber damit dass falls selbst der Papst fur Reuchlin entscheiden sollte man dem notfalls mit einem Konzil begegnen konne Im 35 Brief des 1 Bandes der sich fiktiv an den Dominikaner Guillaume Haquinet Petit richtet wird dessen Einfluss als Beichtvater des franzosischen Konigs auf diesen und damit auf die Pariser Universitat angesprochen 3 Tatsachlich hatte Ludwig XII 1514 in zwei Briefen die Pariser Universitat nachdrucklich zur Verdammung von Reuchlins Augenspiegel aufgefordert 4 Die Universitat Wien erscheint als humanistische Hochburg es gibt hier so viele Reuchlinisten wie an keiner anderen Universitat daraufhin werden Joachim Vadian der damalige Rektor im Wintersemester 1516 17 Georg Tannstetter Johannes Cuspinian und andere aufgezahlt 5 Nach Peter Amelung hat Crotus Rubeanus ein Meister der indirekten Satire den genialeren Teil der Dunkelmannerbriefe verfasst Er trug nie dick auf er zeichnete seine Typen so dass ihr Grad von Ignoranz noch glaubwurdig wirkte Dagegen ist der zweite Teil von Huttens polemischem Temperament gepragt was ihn auch viele zeitgenossische Namen nennen lasst Dies beklagte schon Erasmus der selbst ebenfalls mehrfach genannt und charakterisiert wird 6 Rezeption Bearbeiten1520 verbot Papst Leo X die weitere Verbreitung der Dunkelmannerbriefe Einige der parodierten Dominikaner erkannten den satirischen Charakter des Werkes nicht und pflichteten stattdessen den uberspitzt dargestellten Positionen bei Moderatere Humanisten wie Erasmus von Rotterdam und Thomas Morus lobten den geistreichen Witz des Werkes ubernahmen aber nicht die besonders durch Huttens Textanteile verscharfte Polarisierung der Parteien Martin Luther dem es um die Bewahrung des Ernstes der antiromischen Kritik ging konnte der Satire wenig abgewinnen und nannte den unbekannten Verfasser einen Hanswurst Als Verfasser wurden zunachst Reuchlin selbst Erasmus und Ulrich von Hutten vermutet wobei Reuchlin und Hutten die Verfasserschaft aber fruhzeitig dementierten Seit Franz Wilhelm Kampschulte 1862 und David Friedrich Strauss gilt Crotus Rubeanus als Haupturheber der Dunkelmannerbriefe 1875 erschien eine erste Ubersetzung ins Deutsche Ausgaben Bearbeiten lat Volumen I Epistolae obscvrorvm virorvm ad venerabi lem virum Magistrum Ortuinum Gratium Dauentriensem Coloniae Agrippinae bonas litteras docentem varijs et locis et temporibus missae ac demum in volumen coactae In Uenetia Impressum in impressoria Aldi Minutij Anno quo su pra etiam cauisatum est vt in alijs ne quis audeat post nos impressare per decennium per illustris simum principem Uene tianorum Impressum fingiert d i Hagenau Heinrich Gran kurz vor dem 19 Oktober 1515 Erstausgabe anonym lat Volumen II Epistole Obscurorum virorum ad Magistrum Ortuinum Gratium Dauentriensem Colonie latinas litteras pro fitentem non illae quidem veteres et prius visae sed et nouae et illis prioribus Elegantia argutijs lepore ac venustate longe superiores Ad Lectorem Risum Heraclitae est vasti ridere parati Arida mutarunt pectora Stoiciae Da mihi tristem animum fetales obijce luctus Dispeream nisi mox omnia Risus erunt Exerce pulmonem Impressum Romanae Curie Impressum fingiert d i Koln Heinrich von Neuss spatestens Fruhjahr 1517 vor dem 27 April Erstausgabe anonym lat Epistolae obscurorum virorum Dialogus ex obscurorum virorum salibus cribratus Adversariorum scripta Defensio Ioannis Pepericorni contra famosas et criminales obscurorum virorum epistolas Ortuini Gratii lamentationes obscurorum virorum Uno volumine comprehensa Editio minor Leipzig B G Teubner 1869 iv 448 373 32 S lat Aloys Bomer Hrsg Epistolae Obscurorum Virorum Reihe Stachelschriften Altere Reihe 1 2 Bde Bd I Einfuhrung Bd II Text R Weissbach Heidelberg 1924 Nachdruck Scientia Aalen 1978 2 Bande in 1 Bd ISBN 978 3 511 00873 4 Massgebliche Edition der Briefe lat dt Epistolae obscurorum virorum Briefe I 1 II 9 II 26 In Hedwig Heger Hrsg Spatmittelalter Humanismus Reformation Texte und Zeugnisse 2 Teilband Blutezeit des Humanismus und Reformation C H Beck Munchen 1978 Die deutsche Literatur Texte und Zeugnisse 2 S 156 174 lat mit Schuler Komm Franz Wachinger Prosa und Dichtung der Renaissance Ratio Lernzielbezogene lateinische Texte Bd 39 1 2 C C Buchner Bamberg 2001 Textband S 14 17 Epist I 21 gekurzt Epist II 48 dazu Kommentar Band S 15 19 3 7661 5869 4 amp 3 7661 5889 9 source source Sebastian Giebenrath liest aus den DunkelmannerbriefenUbersetzungen BearbeitenUbersetzungen mit fachwissenschaftlich philologischer Ausrichtung lat dt Briefe I 1 II 9 II 26 In Hedwig Heger Hrsg Spatmittelalter Humanismus Reformation s o Briefe I 4 II 53 II 58 60 Dunkelmannerbriefe In Winfried Trillitzsch Hrsg Ubers Der deutsche Renaissancehumanismus Abriss und Auswahl Reclams Universal Bibliothek 900 Reclam Leipzig 1981 S 441 449 Karl Riha Hrsg Dunkelmannerbriefe An Magister Ortuin Gratius aus Deventer Insel Taschenbuch 1297 Insel Frankfurt a M 1991 ISBN 3 458 32997 8 Ubersetzungen von Autoren mit volkischer und nationalsozialistischer Ausrichtung die ab 1885 haufige Neuausgaben und ubersetzungen der Briefe in einschlagigen Verlagen produzierten oder sich des popularen Titels fur eigene Produkte 7 bedienten Wilhelm Binder Hrsg Ubers Briefe der Dunkelmanner Untertitel An Magister Ortuin Gratius aus Deventer Professor der schonen Wissenschaften zu Coln Rubling Stuttgart 1876 wieder Paul Stotzner Gera 1898 wieder Seifert Kostritz 1904 behauptet Zum ersten Mal ins Deutsche ubersetzt Vollstandige Ausgabe Ubersetzt von Wilhelm Binder 1904 Revidiert mit Anmerkungen und Nachwort versehen von Peter Amelung Winkler Munchen 1964 Verlag C B Griesbach Gera 1885 behauptete 1 Ubersetzung ins Deutsche Untertitel Epistolae obscurorum virorum An Magister Ortuin Gratius aus Deventer Nachdruck dieser Ausg bei Melchior Wolfenbuttel o J 2007 Egbert Meinert Neue Briefe von Dunkelmannern 1 und 2 Folge aus dem Fruhjahr 1914 3 Folge 1920 21 Untertitel Neue epistolae obscurorum virorum Erste Ausgabe Karl Rohm Lorch 1922 Kurt Eggers Ubers amp Auswahl Dunkelmannerbriefe Ulrich von Hutten Crotus Rubeanus und andere Aus dem Monchslatein Schwarzhaupter Leipzig 1939 Joseph Otto Plassmann Herausgeber und Ubersetzer Briefe von Dunkelmannern an Magister Ortvinus Gratius aus Deventer Professor der schonen Kunste zu Coln Aus dem Kuchenlateinischen ubertragen durch Jodocum Plassmann Magister der freien Kunste und demutigen wenngleich unwurdigen Doktor der Philosophie Erstes bis drittes Tausend Nordland Verlag 1940 wieder Nordland amp Ahnenerbe Stiftung Verlag 1941 Literatur BearbeitenFriedrich Wilhelm Bautz Crotus Rubeanus In Biographisch Bibliographisches Kirchenlexikon BBKL Band 1 Bautz Hamm 1975 2 unveranderte Auflage Hamm 1990 ISBN 3 88309 013 1 Sp 1168 1169 Artikel Artikelanfang im Internet Archive zu Johannes Jager mit Hinweisen zu den Hintergrunden der Dunkelmannerbriefe Reinhard Paul Becker A War of Fools The Letters of Obscure Men A Study of the Satire and the Satirized New York University Ottendorfer Series N F hrsg v Volkmar Sander Bd 12 Peter Lang Bern 1981 190 S Willehad Paul Eckert Hoch und Spatmittelalter Katholischer Humanismus In Karl Heinrich Rengstorf Siegfried von Kortzfleisch Hrsg Kirche und Synagoge Handbuch zur Geschichte von Christen und Juden Darstellung und Quellen 2 Bde Klett Stuttgart 1968 Nachdruck dtv Munchen 1988 Bd I 210 306 dort 278 283 Anm S 303 305 Karl Heinz Gerschmann Antiqui Novi Moderni in den Epistolae Obscurorum Virorum In Archiv fur Begriffsgeschichte 11 1967 23 36 online Winfried Frey Multum teneo de tali libro Die Epistolae Obscurorum Virorum In Peter Laub Ludwig Steinfeld Hrsg Ulrich von Hutten Ritter Humanist Publizist 1488 1523 Katalog zur Ausstellung des Landes Hessen anlasslich des 500 Geburtstages Hessischer Museumsverband Kassel 1988 S 197 209 d nb info Karl Heinz Gerschmann Wenn Dunkelmanner Briefe schreiben In Neophilologus 81 1997 S 89 103 Joachim Gruber Texte einer Zeitenwende Die Epistolae obscurorum virorum In Anregung 41 1995 S 154 168 R Hahn Huttens Anteil an den Epistolae obscurorum virorum In Pirckheimer Jahrbuch 4 1988 S 79 111 Gunter Hess Deutsch lateinische Narrenzunft Studien zum Verhaltnis von Volkssprache und Latinitat in der satirischen Literatur des 16 Jahrhunderts Munchner Texte und Untersuchungen zur Literatur des Mittelalters 41 C H Beck Munchen 1971 Erich Meuthen Die Epistolae obscurorum virorum In Walter Brandmuller u a Hrsg Ecclesia militans Festschrift fur Remigius Baumer Schoningh Paderborn 1988 Bd 2 S 53 80 Josef Swoboda Nachricht von einer Zeitenwende In Magazin Nr 1 2004 4 26 online PDF 260 kB Franz Josef Worstbrock Art Dunkelmannerbriefe In Lexikon fur Theologie und Kirche 3 Aufl LThK Bd 3 1995 Sp 402 Weblinks BearbeitenAusgabe von 1516 Dunkelmannerbriefe im Projekt Gutenberg DE Dunkelmannerbriefe und Erfurter Humanistenkreis auf erfurt web deEinzelnachweise Bearbeiten Helga Schnabel Schule Reformation Historisch kulturwissenschaftliches Handbuch Metzler Heidelberg 2017 ISBN 978 3 476 02593 7 S 107 Volker Riedel Antikerezeption in der deutschen Literatur vom Renaissance Humanismus bis zur Gegenwart Eine Einfuhrung J B Metzler Stuttgart Weimar 2000 S 44 Briefe der Dunkelmanner Vollstandige Ausgabe Ubersetzt von Wilhelm Binder 1904 Revidiert mit Anmerkungen und Nachwort versehen von Peter Amelung Winkler Munchen 1964 S 83 85 Zur Pariser Stellungnahme vgl ausfuhrlich Winfried Trusen Die Prozesse gegen Reuchlins Augenspiegel in Stefan Rhein Hrsg Reuchlin und die politischen Krafte seiner Zeit Pforzheimer Reuchlinschriften Bd 5 Thorbecke Sigmaringen 1998 ISBN 3 7995 5975 2 S 106 112 Dunkelmannerbriefe Bd 2 Brief Nr 30 Zitiert nach Franz Graf Stuhlhofer Humanismus zwischen Hof und Universitat Georg Tannstetter Collimitius und sein wissenschaftliches Umfeld im Wien des fruhen 16 Jahrhunderts Wien 1996 S 94 Peter Amelung Nachwort in Briefe der Dunkelmanner ubersetzt von Wilhelm Binder revidiert mit Anmerkungen und einem Nachwort versehen von Peter Amelung Winkler Verlag Munchen 1964 S 269 270 vgl auch S 267 Vgl auch Oskar Panizza Deutsche Thesen gegen den Papst und seine Dunkelmanner 1894 Mit einem Geleitwort von M G Conrad Neuausgabe Auswahl aus den 666 Thesen und Zitaten Nordland Verlag Berlin 1940 Normdaten Werk GND 4152543 7 lobid OGND AKS LCCN n2011018466 VIAF 199857164 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Dunkelmannerbriefe amp oldid 234195640