www.wikidata.de-de.nina.az
Der Preis der Ungleichheit Wie die Spaltung der Gesellschaft unsere Zukunft bedroht ist der Titel der deutschen Ubersetzung des Buches The Price of Inequality How Today s Divided Society Endangers Our Future von Joseph E Stiglitz aus dem Jahr 2012 1 Joseph E Stiglitz 2012 Inhaltsverzeichnis 1 Autor 2 Inhalt 2 1 Ursachen der Ungleichheit 2 2 Legitimation von Ungleichheit 2 3 Auswirkungen von Ungleichheit 2 4 Reformagenda 2 4 1 Okonomische Massnahmen 2 4 2 Politische Massnahmen 2 5 Ausblick 3 Rezeption 4 EinzelnachweiseAutor BearbeitenJoseph E Stiglitz war Professor fur Volkswirtschaft an den Universitaten Yale Oxford Princeton und Stanford Als Vorsitzender des Rats der Wirtschaftsberater war er Mitglied des Kabinetts unter US Prasident Bill Clinton ehe er von 1997 bis 2000 als Chefokonom der Weltbank tatig war Fur seine Forschung wurde Stiglitz 2001 mit dem Nobelpreis fur Wirtschaft ausgezeichnet Seit 2001 lehrt Stiglitz an der Columbia University 2 und war zum Zeitpunkt des Erscheinens des Buches zudem Vorsitzender der International Economic Association Inhalt BearbeitenStiglitz befasst sich in diesem Buch mit den Ursachen und Konsequenzen der steigenden sozialen Ungleichheit in den USA Ausserdem diskutiert er ob das immer grossere Mass an Ungleichheit aus seiner Sicht zu legitimieren ist Zum Abschluss stellt er eine Agenda mit okonomischen und politischen Massnahmen vor die seiner Meinung nach notwendig sind um der wachsenden Ungleichheit entgegenzuwirken Ursachen der Ungleichheit Bearbeiten Grundvoraussetzung einer funktionierenden und effizienten Wirtschaftsordnung ist nach Stiglitz dass die finanzielle Entlohnung aus wirtschaftlicher Aktivitat ein Mass fur den Beitrag zum Gemeinwohl ist Situationen in denen dies nicht der Fall ist und es stattdessen eine grosse Diskrepanz zwischen privater Rendite und gesellschaftlichen Nutzen gibt wurden Marktversagen genannt 3 Stiglitz nennt als Grunde fur das Auftreten von Marktversagen u a externe Effekte asymmetrische Information und Marktmonopole 3 Marktversagen dieser Art boten die Moglichkeit leistungslose Einkommen genannt Renten im Gegensatz zu Lohnen als Entgelt fur Arbeitsleistung aus Grundbesitz oder Monopolen zu erzielen und Kosten die aus individuellem Handeln entstehen auf die Allgemeinheit abzuwalzen 4 Da sich diese Art der Einkunfte laut Stiglitz als besonders profitabel erweisen und einen Grossteil der Einkunfte des reichsten Prozentes ausmachen gabe es einen grossen Anreiz fur Verhaltensweisen die zu solchen Renteneinkommen fuhren Rent Seeking Beispiele dafur seien die Fahigkeit das Gesetz zu umgehen oder es zu seinem eigenen Vorteil zu beeinflussen die Bereitschaft andere auszunutzen selbst die Armen und wenn notig unfair zu spielen 5 Das Auftreten von Marktversagen und die damit verbundene Ausbildung einer Rentenokonomie sind fur Stiglitz ein Hauptgrund fur die steigende Ungleichheit Insbesondere im Finanzsektor sei das Streben nach Renteneinkommen weit verbreitet und fuhre nicht nur zu Ungerechtigkeit sondern auch zu einer Destabilisierung der gesamten Wirtschaft Die Hauptverantwortung fur das hohe Mass an Ungleichheit liegt aus seiner Sicht bei der Politik die durch ihr Tun und Unterlassen die Spielregeln fur die Markte gestalten kann 6 Den Grund fur das Versagen der politisch Verantwortlichen in Verteilungsfragen sieht er im asymmetrischen Einfluss unterschiedlicher Interessengruppen Gerade das obere eine Prozent kann durch unbegrenzte Parteispenden Medienkontrolle und Lobbyarbeit seine Interessen viel starker geltend machen als grosse Teile der Bevolkerung One dollar one vote 7 Besonders erfolgreich sei dieser Einfluss weil die Strategie darin bestunde offentliche Meinungen und Wahrnehmungen so zu pragen dass grosse Teile der Bevolkerung schliesslich sogar eine Politik unterstutzen die ihnen selbst schadet und nur wenigen anderen nutzt Wortlich schreibt er in diesem Zusammenhang dass die Reichen uber die Instrumente die Mittel und die Anreize verfugen um Uberzeugungen in einer Weise zu beeinflussen die ihren Interessen forderlich ist Sie gewinnen zwar nicht immer dennoch ist es kein Kampf unter Gleichen 8 Legitimation von Ungleichheit Bearbeiten In dem Umstand dass ein grosser Teil der Ungleichheit aus Rent Seeking Aktivitaten resultiere sieht Stiglitz ein zentrales Gerechtigkeitsproblem Diejenigen die hohe Gehalter einstreichen seien haufig nicht diejenigen die die grossten Beitrage zum Allgemeinwohl geleistet haben Haufig resultierten diese Gehalter daraus bessere Strategien zur Ausnutzung von Marktmacht und anderen Marktunvollkommenheiten zu ersinnen und haufig auch darin sicherzustellen dass die Politik ihren Interessen dient und nicht denen der Allgemeinheit 4 Andererseits wurden die Verdienste einzelner die einen grossen Beitrag zum Gemeinwohl leisteten z B Erfinder und Wissenschaftler vergleichsweise wenig finanziell gewurdigt Als Beispiele nennt er unter anderem John Bardeen Walter Brattain und William Shockley Erfindung des Transistors Alan Turing mathematische Grundlagen des modernen Computers und Tim Berners Lee World Wide Web die mit ihren Erfindungen erst die Grundlage fur die Firmenimperien von Milliardaren wie Steve Jobs oder Mark Zuckerberg lieferten 4 Das extreme Mass an Ungleichheit sei daher mit Leistungsprinzipien nicht zu rechtfertigen zum einen weil ein bestenfalls schwacher Zusammenhang zwischen Gehalt und gesellschaftlichem Nutzen bestehe und zum anderen weil man die Beitrage einzelner Individuen im Grunde nicht von denen anderer Individuen abgrenzen konne 9 Ein Grossteil des Fortschritts basiere letztlich auf offentlich finanzierter Grundlagenforschung und den vererbten Beitragen vieler Generationen 9 Ausserdem sei zu bedenken dass niemand allein aus eigener Kraft erfolgreich sei So gabe es in den Entwicklungslandern viele intelligente hart arbeitende tatkraftige Menschen die arm bleiben nicht weil es ihnen an Fahigkeiten mangelte oder sie sich nicht hinreichend anstrengten sondern weil sie in dysfunktionalen Volkswirtschaften arbeiten 10 Auswirkungen von Ungleichheit Bearbeiten Stiglitz nennt verschiedene Auswirkungen der starken Ungleichheit in den USA Einerseits sei eine soziale Aufwartsmobilitat wie sie mit dem American Dream assoziiert wird kaum noch gegeben Die Lebenschancen wurden hingegen stark vom Einkommen der Eltern bestimmt was sich etwa im Zugang zum Bildungswesen und dem Rechtssystem manifestiert 11 Ein weiteres Problem trete in Kombination mit fehlenden sozialen Sicherungsnetzen auf Der Verlust des Arbeitsplatzes des Hauses oder eine schwere Krankheit konnten fur einen Grossteil der Amerikaner existenzielle Folgen haben 12 13 Vor allem aber sei ein extremes Mass an Ungleichheit auf Dauer eine Gefahr fur die Demokratie insbesondere durch die Erosion der Mittelschicht 14 15 Lange Zeit sei eine neoliberale und zu wachsender Ungleichheit fuhrende Politik damit gerechtfertigt worden dass am Ende alle davon profitierten 12 Die Realitat zeigt laut Stiglitz jedoch ein anderes Bild Wahrend das Durchschnittseinkommen in den USA zwischen 1980 und 2010 um 75 anstieg sei das Einkommen der meisten mannlichen Vollzeitbeschaftigten im selben Zeitraum aber gesunken 16 Dieser Umstand fuhre dazu dass Fairness und Gerechtigkeitsprinzipien mehr und mehr hinterfragt wurden 15 Reformagenda Bearbeiten Stiglitz stellt fest dass es eine starke ideologische Debatte um die Rolle des Staates in wirtschaftlichen Fragen hinsichtlich des Masses an Marktregulierung gibt Beide Lager viel wenig staatliche Regulierung trugen zur Begrundung der eigenen Position in dieser Debatte Beispiele fur das Versagen des von der anderen Seite propagierten Systems vor Stiglitz pladiert grosstenteils fur staatliche Eingriffe setzt sich aber dafur ein im Einzelfall eine sorgfaltige Kosten Nutzen Abwagung zu betreiben und im Zweifel auch negative Konsequenzen hinzunehmen wenn die positiven uberwiegen 17 Er schlagt verschiedene Massnahmen vor mit denen sich die von ihm benannten Verteilungsprobleme aus seiner Sicht sinnvoll angehen lassen Okonomische Massnahmen Bearbeiten Viele Ungleichheitsprobleme werden laut Stiglitz derzeit im Finanzsektor kreiert oder verstarkt Um dies kunftig zu verhindern schlagt er Massnahmen zur Zugelung der Finanzmarkte vor 18 Einschrankung der Systemrelevanz und Drosselung der Risikobereitschaft von Banken z B durch Beschrankungen der Fremdkapitalaufnahme und Liquiditat zur Stabilisierung der Finanzmarkte Grossere Transparenz insbesondere im ausserborslichen Derivatehandel und starkere Trennung von Finanzmarktspekulationen und Staatsburgschaften sodass kunftig nicht mehr die Steuerzahler fur riskante Finanzmarktaktivitaten haften mussen Erschwerung der ausbeuterischen Kreditvergabe unter Ausnutzung der Unwissenheit der Vertragspartner z B durch ein schuldnerfreundlicheres Insolvenzrecht Dieses wurde Banken einen Anreiz geben die Kreditwurdigkeit der Kunden starker zu prufen Stiglitz gibt jedoch auch zu bedenken dass die praktische Umsetzung solcher Massnahmen alles andere als leicht ist da der Bankensektor sich in der Vergangenheit als besonders kreativ gezeigt habe Regulierungen zu umgehen 18 Neben Finanzmarktregulierungen mochte er die Funktionsweise von Markten allgemein dadurch verbessern dass private und soziale Renditen zur Deckung gebracht werden und der Spielraum fur Marktversagen eingeschrankt wird Mit entsprechenden Massnahmen wurde man der Ungleichheit zu Leibe rucken und gleichzeitig die Effizienz steigern 19 Konkret konnte dies z B uber den Abbau von Monopolen durch eine Starkung des Wettbewerbs und Reduzierung von Marktzutrittsschranken erfolgen 18 Zudem pladiert Stiglitz fur eine starkere progressive Besteuerung die Schliessung von Steuerschlupflochern und eine Verbesserung der Corporate Governance z B in Form eines Gesetzes dass Aktionare ein Mitspracherecht in Fragen der Fuhrungskraftevergutung und Parteifinanzierung einraumt Auch mochte er die Chancengleichheit durch besseren Zugang zum Bildungssystem und zur Gesundheitsversorgung starken 18 Politische Massnahmen Bearbeiten Um derartige okonomische Massnahmen uberhaupt realisieren zu konnen seien zunachst politische Reformen notwendig um die institutionellen Rahmenbedingungen der Entscheidungsfindung zu verandern Wir konnen uns keine Geld und Wahrungsordnung leisten die von Menschen gesteuert wird auf die die Denkweise der Banker abgefarbt hat und die de facto alllein dem Interesse des obersten einen Prozents verpflichtet ist 20 Zum einen bedurfe es hier eine Reform der Parteienfinanzierung zum anderen mussten fliessende Wechsel zwischen aktiver Politik und Wall Street erschwert werden Auch die Einfuhrung einer Wahlpflicht so wie sie in anderen Landern existiere konnte fur Stiglitz dazu beitragen die Interessen der gesamten Bevolkerung starker in der Politik zu reprasentieren 21 Ausblick Bearbeiten Laut Stiglitz muss mindestens eine der beiden folgenden Voraussetzungen erfullt sein damit eine derartige Reformagenda uberhaupt realisierbar ware 22 Die unteren 99 erkennen dass die Interessen des oberen einen Prozentes nicht in ihrem Sinne sind und dass eine andere Wirtschafts und Gesellschaftsordnung moglich ist Das obere eine Prozente erkennt dass die Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte nicht nur im Widerspruch zum historischen amerikanischen Selbstverstandnis steht sondern sogar langfristig dem einen Prozent selbst schadet Zum Abschluss zeichnet er zwei mogliche Zukunftsszenarien Das eine ist durch eine duale Wirtschaft gekennzeichnet in dem die soziale Spaltung grosser denn je ist Reiche leben in abgeschotteten Wohnanlagen und deren Kinder haben Zugang zu teuren Privatschulen und exzellenter Bildung wahrend sich der Rest der Bevolkerung mit grosser Unsicherheit zweitklassiger Bildung und einer rationierten Gesundheitsversorgung arrangieren muss Im zweiten Szenario gibt es in der Gesellschaft ein Bemuhen um Chancengleichheit und Fairness wirkliche Freiheit und Gerechtigkeit fur alle und damit eine konsequente Umsetzung amerikanischer Ideale im Einklang mit der Erklarung der Menschenrechte 22 Rezeption BearbeitenDie New York Times schreibt in einer Buchbesprechung dass die Beitrage von Stiglitz zur offentlichen Debatte kaum uberschatzt werden konnten Insbesondere werde in der Gesellschaft nur unzureichend zur Kenntnis genommen wie stark wirtschaftliche und politische Macht zusammenhangen 23 The importance of Stiglitz s contribution and that of other dissidents to the public debate cannot be overestimated The news media and the Congress are ill equipped to address the role of economic power in shaping policy Both institutions are in fact unaware of the extent to which they themselves are subject to the influence of money In einer Buchbesprechung des Guardians heisst es Der Preis der Ungleichheit sei ein starkes Pladoyer fur das was Alexis de Tocqueville bereits als Wohlgemeinter Eigennutz beschrieben hat Das individuelle Wohlergehen ist nicht von dem Wohlergehen der Gesellschaft in der man lebt zu trennen Diese Erkenntnis sei bis heute jedoch nicht zu denjenigen durchgedrungen die sich von Gier und Uberheblichkeit treiben liessen 24 The Price of Inequality is a powerful plea for the implementation of what Alexis de Tocqueville termed self interest properly understood Stiglitz writes Paying attention to everyone else s self interest in other words to the common welfare is in fact a precondition for one s own ultimate wellbeing it isn t just good for the soul it s good for business Unfortunately that s what those with hubris and pleonexia have never understood and we are all paying the price Einzelnachweise Bearbeiten Joseph E Stiglitz Der Preis der Ungleichheit Siedler Verlag Munchen 2012 ISBN 978 3 8275 0019 9 Der Preis der Ungleichheit Abgerufen am 9 September 2017 a b Joseph E Stiglitz Der Preis der Ungleichheit Siedler Verlag Munchen 2012 S 66 68 a b c Joseph E Stiglitz Der Preis der Ungleichheit Siedler Verlag Munchen 2012 S 73 78 Joseph E Stiglitz Der Preis der Ungleichheit Siedler Verlag Munchen 2012 S 71 Joseph E Stiglitz Der Preis der Ungleichheit Siedler Verlag Munchen 2012 S 61 Joseph E Stiglitz Der Preis der Ungleichheit Siedler Verlag Munchen 2012 S 169 f Joseph E Stiglitz Der Preis der Ungleichheit Siedler Verlag Munchen 2012 S 250 a b Joseph E Stiglitz Der Preis der Ungleichheit Siedler Verlag Munchen 2012 S 119 Joseph E Stiglitz Der Preis der Ungleichheit Siedler Verlag Munchen 2012 S 166 Joseph E Stiglitz Der Preis der Ungleichheit Siedler Verlag Munchen 2012 S 354 f a b Joseph E Stiglitz Der Preis der Ungleichheit Siedler Verlag Munchen 2012 S 36 59 Joseph E Stiglitz Der Preis der Ungleichheit Siedler Verlag Munchen 2012 S 251 273 Joseph E Stiglitz Der Preis der Ungleichheit Siedler Verlag Munchen 2012 S 187 a b Joseph E Stiglitz Der Preis der Ungleichheit Siedler Verlag Munchen 2012 S 191 f Joseph E Stiglitz Der Preis der Ungleichheit Siedler Verlag Munchen 2012 S 55 Joseph E Stiglitz Der Preis der Ungleichheit Siedler Verlag Munchen 2012 S 249 f a b c d Joseph E Stiglitz Der Preis der Ungleichheit Siedler Verlag Munchen 2012 S 346 356 Joseph E Stiglitz Der Preis der Ungleichheit Siedler Verlag Munchen 2012 S 155 f Joseph E Stiglitz Der Preis der Ungleichheit Siedler Verlag Munchen 2012 S 341 Joseph E Stiglitz Der Preis der Ungleichheit Siedler Verlag Munchen 2012 S 189 f 366 368 a b Joseph E Stiglitz Der Preis der Ungleichheit Siedler Verlag Munchen 2012 S 368 371 Thomas B Edsall Separate and Unequal The Price of Inequality by Joseph E Stiglitz 5 August 2012 abgerufen am 9 September 2017 englisch Yvonne Roberts The Price of Inequality by Joseph Stiglitz review 13 Juli 2012 abgerufen am 9 September 2017 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Der Preis der Ungleichheit amp oldid 239152614