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Flussige Demokratie Engl liquid democracy oder delegated voting ist eine Form der gemeinsamen Entscheidungsfindung im Rahmen eines direktdemokratischen Systems das um reprasentative Elemente erganzt wurde 1 Illustration der Flussigen Demokratie Abstimmende links von der blauen Linie haben ihre Stimme delegiert Die Abstimmenden rechts von der Linie haben direkt abgestimmt Die Zahlen geben die Anzahl der Abstimmenden an die von jedem Delegierten vertreten werden einschliesslich des Delegierten selbst Das Konzept ermoglicht es jedem Beteiligten an einer Wahl oder Abstimmung entweder seine Stimme personlich abzugeben Element der direkten Demokratie oder seine Stimme von jemand anderem abgeben zu lassen ahnlich der reprasentativen Demokratie Der so Bevollmachtigte kann je nach Einsatzgebiet auch eine Gruppierung z B eine politische Partei sein Im Gegensatz zur klassischen Stimmubertragung bei der reprasentativen Demokratie konnen sich Vollmachten zur Stimmabgabe sowohl auf einzelne Entscheidungen als auch auf umfassende Politikfelder erstrecken und sind widerrufbar 2 3 Viele Anhanger der Flussigen Demokratie hoffen dass die Stimmen sich in einem evolutionaren Prozess bei kompetenten Personen haufen 4 Jemand der jederzeit widerruflich bevollmachtigt wurde fur einen anderen abzustimmen kann seinerseits jemand anderen bevollmachtigen fur sich und seine Vollmachtsgeber abzustimmen d h die Stimmubertragung ist transitiv 5 Inhaltsverzeichnis 1 Flussige Demokratie 2 Einsatz in der Politik 3 Superdelegierte 4 Verwendung von Computern 4 1 Wahlrechtsgrundsatze 4 2 Digitale Spaltung 5 Siehe auch 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseFlussige Demokratie BearbeitenDer Einsatz der Flussigen Demokratie fur themenbezogene Entscheidungen in der Politik und in Unternehmen 6 wird oftmals unter dem englischen Schlagwort Liquid Democracy subsumiert Hierbei gibt es unterschiedliche Vorstellungen davon wie genau die ubertragbare Stimmendelegation zu erfolgen hat So fordert beispielsweise die Piratenpartei Berlin fur parteiinterne Entscheidungen einen uber die Flussige Demokratie hinausgehenden moderationsfreien Diskurs 7 Eine einheitliche Verwendung des Begriffes Liquid Democracy ist allerdings nicht erkennbar allen Definitionen gemein ist jedoch der themenbezogene Einsatz der Flussige Demokratie zur Entscheidungsfindung 8 Einsatz in der Politik BearbeitenJan Huwald politischer Geschaftsfuhrer der Piratenpartei Deutschland im Jahre 2007 stellte die Liquid Democracy als Alternative zu bestehenden Parlamenten dar So konne ein Wahler selbst bestimmen ob er sie sich mit einer politischen Frage selbst beschaftigt oder eine Partei dafur bestimmt 9 Vor einem Einsatz als gesellschaftliches System wolle man jedoch zunachst selbst damit experimentieren 9 Dementsprechend wurde die Stimmendelegation in verschiedenen Landesverbanden zur innerparteilichen Meinungsbildung eingesetzt 7 10 Von November 2012 11 bis Mitte 2015 setzte der Landkreis Friesland die Burgerbeteiligungsplattform LiquidFriesland ein die nach den Prinzipien der Flussigen Demokratie arbeitete 12 Die Burger hatten sich der Plattform allerdings von Anfang an verweigert Im Februar 2015 startete der Landkreis Rotenburg Wumme die Burgerplattform ROW nach dem Vorbild von LiquidFriesland 13 Auch hier wird das System nicht angenommen Der neueste Beitrag ist bereits ein Jahr alt Superdelegierte BearbeitenInsbesondere durch die Verkettung von Stimmvollmachten jedoch auch bei unverketteter Vollmachtserteilung 14 konnen Personen u U ein sehr grosses Stimmgewicht auf sich vereinen Solche Personen wurden im Umfeld der Piratenpartei Deutschland auch als Superdelegierte bezeichnet 14 Die sich aus solchen Stimmubertragungen ergebende theoretisch nutzbare Macht ist jedoch beschrankt da Stimmvollmachten bei Flussiger Demokratie jederzeit widerrufbar sind So ausserte sich Klaus Peukert damaliger IT Chef der Piratenpartei Deutschland im Jahre 2012 dass seine 79 Stimmen als Superdelegierter uber Nacht weg sein konnten wenn er abwegige Positionen vertrete 15 Ubereinstimmend zeigte auch eine Studie am Fallbeispiel der Piratenpartei Deutschland dass Superdelegierte ihre Stimmvollmachten uberwiegend im Sinne der anderen Teilnehmer einsetzten 16 Verwendung von Computern BearbeitenErst die Verwendung von Computertechnologie insbesondere die breite Verfugbarkeit des Internets machen den Einsatz des Flussigen Demokratie praktikabel 17 18 Der Einsatz von Online Verfahren fuhrt jedoch im Falle politischer Abstimmungen siehe auch E Demokratie zu verschiedenen Herausforderungen bzw Einschrankungen Wahlrechtsgrundsatze Bearbeiten Jegliches System der computerbasierten Abstimmung ist hinsichtlich der Verfahrensablaufe anfallig fur Manipulationen 19 Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil zu Wahlautomaten festgestellt dass es zurzeit technisch nicht moglich sei digital Wahlen durchzufuhren die sowohl dem Gebot geheimer Wahlen als auch dem Gebot der Nachvollziehbarkeit des Wahlvorgangs hinreichend entsprechen Es hat den Einsatz von Wahlautomaten bei der Wahl zum 16 Deutschen Bundestag als nicht mit dem Grundgesetz vereinbar erklart 20 Geheime Wahlen sind in Deutschland auch innerhalb von Parteien fur bestimmte Personenwahlen vorgesehen 21 Einen moglichen Ausweg fur die Anwendung der Flussigen Demokratie mittels computerbasierter Systeme stellt die Veroffentlichung der Abstimmungsdaten im Sinne einer offenen Abstimmung dar So werden offene Abstimmungen auch von den beiden Softwareprodukten Adhocracy 22 und LiquidFeedback 23 umgesetzt Da geheime Personenwahlen z B Wahlen eines Parteivorstands prinzipbedingt nicht offen erfolgen konnen mussten diese weiterhin z B auf einem Parteitag mittels geheimer Wahl durchgefuhrt werden Siehe auch Datenschutzdebatte um LiquidFeedback Digitale Spaltung Bearbeiten Kritische Stimmen befurchten dass wenn nicht nur die Entscheidungsfindung sondern auch der entscheidungsbegleitende Diskurs grosstenteils online vermittelt ablaufe sich die Benachteiligung jener Gruppen die von digitaler Spaltung besonders betroffen seien potenziere 24 Befurworter der Flussigen Demokratie argumentieren dass infolge der zunehmenden Verbreitung elektronischer Kommunikationsmittel durch Flussige Demokratie schnell ermittelt werden konne welche politischen Vorhaben in der Bevolkerung eines Gebiets sowie in Parteien und anderen Organisationen mehrheitsfahig seien Durch die fortschreitende Verbreitung von Internetanschlussen in Deutschland und auch deren aktive Nutzung Stand 2013 77 2 Prozent 25 halten Befurworter von Liquid Democracy die digitale Spaltung zwar fur ein beachtenswertes aber in immer grosserem Umfang vernachlassigbares Problem Hinzu tritt das Argument dass auch Offline Wahlen nicht ohne Hurden seien Siehe auch BearbeitenBasisdemokratie Deliberative Demokratie LiquidFeedback Software Adhocracy Software BurgerbeteiligungLiteratur BearbeitenJan Behrens Axel Kistner Andreas Nitsche Bjorn Swieczek The Principles of LiquidFeedback Interaktive Demokratie e V Berlin 2014 ISBN 978 3 00 044795 2 liquidfeedback org Bernd Guggenberger Verflussigung der Politik was dann Essay Aus Politik und Zeitgeschichte 10 September 2012 online Anna von Notz Liquid democracy Internet basierte Stimmendelegationen in der innerparteilichen Willensbildung Dissertation 2018 Beitrage zum Organisationsverfassungsrecht Nr 4 Mohr Siebeck Tubingen 2020 ISBN 978 3 16 157699 7 d nb info abgerufen am 13 November 2021 Alois Paulin Through Liquid Democracy to Sustainable Non Bureaucratic Government Journal of e Democracy Vol 6 2014 Iss 2 online Angel Tchorbadjiiski Liquid Democracy Diplomarbeit zur datenschutzsicheren technischen Umsetzung von Delegated Voting inklusive Nachverfolgbarkeit der eigenen Stimme an der Rheinisch Westfalische Technische RWTH Hochschule Aachen Informatik 4 ComSys Preistrager des FIfF Studienpreises 2012 Laszlo Trankovits Eine Verteidigung der Demokratie gegen den masslosen Burger Essay Aus Politik und Zeitgeschichte 10 September 2012 online Frieder Vogelmann Flussige Betriebssysteme Liquid democracy als demokratische Machttechnologie Aus Politik und Zeitgeschichte 22 November 2012 online Andreas Vosskuhle Uber die Demokratie in Europa Aus Politik und Zeitgeschichte 23 Marz 2012 online Weblinks BearbeitenDie massgeschneiderte Demokratie bei Telepolis Ich gebe dir meine Stimme Neue Zurcher Zeitung 17 Mai 2017Einzelnachweise Bearbeiten Sebastian Jabbusch Die Idee von Liquid Democracy heute Memento vom 2 April 2015 im Internet Archive PDF 422 kB April 2011 Daniel Roleff Digitale Politik und Partizipation Moglichkeiten und Grenzen Abschnitt Digital entert Politik Aus Politik und Zeitgeschichte 6 Februar 2012 A Paulin Research Agenda towards Structured and Sustainable Non Bureaucratic Government Vienna University of Technology Faculty of Informatics 2015 Abgerufen am 28 Januar 2016 Peter Muhlbauer Entscheidungsfindung via Software Heise online 7 Januar 2010 Paolo Boldi Francesco Bonchi Carlos Castillo Sebastiano Vigna Viscous Democracy for Social Networks In Communications of the ACM Volume 54 Nr 6 The Association for Computing Machinery New York Juni 2011 S 129 137 doi 10 1145 1953122 1953154 Frankfurter Rundschau Software stellt Firmen Fuhrung auf den Kopf Memento vom 18 Dezember 2014 im Internet Archive Artikel vom 17 Dezember 2014 abgerufen am 21 Dezember 2016 a b Satzung der Piratenpartei Berlin 11 Liquid Democracy abgerufen am 21 Januar 2016 Jelena Gregorius Does the Digital Age Require New Models of Democracy Lasswell s Policy Scientist of Democracy vs Liquid Democracy Abgerufen am 21 Januar 2016 a b Interview mit Jan Huwald zu den Planen der Piratenpartei bei Telepolis Geschaftsordnung standige Mitgliederversammlung 2 Versammlung als Anhang zur Satzung der Piratenpartei Sachsen abgerufen am 22 Januar 2016 Burgerbeteiligung Landkreis Friesland fuhrt Liquid Feedback ein Zeit Online 9 November 2012 abgerufen am 7 Februar 2013 YouTube LiquidFriesland LiquidFeedback 2 0 Eine Einfuhrung 14 Oktober 2014 abgerufen am 30 Januar 2016 Verlinkt auf LiquidFriesland Informationen zur Plattform Abgerufen am 30 Januar 2016 Burgerplattform ROW geht in den kommenden Wochen an den Start Digitale Demokratie im Rotenburger Kreishaus Kreiszeitung 19 Februar 2015 Abgerufen am 12 Dezember 2015 a b Niels Lohmann Uber Superdelegierte 10 Dezember 2012 abgerufen am 16 Februar 2016 Detlef Borchers Piratenpartei setzt Liquid Feedback 2 0 ein In heise online Heise Medien GmbH amp Co KG 13 August 2012 abgerufen am 16 Februar 2016 Christoph Carl Kling Jerome Kunegis Heinrich Hartmann Markus Strohmaier Steffen Staab Voting Behaviour and Power in Online Democracy A Study of LiquidFeedback in Germany s Pirate Party 26 Marz 2015 arxiv 1503 07723v1 Jan Behrens Axel Kistner Andreas Nitsche Bjorn Swieczek The Principles of LiquidFeedback 1 Auflage Interaktive Demokratie e V Berlin 2014 ISBN 978 3 00 044795 2 S 15 145 liquidfeedback org Bernd Guggenberger 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Anstieg der taglichen Nutzungsdauer Online Studie 2013 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Flussige Demokratie amp oldid 237702593