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Das Deutsche als Mannersprache ist ein Sachbuch von Luise F Pusch aus dem Jahre 1984 In diesem Band werden erstmals die wissenschaftlichen und journalistischen Arbeiten der Konstanzer Linguistin gesammelt vorgelegt Damit ist dieses Werk fur das Deutsche die erste Monographie der feministischen Linguistik die in den 1970er Jahren von US Amerikanerinnen begrundet wurde und seit 1978 auch in Deutschland beheimatet ist Das Buch wurde ein Langzeit Bestseller und gilt heute als Klassiker der feministischen Linguistik 1 Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 2 Rezeption 3 Ausgaben 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseInhalt BearbeitenDer Band besteht aus linguistischen Aufsatzen und Glossen die die Arbeit von Luise Pusch wahrend der Jahre 1979 bis 1984 dokumentieren Die Aufsatze sollen den Sexismus in der Sprache und die Geschichte und Struktur des Deutschen als Mannergeschichte und Mannerstruktur entlarven 2 und die Sprache des Patriarchats erkennbar machen Erstaunlich ist dabei dass wir Frauen diese unsere vom Maskulinum beherrschte Sprache so lange als unsere eigene anerkannt habe Luise Pusch S 85 Das Ziel der feministischen Sprachkritik ist es gleiche Chancen des Gemeintseins und Identifiziertwerdens fur Frauen und Manner zu erreichen um damit auch mit zur Veranderung der Realitat beizutragen denn Sprache ist nicht nur Ausdruck eines bestimmten Bewusstseins sondern die Sprache pragt auch Bewusstsein und erzeugt Wirklichkeit Das Deutsche als sogenannte Genussprache mit drei Artikeln ist laut Pusch Ausdruck mannlicher Dominanz und zeigt Benachteiligungen im Wortschatz in der Wortbildung und in der Grammatik In den Aufsatzen geht Luise Pusch zunachst der Frage nach wieso weibliche Bezeichnungen fur Manner untragbar sind mannliche Bezeichnungen fur Frauen jedoch nicht Wenn Ute Schulerin ist und Uwe Schuler dann sind Uwe und Ute Schuler nicht Schulerinnen denn Uwe vertragt das Femininum nicht S 11 denn die Feminisierung eines Mannes ist gleichbedeutend mit Deklassierung S 78 Dies hat historische Wurzeln In Genesis 2 schon ist von einem Menschen die Rede dem eine Gehilfin zur Seite gestellt wird und die Mannin genannt wird Aus diesem Grunde konnen wir Alle Menschen werden Bruder und Die Deutschen sind tuchtige Soldaten sagen aber nicht Alle Menschen werden Schwestern oder Die Deutschen sind tuchtige Hausfrauen S 18 Der Mann hat sich seine Welt ihm kongruent gemacht Muselmann Staatsmann Mainzelmannchen Marsmannchen Hampelmann Schneemann Weihnachtsmann etc Frauen scheinen nicht zu existieren Der Kontext liefert den Frauen oft klare Informationen dass sie keineswegs gemeint und auch nicht mitgemeint sind Dies wird mit zahlreichen Beispielen belegt Aus dem 10 Gebot Du sollst nicht begehren deines Nachsten Weib mussen Frauen schliessen dass sie mit dem du nicht gemeint sind und sie folglich als Mitglieder der Spezies Mensch und anderer Gruppen denen sie faktisch angehoren nicht wahrgenommen werden wohl aber als Besitz des Menschen Mannes S 25 Auch die Maskulina man und jedermann rufen uns das Wort Mann ins Gedachtnis S 33 Als besonders grotesk sind Maskulina wie man und jedermann in frauenspezifischen Kontexten wie Stillen Schwangerschaft und Menstruation Wenn man sein Kind stillt Zum Archilexem Oberbegriff wird immer das jeweils Wichtigere Grossere Positivere erhoben Bei den Raubtieren ist dies der jeweils mannliche Part LOWE Lowin oder WOLF Wolfin Bei den Nutztieren wird anscheinend das nutzlichere Geschlecht zum Archilexem HUHN Hahn oder GANS Ganserich Bei Konflikten zwischen grammatischem Genus und naturlichem Sexus Geschlecht werden aus Gewohnheit weiterhin die Frauen nicht angesprochen und explizit benannt Eine Gruppe von Personen ist eine mannliche Gruppe d h es wird auf sie mit dem Maskulinum referiert wenn sie mindestens einen Mann enthalt Eine Gruppe von Personen ist eine nichtmannliche Gruppe d h es wird auf sie mit einer vom Maskulinum abgeleiteten Form sog Femininum referiert wenn sie keinen Mann enthalt Eine Gruppe von zehn Sangerinnen enthalt also zehn Frauen wahrend eine Gruppe von zehn Sangern neun bis null Frauen enthalt Die mannliche Halfte der Menschheit gilt dabei als Norm die andere als Ausnahme oder Abweichung Gabe es nicht die maskulinen Grundformen so gabe es auch nicht die davon abgeleiteten Formen mit dem Feminin Suffix in Das Morphem in bedeutete sogar bis vor nicht allzu langer Zeit die Frau oder Tochter des X wie z B bei Pastorin Hohlenrauch Thomas Mann und symbolisiert die Zuordnung zu bzw Abhangigkeit von einem Mann Diese movierte Form zur Bezeichnung weiblicher Menschen stellt eine Diskriminierung dar und konserviert im Sprachsystem die jahrtausendealte Abhangigkeit der Frau vom Mann die es auch sprachlich zu uberwinden gilt Neben der Bestandsaufnahme und Analyse der deutschen Sprache werden im Buch auch Therapievorschlage erortert die zu einem von Frauen initiierten Sprachwandel fuhren sollen Dazu gehoren sowohl neue Lexeme als auch neue grammatische Regeln und Redeweisen Herstellung eines gerechten symmetrischen Systems indem wir das in Suffix und alle ubrigen femininen Suffixe wie ess Stewardess als Ableitung von der Norm abschaffen Statt die Studentin wurde es dann die Student heissen Hier sind allerdings Frauen nicht mehr sprachlich sichtbar Einfuhrung des Neutrums in den Fallen wo Prajudizierung eines der beiden Geschlechter diskriminierend ware das Professor Die Frauen konnten die weibliche Gruppe als referenzsemantische Grundeinheit setzen und auf Manner mit abgeleiteten Formen referieren wie es im Tierreich den Ganse und Mauserichen geschieht die Pilot der Piloterich die Piloten Splitting Verdoppelung wie in Schulerinnen und Schuler Verwendung des generischen geschlechtsneutralen generischen Femininums der ausschliesslich weiblichen Form wobei Manner mitgemeint sind als okonomische Variante im Vergleich zum Splitting Verwendung des Indefinitpronomens frau anstelle des oder neben dem fruher alleinregierenden man Fast keinem ist mehr bewusst dass man ubrigens genauso wie Mensch aus Mann entstanden ist denn heute referiert dieses man auf Menschen im Allgemeinen genauso wie der Markenname Tempo zum Papiertaschentuch im Allgemeinen wurde Abschaffung diskriminierender Lexeme wie Fraulein Beibehaltung der femininen Personenbezeichnungen und Bildung neuer Komposita mit frau wie in Kauffrau und nicht etwa Kaufmannin das noch in den 60er Jahren in Erwagung gezogen wurde Verwendung substantivierter Adjektive der oder die Abgeordnete Ein weiterer Aufsatz analysiert Empathiephanomene in der Syntax Hier werden Vorfalle im Leben grosser Dichter und Denker in vier verschiedenen Biographien untersucht in denen Frauen in abhangiger Stellung ein Kind von dem jeweiligen beruhmten Mann bekommen Die Biographien zeigen hier keine Einfuhlung in das Schicksal der Frauen Der Grund dafur wird in den Erwartungen der jeweiligen gesellschaftlichen Zielgruppe gesehen in der sich keine sozialen Konventionen entwickelt haben die das eklatante Fehlen von Empathiebekundungen fur Frauen sanktionieren Heute wurden diese Texte von Mannern uber Manner und Frauen von vielen Frauen anders beurteilt werden Ein anderer Beitrag beschaftigt sich mit dem Unterschied zwischen Feminismus und Frauenbewegung Das Wort Feminismus fristete in deutschen Worterbuchern seit dem Erstbeleg 1912 nur ein Kummerdasein und wurde schliesslich von den Nazis ausradiert Es wird heute mit dem in Verbindung gebracht was die Neue Frauenbewegung von der ersten unterscheidet und bezeichnet die Theorie der Frauenbewegung Exemplarische Satze aus dem DUDEN Bedeutungsworterbuch zeigen am Beispiel des Kapitels mit dem Anfangsbuchstaben A dass Manner rund 920 mal erwahnt die Frauen aber insgesamt nur etwa 180 mal genannt werden In Satzen wie Sie betet ihren Mann an und Sie sah zu ihm auf wie zu einem Gott wird entweder das Urbild der deutschen Haus und Ehefrau beschrieben oder in Satzen wie Sie hat sich einen reichen Mann geangelt eine Frau die es nur auf das Geld des Mannes abgesehen hat S 141 Im zweiten Teil des Buches erscheinen Sprachglossen die Luise Pusch seit Februar 1982 fur die feministische Zeitschrift Courage schrieb und die in teils veranderter Form erstmals gesammelt vorliegen Als Reaktion auf die Glosse Die Menstruation ist bei jedem ein bisschen anders anderte der Konzern Johnson amp Johnson den Satz in der Gebrauchsanweisung fur o b Tampons ab in Die Menstruation ist bei jeder Frau ein bisschen anders S 149 Da Frauen jahrtausendelang weitgehend aus dem offentlichen Leben ausgeklammert wurden fehlen manchmal eigenstandige Bezeichnungen fur Frauen im deutschen Wortschatz lexikalische Lucke So gibt es fur eine Frau die denselben Namen tragt wie eine andere nur das Wort Namensvetterin S 152 und es gibt kein Pendant zum Wort herrenlos S 154 Es gibt nur die Damenwahl und die Frauenforschung aber nicht die Herrenwahl obwohl diese laufend stattfindet oder die Herrenforschung Das Selbstverstandliche die Norm wird nicht extra benannt und deshalb gibt es auch die Herrenschokolade und nicht die Damenschokolade S 158 In der Frauenbewegung sind weibliche Wortschopfungen wie Mitgliederinnen Ohneglied Mitklitoris oder Gastin entstanden Andererseits gibt es fur erwachsene weibliche Personen gleich drei Bezeichnungen Frau Dame und Weib fur erwachsene mannliche Personen aber nur zwei Mann und Herr Wahrend Weib veraltet ist und nur noch als Schimpfwort benutzt wird ist es dennoch noch produktiv in der Ableitung weiblich Die Ableitung fur Mann heisst hingegen einfach und logisch mannlich Auch gibt es keine logische Erklarung dafur dass die ausseren Geschlechtsteile der Frau Schamlippen heissen aber die mannlichen nicht zum Beispiel Schamstengel Mit der Heirat ubernimmt die Frau oft selbstverstandlich den Namen des Mannes als ware sie eine Inselgruppe im Sudatlantik und ordnet sich hier dem Besitzanspruch des Mannes unter In der Sprache ist die Reihenfolge das Mittel um die Rangordnung auszudrucken So wird bei beruhmten Paaren der mannliche Part zuerst genannt Adam und Eva oder Hansel und Gretel Eine Kuriositat ist es aber dass bei Maria und Joseph Maria obwohl nur eine Frau immer an erster Stelle steht In einer weiteren Glosse wird erklart dass die grammatischen Geschlechter unserer Sprachen beliebig verteilt sind und nichts mit dem biologischen oder mythologischen Geschlecht zu tun haben So ist die Atombombe weiblich und der Frieden mannlich In einem weiteren Artikel setzt sich Luise Pusch mit dem Sprachgebrauch auseinander Ist das Wort Frauenmannschaft nicht in sich widerspruchlich Warum konnen nur Frauen hubsch sein Rezeption BearbeitenEvelyne Keitel schreibt in ihrer Rezension aus dem Jahre 1985 In Luise Puschs Buch werden Syntax und Semantik des Deutschen systematisch auf ihre Schwachen auf verborgene oder auch auf ganz offensichtliche Sexismen hin abgeklopft Aber nicht etwa trocken akademisch sondern humorvoll ironisch oft auch schneidend sarkastisch 3 Ausgaben BearbeitenDas Deutsche als Mannersprache Aufsatze und Glossen zur feministischen Linguistik Suhrkamp Frankfurt 1984 ISBN 3 518 11217 1 Weblinks BearbeitenDeutsch als Mannersprache Ein Gesprach mit der feministischen Linguistin Luise F Pusch Literaturhaus Zurich 8 April 2022Einzelnachweise Bearbeiten Amend Christoph Jochen Wegner Luise Pusch warum ist Deutsch eine Mannersprache In Zeit online 22 November 2022 abgerufen am 10 Dezember 2022 Das Deutsche als Mannersprache Abgerufen am 10 Dezember 2022 Evelyne Keitel Rezension Luise F Pusch Das Deutsche als Mannersprache In Feministische Studien 4 Jahrgang Mai 1985 Nr 1 Lucius amp Lucius Stuttgart S 176 177 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Das Deutsche als Mannersprache amp oldid 238797213