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Cannabis Beschlussverkundet 9 Marz 1994Sachverhalt Verfassungsbeschwerden sowie konkrete Normenkontrolle mehrerer Falle durch Strafgerichte die bei geringfugigen Cannabis Verstossen Strafen nicht aussprechen wolltenFundstelle BVerfGE 90 145Folgegeschichte bundeseinheitliche Vorgabe fur die Verhaltnismassigkeit bei Verfolgung von Bagatellverstossen und ggf Einstellung von ErmittlungenAussageEin verfassungsmassiges Recht auf Rausch gibt es nicht Soweit die Strafgesetze ein Verhalten mit Strafe bedrohen das ausschliesslich den gelegentlichen Eigenverbrauch geringer Mengen von Cannabisprodukten vorbereitet verstossen sie deshalb nicht gegen das Ubermassverbot weil sie ermoglichen durch das Absehen von Strafe 29 Abs 5 BtMG oder Strafverfolgung 153 ff StPO 31a BtMG einer geringen Schuld Rechnung zu tragen In diesen Fallen ist von der Verfolgung der Straftaten grundsatzlich abzusehen Der Gleichheitssatz gebietet nicht alle potentiell gleich schadlichen Drogen gleichermassen zu verbieten oder zuzulassen In allen Fallen dominiert eine Verwendung des Alkohols die nicht zu Rauschzustanden fuhrt seine berauschende Wirkung ist allgemein bekannt und wird durch soziale Kontrolle uberwiegend vermieden RichterMahrenholz Bockenforde Klein Grasshof Kruis Kirchhof Winter Sommerabweichende Meinungen1 Grasshof2 SommerAngewandtes RechtArt 2 GrundgesetzDer Cannabis Beschluss 1 ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 1994 in sieben Verfahren um die Bestrafung von geringfugigen Verstossen gegen das Verbot von Cannabisprodukten Im Wesentlichen handelte es sich dabei um den verbotenen Besitz dieser Produkte vor dem gelegentlichen Eigenkonsum Juristisch fand dies u a deswegen Beachtung weil sich mehrere Gerichte in Hessen und Schleswig Holstein geweigert hatten die Strafgesetze anzuwenden So war die Praxis in den meisten Bundeslandern wahrend in einzelnen Landern wie Bayern jeder Verstoss ausnahmslos bestraft wurde Nicht nur unter dem Aspekt der Gleichheit war dies problematisch sondern auch unter dogmatischen Gesichtspunkten Die Gerichte legten zur verfassungsrechtlichen Prufung vor ob solche Strafgesetze zulassig sind oder ob nicht vielmehr ein Recht auf Rausch dem Grundgesetz zu entnehmen sei Das Verfassungsgericht bejahte die Vereinbarkeit der zu prufenden Gesetze mit der Verfassung Inhaltsverzeichnis 1 Hintergrund 2 Die Entscheidung 2 1 Abweichende Meinung der Richterin Grasshof 2 2 Abweichende Meinung des Richters Sommer 3 2023 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseHintergrund BearbeitenHervorgehoben hatte sich u a der Fall der vom Landgericht Lubeck vorgelegt wurde Die Angeklagte des Ausgangsverfahrens wurde durch Urteil des Amtsgerichts Lubeck vom 1 Oktober 1990 wegen unerlaubter Abgabe von Haschisch 29 Abs 1 Satz 1 Nr 1 in Verbindung mit 1 Abs 1 Betaubungsmittelgesetz BtMG und dessen Anlage I zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten verurteilt Nach den Feststellungen des Amtsgerichts besuchte sie ihren Ehemann im Gefangnis der sich wegen des Vorwurfs in Untersuchungshaft befand gegen das Betaubungsmittelgesetz verstossen zu haben Bei der Begrussung umarmte die Angeklagte ihren Ehemann und ubergab ihm dabei ein Briefchen mit 1 12 Gramm Haschisch Sie wendete sich gegen dieses Urteil mit dem Rechtsmittel der Berufung unter Beschrankung auf das Strafmass Die Berufungsstrafkammer des Landgerichts Lubeck unter dem Vorsitz des spateren Bundesrichters Wolfgang Neskovic sah sich an einer Bestrafung der Angeklagten gehindert und war der Uberzeugung dass die einschlagigen Strafvorschriften des Betaubungsmittelgesetzes verfassungswidrig seien Sie hatte das Verfahren ausgesetzt und die Sache dem Bundesverfassungsgericht gemass Art 100 Abs 1 GG zur Prufung vorgelegt ob 29 Abs 1 Satz 1 Nr 1 BtMG Handlungsalternative Abgabe in Verbindung mit 1 Abs 1 BtMG und dessen Anlage I Haschisch mit dem Grundgesetz vereinbar seien Die Kammer gelangte zu dieser Uberzeugung nach umfangreicher Auswertung fachmedizinischer Literatur und Anhorung von Sachverstandigen Die Vorlage der Strafkammer stutzte sich dabei im Wesentlichen auf drei Argumente Die Aufnahme der Cannabisprodukte in die Anlage I zu 1 Abs 1 BtMG verstosse gegen den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG weil dort Alkohol und Nikotin nicht aufgefuhrt seien Die Strafbarkeit der Abgabe von Cannabisprodukten die dem Eigenkonsum dienen sei auch unvereinbar mit Art 2 Abs 1 GG dem Recht auf die freie Entfaltung der Personlichkeit Ein Verstoss gegen Art 2 Abs 2 Satz 1 GG Recht auf korperliche Unversehrtheit liege vor weil der Burger der sich in Ausubung seines grundrechtlich geschutzten Rechts auf Rausch berauschen wolle durch das strafrechtliche Verbot Cannabisprodukte zum Eigenverbrauch zu erwerben oder zu erlangen in die gesundheitsschadlichere Alternative namlich den nicht strafbaren Alkoholkonsum gezwungen werde Es sei mit dem Recht auf korperliche Unversehrtheit nicht zu vereinbaren dass der Gesetzgeber dem Rauschwilligen bei Strafandrohung untersage das fur seine Gesundheit erheblich weniger schadliche Rauschmittel zu nehmen Daraufhin reichten auch das Landgericht Hildesheim das Landgericht Frankfurt am Main und das Amtsgericht Stuttgart Vorlagen nach Art 100 Abs 1 GG ein weil sie sich aus Zweifeln an der Verfassungsmassigkeit der relevanten BtMG Vorschriften an der Fortfuhrung von Strafverfahren fur Cannabisbesitz und abgabe gehindert sahen Die Entscheidung BearbeitenNach dem Beschluss des Zweiten Senats gelten fur den Umgang mit Drogen die Schranken des Art 2 Abs 1 GG Ein Recht auf Rausch das diesen Beschrankungen entzogen ware gibt es nicht 2 Das Verfassungsgericht bejaht die Vereinbarkeit der zu prufenden Gesetze mit der Verfassung Massgeblich ist nicht ein aus dem Grundgesetz ableitbares Recht auf Rausch auch nicht das Erfordernis wirksamgleiche oder starkere Substanzen wie Alkohole und Nikotin gleichzustellen sondern in grosserem Masse das Rechtsstaatsprinzip und der Verhaltnismassigkeitsgrundsatz Ob Straf und Verbotsgesetze verhaltnismassig sind erfolgt in einer dreistufigen Prufung hinsichtlich Geeignetheit Erforderlichkeit Angemessenheit Dies ist bei dem gepruften Betaubungsmittelgesetz letztlich zu bejahen Fur geringfugige Verstosse kommt demnach aber nur eine geringe Strafe oder gar keine Strafe in Frage im Regelfall haben staatliche Organe von einer Verfolgung von vornherein abzusehen Solche Moglichkeiten stellt das Betaubungsmittelgesetz aber auch zur Verfugung Dies hat unter den Bundeslandern einheitlich und gleich zu erfolgen Abweichende Meinung der Richterin Grasshof Bearbeiten Die Richterin Grasshof tragt die Entscheidung im Ergebnis mit nicht jedoch in vollem Umfang die Begrundung Sie stellt andere verfassungsrechtliche Anforderungen an ein abstraktes Gefahrdungsdelikt auf Die Prufung des Betaubungsmittelgesetzes hinsichtlich der Verhaltnismassigkeit habe auf zwei Ebenen zu erfolgen Zunachst sei zu fragen ob in dem Tatbestand zum Schutz des jeweiligen Rechtsguts Strafe angedroht werden kann Zweckrelation Mit anderen Worten wer oder was geschutzt werde wenn jemand wegen harmlosen Rauschs bestraft wird Dann habe die allgemeine dreistufige Verhaltnismassigkeitsprufung zu erfolgen Jedoch kann Richterin Grasshof hinsichtlich der Geeignetheit der Senatsmehrheit nicht zustimmen sondern sieht hierin ein prufungstechnisches Manko Abweichende Meinung des Richters Sommer Bearbeiten Richter Sommer tragt den Entscheidungstenor in Punkt 2 nicht mit und auch zum Teil die Begrundung nicht Das Betaubungsmittelgesetz genugt nicht den Anforderungen des Verhaltnismassigkeitsprinzips Es ist qualitativ und graduell zu weit gefasst Dieser Mangel wird nicht geheilt durch einzelfallbezogene Moglichkeiten dahingehend von Strafe abzusehen oder eine als strafbar definierte Tat nicht zu verfolgen selbst dann nicht wenn diese Moglichkeiten in einer Vielzahl von Fallen regelmassig als Gebot der Nichtbestrafung verfolgung auszulegen sind 2023 BearbeitenMit Beschluss vom 14 Juni 2023 verwarf das Bundesverfassungsgericht mehrere neue Richtervorlagen zu den Vorschriften des Betaubungsmittelgesetzes als unzulassig Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts fehlte es an einer substantiierten Darlegung rechtserheblicher Anderungen der Sach und Rechtslage welche geeignet gewesen waren eine erneute verfassungsgerichtliche Prufung der mit Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 9 Marz 1994 entschiedenen Vorlagefragen zu veranlassen 3 Literatur BearbeitenRonald Rippchen Das Haschisch Urteil RK 03 des BVG komplett mit Zugaben plus neue Materialien zur Hanf Diskussion Verlag Werner Pieper s Medienxperimente 1994 vergriffen antiquarisch erhaltlich ISBN 978 3 930442 03 4 Weblinks BearbeitenKriminologische Zentralstelle Wiesbaden e V Rechtsgleichheit und Rechtswirklichkeit bei der Strafverfolgung von Drogenkonsumenten 1997 Bundesland Vergleich der Richtlinien zur Anwendung des 31a BtMG Seite im Internetauftritt des Deutschen Hanfverbands DHV N TV Meldung 10 Jahre Haschisch Urteil Recht auf Rausch mit Kommentar des BtM Juraprofessors Korner Wolfgang Janisch dpa 20 Jahre Cannabisbeschluss 20 Jahre Entkriminalisierung Sonderausstellung des Hanf Museum in Berlin mit Stimmen Beteiligter und Betroffener zur Situation 9 Marz 2014Einzelnachweise Bearbeiten Auch als Haschisch Entscheidung bezeichnet vgl Drucksache 17 6620 PDF 79 kB des Deutschen Bundestages Allerdings abzugrenzen von den Entscheidungen 1 BvR 2062 96 1 BvR 2428 95 BVerfGE 90 145 Bundesverfassungsgericht Presse Unzulassige Richtervorlagen zum strafbewehrten Cannabisverbot Abgerufen am 26 Juli 2023 Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Cannabis Beschluss amp oldid 236225280