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Brinkmanship englisch fur Spiel mit dem Feuer oder Politik am Rande des Abgrunds oder Brinksmanship bevorzugte amerikanische Schreibweise 1 bezeichnet die strategische Drohung in der Politik oder im Spiel bis zum Aussersten zu gehen Die Bezeichnung ist abgeleitet vom englischen Wort brink Rand eines Abgrunds Gemeint ist die Fahigkeit bis zur Ultima Ratio zu gehen um den Gegenspieler zum Nachgeben zu bewegen also sinnbildlich mit dem Gegenspieler zusammen bis zum Rand eines Abgrunds zu gehen wodurch der Gegenspieler aus Angst vor dem gemeinsamen Absturz zum Nachgeben gebracht werden soll Inhaltsverzeichnis 1 Ursprung 2 Charakteristik 3 Spieltheoretische Darstellung 4 Grundsatze der Anwendung 5 Gefahr 6 Beispiele 7 Siehe auch 8 Einzelnachweise 9 LiteraturUrsprung BearbeitenDer Ausdruck Brinkmanship ist zur Zeit des Kalten Krieges zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion entstanden Er geht zuruck auf John Foster Dulles den US Aussenminister unter Prasident Dwight D Eisenhower Eisenhower und Dulles wollten die Expansion des kommunistischen Blocks stoppen ohne weiterhin US Bodentruppen in Kriege in Asien zu verwickeln da sie der Ansicht waren dadurch werde die US Wirtschaft auf Dauer uberstrapaziert Infolgedessen setzten sie darauf durch die Androhung des Einsatzes strategischer Nuklearwaffen die kommunistischen Regime von weiteren bewaffneten Expansionsvorhaben abzubringen Die Strategie scheiterte in Asien grosstenteils da die Volksrepublik China und die Sowjetunion die US amerikanischen Drohungen wegen eines asiatischen Landes einen Atomkrieg zu riskieren nicht ernst nahmen 2 Dulles erklarte die Abschreckungspolitik der USA zur Erhaltung des Friedens in einem Artikel des Life Magazine vom 16 Januar 1956 3 mit den Worten The ability to get to the verge without getting into the war is the necessary art if you are scared to go to the brink you are lost 4 Das Zitat lautet ubersetzt Die Fahigkeit bis an den Rand eines Krieges zu gehen ohne in einen Krieg zu geraten ist eine notwendige Kunst wenn man Angst davor hat bis an den Rand des Abgrunds zu gehen ist man verloren In der Folge wurde der Ausdruck brinkmanship als Synonym fur diese Art von Strategie etabliert Vor allem Thomas Schelling pragte durch sein 1960 erschienenes Buch The Strategy of Conflict die Idee der Brinkmanship umfassend Charakteristik BearbeitenIn der Spieltheorie gehort die Brinkmanship zur Kategorie strategischer Zug und darin wiederum zur Unterkategorie Drohung Brinkmanship ist die Bezeichnung fur die Strategie und fur das Spiel als solches 5 Brinkmanship ist die Strategie der Drohung des Spielers mit dem Risiko nicht mit der Sicherheit eines fur beide Seiten schlechten und unerwunschten Ergebnisses Desaster wenn der Gegenspieler dem Verlangen des drohenden Spielers auf Ruckzug nicht nachkommt probabilistische Drohung 6 Die Brinkmanship bedeutet die absichtliche Erschaffung eines Risikos das nicht vollstandig kontrolliert werden kann 7 In der Ausubung ist die Brinkmanship die schrittweise Steigerung des Risikos eines beiderseitigen Unglucks uber den gesamten Zeitablauf 8 Spieltheoretische Darstellung BearbeitenZu einem Brinkmanship Spiel gehoren zwei Spieler Beide Spieler haben die Wahl zwischen den Strategien Brinkmanship und Nachgeben Ein Brinkmanship Spiel kann grundsatzlich uber mehrere Runden gespielt werden Das Ende des Spiels ist erreicht wenn das Desaster tatsachlich eingetreten ist oder ein Spieler den Ruckzug angetreten hat Die Auszahlungen der Spieler in Nutzeneinheiten konnen fur das Ende eines Brinkmanship Spiels beispielsweise durch folgende Auszahlungsmatrix dargestellt werden Spieler BOptionen Nachgeben BrinkmanshipSpieler A Nachgeben 5 5 10 20Brinkmanship 20 10 100 100 Das Desaster ist eingetreten In diesem Beispiel betragen die Kosten des Desasters 100 die Kosten des Verlierens 10 und der Nutzen des Gewinnens 10 Wenn in einer Runde kein Spieler nachgibt kann das Desaster Auszahlung 100 100 mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eintreten Der Zeitpunkt des Eintritts des Desasters ist unbekannt und zufallig Geben beide Spieler nach endet das Spiel unentschieden Auszahlung 5 5 Gibt nur ein Spieler nach so ist dieser der Verlierer des Spiels und der Gegenspieler ist der Gewinner Auszahlung 10 20 oder 20 10 wobei der Gewinn hoher ist als wenn er nachgegeben hatte Das Brinkmanship Spiel gleicht hinsichtlich der moglichen Auszahlungen prinzipiell dem Feiglingsspiel engl Chicken Game Dabei ist das Brinkmanship Spiel ein Feiglingsspiel in Echtzeit da die Spieler ihre Ruckzugs Entscheidung unter dem Zeitdruck des zunehmend wahrscheinlicher werdenden Desasters zu treffen haben 8 Die Entscheidung zwischen Brinkmanship und Nachgeben treffen die Spieler auf Basis ihrer erwarteten Auszahlungen Ein Spieler wird die Brinkmanship anwenden sobald dieser aus der Brinkmanship einen hoheren Nutzen als aus dem Nachgeben erwartet Spiegelbildlich kann die Brinkmanship des einen Spielers nur erfolgreich sein wenn der andere Spieler aus der Brinkmanship hohere Kosten als aus dem Nachgeben erwartet Das Problem besteht darin dass die erwarteten Auszahlungen aus der Strategie Brinkmanship bei einer probabilistischen Drohung immer von der Wahrscheinlichkeit des Desasters abhangig sind Damit ist die Abwagung zwischen Brinkmanship und Nachgeben fur die Spieler erst moglich wenn die Wahrscheinlichkeit eines Desasters zuvor bestimmt worden ist Bei der probabilistischen Drohung wird die Wahrscheinlichkeit eines Desasters q bestimmt durch eine Untergrenze ab diesem q ist die Drohung erfolgreich und eine Obergrenze bis zu diesem q ist die Drohung tolerierbar 9 Wegen unvollstandiger Informationen uber den Gegenspieler ist zwingend eine Schatzung der Einflussgrossen von q erforderlich Bei der Berechnung der Untergrenze sind die Auszahlungen des Gegenspielers zu schatzen und bei der Berechnung der Obergrenze ist die Wahrscheinlichkeit dass der Gegenspieler ein Hardliner ist und infolgedessen niemals nachgeben wird zu schatzen 10 Die erwarteten Auszahlungen der Spieler werden durch den Charakter der Spieler niedrige oder hohe Risikobereitschaft bestimmt und je mehr Runden ein Gegenspieler nicht nachgibt desto grosser wird die Wahrscheinlichkeit dass dieser ein Hardliner ist 11 Grundsatze der Anwendung BearbeitenBrinkmanship ist eine riskante Strategie weil sie im Desaster fur alle Beteiligten enden kann Wegen des Risikos eines Fehlers einer erfolglos bleibenden Drohung oder eines Missverstandnisses muss der Brinkmanship Spieler die Drohung mit dem Desaster immer auf das absolut notwendige Minimum reduzieren 12 Bei einer Drohung wird der Eintritt des Desasters dem Gegenspieler nicht mit Sicherheit angekundigt Diese Drohung hatte keine Glaubwurdigkeit weil deren tatsachliche Umsetzung wegen der drastischen Konsequenzen fur den drohenden Spieler sehr unwahrscheinlich ist Die Brinkmanship erfordert dass kleine Schritte gemacht werden das Spiel beginnt mit der abgeschwachten Drohung eines kleinen Risikos und diese wird im Zeitablauf schrittweise verstarkt 13 Der Brinkmanship Spieler lasst die Situation mit Absicht teilweise ausser Kontrolle geraten um dadurch einen fur den Gegenspieler unertraglichen Zustand auszulosen 7 Dazu ist ein kontrolliertes Abtreten der Kontrolle erforderlich ohne Kontrolle uber das Ergebnis wird die Drohung glaubwurdig aber gleichzeitig muss immer noch genugend Kontrolle behalten werden damit das Risiko fur das Desaster niemals zu gross wird 14 Gefahr BearbeitenDie Gefahr von Brinkmanship besteht in der kontinuierlichen Steigerung des Risikos eines beiderseitigen Schadens wodurch die Spieler ihre maximale Toleranzgrenze fur dieses Risiko im Zeitablauf ungewollt uberschreiten konnen und in der Folge der beiderseitige Schaden eintritt 8 Bei den Zugen und Gegenzugen der Spieler ist die Grenze zwischen Sicherheit und Gefahr in der Realitat keine exakt bestimmbare Linie sondern vergleichbar mit einem glatten Abhang der nach unten immer steiler wird 15 Je langer die Strategie der Drohung mit dem Risiko eines Desasters beibehalten wird umso mehr steigt die Gefahr dass die Angelegenheit tatsachlich ausser Kontrolle gerat und der beiderseitige Schaden tatsachlich eintritt Beispiele Bearbeiten nbsp Brinkmanship am Beispiel der KubakriseDie Kubakrise im Oktober 1962 ist ein Beispiel fur die Anwendung der Brinkmanship Strategie Als Reaktion auf die Stationierung amerikanischer Atomraketen in der Turkei beginnt die Sowjetunion Regierungschef Chruschtschow Atomwaffen auf Kuba zu stationieren Das will die Regierung der USA Prasident Kennedy unbedingt verhindern Dazu verhangt Kennedy eine Seeblockade gegen Kuba Zur Losung des Konflikts wenden die USA die Brinkmanship an Kennedy droht Chruschtschow mit dem Risiko eines Atomkriegs wenn die Sowjetunion ihre Atomwaffen nicht aus Kuba zuruckzieht 16 Im Hintergrund wurde tatsachlich aber bereits der Abzug amerikanischer Raketen aus der Turkei gegen den Abzug der russischen Raketen aus Kuba vereinbart Im spieltheoretischen Modell ist das angedrohte Desaster der Atomkrieg Die erste Runde des Spiels wird bestimmt durch die verhangte Seeblockade Wenn Chruschtschow die Atomwaffen daraufhin nicht aus Kuba zuruckzieht geht das Spiel in die nachste Runde Dann musste Kennedy seine Drohung steigern Die Situation wurde mehr und mehr ausser Kontrolle geraten und das Risiko des Atomkriegs wurde steigen Letztlich endete dieses Spiel nach der ersten Runde mit dem Nachgeben Chruschtschows und dem Ruckzug der Atomwaffen aus Kuba weil Chruschtschow keine weitere Eskalation der Situation riskieren wollte Auch das Verhalten der Mittelmachte wahrend der Julikrise 1914 wird heute entsprechend eingeschatzt Die fur notwendig befundene Verbesserung der eigenen Position sollte mit Hilfe einer Politik der begrenzten Offensive unter Inkaufnahme eines kalkulierten Risikos durchgesetzt werden Tatsachlich bringen die Begriffe begrenzte Offensive und kalkuliertes Risiko das Unverantwortliche und Abgrundige der deutschen Position nicht vollstandig zum Ausdruck Dagegen beschreibt der von jungeren Historikern verwendete Begriff Brinkmanship eine waghalsige Politik des unkalkulierten Risikos des Wandelns am Rande des Abgrunds 17 Siehe auch BearbeitenGleichgewicht des SchreckensEinzelnachweise Bearbeiten brinkmanship LEO Ubersetzung im Englisch Deutsch Worterbuch Abgerufen am 11 Marz 2023 John Spanier American Foreign Policy Since World War II 2 Auflage New York 1966 S 103 110 Dulles Formulated and Conducted U S Foreign Policy for More Than Six Years In The New York Times 25 Mai 1959 abgerufen am 27 Januar 2016 Uproar Over a Brink In Time Magazine 23 Januar 1956 abgerufen am 27 Januar 2016 Avinash K Dixit Susan Skeath Games of Strategy 2 Auflage New York 2004 S 12 Avinash K Dixit Susan Skeath Games of Strategy 2 Auflage New York 2004 S 487 631 a b Thomas Schelling The Strategy of Conflict Cambridge 1980 S 200 a b c Avinash K Dixit Susan Skeath Games of Strategy 2 Auflage New York 2004 S 493 Avinash K Dixit Susan Skeath Games of Strategy 2 Auflage New York 2004 S 489 f Avinash K Dixit Susan Skeath Games of Strategy 2 Auflage New York 2004 S 489 f 492 Barry O Neill Honors Symbols and War New York 2001 S 69 f Avinash K Dixit Susan Skeath Games of Strategy 2 Auflage New York 2004 S 472 Avinash K Dixit Barry J Nalebuff Thinking Strategically New York 1991 S 209 f Avinash K Dixit Susan Skeath Games of Strategy 2 Auflage New York 2004 S 488 Avinash K Dixit Barry J Nalebuff Thinking Strategically New York 1991 S 206 f Avinash K Dixit Susan Skeath Games of Strategy 2 Auflage New York 2004 S 479 Jurgen Angelow Der Weg in die Urkatastrophe Der Zerfall des alten Europa 1900 1914 be bra Berlin 2010 ISBN 978 3 89809 402 3 S 27 Literatur BearbeitenAvinash K Dixit Barry J Nalebuff Thinking Strategically W W Norton amp Company New York NY 1991 ISBN 0 393 31035 3 Avinash K Dixit Susan Skeath Games of Strategy 2 Auflage W W Norton amp Company New York NY 2004 ISBN 0 393 92499 8 Barry O Neill Honors Symbols and War University of Michigan Press Ann Arbor MI 2001 ISBN 0 472 08786 X Thomas Schelling The Strategy of Conflict Harvard University Press Cambridge MA 1980 ISBN 0 674 84031 3 nbsp Dieser Artikel wurde am 20 Januar 2009 in dieser Version in die Liste der lesenswerten Artikel aufgenommen Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Brinkmanship amp oldid 232492526