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Die Boccanera Platten sind etruskische Artefakte aus dem 6 Jahrhundert v Chr und befinden sich heute im Britischen Museum in London Die funf bemalten Terrakotta Tafeln stammen aus einem etruskischen Kammergrab Die etruskischen Boccanera Platten Inhaltsverzeichnis 1 Entdeckung 2 Beschreibung 3 Deutung 4 Hintergrund 5 Literatur 6 WeblinksEntdeckung BearbeitenDie Boccanera Platten wurden 1874 in einem kleinen Grab in der Banditaccia Nekropole von Cerveteri gefunden Sie sind benannt nach ihren Entdeckern den Brudern Boccanera Die Fundstatte wird heute als Boccanera Grab bezeichnet Die drei zentralen Tafeln waren an der Ruckwand des Kammergrabes angebracht die beiden Sphinxe flankierten die Innenseiten eines Durchgangs Die Tafeln gelangten anschliessend in den Besitz von Wolfgang Helbig einem deutschen klassischen Archaologen der sie 1889 an das Britische Museum verkaufte wo sie unter der Nummer 1889 0410 1 5 registriert sind Beschreibung BearbeitenDie Boccanera Platten sind aus Terrakotta gefertigt einer unglasierten Tonware aus Tonmineralen Sie wurden nach dem Brennen glatt poliert und anschliessend bemalt Die Tafeln besitzen nicht ganz einheitliche Masse Ihre Hohe schwankt zwischen 98 und 102 cm und ihre Breite variiert zwischen 56 und 57 cm Die Tafeln stammen aus der archaischen Epoche der etruskischen Kunst Sie werden auf 560 bis 550 v Chr datiert nbsp Boccanera Platten mit FigurenfriesDie drei mittleren Tafeln sind jeweils in drei Felder eingeteilt Im unteren Feld wechseln sich senkrechte karminrote und cremefarbene Streifen ab Die mittleren Felder zeigen insgesamt zwei Manner und sieben Frauenfiguren die in zwei Personengruppen angeordnet sind Das obere schmale Feld besteht aus einem Guilloche Muster das auch bei der Bearbeitung von Metallen Verwendung fand Die drei Felder sind jeweils durch drei dunne waagrechte Streifen mit der Farbfolge rot weiss rot voneinander getrennt Auf den beiden seitlichen Tafeln ist jeweils eine Sphinx in Form eines geflugelten Lowen mit dem Kopf einer Frau und einem Schlangenschwanz abgebildet nbsp Boccanera Platte mit SphinxIm linken Abschnitt des Figurenfelds bewegt sich von rechts eine von einem Mann angefuhrte Frauengruppe auf eine zweite mannliche Person zu so dass die beiden Manner einander zugewandt sind Der linke Mann ist mit einem kurzen Chiton bekleidet der rechte Mann mit einem Dreiviertel Chiton der ihm uber die Knie reicht Dazu tragen die Manner jeweils einen Umhang und eine Kopfbedeckung Der Mann links halt einen Pflanzenzweig in der Hand der Mann rechts einen Stab der oben mit der Darstellung eines Miniaturstiers abschliesst Die erste Frau von links tragt einen langen roten Chiton mit breiten Nahten und Armeln der offenbar aus dicker Wolle gewebt ist In Handen halt sie einen Speer und einen Kranz auf dem Kopf tragt sie einen Stirnreif Die mittlere Frau ist mit einem etwas kurzeren weissen Chiton bekleidet der aus feinerem Material gewebt ist Daruber tragt sie eine dickere Uberbekleidung mit Armeln Die dritte Frau hat ihre Beine anscheinend unbedeckt nur ihr Oberkorper ist mit einer festeren Kleidung mit Armeln bedeckt Beide Frauen tragen Granatapfel Zweige in der rechten Hand uber ihren linken Unterarm liegt jeweils ein Umhang oder Mantel Alle drei Frauen tragen an ihren Fussen Calcei repandi spitze knochelhohe geschlossene Stiefel Die Haare aller drei Frauen lassen die Ohren unbedeckt und sind bemerkenswert lang Im rechten Abschnitt des Figurenfelds sieht man vier nach rechts gewandte Frauen Die erste von rechts ist tragt wieder einen langen roten Chiton mit breiten Nahten und Armeln und scheint sich ihren Gurtel zurechtzurucken Ihr folgen zwei Frauen die jeweils einen langen feinen Chiton tragen zusammen mit einem Umhang den sie mit der linken Hand am Saum festhalten und der ihren Kopf bedeckt In ihrer rechten Hand halten sie jeweils ein Alabastron zur Aufbewahrung von Olen Salben kostbaren Duftstoffen und aromatischen Essenzen Die letzte Frau der Gruppe ist mit einem kurzeren Chiton bekleidet und tragt mit beiden Handen eine Pyxis einen Behalter zur Aufbewahrung von Schmuck und Kosmetika Hier hat nur die Frau ganz rechts auffallend lange und dazu gewellte Haare Deutung BearbeitenZunachst war unklar und umstritten welche Ereignisse durch die beiden Personengruppen dargestellt werden sollten Man vermutete dass die beiden Manner auf der linken Seite Priester charakterisieren vielleicht einen Haruspex der Blitze deutete und aus den Eingeweiden von Opfertieren weissagte und einen Augur der den Flug und die Laute der Vogel und anderer Tiere deutete Die weibliche Figurengruppe wurde als Trauerzug aus dem Totenkult oder als Szene der Verehrung einer Gottin interpretiert die der Prozession voranschreitet Heute geht man davon aus dass in der linken Szene das Urteil des Paris dargestellt wird Hermes der anhand seiner typischen Kopfbedeckung dem Petasos identifiziert werden kann fuhrt nacheinander von links nach rechts die drei konkurrierenden Gottinnen Athene Hera und Aphrodite zu Paris der nun seine Wahl treffen soll Die Etrusker ubernahmen haufig Szenen aus der griechischen Mythologie und identifizierten ihre Gottheiten mit Figuren aus dem griechischen Pantheon Turms wurde mit Hermes gleichgesetzt Menrva mit Athene Uni mit Hera und die etruskische Liebesgottin Turan mit Aphrodite Menrva bzw Athene glaubt man insbesondere an ihrem Speer als Attribut einer Kriegsgottheit erkennen zu konnen Der Kranz den sie in einer Hand halt konnte als Symbol des Sieges im Kampf gedeutet werden Der Granatapfelzweig verweist als Symbol der Fruchtbarkeit auf einen besonderen Aspekt der Gottin Uni Die korperliche Attraktivitat der dritten weiblichen Figur die mit ausladenden Brusten und entblossten Beinen betont wird konnte auf Turan bzw Aphrodite die Gewinnerin des Wettstreits hindeuten nbsp Das Urteil des Paris nbsp Die Toilette der HelenaParis wurde mit seinem zweiten Namen Alexandros als Alcsentre oder auch Elchsntre in die etruskische Mythologie ubernommen Er tragt eine einfache bauerliche Kopfbedeckung aus Leder Filz oder Wolle die als Pilleus bezeichnet wird und ihn vielleicht als Schafer charakterisieren soll Paris wahlte Aphrodite da sie ihm die schonste Frau der Welt versprochen hatte und dies war Helena die Ehefrau von Menelaos dem Prinzen von Mykene und spateren Konig von Sparta Die einvernehmliche Entfuhrung der Helena durch Paris loste den Trojanischen Krieg aus Insofern durfte die Szene auf der rechten Seite nach herrschender Meinung die Toilette der Helena darstellen also den Vorgang des Schminkens Frisierens und Ankleidens Nach dieser Deutung steht Helena ganz rechts und lasst sich von ihren Dienerinnen Gefasse mit Schmuck und kostbaren Essenzen reichen Der Name der Helena fand als Elinei Einzug in die etruskische Sprache Hintergrund BearbeitenUngewohnlich an den Boccanera Platten sind zwei Gesichtspunkte In etruskischen Grabern findet man selten Szenen die Episoden aus der griechischen Mythologie darstellen Ferner wurden die meisten etruskischen Grabmalereien direkt auf die verputzten Grabwande gemalt Insofern ist denkbar dass die Tafeln vorher in einem offentlichen oder privaten Gebaude ausgestellt waren Man geht heute davon aus dass zu dieser Zeit auch Tempel und private Raumlichkeiten mit solchen Tafeln ausgekleidet waren Die Streifenmuster unten und das dekorative Geflecht oben auf den Boccanera Platten konnten Strukturen von Stoffen nachahmen oder dekorative Malereien aus Wohnraumen wiedergeben Die Darstellung von Sphinxen die die Etrusker von den Griechen ubernommen hatten stammt aus der orientalisierenden Periode und findet sich haufig in der Grab und Vasenmalerei Sphinxe verkorperten die Universalitat und Unvermeidbarkeit des Todes und galten als Wachter des Grabes Zu den wenigen erhalten gebliebenen Terrakotta Tafeln dieser Art zahlen auch die Campana Platten Die Boccanera Platten liefern auch einen Einblick in die Bekleidungskultur der Etrusker deren Wandel man anhand von Skulpturen und Malereien uber die Jahrhunderte nachvollziehen kann Im 7 Jahrhundert v Chr trugen die Manner in Etrurien einen Lendenschurz Perizoma Im fruhen 6 Jahrhundert v Chr kam der kurze Chiton aus Griechenland in Mode man erganzte ihn aber bald durch einen kurzen Mantel oder Umhang In der Mitte des 6 Jahrhunderts v Chr wurde der Dreiviertel Chiton mit Umhang ublich Schliesslich war am Ende des 6 Jahrhunderts v Chr der kurze Chiton ohne Oberbekleidung das Kennzeichen von Sklaven Die Boccanera Platten veranschaulichen die Bekleidungsmode Mitte des 6 Jahrhunderts v Chr Alcsentre Paris tragt einen sehr kurzen Chiton mit einem um eine Schulter und den Oberkorper gewickelten Umhang Turms Hermes dagegen ist mit einem Dreiviertel Chiton gekleidet Er tragt dazu einen langeren Umhang der wahrscheinlich mit Hilfe einer Offnung uber den Kopf gezogen wird Eine Kopfbedeckung scheint zumindest in der Aristokratie ublich gewesen zu sein nbsp Alcsentre Paris nbsp Turms Hermes nbsp Menrva Athene nbsp Uni Hera In der Damenmode war zu Beginn des 6 Jahrhunderts v Chr der lange dorische Chiton vorherrschend der aus dicker Wolle genaht wurde und meist kurze Armel besass Eine Oberbekleidung uber den dorischen Chiton war nicht ublich Mitte des 6 Jahrhunderts v Chr kam der feinere und kurzere ionische Chiton in Mode der aus Wolle oder auch Leinen gefertigt wurde Daruber trug man einen Mantel oder Umhang Auf den Boccanera Platten sind beide Chiton Varianten dargestellt Menrva Athene und Elinei Helena tragen einen dorischen Chiton ohne Oberbekleidung Uni Hera ist mit einem kurzeren ionischen Chiton bekleidet uber dem sie ein Oberteil aus festerer Wolle mit Armeln tragt Ihr weisser Chiton ist so fein genaht dass man Stiefel und Beine durchschimmern sieht Eine der Dienerinnen tragt ebenfalls einen kurzen durchsichtigen ionischen Chiton der aber einfacher gearbeitet scheint und keine Bordure besitzt Die beiden anderen Dienerinnen sind jeweils mit einem langen ionischen Chiton bekleidet Literatur BearbeitenGiuliano Bonfante Larissa Bonfante The Etruscan Language An Introduction Manchester University Press Manchester 1983 Neuauflage 2002 ISBN 9780719055409 S 193 197 201 208 und 209 Larissa Bonfante Hrsg Etruscan Life and Afterlife A Handbook of Etruscan Studies Wayne State University Press Detroit 1986 ISBN 0814318134 S 156 157 Larissa Bonfante Etruscan Dress Johns Hopkins University Press Baltimore 2003 ISBN 0801874130 S 34 37 und 68 69 Sybille Haynes Etruscan Civilization A Cultural History Getty Publications Los Angeles 2000 ISBN 9780892366002 S 217 219 Stephan Steingraber Abundance of Life Etruscan Wall Painting Getty Publications Los Angeles 2006 ISBN 9780892368655 S 44 123 124 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Boccanera Platten Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Tomb painting The British Museum abgerufen am 26 August 2020 Painted Plaques Google Arts amp Culture abgerufen am 26 August 2020 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Boccanera Platten amp oldid 225356883