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Die Bartsteuer war in historischer Zeit eine bei Barttragern erhobene staatliche Lenkungsabgabe Am bekanntesten ist die auf Veranlassung des Zaren Peter I in Russland erhobene Abgabe fur vorwiegend Altglaubige die entgegen des Zaren Willen ihren Bart behalten wollten Doch gab es auch andernorts Entscheidungen Einfluss auf das Tragen von Barten uber dessen Besteuerung zu nehmen oder es zur Losung von Finanzproblemen heranzuziehen Karikatur auf die Reform Peters des Grossen Einem altglaubigen Russen wird der Bart abgeschnitten Holzschnitt fur ein Flugblatt Ende 17 JahrhundertInhaltsverzeichnis 1 Russland 1 1 Zeitumstande 1 2 Einfuhrung und Abgabenerhebung 1 3 Die Altglaubigen im Zwiespalt 1 4 Lenkungszweck 2 Weitere Bartsteuer Erhebungen 2 1 China 2 2 Frankreich 2 3 Lykien 3 Siehe auch 4 EinzelnachweiseRussland BearbeitenZeitumstande Bearbeiten Zar Peter I hatte den Eindruck dass im Russland seiner Zeit zu sehr an althergebrachten Traditionen festgehalten werde und das Land auf manchen Gebieten einer Modernisierung bedurfe In seiner Meinung bestarkten ihn Eindrucke die er auf seiner Reise ins westliche Europa gewonnen hatte Unter anderem waren wallende Vollbarte in den von ihm besuchten Landern eher selten zu sehen und auch die Kleidung der bereisten Lander erschien ihm funktionaler als die Gewander seiner Untertanen Er nahm sich daher vor Verschiedenes in seinem Reich zu andern Als er von dieser Reise heimgekehrt war wurde am 26 Augustjul 5 September 1698greg 1 im Schloss von Preobraschenskoje zu jener Zeit der Zarensitz vor Moskau ein Empfang gegeben zu dem viele Wurdentrager erschienen Peter der Grosse erschien die Gelegenheit gunstig gleich ein Zeichen fur neu anbrechende Zeiten zu setzen Er liess sich Barbierzeug geben und schnitt eigenhandig die langen Barte seiner Besucher ab Nur drei Personen entgingen ihrem Bartverlust Sein fruherer Vormund Tichon Stresnev 1644 1719 der russisch orthodoxe Patriarch Adrian I und der schon sehr alte Furst Cerkasskij Einige Tage danach gab der Zar seinem Hofnarren den Auftrag die Prozedur des Bartabschneidens bei Hofe fortzusetzen 2 An der Tafel des Zaren war nunmehr stets ein des Barbierens kundiger Bediensteter eingesetzt der jedem erscheinenden Barttrager noch wahrend der Dauer des Mahls die Haare stutzte 3 Damit nicht genug gab Peter am 5 September 1698 einen Ukas heraus 4 der Manner ausgenommen Geistliche und tendenziell Bauern 5 anhielt sich ihren Vollbart abzurasieren Doch Widerstande von Betroffenen blieben Daraufhin belegte er Vollbarttrager mit einer Abgabe die 1701 und 1705 vom Zaren erneut angeordnet wurde Bauern die in eine Stadt kamen mussten die Abgabe bezahlen wollten sie ihren Bart behalten 6 Einfuhrung und Abgabenerhebung Bearbeiten Die Steuer wurde 1698 eingefuhrt Barttrager entrichteten eine Zahlung fur das Behalten ihres Gesichtsschmuckes Von 1705 an erhielten sie im Gegenzug dafur ein rundes Kupferstuck welches bestatigte dass die Steuer bezahlt war Diese Quittungsmedaillen werden Bartzeichen Bart steuer marken oder Bartkopeke genannt Das gepragte Kupferstuck musste der Barttrager stets mit sich fuhren wollte er nicht riskieren bei Kontrollen auf offener Strasse sofort eine Zwangsrasur zu erleben Es enthielt auf dem Avers eine Abbildung des russischen Doppeladlers darunter zweizeilig das Pragejahr Das Revers beinhaltet in zwei Zeilen die altkyrillische Aufschrift DENGI VZѦTY Dengi wzety in heutigem Russisch dengi vzyaty Dengi wzjaty etwa Geld das entgegengenommen wurde sowie eine vereinfachte Abbildung von Nase Schnurr und Kinnbart Die Pragung oblag der Moskauer Munzstatte die in den Jahren 1698 1705 1724 und 1725 Probestucke anfertigte von denen jedoch lediglich die 1705er Serie breite Verteilung erreichte Die spateren Exemplare 1724 1725 sind im Gegensatz zu den runden fruheren Stucken viereckig und nur einseitig beschriftet 7 nbsp Replik einer russischen Bartsteuermarke aus dem Jahr 1705Die Hohe der Bartsteuer war bei ihrer Einfuhrung gestaffelt Die einkommensstarken Kaufleute erhielten fur 100 Rubel die Bartsteuermarke Beschaftigte bei Hofe und Beamte zahlten 60 Rubel andere Stadter 30 Rubel 8 Von 1715 an wurden generell 50 Rubel verlangt Raskolniki mussten nach einem Zarenerlass vom 4 Juni 1721 alle Abgaben in doppelter Hohe begleichen 9 Die Verordnung des Zaren Peter des Grossen zur Bartsteuer wurde am 6 April 1722 erneuert Kontrollposten waren meist an den Stadttoren und Zollstationen zur Uberprufung der steuerlichen Bestimmungen eingeteilt Neben der Bartsteuer wurde unter anderem auch auf unerwunschte Kleidung beispielsweise die herkommlichen Kaftane geachtet So ist aus der Wolgastadt Jaroslawl bekannt dass am Blasiustor rigoros Barte abgenommen wurden wenn ein Mann kein Bartzeichen vorweisen konnte 10 11 Die Zarin Katharina II verzichtete 1772 auf das weitere Erheben der Bartsteuer 12 Die Altglaubigen im Zwiespalt Bearbeiten Die vom Zaren angewiesene Steuer brachte vor allem die Altglaubigen in Gewissenskonflikte die den Vollbart aus Glaubensgrunden spriessen liessen Ihre Religion sah im Abrasieren der Haare eine Verhohnung des Gottesbildes im Menschen 13 Eine Bartabnahme und die Anpassung an die Kleidungsvorschriften kam fur viele dieser Raskolniki genannten Menschen nicht in Betracht weshalb eine grosse Anzahl von ihnen das Zarenreich ins angrenzende Ausland verliess Die Gefluchteten versuchte im Jahr 1762 die Zarin Katharina II wieder mit der Zusicherung heimzuholen dass es keinerlei Notigungen mehr hinsichtlich Bart und Kleidung fur Ruckkehrer geben werde 14 Es gab Altglaubige die sich beim Verlust ihres Bartes die Haare zur Verwahrung aushandigen liessen Sie wiesen an ihren abgenommenen Haarschmuck beim Tod in ihren Sarg zu legen damit sie im Jenseits beweisen konnten die Glaubensregeln im Leben gewissenhaft befolgt zu haben 15 Lenkungszweck Bearbeiten Die Bartsteuer entpuppt sich als fruhes Beispiel einer Lenkungsabgabe Der fiskalische Zweck hat untergeordnete Bedeutung denn es soll eine Verhaltensanderung beim Betroffenen ausgelost werden Dies zeigt sich daran dass Bartige ohne Steuermarke rasiert wurden und nicht etwa die Steuer nachgefordert wurde Der Staat griff in diesem Fall in die Privatsphare ein ohne dass das besteuerte Verhalten als solches dem Gemeinwohl geschadet hatte 16 Weitere Bartsteuer Erhebungen BearbeitenChina Bearbeiten Die Idee modisches Verhalten mit einer Steuer zu belegen soll dem Ming Taizu Hongwu gekommen sein Als sich in seinem Reich das Tragen von Barten in den Gesellschaftskreisen verbreitete weil er selbst uber einen solchen verfugte und er finanzielle Mittel fur die Renovierung eines Sommerpalastes benotigte liess er eine Bartsteuer erheben 17 Frankreich Bearbeiten nbsp Frankreichs Konig Franz I Eine Abgabe auf Barte wurde im Frankreich des 16 Jahrhunderts zeitweise von kirchlichen Amtstragern verlangt Konig Franz I nahm Anstoss daran dass sich Geistliche einen Bart wachsen liessen Besonders die bei Hofe verkehrenden kirchlichen Wurdentrager ahmten des Konigs Barttracht nach Es gelang ihm ein papstliches Breve zu erwirken das ihm gestattete eine Abgabe von kirchlichen Barttragern in Frankreich zu erheben Das fuhrte zu einer Spaltung zwischen hoher und niederer Geistlichkeit Die hohen Herren konnten sich das Tragen eines Bartes erkaufen wahrend faktisch den niederen aus finanziellen Grunden nur das Scheren ihres Haares ubrig blieb Doch sie leisteten hinhaltenden Widerstand Ein kleiner Trost fur den niederen Klerus war nur dass das Parlament in einer Retourkutsche das Bart Edikt im Jahr 1535 durchsetzte das Anwalten vorschrieb vor Gerichtshofen bartlos zu erscheinen Schliesslich entschied die Pariser Sorbonne im Jahr 1561 dass das Tragen eines Bartes mit priesterlicher Ehrbarkeit unvereinbar sei und stellte damit einheitliche Verhaltnisse her Die Abgabe war vom Tisch 18 Lykien Bearbeiten Aus dem Altertum ist eine Bartsteuer in Lykien bekannt 19 Siehe auch BearbeitenListe nicht mehr erhobener SteuerartenEinzelnachweise Bearbeiten Anmerkung Beim von der Quelle verwendeten Datum 26 August kann es sich nur um ein julianisches Datum handeln denn Zar Peter der Grosse ist ausweislich des Theatrums Europaeum Band 15 Seite 475 definitiv am 4 September 1698 des Gregorianischen Kalenders in Moskau angekommen Peter Hauptmann Russlands Altglaubige Seite 92 ISBN 352556130X abgefragt am 10 Juli 2009 Bernhard Stern Geschichte der offentlichen Sittlichkeit in Russland Memento des Originals vom 26 Marz 2010 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www lexikus de Band 1 Kapitel 2 Der Barbier als Erzieher 1907 E Text in Lexikus Volltextbibliothek abgefragt am 12 Juli 2009 Peter der Grosse verbietet Barte Tages Anzeiger vom 5 September 2008 abgefragt am 10 Juli 2009 Wilhelm Binder Peter der Grosse Alexjewitsch und seine Zeit 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