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Das Arbeitserziehungslager Nordmark war ein von der nationalsozialistischen Geheimpolizei Gestapo eingerichtetes Straflager am Stadtrand von Kiel Es bestand vom Juni 1944 bis zum 4 Mai 1945 Gedenkstein 2019 Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 1 1 Lageraufbau 1 2 Lagerumfang 1 3 Lageralltag 1 4 Ende des Lagers 2 Gerichtliche Aufarbeitung 3 Gedenken 4 Trivia 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenLageraufbau Bearbeiten 1944 stellte Fritz Schmidt Leiter der schleswig holsteinischen Gestapo Regierungsrat und SS Sturmbannfuhrer den Antrag auf Errichtung dieses Arbeitserziehungslagers 1 Der Architekt Steinfass erhielt am 1 Mai 1944 den Auftrag zur Bauaufsicht von der Gestapo Ausgefuhrt wurden die Arbeiten im Mai und Juni 1944 an der Rendsburger Landstrasse von der Nord Sud Bau GmbH und dem Unternehmen G Schluter Preetz wobei diese nur die Facharbeiter stellten Die Hilfsarbeiter waren Haftlinge der Gestapo aus der Polizeibaracke Drachensee im Stadtteil Hassee Lagerumfang Bearbeiten Kommandant wurde Kriminalkommissar und SS Sturmbannfuhrer Johannes Post 2 Das Lager bestand bei Kriegsende aus uber 20 Baracken Unterkunften sowohl fur die Haftlinge als auch fur die Wachmannschaften Weiterhin gab es ein Gastehaus und zwei Wachturme Der Arrestbunker war halb unterirdisch mit 48 lichtlosen Einzelzellen Die unbeheizten Haftlingsbaracken waren fur 200 Personen vorgesehen als Toiletten dienten offene Kubel oder einige wenige Latrinen Es gab eine Krankenbaracke die durch einen zwangsverpflichteten Arzt aus Hassee einen russischen Arzt eine Krankenschwester und einen danischen Sanitater betreut wurde Die medizinische Versorgung der oft uberbelegten Baracke war unzureichend und die Gefangenen liefen Gefahr durch den Sanitater Orla Eigil Jensen getotet zu werden Lageralltag Bearbeiten Gefangene mussten ihre Wertsachen und Kleidung abgeben und gegen Lagerkleidung eintauschen Auf Lagerkleidung wurde spater verzichtet und es wurden stattdessen rote Kreuze auf der Kleidung der Haftlinge angebracht wodurch sie erkennbar waren In dem Lager wurden insgesamt 5 000 Menschen inhaftiert 600 davon uberlebten es nicht Die meisten waren sowjetische oder polnische Zwangsarbeiter Nach Berichten von Augenzeugen war die Behandlung der Gefangenen KZ ahnlich Sie wurden bis zur volligen Erschopfung zur Arbeit angetrieben geprugelt und auch willkurlich erschossen Es gab nur wenige Fluchtversuche eine erfolgreiche Flucht gelang einigen Haftlingen erst Ende April 1945 Der Arbeitstag begann um 5 00 Uhr fruh und dauerte 10 Stunden Im Lager selbst bestanden die Arbeiten aus der Errichtung neuer Baracken und der Instandsetzung der Wege Ausserhalb des Lagers mussten die Haftlinge Trummer in Kiel beseitigen Blindganger freilegen und bei der Errichtung von Bunkern in Schulensee und am Schutzenwall mitwirken Weiterhin wurden die Arbeiter durch ansassige Unternehmen als billige Arbeitskrafte genutzt Zu den Unternehmen gehorten die Holsten Brauerei die Land und See Leichtbau GmbH das Betonbauunternehmen Ohle amp Lovisa und die Nordland Fisch Fabrik in Hassee Ende des Lagers Bearbeiten Mitte April 1945 befanden sich etwa 900 Haftlinge in dem Lager das durch Evakuierungsmarsche mit 1 800 Gefangenen belegt wurde Die Gefangenen kamen u a aus dem KZ Aussenlager Fuhlsbuttel einem Aussenlager des KZ Neuengamme und aus dem Ghetto Riga In den zwei Wochen vor Kriegsende wurden etwa 300 Menschen erschossen und in Massengrabern verscharrt Die Wachmannschaften vernichteten belastende Akten und setzten sich noch vor Erreichen des Lagers durch die Alliierten zumeist Richtung Danemark ab Am 3 4 Mai 1945 erreichte das 8 britische Korps das Lager in dem nur noch wenige halb verhungerte Gefangene lebten Direkt nach dem Ende des Krieges wurde das Lager einige Monate als Unterkunft fur Displaced Persons eingerichtet und im Herbst 1945 bezogen Fluchtlinge das jetzt Fluchtlingslager Russee genannte Areal Der Arrestbunker war zum Ziegenstall und Kartoffellager umfunktioniert worden Gerichtliche Aufarbeitung BearbeitenIm Herbst 1947 wurden von der britischen Besatzungsmacht vier Militargerichtsprozesse unter dem Namen Kiel Hassee Cases durchgefuhrt Der Lagerkommandant Post wurde wegen der Erschiessung von Royal Air Force Piloten gehangt sein Stellvertreter Otto Baumann wurde ebenfalls hingerichtet Der Lagersanitater Jensen wurde wegen der Ermordung Schwerkranker ebenfalls zum Tode verurteilt Da er Dane war intervenierte das danische Konigshaus bei der britischen Regierung und das Urteil wurde so in lebenslange Haft umgewandelt aus der er spater vorzeitig entlassen wurde Weitere Verurteilte erhielten bis zu 20 Jahre Haftstrafen wurden aber spatestens nach etwa 10 Jahren entlassen Der Hauptverantwortliche Fritz Schmidt konnte erst im Dezember 1963 gefasst werden Er stritt jegliches Wissen ab konnte damit die Kieler Staatsanwaltschaft uberzeugen und daher wurde das Verfahren gegen ihn eingestellt Allerdings verurteilte ihn das Landgericht Kiel fur Beihilfe zum Mord an vier Luftwaffenoffizieren zu zwei Jahren Zuchthaus die durch die Untersuchungshaft abgegolten waren Post und Schmidt wurden damit nicht fur Taten verurteilt die sie im Zusammenhang mit dem Arbeitserziehungslager Nordmark begangen hatten Es handelt sich in beiden Fallen um den Mord an vier Kriegsgefangenen in Rotenhahn bei Kiel am 29 Marz 1944 also noch vor der Errichtung des Lagers 2 Gedenken BearbeitenEin offizielles Gedenken der Opfer wurde von der Stadt Kiel nicht initiiert Als Anfang der 1960er Jahre bei Strassenbauarbeiten ein Massengrab entdeckt wurde wurde die Offentlichkeit noch einmal an die Verbrechen erinnert Ein Fussball und ein Tennisplatz sowie ein Supermarkt wurden einige Jahre spater an der Stelle des Lagers errichtet Am 17 Juni 1971 dem damaligen Tag der Deutschen Einheit wurde ein unscheinbarer Findling als Erinnerung aufgestellt und im Mai 1985 durch einen zweiten Gedenkstein erganzt Der Text wurde von der kirchlichen Projektgruppe KZ Russee entworfen Der Schlusssatz Dieses Lager mahnt uns jedem Ansatz von Brutalitat und Terror zu widerstehen und fur eine menschenwurdige Zukunft einzutreten wurde von den verantwortlichen Politikern als untragbar abgelehnt und daher ersatzlos gestrichen Im November 2000 wurde auf dem ehemaligen Lagergelande der Uberrest eines nach Kriegsende von polnischen Zwangsarbeitern aufgestellten Gedenksteins fur die Opfer des Faschismus gefunden Der Arbeitskreis zur Erforschung des Nationalsozialismus in Schleswig Holstein gestaltete auf Initiative des Kieler Kulturausschusses Anfang 2003 einen Gedenkort Arbeitserziehungslager Nordmark Am 4 Mai 2003 wurden ein weiterer Gedenkstein sowie drei Stelltafeln auf dem Gelande aufgestellt die detailliert uber die Geschichte des Lagers informieren Vom 14 bis zum 19 April 2015 fand ein Marsch der Lebenden statt Er fuhrte von Hamburg bis Kiel hunderte Teilnehmer folgten der damaligen Strecke des Todesmarsches Unter ihnen waren auch Angehorige von Hilde Sherman die 70 Jahre vorher den Todesmarsch erleiden musste Am 5 Mai 2016 wurden bei einer Gedenkfeier auf dem fruheren Gelande des Lagers erstmals etwa 200 jetzt erst herausgefundene Namen von Teilnehmern des Todesmarsches vorgelesen Zuvor waren mehrere Angehorige die aus den USA und Schweden angereist waren vom Schleswig Holsteinischen Landtagsprasidenten Klaus Schlie im Landtag empfangen worden Trivia BearbeitenIm 2006 auf Deutsch erschienenen Roman Kurze Geschichte des Traktors auf Ukrainisch Originalausgabe A Short History of Tractors in Ukrainian von 2005 der britisch ukrainischen Schriftstellerin Marina Lewycka spielt das dort Lager Drachensee genannte Arbeitserziehungslager Nordmark eine zentrale Rolle in der Familiengeschichte der Ich Erzahlerin 3 Literatur BearbeitenHilde Sherman Zander Zwischen Tag und Dunkel Madchenjahre im Ghetto Ullstein Frankfurt am Main 1984 ISBN 3 548 20386 8 Wolfgang Benz und Barbara Distel Hrsg Die vergessenen Lager Verlag Dachauer Hefte Dachau 1989 Fritz Bringmann Arbeitserziehungslager Nordmark Berichte Erlebnisse Dokumente Herausgeber VVN Bund der Antifaschisten Landesverband Schleswig Holstein Kiel o J Burgerstiftung Schleswig Holsteinische Gedenkstatten Hrsg Gedenkstatten und Erinnerungsorte zur Geschichte des Nationalsozialismus in Schleswig Holstein Wegweiser und Bildungsangebote Redaktion Harald Schmid Rendsburg 2020 S 11 21 Online Fassung Uwe Carstens Die Wohnkolonie Rendsburger Landstrasse Vom Arbeitserziehungslager zum Fluchtlingslager In Demokratische Geschichte Band IX Veroffentlichungen des Beirats fur Geschichte der Arbeiterbewegung und Demokratie in Schleswig Holstein Malente 1995 S 259 273 Renate Dopheide Gedenkstatten zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus in Kiel und Umgebung In Mitteilungen der Gesellschaft fur Kieler Stadtgeschichte Bd 77 1993 4 S 141 208 Gedenkort Arbeitserziehungslager Nordmark Materialien Fotos und Dokumente zu einer Haftstatte der schleswig holsteinischen Gestapo in Kiel 1944 1945 Herausgegeben vom Arbeitskreis Asche Prozess und dem Arbeitskreis zur Erforschung des Nationalsozialismus in Schleswig Holstein e V Redaktion Frank Omland Kiel 2003 Detlef Korte Erziehung ins Massengrab Die Geschichte des Arbeitserziehungslagers Nordmark Kiel Russee 1944 1944 Neuer Malik Verlag Kiel 1991 Veroffentlichung des Beirates fur Geschichte der Arbeiterbewegung und Demokratie in Schleswig Holstein 10 Jan Klussmann Zwangsarbeit in der Kriegsmarinestadt Kiel 1939 1945 Verlag fur Regionalgeschichte Bielefeld 2004 Mitteilungen der Gesellschaft fur Kieler Stadtgeschichte 81 Frank Omland Das Arbeitserziehungslager Nordmark Eine Haftstatte der schleswig holsteinischen Gestapo in Kiel 1944 1945 Hrsg vom Schleswig Holsteinischen Heimatbund Kiel 2007 Materialien fur den Geschichtsunterricht 3 ders Vom Umgang mit Geschichte Das Beispiel des Gedenkorts Arbeitserziehungslager Nordmark in Kiel S 340 357 in Informationen zur schleswig holsteinischen Zeitgeschichte Heft 50 Winter 2008 PDF 736 kB Gerd Stolz Menschen und Ereignisse Gedenktafeln in Kiel Husum Verlag Husum 2001 Kieler Nachrichten vom 1 Februar 2002 vom 28 Januar 2003 vom 5 Mai 2003 Bernd Philipsen Fred Zimmak Wir sollten leben Am 1 Mai 1945 von Kiel mit Weissen Bussen nach Schweden in die Freiheit Novalis Verlag Steinbergkirche Neukirchen 2020 ISBN 978 3 941664 71 5 Lisa Bittner Friederike Klossing Hendrik Leu Moritz Piossek Digitales Nutzungskonzept fur den Gedenkort Arbeitserziehungslager AEL Nordmark in Kiel Russee In Informationen zur Schleswig Holsteinischen Zeitgeschichte Bd 60 2020 S 142 170 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Arbeitserziehungslager Nordmark Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien AKENS e V mit Fotos der Gedenktafeln Kieler Stadtarchiv 26 April 1945 Vor 60 Jahren systematische Erschiessungen im Arbeitserziehungslager Nordmark GSHG Schleswig Holsteinischer Heimatbund Hrsg Das Arbeitserziehungslager Nordmark Materialien fur den Geschichtsunterricht 3 PDF Memento vom 10 November 2007 im Internet Archive Frank Omland Gedenken inmitten von Fussballplatz Tennisanlage und Wanderwegen Gedenkstattenforum abgerufen am 8 Dezember 2012 Erinnerung an den Todesmarsch 1945 Ostholsteiner Anzeiger 17 Juni 2015 Marsch des Lebens 2015 Gedenkzeremonie 2016 Pressemitteilung Landtag 2016Einzelnachweise Bearbeiten Das Arbeitserziehungslager Nordmark 1944 1945 Memento vom 26 September 2007 im Internet Archive a b Biografische Notiz zu Johannes Post bei akens com abgerufen am 23 Oktober 2016 Kurze Geschichte des Traktors auf Ukrainisch54 2975 10 085555555556 Koordinaten 54 17 51 N 10 5 8 O Normdaten Korperschaft GND 4281378 5 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Arbeitserziehungslager Nordmark amp oldid 238087045