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Appetenzverhalten lateinisch appetens nach etwas strebend begierig nach ist ein Fachbegriff der vor allem von Konrad Lorenz und Nikolaas Tinbergen ausgearbeiteten Instinkttheorie der klassischen vergleichenden Verhaltensforschung Ethologie Er bezeichnet ein zielgerichtetes orientiertes Verhalten das vom Beobachter als aktives Anstreben einer auslosenden Reizsituation eines Schlusselreizes interpretiert wird und dessen Ziel der Ablauf einer Endhandlung ist 1 Im einfachsten Fall besteht dieser als Such und Orientierungsverhalten gedeutete Bestandteil des Instinktverhaltens aus einer Taxis haufig jedoch aus einer verhaltnismassig plastischen Folge verschiedener Bewegungen die als aktive Suche nach einem bestimmten Schlusselreiz gilt Inhaltsverzeichnis 1 Historisches 2 Appetenzverhalten und Endhandlung 3 Kritik 4 Appetenz Konflikt 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseHistorisches BearbeitenIn seiner Instinkttheorie ging Konrad Lorenz davon aus dass die aktionsspezifische Erregung fur jede Instinktbewegung kontinuierlich zunimmt und grundsatzlich nur durch Agieren durch das Ausfuhren der jeweiligen Instinktbewegung herabgesetzt werden kann Der Theorie zufolge aussert sich das Ansteigen der aktionsspezifischen Erregung fur eine Instinktbewegung zum einen in einer Erniedrigung ihres Schwellenwerts gegenuber der zugehorigen auslosenden Situation Das Tier reagiert auf immer unspezifischere Ausloser mit der Instinktbewegung Zum anderen senkt sich nach langerem Nichtgebrauch nicht nur die Schwelle der Reize die eine bestimmte Bewegungsweise auslosen vielmehr versetzt die ungebrauchte Verhaltensweise den Organismus als Ganzes in Unruhe und veranlasst ihn aktiv nach den sie auslosenden Reizkombinationen zu suchen 2 Fur dieses Suchen fuhrte Lorenz in Anlehnung an die 1917 von Wallace Craig gepragte Bezeichnung appetitive behaviour ubersetzt etwa Begierde Verhalten 3 das Wort Appetenzverhalten in die Verhaltensbiologie ein Appetenzverhalten und Endhandlung BearbeitenIm Unterschied zu den einzelnen isoliert betrachtbaren Instinktbewegungen synonym Erbkoordinationen bezeichnet Appetenzverhalten alle Verhaltensweisen die notig sind um die auslosende Situation fur eine bestimmte durch innere aktionsspezifische Erregung gelegentlich ist auch die Rede von aktionsspezifischer Energie zum Ausagieren drangende Instinktbewegung zu finden Ein Lowe bei dem z B der Antrieb Durst ansteigt wird nach einer Wasserstelle suchen Alle Verhaltensweisen die bei der Suche eingesetzt werden wie unter Umstanden Laufen Klettern Springen sind dem Appetenzverhalten zuzuordnen wahrend das Trinken als die angestrebte Erbkoordination anzusehen ist 4 Diese angestrebte Erbkoordination nach deren Durchfuhrung die das Appetenzverhalten antreibende Erregung herabgesetzt ist wird im Rahmen der Instinkttheorie als Endhandlung bezeichnet Nun kommt diese Endhandlung aber allenfalls dann zustande wenn die dem Appetenzverhalten zuzurechnenden Verhaltensweisen koordiniert in Form von Reaktionsketten ausagiert werden In seinem Lehrbuch Vergleichende Verhaltensforschung Grundlagen der Ethologie schreibt Konrad Lorenz Wir kennen vorlaufig nur sehr wenige Erbkoordinationen bei denen nach langerem Entzug spezifisch auslosender Reizsituationen kein nach diesen suchendes Appetenzverhalten nachzuweisen ware 2 Aus seiner Sicht wird demnach so gut wie jeder Erbkoordination eine spezifische Erregungsquelle zugeordnet und dieser wiederum ein spezifisches Appetenzverhalten wobei in Rechnung zu stellen ist dass die einzelnen dem ubergeordneten Appetenzverhalten zuzurechnenden Verhaltensweisen ihrerseits womoglich auch wieder aus mehreren Erbkoordinationen bestehen ein gleichsam infiniter Regress von dem zu befurchten ware dass er in Bezug auf das ubergeordnete Instinktverhalten hochst anfallig gegen Storungen aufgrund fehlender aktionsspezifischer Erregung von untergeordneten Erbkoordinationen sei Ein Appetenzverhalten das z B durch den Antrieb Hunger ausgelost wird umfasst je nach Tierart eine unterschiedliche Anzahl von Erbkoordinationen und zwar alle diejenigen die der Nahrungsbeschaffung dienen Aber allein die Verhaltensweise deren Durchfuhrung dazu fuhrt dass das Appetenzverhalten nicht mehr gezeigt wird gilt als Endhandlung Beim ubergeordneten Antrieb Hunger waren es die Bewegungen des Herunterschluckens der Nahrung die allein zu einem Herabsetzen des Antriebs fuhren und damit als Endhandlung anzusehen waren 5 Auch sexuelle Lust kann im Rahmen der Instinkttheorie als Appetenzverhalten interpretiert werden Eine unwillentliche Abnahme an sexueller Phantasie und sexuellem Verlangen wird als sexuelle Appetenzstorung bezeichnet Kritik BearbeitenAls Instinktbewegungen mit je eigenem Appetenzverhalten gelten den Schriften von Konrad Lorenz zufolge sowohl relativ komplexe Verhaltenseinheiten wie Fliegen Schwimmen und Laufen aber auch die Flugelbewegungen von Meisen und die Flossenbewegungen eines Fisches werden als Instinktbewegungen interpretiert 6 wobei niemals festgelegt wurde welche Einheit beim Schwimmen oder Laufen als eine Erbkoordination anzusehen ist Hanna Maria Zippelius merkt in ihrer 1992 publizierten Analyse der Instinkttheorie weiterhin kritisch an das Appetenzverhalten werde zwar durch die Triebenergie einer Erbkoordination in Gang gesetzt verbraucht aber selbst keine Triebenergie 7 Diese Unterstellung auf der Ebene der Theorie sei rein intuitiv zwar verstandlich da andernfalls bei ausdauerndem Appetenzverhalten die Triebenergie aufgebraucht sein konnte ehe das Ziel des Appetenzverhaltens die auslosende Situation fur die Erbkoordination erreicht ist Aus dieser Annahme ergaben sich aber einige Probleme die das gesamte Konzept von Triebenergie Appetenzverhalten und Endhandlung infrage stellten So wird in der Theorie nichts daruber ausgesagt wie das Appetenzverhalten durch die spezifische Energie einer Erbkoordination angetrieben werden kann Setzt sich das Appetenzverhalten aus einer oder mehreren Erbkoordinationen zusammen so verbrauchen sie im Gegensatz zu den Erbkoordinationen in deren Diensten sie eingesetzt sind weder eigene Triebenergie noch die der Erbkoordinationen durch die sie angetrieben werden Ist eine dieser Erbkoordinationen das Ziel der Appetenz so verbraucht sie dagegen Triebenergie Somit gibt es zweierlei Erbkoordinationen je nachdem welche Funktion ihnen vom Beobachter zugewiesen wird 8 Das theoretische Konzept von Appetenz und Endhandlung beziehe sich folglich nicht auf abgrenzbare Verhaltenseinheiten sondern sei nur funktionell zu definieren also in Bezug auf eine bestimmte Betrachtungsebene Es entstehe der Eindruck dass man sich mit rein phanomenologischen Beschreibungen dieser Zusammenhange zufriedengegeben hat ohne die Konsequenzen einer solchen willkurlichen Festlegung welcher Erbkoordination eine Ruckwirkung auf den Antrieb zukommt und welcher nicht im Rahmen der Theorie zu bedenken Appetenz Konflikt BearbeitenIn der Motivationspsychologie und der Wirtschaftssoziologie spricht man von einem Appetenz Konflikt auch Appetenz Appetenz Konflikt wenn zwei subjektiv annahernd gleich attraktive Optionen vorhanden sind die aber beide nicht zugleich erreicht werden konnen sodass sich ein Lebewesen zwischen ihnen entscheiden muss 9 Als Gegensatz hierzu wird von einem Aversion Aversion Konflikt gesprochen wenn die Entscheidung zwischen zwei gleichermassen unattraktiven Optionen zu treffen ist Ferner gibt es bei einem ambivalenten Objekt den Appetenz Aversion Konflikt Weblinks Bearbeiten nbsp Wiktionary Appetenz Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme UbersetzungenEinzelnachweise Bearbeiten Eintrag Appetenzverhalten in Klaus Immelmann Grzimeks Tierleben Erganzungsband Verhaltensforschung Kindler Verlag Zurich 1974 S 622 a b Konrad Lorenz Vergleichende Verhaltensforschung Grundlagen der Ethologie Springer Wien und New York 1978 S 104 ISBN 978 3 7091 3098 8 Wallace Craig Appetites and Aversions as Constituents of Instincts In PNAS Band 3 Nr 12 1917 S 685 688 doi 10 1073 pnas 3 12 685 Hanna Maria Zippelius Die vermessene Theorie Eine kritische Auseinandersetzung mit der Instinkttheorie von Konrad Lorenz und verhaltenskundlicher Forschungspraxis Vieweg Braunschweig 1992 S 19 ISBN 3 528 06458 7 Hanna Maria Zippelius Die vermessene Theorie S 19 20 Konrad Lorenz Vergleichende Verhaltensforschung S 106 Hanna Maria Zippelius Die vermessene Theorie S 89 Hanna Maria Zippelius Die vermessene Theorie S 90 Kurt Lewin Die psychologische Situation bei Lohn und Strafe S Hirzel Leipzig 1931 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Appetenzverhalten amp oldid 232475265