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Anna Murschel um 1533 nach 1600 vermutlich in Engstlatt war eine in Balingen der Hexerei bezichtigte Frau die trotz intensiver Folter nicht zu einem Gestandnis gezwungen werden konnte und deshalb nach 596 Tagen Haft wieder freigelassen werden musste Sie gehorte als Witwe des 1594 verstorbenen langjahrigen Balinger Burgermeisters Caspar Murschel mit dem sie in einer 39 Jahre dauernden Ehe eintrachtig und christlich gelebt hatte der stadtischen Ehrbarkeit an Zur Zeit ihrer Verhaftung war sie etwa 65 Jahre alt 1 Portrat Anna Murschels auf dem Epitaph ihres GattenEpitaph des Caspar Murschel genannt Tubinger der drei Jahre vor Annas Verhaftung verstarb Inhaltsverzeichnis 1 Der Prozess gegen Anna Murschel 1 1 Der Verdacht 1 2 Die Anklage 1 3 Prozess mit Folter 1 4 Freilassung 2 Nachwirkung 3 Literatur 4 EinzelnachweiseDer Prozess gegen Anna Murschel BearbeitenDer Verdacht Bearbeiten Der Fall der Anna Murschel fiel in die Hochzeit der europaischen Hexenverfolgung An einem Sonntag im Mai 1596 war der Raum Balingen von einem schweren Hagelwetter betroffen das an Getreide und Obst einen Schaden von mehreren tausend Gulden hinterliess Im damaligen Aberglauben wurde dies als ein Werk von Hexen angesehen Im vier Kilometer von Balingen entfernten reichsritterschaftlichen Dorf Geislingen liess der dortige Ortsherr Hans von Stotzingen vermeintliche Hexen verbrennen Im darauffolgenden Jahr wurden nochmals zwei Frauen verbrannt Eine der Frauen Margaretha Bockhin hatte dabei unter Folter ausgesagt dass es auch in Balingen Weiber gabe die an dem Unwetter beteiligt gewesen waren Zu einem Hexentanz auf dem Muhlgraben in Balingen hatten des alten Tubingers Weib Anna Murschel des alten Weissgerbers Weib und Anna Beck Essen und besonders guten Wein in silbernen Bechern mitgebracht 2 Der Balinger Untervogt Christoff Mayer informierte den Oberrat in Stuttgart Als Untervogt war Mayer fur die Rechtsprechung in seinem Bezirk zustandig Er leitete die Verbrechensverfolgung ein fuhrte Voruntersuchungen durch leitete Verhaftungen und Verhore und bezifferte den Schaden und die objektive Wahrheit Das Gerichtsverfahren selbst durfte jedoch nur der Oberrat als zentrale Regierungsbehorde einleiten 3 Die Rate Herzog Friedrichs erteilten allerdings den Befehl nichts zu unternehmen und in der stille auf das Verhalten der Frauen zu achten 4 Im August 1598 lieferte der Obervogt eigene konkrete Verdachtigungen Ende Juli habe Anna Murschel der hochschwangeren Frau des Obervogts einen Apfel gegeben der einen Fall von Ubelkeit ausloste Der Rottweiler Stadtarzt bestatigte den Verdacht auf Gift und damit einen Anschlag auf das Leben der Frau und des ungeborenen Kindes Des Weiteren seien im Stall des Obervogtes Achatius von Guttenberg in den vorangegangenen Monaten viele Stucke Vieh verloren gegangen Nach Aussage dessen Frau sei stadtbekannt dass Anna Murtschlerin abends nach dem Lauten der Betglocke um das Balinger Schloss Sitz des Obervogts ziehe was sie tagsuber vermeide 5 Die Anklage Bearbeiten Am 18 August 1598 wurde Anna Murschel auf dem Weg zu ihrer in der Kurpfalz lebenden Tochter in Stuttgart verhaftet Es wurden insgesamt 17 Zeugen vernommen deren Aussagen sich vornehmlich am maleficium orientierten Folgende Vorwurfe wurden erhoben 6 Verschiedene Balinger bezichtigten Anna Murschel sie mit Apfeln und Birnen beschadigt und gelahmt zu haben Zwei Dienstboten des Obervogts bezichtigten sie des Viehschadens Ein Schafer behauptete sie bewege sich zu Fuss und mit einem Stecken schneller als ein Hund eher wie ein Pferd Ein Mann behauptete dass nach einer Begegnung mit ihr seine Mannheit nit mehr vorhanden war Er begrundete seinen Verdacht darauf dass sie ihm im Herzen zuwider war Der Torwarter des Oberen Tores in Balingen gab an dass sie ungeduldig auf die Toroffnung wartete und bereits am fruhen Morgen die Stadt verliess nur um bereits wenig spater zuruckzukehren Dies mache sie mehrmals am Tage Dieses unbegrundete Hin und Herlaufen verhiesse nichts Gutes Der Ortsgeistliche stellte ihr die Theologischen Artikel zwolf vorformulierte Fragen mit denen die Rechtglaubigkeit gepruft wurde Diese konnte sie beantworten Daruber hinaus bescheinigte ihr der Geistliche einen stillen ehrlichen Lebenswandel und sie besuche regelmassig den Gottesdienst Auch Fluche Schwure oder sonstige unzuchtige Worte benutze sie nicht Die Vorwurfe die Besagung der Geislinger Hexen und die Tatsache dass Anna Murschel von Jugend an bei jedermann in hohem Verdacht gestanden reichten gemass der Indizienlehre der Constitutio Criminalis Carolina zur Anklageerhebung wegen Hexerei vor dem Balinger Stadtgericht aus Prozess mit Folter Bearbeiten nbsp Stadtschloss Balingen Sitz des Untervogtes mit Stadt Gefangnis turmAnna Murschel legte kein Gestandnis ab Sie engagierte einen Rechtsbeistand der Akteneinsicht verlangte Entlastungszeugen benannte und Fragen an die Zeugen formulierte die diesen dann vorgelesen wurden Mangels Gestandnisses beantragte der Untervogt als Anklager gemass Artikel 44 der Carolina 7 ein Folterurteil Dieses wurde am 26 September 1598 verkundigt und noch am Nachmittag von dem aus Tubingen zugezogenen Scharfrichter vollstreckt In einer spateren Bittschrift beschreibt Anna Murschel selbst ihre Folter Es waren ihr zunachst Daumenschrauben angelegt worden Dann wurde der Aufzug vorgenommen Als dies nicht zum Gestandnis fuhrte wurden ihr am Kopf und an den Fussen Gewichte angehangt 6 Als dies ebenfalls nicht zum Gestandnis fuhrte zog man einen fremden auslandischen der Zauberei kundigen Henker 6 hinzu den Scharfrichter aus dem vorderosterreichischen Horb der in der Grafschaft Hohenberg in den vergangenen zwei Jahren zahlreiche Frauen uberfuhren und als Hexen hinrichten konnte Er scherte Anna Murschel am ganzen Leib weil man glaubte der Teufel verstecke sich im Haar um die Befragte am Gestandnis zu hindern und um Hexenmale zu entdecken Er hangte ihr geweihte Kerzen an einem Sackchen um den Hals und besprengte sie mit Weihwasser Ihr wurden auch Zaubergetranke eingeflosst um das Bose auszutreiben Am linken Arm und am rechten Schenkel wurden in der Tat Male entdeckt die ihr vom bosen feindt angehangt worden 6 Am zweiten Tag wurde sie erneut nur mit einem Unterhemd bekleidet aufgezogen wobei der Balinger Untervogt unbarmherzig gesagt der Teufel stecke ihr im Kropf er wolle denselben wohl aus ihr bringen Danach wurde sie auf der Leiter jammerlich zerrissen so dass der linke Arm nicht mehr bewegt werden konnte und sie anschliessend stark hinkte 6 Als der Pfarrer sie besuchte weinte sie bitterlich und hoffte da sie unter der Folter standhaft geblieben war auf Freilassung Der Balinger Untervogt beantragte bei einem erneuten Rechtstag die Fortsetzung der Folter 6 Ihr Sohn Ehrenfried Murschel Pfarrer in Haiterbach und Schwiegersohn Christoph Gaukler Pfarrer in Dornstetten beantragten bei den Rechtsgelehrten der Landesuniversitat Tubingen ein Gutachten einzuholen das sie aus eigener Tasche zahlen wollten Unter Berufung auf den Stadtknecht wollten sie dem Untervogt nachweisen dass Anna Murschel entgegen den Bestimmungen der Carolina bei den Verhoren sieben Stunden gehangen habe Der Stadtknecht verweigerte aber die Aussage Daruber hinaus beantragten sie die Erleichterung der Haftbedingungen was nach Intervention des Stuttgarter Propstes durch die herzoglichen Oberrate genehmigt wurde Sie wurde aus dem Gefangnisturm in den Spital verlegt Dort blieb sie weiterhin mit Eisenbanden gefesselt war aber in einem beheizbaren Raum untergebracht und konnte auf eigene Kosten mit Wein Weissbrot Fleisch und Geflugel verpflegt werden 6 Freilassung Bearbeiten Anna Murschel beantragte im Januar 1599 ein Endurteil Darauf hin setzten die Oberrate den Prozess zunachst aus bis das Verfahren gegen Anna Beck abgeschlossen sei Beck war ebenfalls nach der Besagung der in Geislingen als Hexen verurteilten Frauen angeklagt worden Die Frau des Obervogtes war inzwischen mit einem gesunden Kind niedergekommen so dass dieser Hauptanklagepunkt hinfallig war Der Prozess gegen Anna Murschel wurde im Oktober 1599 wieder aufgenommen nachdem eine in Tubingen als Hexe verurteilte Frau sie erneut als Gespielin bei Hexentanzen benannt hatte Die Stuttgarter Oberrate rieten den Balinger Richtern ein Gutachten der Tubinger Juristenfakultat einzuholen Diese stellten am 6 Marz 1600 fest dass die neuen Indizien eine erneute peinliche Befragung nicht rechtfertigen wurden Durch die ausgestandene Folter ohne Gestandnis habe sich Anna Murschel vom Anfangsverdacht der Hexerei befreit so dass sie freizulassen sei Die Freilassung erfolgte am 5 April 1600 nach 596 Tagen Untersuchungshaft Da sie durch das Heranziehen eines Verteidigers das mundliche in ein schriftliches Verfahren verwandelt habe wurde ihr dies als prozessverlangernd angelastet Von den 196 Gulden Kosten des Verfahrens musste sie 100 Gulden fur Verpflegungskosten Schreibdienste Huter und Botenlohn selbst tragen 6 6 Nachwirkung BearbeitenAm 5 Juli 2014 wurde in Engstlatt der Fastnachtsverein Murschel Hexen gegrundet Die Maske zeigt ein eingefallenes Gesicht mit wenigen Zahnen einer langen krummen Nase und stechendem Blick sowie mit ins Gesicht fallenden Haarstahnen Das Kostum besteht aus einer blauen Stola einem schwarzen Pullover einem blauen Rock mit schwarz aufgesetzten Taschen sowie blau schwarz geringelten Socken und Handschuhen Die Handschuhe sind mit der Bezeichnung Murschel Hexen bestickt Auf einen Besen wird verzichtet man trage aber einen gestickten roten Apfel der den Zuschauern mit schelmischem Unterton und der Frage Willst nen Apfel gereicht werden soll nur um ihn dann sofort wieder zuruckzuziehen Die Murschel Hexen wollen sich an regionalen Narrentreffen beteiligen und in das Vereinsleben Engstlatts einbringen 8 Die Balinger Historikerin Ingrid Helber kritisierte man bediene sich bei der Figur der Fastnachtshexe die von Historikern kritisch betrachtet wird Im Fall der Anna Murschel sei dies besonders pietatlos und makaber Die reale historische Personlichkeit werde mit einer ausgesprochen hasslichen Maske nochmals verunglimpft 9 Der Vizeprasident des Narrenfreundschaftsrings Zollernalb Thorsten Sporl steht nach eigenen Angaben Neugrundungen grundsatzlich positiv gegenuber Noch positiver sehe man jedoch wenn sich die Menschen intensiv mit der Geschichte ihrer Heimatorte und mit dem Brauchtum beschaftigen Anstelle einer wusten Hexe die Anna Murschel nicht war hatte man auch eine freundliche Figur gestalten konnen Das ware dem Leben Anna Murschels sicher angemessener gewesen und das so Sporl hatte auch eine richtig tolle Fasnetsfigur geben konnen 10 Im Herbst 2016 trat der alte Vorstand der Murschel Hexen zuruck Der neue Vorstand beschloss den Verein in Murschel Weibchen umzubenennen Die alten Larven sollten zwar weiter verwendet werden neue Larven sollten aber kleiner leichter und mit einer kurzeren Nase ausgestaltet werden Ein Bezug zu Anna Murschel solle weiterhin bestehen sie solle aber nicht mehr als Hexe sondern als liebe Frau eben als Weible dargestellt werden 11 Literatur BearbeitenAnita Raith Der Hexenprozess gegen Anna Murschel 1598 1600 In Stadtverwaltung Balingen Hrsg 750 Jahre Stadt Balingen 1255 2005 Stadtverwaltung Balingen Balingen 2005 ISBN 3 00 017595 4 S 363 371 sb Historikerin emport uber Murschel Hexen In schwarzwalder bote de Schwarzwalder Bote Mediengesellschaft mbH Oberndorf am Neckar 20 Januar 2015 Online abgerufen am 22 Januar 2015 Einzelnachweise Bearbeiten Anita Raith Der Hexenprozess gegen Anna Murschel 1598 1600 In Stadtverwaltung Balingen Hrsg 750 Jahre Stadt Balingen 1255 2005 Stadtverwaltung Balingen Balingen 2005 ISBN 3 00 017595 4 S 363 371 hier S 367 Anita Raith Der Hexenprozess gegen Anna Murschel 1598 1600 In Stadtverwaltung Balingen Hrsg 750 Jahre Stadt Balingen 1255 2005 Stadtverwaltung Balingen Balingen 2005 ISBN 3 00 017595 4 S 363 371 hier S 364 Anita Raith Der Hexenprozess gegen Anna Murschel 1598 1600 In Stadtverwaltung Balingen Hrsg 750 Jahre Stadt Balingen 1255 2005 Stadtverwaltung Balingen Balingen 2005 ISBN 3 00 017595 4 S 363 371 hier S 366 Anita Raith Der Hexenprozess gegen Anna Murschel 1598 1600 In Stadtverwaltung Balingen Hrsg 750 Jahre Stadt Balingen 1255 2005 Stadtverwaltung Balingen Balingen 2005 ISBN 3 00 017595 4 S 363 371 hier S 365 Anita Raith Der Hexenprozess gegen Anna Murschel 1598 1600 In Stadtverwaltung Balingen Hrsg 750 Jahre Stadt Balingen 1255 2005 Stadtverwaltung Balingen Balingen 2005 ISBN 3 00 017595 4 S 363 371 hier S 367 a b c d e f g h i Unter anderem Referenz fur gesamten Abschnitt Der Prozess gegen Anna Murschel Die Prozessakten auf die sich Anita Raith in ihrem Aufsatz bezieht liegen im Hauptstaatsarchiv Stuttgart HStAS A 209 Bu 144 Anita Raith Der Hexenprozess gegen Anna Murschel 1598 1600 In Stadtverwaltung Balingen Hrsg 750 Jahre Stadt Balingen 1255 2005 Stadtverwaltung Balingen Balingen 2005 ISBN 3 00 017595 4 S 363 371 hier S 364 Keyser Karls des funfften vnnd des heyligen Romischen Reichs peinlich gerichts ordnung Detlef Hauser Murschel Hexen grunden Verein In schwarzwalder bote de Schwarzwalder Bote Mediengesellschaft mbH Oberndorf am Neckar 16 Januar 2015 Online abgerufen am 22 Januar 2015 sb Historikerin emport uber Murschel Hexen In schwarzwalder bote de Schwarzwalder Bote Mediengesellschaft mbH Oberndorf am Neckar 22 Januar 2015 Online abgerufen am 22 Januar 2015 det mai Murschel Hexen bewegen die narrischen Gemuter In schwarzwalder bote de Schwarzwalder Bote Mediengesellschaft mbH Oberndorf am Neckar 22 Januar 2015 Online abgerufen am 13 September 2016 Detlef Hauser Aus der Hexe ist ein Weible geworden In schwarzwalder bote de Schwarzwalder Bote Mediengesellschaft mbH 21 Januar 2015 abgerufen am 26 Januar 2015 Normdaten Person GND 1012771547 lobid OGND AKS VIAF 172035539 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Murschel AnnaALTERNATIVNAMEN Murschler Murssel Mursel Murssel Murssell MursellKURZBESCHREIBUNG angeklagte HexeGEBURTSDATUM um 1533STERBEDATUM nach 1600STERBEORT unsicher Engstlatt Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Anna Murschel amp oldid 239264519