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Wolfgang Boetticher 19 August 1914 in Bad Ems 7 April 2002 in Gottingen war ein deutscher Musikwissenschaftler und langjahriger Hochschullehrer an der Universitat Gottingen Boetticher war Bearbeiter und Herausgeber zahlreicher Werke des Komponisten Robert Schumann vor allem fur den Verlag G Henle in Munchen 1 Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Boettichers Schumann Forschungen 3 Schriften Auswahl 4 Siehe auch 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseLeben BearbeitenWolfgang Boetticher Sohn eines Chemikers im Staatsdienst studierte nach einer pianistischen Ausbildung bei Arnold Schering Georg Schunemann Curt Sachs Hans Joachim Moser Friedrich Blume und Helmuth Osthoff an der Universitat Berlin Musikwissenschaft 2 Bereits wahrend seines Studiums war er seit 1934 im NSD Studentenbund tatig In der Reichsstudentenfuhrung arbeitete er seit 1937 im Musikreferat mit 1 3 Er beantragte am 20 Februar 1938 die Aufnahme in die NSDAP und wurde ruckwirkend zum 1 Mai 1937 aufgenommen Mitgliedsnummer 5 919 688 4 3 er war hauptamtlich fur sie tatig 5 Ausserdem war er Mitglied in der NS Volkswohlfahrt Nach seiner Promotion uber Robert Schumann 1939 Publikation der Dissertation 1941 habilitierte er sich 1943 2 mit seiner Schrift Studien zur solistischen Lautenpraxis des 16 und 17 Jahrhunderts mit Bibliographie der intavolierten Lautendrucke und hss 2 6 Boetticher war ab 1939 Referent und Leiter der musikpolitischen Verbindungsstelle im Amt Rosenberg Wahrend des Zweiten Weltkrieges war er zusatzlich von 1940 bis 1944 in der Rauborganisation Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg ERR tatig 5 1940 begleitete Boetticher Alfred Rosenberg nach Krakau und Warschau um Musikalien zu requirieren Dabei wurden aus der Staatsbibliothek und den Krakauer Archiven u a Handschriften von Frederic Chopins Lehrer Joseph Elsner und Materialien aus dem Chopin Institut beschlagnahmt und abtransportiert 7 1941 war Boetticher in Paris an der Ausplunderung der Sammlung der vor den Nationalsozialisten geflohenen Cembalistin Wanda Landowska beteiligt sowie an der Beschlagnahmung weiterer judischer Besitztumer 8 Im Juli 1941 trat Boetticher in die Waffen SS ein in der er es bis zum Unterscharfuhrer brachte Ab 1940 war er Mitautor des Lexikons der Juden in der Musik 1942 wurde er zum Reichshauptstellenleiter des ERR befordert ab 1944 war er in Berlin als Privatdozent tatig Fur die Feststellung neuer Tagebucher und Briefe Schumanns erhielt er 1943 den Robert Schumann Preis 2 1 Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Boetticher 1948 Lehrbeauftragter in Gottingen Dort erhielt er 1955 eine Professur wurde dort 1957 Direktor des Musikwissenschaftlichen Instituts und war von 1972 bis 1974 Dekan der Philosophischen Fakultat An der Karls Universitat Prag hatte er 1963 eine Gastprofessur 5 Boettichers nationalsozialistische Vergangenheit war im Nachkriegsdeutschland bekannt So hatte Joseph Wulf schon 1963 in seinem Quellenwerk Musik im Dritten Reich mehrere Dokumente veroffentlicht die das nationalsozialistische und antisemitische Engagement Wolfgang Boettichers belegten So stellte er ein Dokument vor das Boettichers Mitarbeit an dem beruchtigten antisemitischen Lexikon der Juden in der Musik belegte 9 Trotzdem machte Boetticher weiter in der Musikwissenschaft Karriere Auch nach seiner Emeritierung hielt er noch bis zum Wintersemester 1998 99 Vorlesungen im musikwissenschaftlichen Seminar Nach Aufdeckung seiner Tatigkeit im Sonderstab Musik des ERR durch Willem de Vries wurden die Vorlesungen mit sofortiger Wirkung durch den Seminarleiter abgebrochen 3 10 In einer detaillierten Rezension auf der Internetplattform H SOZ KULT beanstandet Michael Walter handwerkliche und darstellerische Mangel in der Untersuchung von de Vries Ohne dessen inhaltliche Aussagen per se in Frage zu stellen wirft er ihm insbesondere einen fehlerhaften und ungenauen Umgang mit den Quellen vor Eine seriose und umfassende Geschichte des Sonderstabs Musik und damit auch der Rolle Boettichers dessen Funktion als Reichshauptstellenleiter und Obereinsatzfuhrer im Amt Rosenberg ausser Frage steht bleibt nach Walter ein Desiderat 11 Boetticher hinterliess handschriftliche Lebenserinnerungen in denen er seine Tatigkeit wahrend der NS Zeit beschonigte Diese erschienen bei Hans Schneider Musikantiquariat und Verlag in Tutzing 12 Auch in seiner Selbstdarstellung in der ersten Ausgabe der MGG Band 2 1952 ging er nicht auf seine Tatigkeiten ausserhalb des Universitatsbetriebs ein 2 Boettichers Schumann Forschungen BearbeitenBoetticher galt als ein bedeutender Schumann Forscher 13 obwohl Kritik an seinen Publikationen aus der NS Zeit laut wurde Bereits am 29 April 1940 hatte die Kanzlei Rosenberg in einer vertraulichen Mitteilung mitgeteilt Boetticher habe das ganze Robert Schumann Archiv im Hinblick auf unsere ideologischen Grundsatze uberpruft und dabei wichtige Funde gemacht die in vieler Hinsicht neue Erkenntnisse uber Schumann eintrugen 14 Es handelte sich hierbei um angeblich antisemitische Ausserungen Schumanns die Boetticher 1942 unter dem Titel Robert Schumann in seinen Schriften und Briefen publizierte Musikwissenschaftliche Nachprufungen seit den 1980er Jahren ergaben dass Boetticher einige Briefe Schumanns gefalscht hatte um ihn als Antisemiten darzustellen 15 16 Die wissenschaftliche Bilanz seiner Forschungen ist aus heutiger Sicht ernuchternd Der Schumann Forscher Gerd Nauhaus nennt Beispiele Die Haushaltbucher Schumanns wurden wie zahlreiche weitere autobiographische Dokumente vor allem in den Arbeiten W Boettichers Robert Schumann Einfuhrung in Leben und Werk 1941 und Robert Schumann in seinen Schriften und Briefen 1942 teil veroffentlicht und zitiert allerdings mit so horrenden Lesefehlern sinnentstellenden Auslassungen und Umstellungen sowie irrefuhrenden Kommentaren dass sie letztlich nicht ohne zeitraubende Nachprufung im Einzelfalle benutzbar sind Das trifft fur die von Boetticher herangezogenen Briefe und sonstigen Aufzeichnungen ebenfalls zu Daruber hinaus sind die von ihm erstellten Verzeichnisse z B der Schumann Korrespondenz oder noch unveroffentlichter Materialien in der Regel unzuverlassig Was zeitweise als Fortschritt der Schumann Forschung aufgefasst werden konnte erwies sich so letztlich als ihr wesentlicher Hemmschuh Nauhaus fasst zusammen Die Ergebnisse sind qualitativ wahrhaft niederschmetternd und ein Rezensent der von einem umgesturzten Zettelkasten sprach hat den Nagel auf den Kopf getroffen Die philologische Unzuverlassigkeit durchweg aller Schumann Arbeiten Boettichers ist eklatant In seiner voluminosen Einfuhrung 1941 2004 wieder aufgelegt wird daruber hinaus ein verblasenes philosophisch asthetisches Konzept mit unverkennbaren ideologischen Einflussen der NS Zeit verfolgt 17 Schriften Auswahl BearbeitenDeutsch sein heisst unklar scheinen In Die Musik XXX 6 Marz 1938 S 399 404 Die Kulturtagung der Reichsstudentenfuhrung in Konigsberg i Pr vom 22 bis 24 April 1938 In Die Musik XXX 8 Mai 1938 Zur Erkenntnis von Rasse und Volkstum in der Musik In Musik im Volk Grundfragen der Musikerziehung Hrsg von W Stumme Berlin 1939 S 217 229 Robert Schumann Einfuhrung in Personlichkeit und Werk Beitrage zur Erkenntniskritik der Musikgeschichte und Studien am Ausdrucksproblem des 19 Jahrhunderts Festschrift zur 130 Wiederkehr des Geburtstages vom Robert Schumann Hahnefeld Berlin 1941 Veroffentlichung der deutschen Robert Schumann Gesellschaft Hochschulschrift zugleich Berlin Phil Diss 1942 Uberarbeitete Neuausgabe unter dem Titel Robert Schumann Leben und Werk Noetzel Verlag 2004 ISBN 3 7959 0804 3 Orlando di Lasso und seine Zeit 2 Bde Kassel 1958 Von Palestrina zu Bach Stuttgart 1959 Dokumente und Briefe um Orlando di Lasso Kassel 1960 Neue Materialien zu Robert Schumanns Wiener Bekanntenkreis In Studien zur Musikwissenschaft Band 25 Festschrift fur Erich Schenk Graz Wien Koln 1962 S 37 55 Aus Orlando di Lassos Wirkungskreis Veroff der Ges fur Bayerische Musikgeschichte Band 1 Kassel 1963 Robert Schumanns Klavierwerke Quellenkatalog zur Musikgeschichte Band 9 Wilhelmshaven 1977 Handschriftlich uberlieferte Lauten und Gitarrentabulaturen des 15 bis 18 Jahrhunderts Repertoire International des Sources Musicales B VII Gunter Henle Munchen 1978 und 1986 ISBN 978 3 87328 012 0 Einfuhrung in die musikalische Romantik Taschenbucher zur Musikwissenschaft XLIX Wilhelmshaven 1983 Robert Schumanns Klavierwerke Neue biographische und textkritische Untersuchungen Teil II Quellenkatalog zur Musikgeschichte 10A Wilhelmshaven 1984 Geschichte der Motette Wege der Forschung Bd 268 Darmstadt 1989 2 Aufl erg Neuausgabe Noetzel Wilhelmshaven 2000 Siehe auch BearbeitenMusikwissenschaft NationalsozialismusLiteratur BearbeitenErnst Klee Das Kulturlexikon zum Dritten Reich Wer war was vor und nach 1945 S Fischer Frankfurt am Main 2007 ISBN 978 3 10 039326 5 S 65 Ernst Klee Das Personenlexikon zum Dritten Reich Wer war was vor und nach 1945 2 Auflage Fischer Taschenbuch Verlag Frankfurt am Main 2007 ISBN 978 3 596 16048 8 Fred K Prieberg Handbuch Deutsche Musiker 1933 1945 CD Rom Lexikon Kiel 2004 S 578 598 8152 8156 Willem de Vries Sonderstab Musik organisierte Plunderungen in Westeuropa 1940 1945 Dittrich Koln 1998 ISBN 3 920862 18 X Taschenbuchausgabe Kunstraub im Westen 1940 1945 Alfred Rosenberg und der Sonderstab Musik Fischer Taschenbuch Verlag Frankfurt am Main 2000 ISBN 3 596 14768 9 Der Originaltext erschien 1996 in englischer Sprache unter dem Titel Sonderstab Musik music confiscations by the Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg under the Nazi occupation of Western Europe in Amsterdam Eva Weissweiler Ausgemerzt Das Lexikon der Juden in der Musik und seine morderischen Folgen Dittrich Verlag Koln 1999 ISBN 3 920862 25 2 Weblinks BearbeitenWerke von und uber Wolfgang Boetticher im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Im Sinne des Fuhrerbefehls sichergestellt Ein neues Buch uber die Kunstraubzuge der Nazis und das Ende einer deutschen Musikwissenschaftlerkarriere Von Wolfram Goertz DIE ZEIT 52 1998 Thomas Phleps Ein stiller verbissener und zaher Kampf um Stetigkeit Musikwissenschaft in NS Deutschland und ihre vergangenheitspolitische Bewaltigung In Gesellschaft fur Musikforschung Musikforschung Nationalsozialismus Faschismus 2001 S 471 488 archiviert vom Original am 5 April 2016 abgerufen am 12 Marz 2023 Willem de Vries Sonderstab Musik Organisierte Plunderungen in Westeuropa 1940 45 Dittrich Koln 1998 ISBN 3 920862 18 X rezensiert fur H Soz u Kult von Michael Walter Pressestimmen zu dem Werk Sonderstab Musik des Autors de Vries auf der Seite seines Verlages Einzelnachweise Bearbeiten a b c Ernst Klee Das Kulturlexikon zum Dritten Reich Wer war was vor und nach 1945 S Fischer Frankfurt am Main 2007 S 60 a b c d e Wolfgang Boetticher Boetticher Wolfgang In Die Musik in Geschichte und Gegenwart Bd 02 Barenreiter Verlag 1952 S 57 CD Rom Ausgabe S 8638 a b c Fred K Prieberg Handbuch Deutsche Musiker 1933 1945 CD Rom Lexikon Kiel 2004 S 578 Bundesarchiv R 9361 IX KARTEI 3671268 a b c Ernst Klee Das Kulturlexikon zum Dritten Reich Wer war was vor und nach 1945 S Fischer Frankfurt am Main 2007 S 61 Fred K Prieberg Handbuch Deutsche Musiker 1933 1945 CD Rom Lexikon Kiel 2004 S 594 Fred K Prieberg Handbuch Deutsche Musiker 1933 1945 CD Rom Lexikon Kiel 2004 S 582 Fred K Prieberg Handbuch Deutsche Musiker 1933 1945 CD Rom Lexikon Kiel 2004 S 583 584 Joseph Wulf Musik im Dritten Reich Eine Dokumentation Ullstein Frankfurt am Main 1989 unveranderter Nachdruck der Erstausgabe im Sigbert Mohn Verlag Gutersloh 1963 ISBN 3 550 07059 4 Pressestimmen zu Willem de Vries Publikation Sonderstab Musik Michael Walter W de Vries Sonderstab Musik 1999 Buchrezension Fred K Prieberg Handbuch Deutsche Musiker 1933 1945 CD Rom Lexikon Kiel 2004 S 598 Fred K Prieberg Handbuch Deutsche Musiker 1933 1945 CD Rom Lexikon Kiel 2004 S 587 Fred K Prieberg Handbuch Deutsche Musiker 1933 1945 CD Rom Lexikon Kiel 2004 S 582 Quelle BA NS 8 136 Blatt 65 Fred K Prieberg Handbuch Deutsche Musiker 1933 1945 CD Rom Lexikon Kiel 2004 S 587 mit Bezug auf Eric Werner Mendelssohn Leben und Werk in neuer Sicht Zurich 1980 Anthony Lewis Facing the Music In The New York Times 18 Februar 1982 Willem de Vries Sonderstab Musik Amsterdam 1996 S 193 195 Willem de Vries Kunstraub im Westen Fischer TB 2000 S 258 271 274 Gerd Nauhaus Tendenzen der Schumann Forschung E Text im schumann portal de in Ulrich Tadday Hg Schumann Handbuch Stuttgart 2006 Metzler hier S 4 und 5 Normdaten Person GND 118660934 lobid OGND AKS LCCN n81132073 VIAF 100160470 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Boetticher WolfgangKURZBESCHREIBUNG deutscher MusikwissenschaftlerGEBURTSDATUM 19 August 1914GEBURTSORT Bad EmsSTERBEDATUM 7 April 2002STERBEORT Gottingen Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Wolfgang Boetticher amp oldid 237800667