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Wiener Klangstil ist ein relativ neuer Sammelbegriff fur Eigenschaften die den speziellen Klang der Wiener Orchester ausmachen Der Begriff bezeichnet die spezifische Art der Interpretation von Werken der Orchester und Kammermusikliteratur durch Wiener und zum Teil osterreichische Orchester die sich bezuglich der stilistischen Ausfuhrung und der klanglichen Praferenzen von internationalen Gepflogenheiten deutlich unterscheidet Inhaltsverzeichnis 1 Entstehung 2 Wiener Orchesterinstrumente 2 1 Merkmale bei Blasern 2 2 Merkmale beim Schlagwerk 2 3 Merkmale bei Streichern 3 Allgemeine Merkmale 4 Einzelnachweise 5 WeblinksEntstehung BearbeitenDie Wiener Musiker machten nicht alle instrumententechnischen Neuerungen in der zweiten Halfte des 19 Jahrhunderts mit die auf ein grosseres Klangvolumen und leichtere Spielbarkeit abzielten Der Begriff Wiener Klangstil findet sich erstmals 1966 in einem Schreiben des damaligen Prasidenten der Akademie fur Musik und darstellende Kunst Wien Hans Sittner an das Bundesministerium in dem er die Neugrundung eines wissenschaftlichen Instituts fur Wiener Klangstil beantragte 1973 erfolgte die Herausgabe eines dreibandigen handschriftlich abgefassten Werkes Der Wiener Blaserstil durch Hans Hadamowsky in dem erstmals die Besonderheiten der Wiener Musiziertradition zum damaligen Zeitpunkt aus uberwiegend subjektiver Sicht schriftlich festgelegt und definiert wurden 1980 folgten Untersuchungen auf naturwissenschaftlicher Basis zu den baulichen akustischen und spieltechnischen Besonderheiten der Wiener Oboe 1 des Wiener Horns 2 3 und der Wiener Pauke 4 Zahlreiche nationale vor allem aber internationale Publikationen verankerten den Begriff Wiener Klangstil im In und Ausland Schliesslich wurde im Jahr 2006 der Begriff Wiener Klangstil zur Umschreibung der Charakteristiken des Wiener Musizierstils von Gregor Widholm im Oesterreichischen Musiklexikon Bd 5 5 definiert Wiener Orchesterinstrumente BearbeitenDer Wiener Klangstil zieht ein breites Spektrum von Klangfarben einem grundsatzlich homogenen Klang vor dafur wird eine unbequemere Spielweise in Kauf genommen Dass der heutige exakt dem authentischen Klang der Wiener Klassik entspreche lasst sich aufgrund der zahlreichen Veranderungen in der Zwischenzeit allerdings nicht sagen Merkmale bei Blasern Bearbeiten Sparsamer und gezielter Einsatz des Vibratos als Ausdrucksmittel und nicht generell als Stilmittel Praferenz fur Instrumente die eine starke Klangfarbenanderung in Abhangigkeit von der gespielten Dynamik ermoglichen Bei Oboe Waldhorn Posaune und Tuba aufgrund der engeren Mensur beziehungsweise bei den Holzblasinstrumenten aufgrund eines leichteren Rohrblattes generell eine hellere teiltonreichere Klangfarbe Bei Klarinette und Trompete ist eine gegenuber dem international ublichen Instrumentarium wesentlich dunklere teiltonarmere Klangfarbung charakteristisch Merkmale beim Schlagwerk Bearbeiten Bei Pauken und Trommeln werden ausschliesslich und nur in Wien Ziegenfelle eingesetzt Durch die bei diesen Fellen starker ausgepragten radialen Schwingungsmoden ist der Anteil der tonalen Komponenten im Klang der Wiener Pauke wesentlich hoher Daruber hinaus ist eine an die Eigenschaften des Fells angepasste Wahl des Materials des Schlagelkopfes und der Schlagelhaltung feststellbar Merkmale bei Streichern Bearbeiten Es gibt keine Unterschiede zum Instrumentarium anderer internationaler Orchester die Merkmale des Wiener Streicherklanges beruhen ausschliesslich auf der Komponente Mensch Bei den meisten Streichinstrumenten sind von der Zeit der Wiener Klassik bis heute durchgehend Streicherschulen nachweisbar in denen die Lehrer selbst Konzertmeister der grossen Wiener Orchester waren und nach dem Meister Schuler Prinzip die Musiziertradition kontinuierlich weitergaben Davon unabhangig ist das Anwenden von kammermusikalischen Prinzipien im Orchesterspiel und der Einfluss bohmischer tschechischer und russischer Streicherschulen ein wesentliches Kennzeichen des Wiener Streicherklanges Allgemeine Merkmale BearbeitenStilistisch liegen die Wurzeln des Wiener Klangstils in den Interpretationsregeln der Wiener Klassik durchsetzt mit Einflussen der deutschen Romantik Was die Klangfarbe betrifft so liegt die Praferenz eindeutig bei Instrumenten welche den Musikern eine gezielte Gestaltung der Klangfarbe in Abhangigkeit vom musikalischen Kontext 6 erlauben So wie der Mensch selbst ist aber auch die stilistische und klangliche Charakteristik eines Orchesters einem kontinuierlichen Wandel unterworfen Am Beispiel des Gebrauchs des Vibratos bei den Streichern der Wiener Philharmoniker im Laufe des 20 Jahrhunderts kann dieser permanente Evolutionsprozess nachvollzogen werden Der Wiener Klangstil ist daher etwas sich Veranderndes Unverandert bleibt jedoch das Festhalten an den klanglichen und stilistischen Grundprinzipien Dieses Festhalten ist der Grund fur das besondere nur in Wien verwendete Instrumentarium bei den Blasinstrumenten Im Laufe der zweiten Halfte des 19 Jahrhunderts wurden alle Orchesterinstrumente einer Modifikation in Richtung grosserer Lautstarke Schallleistung unterworfen Bei den Holz und Blechblasinstrumenten erfolgte zusatzlich aufgrund der gestiegenen technischen Anforderungen uberhaupt eine Neukonstruktion Bei Trompeten setzte sich endgultig die Ventilversion beim Horn das Doppelhorn Erfindung durch Eduard Kruspe vor 1900 durch Auffallend ist dass die Wiener Orchester alle Instrumente bei welchen die komfortablere Spielbarkeit im Zuge der Neukonstruktion zu Lasten der klanglichen Differenzierbarkeit ging ablehnten und auch heute noch ablehnen Deutlich zeigt sich dies bei den Holzblasinstrumenten Wahrend weltweit die von Theobald Bohm und Guillaume Triebert in der zweiten Halfte des 19 Jahrhunderts neu konstruierten Instrumente in Verwendung stehen ist die moderne Wiener Oboe nichts anderes als ein modifiziertes Instrument des Dresdner Instrumentenmachers Carl Golde verstorben 1873 Bei Klarinette und Fagott werden leicht modifizierte deutsche Instrumente eingesetzt nur im Falle der Querflote entschied man sich nach langem Zogern erst ab zirka 1930 nach und nach zum Umstieg auf das weltweit verwendete Bohm Modell Grund dafur konnte sein dass wie neuere Untersuchungen zeigten die mit der Querflote produzierte Klangfarbe durchaus ahnlich der Situation bei den Streichinstrumenten nicht so sehr vom Instrument sondern weitestgehend vom Spieler abhangt Beim Waldhorn verzichten die Wiener Orchester auf die leichtere Spielbarkeit und hohere Sicherheit des Doppelhorns um den Vorteil der klanglichen Vielfalt nicht zu verlieren Das Wiener Horn entspricht im Wesentlichen dem Naturhorn der Wiener Klassik mit hinzugefugten Pumpenventilen des Instrumentenmachers Leopold Uhlmann 1806 1878 Bei den Trompeten wird im Gegensatz zu den weltweit eingesetzten Perinet Ventil Instrumenten das alte deutsche Modell mit Drehventilen 7 verwendet die Wiener Tuba in F ist ein eigenstandiger Instrumententypus Lediglich bei den Posaunen folgen die Wiener Orchester der allgemein zunehmenden Verdrangung der heute so genannten Barockposaune obwohl auch hier durch die Wahl engerer Mensuren eine klangliche Praferenz erkennbar ist Bei den Streichinstrumenten hatten die im 19 Jahrhundert vorgenommenen Anderungen grosserer Bassbalken steilerer Winkel des Griffbrettes und hoherer Steg keinen so grossen Einfluss auf das klangliche Verhalten der Instrumente wie bei den Blasinstrumenten Dies durfte auch der Grund fur die Akzeptanz der neuen Instrumente durch die Wiener Orchester gewesen sein Daruber hinaus hangt die mit Streichinstrumenten produzierte Klangfarbe weniger vom Instrument sondern vor allem von der Besaitung historisch mit Darm oder seit ca Mitte des 20 Jahrhunderts mit Stahl aber auch der Spieltechnik ab Der erste naturwissenschaftliche und durch die Teilnahme von weltweit uber tausend Testpersonen auch statistisch ausreichend abgesicherte Beweis fur die Existenz eines bisher nur behaupteten Wiener Klangstils erfolgte 2002 durch Matthias Bertsch 8 Anhand von kauflich erwerbbaren CD Aufnahmen der Wiener Berliner und New Yorker Philharmoniker wurde mit Hilfe von rund 1200 Personen darunter Laien Amateurmusiker professionelle Orchestermusiker Solisten Tonmeister und Studierenden von Musikuniversitaten sowie internationalen Top Dirigenten die einige der verwendeten Aufnahmen selbst leiteten wie zum Beispiel Zubin Mehta oder Seiji Ozawa die Erkennbarkeit der Wiener Philharmoniker im Blindtest untersucht Die Ergebnisse zeigten dass die Horbarkeit im Wesentlichen von der individuellen Horerfahrung und Vertrautheit des Horers mit den klanglichen Besonderheiten sowie der rhythmischen Interpretation abhangt Einzelnachweise Bearbeiten Gregor Widholm Die Wiener Oboe als Teil eines spezifischen orchestralen Klangkonzeptes in Paul W Furst Zur Situation der Musiker in Osterreich Referate der Musik Symposien im Schloss Schlosshof 1989 1993 Institut fur Wiener Klangstil 1994 ISBN 3 900914 00 1 S 169 176 Gregor Widholm G Widholm Horner V Akustik der Horninstrumente in Ludwig Finscher Hrsg Musik in Geschichte und Gegenwart MGG Barenreiter Metzler 1996 ISBN 3 7618 1105 5 S 395 416 Gregor Widholm Das Wiener Horn Sein Klang seine Spieltechnik in Paul W Furst Zur Situation der Musiker in Osterreich Referate der Musik Symposien im Schloss Schlosshof 1989 1993 Institut fur Wiener Klangstil 1994 ISBN 3 900914 00 1 S 99 112 Matthias Bertsch Vibration patterns and sound analysis of the Viennese Timpani in Proceedings of ISMA 2001 Stanzial Domenico Musical and Architectural Acoustics Lab FSSG CNR Venezia 2001 ISBN 88 900646 0 9 S 281 284 Gregor Widholm Wiener Klangstil in R Flotzinger ed Osterreichisches Musiklexikon vol 5 Verlag der Osterr Akademie d Wissenschaften 2006 ISBN 3 7001 3042 2 S 2653 2654 Gregor Widholm Viennese Sound Traditional belief or actual reality Leo S Olschki Editore MMIV 2002 ISBN 88 222 5337 X S 101 110 englisch ISSN 0394 4395 Gregor Widholm Wiener Spezialitaten Besonderheiten der Wiener Orchesterinstrumente in Das Orchester Vol 50 Nr 9 Schott Verlag International8 2002 S 25 32 ISSN 0030 4468 Matthias Bertsch Der Wiener Mythos Der Wiener Orchesterklang Ein Mythos auf dem Prufstein in Das Orchester Vol 50 Nr 9 Schott Verlag International 2002 S 18 24 ISSN 0030 4468 Archivlink Memento vom 22 Juli 2015 im Internet Archive PDF Weblinks BearbeitenInstitut fur Wiener Klangstil Gregor Widholm Wiener Klangstil In Oesterreichisches Musiklexikon Online Ausgabe Wien 2002 ff ISBN 3 7001 3077 5 Druckausgabe Band 5 Verlag der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften Wien 2006 ISBN 3 7001 3067 8 Wiener Oboe Wiener Horn Wiener Trompetentradition Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Wiener Klangstil amp oldid 227918678