www.wikidata.de-de.nina.az
Der Wahlfalschungsskandal von Dachau im Jahre 2002 ist einer der grossten bekannt gewordenen Falle an Wahlfalschung in der Bundesrepublik Deutschland Bei den Kommunal und Oberburgermeisterwahlen wurden Stimmzettel in grosser Anzahl zugunsten einiger Kandidaten der CSU manipuliert Inhaltsverzeichnis 1 Wahlen 1 1 Kreistags und Stadtratswahl 1 2 Oberburgermeisterwahl 2 Verdacht auf Wahlfalschung 2 1 Ermittlungen 2 2 Burgerproteste 2 3 Erste personelle Konsequenzen 2 4 Ansetzung von Nachwahlen 3 Rolle der CSU 4 Nachwahlen 5 Juristische Folgen 6 Siehe auch 7 BelegeWahlen BearbeitenKreistags und Stadtratswahl Bearbeiten Bei der Stadtratswahl am 3 Marz 2002 konnte die CSU 43 3 mit einem grossen Vorsprung vor der Uberparteilichen Burgergemeinschaft UB 18 18 die relative Mehrheit und 18 von 40 Sitzen erreichen Die SPD erreichte 18 15 Prozent der Stimmen Im Kreistag erreichte die CSU eine absolute Mehrheit Oberburgermeisterwahl Bearbeiten Vor der Oberburgermeisterwahl galt Amtsinhaber Kurt Piller UB als grosser Favorit Sechs Jahre zuvor hatte er sich sensationell gegen den Kandidaten der CSU den ehemaligen Sparkassendirektor Wolfgang Aechtner durchsetzen konnen Zwar war Pillers Ansehen durch eine Klage des Personalrats der Stadt Dachau wegen angeblicher Rechtsverletzung seines Gremiums und Meinungsverschiedenheiten mit den fruheren Koalitionspartnern im Stadtrat der SPD und dem Bundnis fur Dachau im Vorfeld der Wahlen gesunken dennoch genoss er innerhalb der Bevolkerung eine grosse Popularitat Bei der Oberburgermeisterwahl erhielt uberraschend der CSU Herausforderer Peter Burgel 39 3 die meisten Stimmen und konnte Piller 38 1 mit einem Vorsprung von 198 Stimmen auf Rang 2 verweisen Da Burgel die absolute Mehrheit verfehlte musste nun die Stichwahl entscheiden Diese gewann er am 17 Marz mit einem Vorsprung von lediglich 73 Stimmen fur sich Verdacht auf Wahlfalschung BearbeitenErmittlungen Bearbeiten Bereits kurz nach den Wahlen kamen Zweifel an dem rechtmassigen Verlauf der Wahlen auf Mitglieder des Bundnisses fur Dachau konnten Kopien von Stimmzetteln vorlegen die im Schriftbild miteinander ubereinstimmten 1 Dies fuhrte zu dem Schluss dass diese von derselben Person ausgefullt sein mussten In den folgenden Ermittlungen der Kriminalpolizei kamen weitere Ungereimtheiten zutage Rund 3 500 Wahlscheine waren aus dem Rathaus abhandengekommen weitere Stimmzettel und Wahlscheine wurden im Altpapier gefunden 2 Weitere Indizien fur eine Falschung waren dass die Ergebnisse der Briefwahl unublich stark von den ubrigen Stimmbezirken abwichen Aber auch Kurt Piller geriet in die Kritik Er soll noch wahrend der Auszahlung der Stimmen durch eine Wahlhelferin auf Ungereimtheiten bei den Stimmzetteln aufmerksam gemacht worden sein und hatte diese daraufhin aufgefordert Kopien von Stimmzetteln anzufertigen Ein Gutachten das im Auftrag der Staatsanwaltschaft Munchen II in Auftrag gegeben wurde kam zu dem Schluss dass die betroffenen Stimmzettel wahrscheinlich von einer Person ausgefullt wurden Neben der Stadtratswahl geriet bei den Ermittlungen auch die Kreistags und Oberburgermeisterwahl zunehmend ins Visier der Ermittlungen In den folgenden Wochen wurde die Bekanntgabe eines endgultigen Wahlergebnisses immer wieder verschoben Einen Dringlichkeitsantrag der SPD mit der Forderung die Wahlen fur ungultig zu erklaren lehnte die CSU Mehrheit im Bayerischen Landtag mit der Begrundung ab dass ein blosser Verdacht von Wahlrechtsverstossen dazu nicht ausreiche Am 30 April wurde das endgultige Wahlergebnis offentlich verkundet 3 Dies bot die Grundlage innerhalb von 14 Tagen angefochten zu werden Oberburgermeister Peter Burgel verteidigte bei seiner Antrittsrede den Wahlausgang Ich stehe heute hier weil ich ordentlich gewahlt worden bin Bei der OB Wahl sah er im Gegensatz zur Stadtratswahl keinerlei Auffalligkeiten 4 Burgerproteste Bearbeiten Zunehmend machte sich auch innerhalb der Bevolkerung Unmut breit So luden Unbekannte in der Freinacht vor dem Dachauer Rathaus einen grossen dampfenden Misthaufen ab 5 Ein von mehreren Parteien ins Leben gerufenes Aktionsbundnis Demokratie fur Dachau sammelte innerhalb kurzer Zeit 3 800 Unterschriften fur Neuwahlen Rund 100 Burger demonstrierten bei der ersten Sitzung des neugewahlten Stadtrates mit Mafia Huten und Bananen gegen die vermutete Wahlfalschung 6 Erste personelle Konsequenzen Bearbeiten Mitte Mai 2002 folgten erste personelle Konsequenzen Der CSU Stadtrat Wolfgang Aechtner legte sein Amt nieder Er begrundete diesen Schritt mit den Verdachtigungen gegen ihn Kurz zuvor hatte ein Zeuge mit eidesstattlicher Versicherung erklart Aechtner sei in die Wahlmanipulationen verwickelt Jener erklarte Aechtner habe durch rund 800 Hausbesuche Wahlbenachrichtigungen eingesammelt um sich Briefwahlunterlagen beschaffen zu konnen Diese habe er daheim mit demselben Kugelschreiber ausgefullt Am 27 Mai wurde Aechtner festgenommen 7 Der ermittelnde Oberstaatsanwalt sah sich zu diesem Schritt gezwungen da Verdunkelungsgefahr bestehe Aechtner habe auf Zeugen und Beweismittel eingewirkt Spater wurde er auf eigenen Wunsch aus gesundheitlichen Grunden aus dem Stadtrat entlassen Am 7 Juni wurde auch der Stadtrat Georgios Trifinopoulos CSU festgenommen 8 Er soll ebenso wie Aechtner in die Manipulationen verwickelt sein 9 Nachdem Aechtner ein Gestandnis abgelegt hatte wurde gegen ihn spater auch gegen Trifinopoulos Anklage erhoben Die Ermittlungen gegen vier weitere Tatverdachtige wurden wieder eingestellt Daruber hinaus hat Aechtner einem Zeitungsbericht der Suddeutschen Zeitung nach zugegeben bereits zum vierten Mal seit 1984 bei den Dachauer Kommunalwahlen manipuliert zu haben 10 Ansetzung von Nachwahlen Bearbeiten Nachdem im Juni 2002 das Landratsamt und die Regierung von Oberbayern die Ergebnisse der Stadtrats und Kreistagswahl annulliert hatten stand eine Entscheidung uber eine OB Nachwahl aus 8 Neben dem Bayerischen Landtag der mit der Mehrheit der CSU Fraktion den Antrag auf Wiederholung der OB Wahl abgelehnt hatte und sich somit den Unmut der Opposition zuzog die Stoiber als Handlanger der Wahlfalscher bezeichnete lehnte auch Burgel trotz des internen und offentlichen Drucks einen Rucktritt ab 11 Allerdings wurde die Wahl durch eine Weisung der Regierung von Oberbayern doch noch nachtraglich fur ungultig erkannt Somit war auch der Weg fur die Oberburgermeister Nachwahl frei Die Tatsache dass die Wahlen nur wiederholt werden sollten sorgte fur weiteren Streit da im Gegensatz zu Neuwahlen die Kandidatenlisten nicht verandert werden konnten und somit auch die gestandigen Aechtner und Trifinopoulos kandidieren wurden So weigerten sich einige CSU Kandidaten zunachst zusammen mit Wahlbetrugern auf einer Liste zu kandidieren Rolle der CSU BearbeitenDie CSU versuchte lange Zeit die Bedeutung des Wahlbetruges der ausschliesslich zugunsten einiger Kandidaten der CSU stattfand herunterzuspielen und weigerte sich die Wahlen fur ungultig erklaren zu lassen 12 Auch in anderen Gremien wurde der Weg zu Neuwahlen lange blockiert und stets auf die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft verwiesen Erst als die Manipulationen erwiesen waren zog die CSU Ortsvorsitzende Gertrud Schmidt Podolsky Konsequenzen und trat zuruck Daruber hinaus erklarte die CSU aber die Partei sei nicht als Ganze davon betroffen es handele sich ausschliesslich um das kriminelle Handeln Einzelner Zwar erhob der unterlegene Oberburgermeisterkandidat Piller Vorwurfe gegen die CSU und die Stadtverwaltungen es gebe ein Netzwerk und Mittelsmanner in der Stadtverwaltung doch konnte dies weder bewiesen noch widerlegt werden Die Bemuhungen der Opposition auf Kommunal und Landesebene den Skandal auf die Gesamtpartei und Vorsitzenden Edmund Stoiber zu ubertragen und somit die eigene Position im Wahljahr 2002 zu verbessern schlugen fehl Ein von der SPD im Mai 2003 in den Bayerischen Landtag eingebrachter Gesetzesentwurf zukunftig bei Nachwahlen auch neue Kandidaten nominieren zu konnen wurde von der CSU Mehrheit abgelehnt 13 Nachwahlen Bearbeiten nbsp Grafische Darstellung der Nachwahlergebnisse zum Dachauer StadtratAm 22 September 2002 fanden die Nachwahlen zum Dachauer Kreistag und Stadtrat statt Bei einer Wahlbeteiligung die rund 20 Prozentpunkte hoher lag als bei der Wahl im Marz musste die CSU nur geringe Verluste verzeichnen Auf sie entfielen im Stadtrat 39 5 Prozent 3 8 der Stimmen und somit 16 Sitze 2 Sitze Die Uberparteiliche Burgergemeinschaft und die SPD gewannen leicht und erhielten jeweils einen Sitz hinzu Bei der Kreistagswahl bekam die CSU 43 3 Prozent auf den zweiten Platz kam die SPD mit 20 8 Prozent Partei Stadtratswahl Nachwahl StadtratCSU 43 30 18 Sitze 39 53 16 Sitze Uberpart Burgergemeinschaft 18 18 8 Sitze 21 03 9 Sitze SPD 18 15 7 Sitze 20 56 8 Sitze Bundnis fur Dachau 9 65 4 Sitze 8 46 3 Sitze Freie Wahler Dachau 4 18 1 Sitz 4 34 2 Sitze Republikaner 4 13 1 Sitz 3 01 1 Sitz FDP 2 41 1 Sitz 3 06 1 Sitz Am 16 Februar 2003 wurde auch die Stichwahl des Oberburgermeisters wiederholt Hier konnte sich Peter Burgel mit 1 221 Stimmen Vorsprung 54 0 deutlich gegen Piller durchsetzen und wurde somit rechtmassig Oberburgermeister der Stadt Dachau Kandidat Partei Ergebnis 3 Marz 2002 Stichwahl 17 Marz 2002 Nachwahl 16 Februar 2003Peter Burgel CSU 6 656 Stimmen 39 28 7 706 Stimmen 50 24 8 182 Stimmen 54 03 Kurt Piller UB 6 458 Stimmen 38 11 7 633 Stimmen 49 76 6 961 Stimmen 45 97 Katharina Ernst SPD 2 547 Stimmen 15 03 Lilian Schlumberger Dogu Bundnis 779 Stimmen 4 60 Robert Konopka Republikaner 505 Stimmen 2 98 Juristische Folgen BearbeitenNach rund sechsmonatigen Untersuchungen wurde gegen Aechtner und Trifinopoulos Anklage erhoben Da diese schon wahrend der Untersuchungshaft Gestandnisse abgelegt hatten fielen die Prozesse nach Vorabsprachen zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung vergleichsweise unspektakular aus Ende Januar 2003 wurde Aechtner wegen Wahlfalschung in 466 Fallen und zusatzlich wegen versuchter Wahlfalschung in 38 Fallen zu einer zweijahrigen Bewahrungsstrafe und einer Geldauflage von 125 000 Euro verurteilt Neben dem Einsammeln von Wahlunterlagen bei Hausbesuchen soll er auch in einem Fall Briefunterlagen gestohlen haben Auch bei der Oberburgermeister Stichwahl manipulierte Aechtner in sechs Fallen 14 Trifinopoulos wurde im Mai in 140 Fallen der Wahlfalschung und 35 facher Anstiftung zur Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung fur schuldig erklart und zu 15 Monaten Bewahrungsstrafe und 15 000 Euro Schadensersatz verurteilt 15 Am 4 Oktober 2004 verurteilte die 3 Zivilkammer des Landgerichts Munchen II die beiden Wahlfalscher zu Zahlung der Kosten fur die Nachwahlen an die Stadt und den Kreis Dachau Am 8 August 2006 wurde der finanzielle Schaden vom Landgericht Munchen II auf zusammen rund 116 300 Euro beziffert die Aechtner und Trifinopoulos zahlen mussen 16 Siehe auch BearbeitenUnzulassige Wahlbeeinflussung Stendaler WahlbetrugBelege Bearbeiten Verdachtige Schriftzeichen in Suddeutsche Zeitung 23 Marz 2002 S 63 Kripo ermittelt im Dachauer Rathaus in Suddeutsche Zeitung 20 Marz 2002 S 50 Dachauer Wahlergebnis wird heute offiziell in Suddeutsche Zeitung 30 April 2002 S 56 Dachaus neue OB will geordnete Verhaltnisse in Suddeutsche Zeitung 30 April 2002 S 49 Eine Ladung Mist fur Dachaus Kommunalpolitik in Suddeutsche Zeitung 2 Mai 2002 S 55 Vergiftetes Klima in Dachau in Suddeutsche Zeitung 16 Mai 2002 S 50 Erste Festnahme wegen Dachauer Wahlbetrugs in Suddeutsche Zeitung 28 Mai 2002 S 44 a b Dachauer Wahlen mussen wiederholt werden in Suddeutsche Zeitung 8 Juni 2002 S 58 Die Kommunalwahl in Dachau war gefalscht in Frankfurter Allgemeine Zeitung 10 Mai 2002 S 4 Dachauer Wahlen haufiger gefalscht in Suddeutsche Zeitung 28 Juni 2002 S 48 Dachauer Wahlskandal entzweit den Landtag in Suddeutsche Zeitung 14 Juni 2002 S 48 Viele Lokalpossen keine Affaren in Frankfurter Allgemeine Zeitung 13 Juli 2002 S 3 CSU lehnt Anderung des Wahlgesetzes wegen Dachauer Skandal ab dpa 22 Mai 2003 Der Wahlfalschung in 466 Fallen angeklagt in Suddeutsche Zeitung 27 Januar 2003 S 47 Bewahrungsstrafe fur Wahlfalscher in Suddeutsche Zeitung 7 Mai 2003 S 51 Dachauer Wahlfalscher mussen mehr als 116 000 Euro zahlen in Suddeutsche Zeitung 8 August 2006 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Wahlfalschungsskandal von Dachau amp oldid 239250529