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Unehrliche Berufe waren in der Standegesellschaft des europaischen Mittelalters und bis weit in die fruhe Neuzeit Erwerbsweisen ohne gesellschaftlich zuerkannte Ehrbarkeit Inhaltsverzeichnis 1 Uberblick 2 Gesellschaftlicher Hintergrund 3 Siehe auch 4 Literatur 5 EinzelnachweiseUberblick BearbeitenIn der fruhneuzeitlichen Gesellschaft waren die Unbescholtenheit des Leumunds und die personliche Ehre ein wesentliches soziales Kapital Sie begrundeten den Status in der jeweiligen sozialen Gruppe wie insgesamt in der kommunalen Gemeinschaft 1 Andererseits zog deren Verlust durch Infamierung soziale Ausgrenzung und damit einhergehend Stigmatisierung in unterschiedlichen Graden nach sich Unehrliche Berufe trugen den Makel der gesellschaftlichen Verachtung Unehrlich bedeutete anders als heute nicht betrugerisch sondern ehrlos nicht ehrenwert ohne standisches Ansehen Die Vorstellungen daruber was Ehrlosigkeit ausmachte welche Tatigkeiten zu den unehrlichen zu rechnen seien waren nach Raum und Zeit unterschiedlich so dass es einen allgemeingultigen Katalog der unehrlichen Erwerbsweisen nicht geben kann Zu unterscheiden sind unehrliche Leute die durch bestimmte Erwerbsweisen in Verruf gerieten nach drei Kategorien die Angehorigen als unehrlich geltender Gewerbe bzw Handwerke wie Schafer Muller Turmer Bader Leineweber oder Barbiere 2 die Angehorigen des nicht ortsfest lebenden und als herrenlos geltenden Bevolkerungsteils Fahrendes Volk wie Lumpensammler Spielleute Kesselflicker oder Hausierer Anbieter von unreinen Dienstleistungen die mit Schmutz Strafe und Tod zu tun hatten wie Gassenkehrer Buttel Kohler Abdecker Totengraber oder Scharfrichter 3 4 Gesellschaftlicher Hintergrund BearbeitenIn der feudalen Standeordnung stehen die Angehorigen unehrlicher Tatigkeitsgruppen als Unterstandische am standegesellschaftlichen Rand Ihren Pariastatus konnten sie nur sehr schwer uberwinden Ein ihnen aufgenotigtes endogames Heiratsmuster das Verbot der Ausubung gesellschaftlich anerkannter Berufe das damit einhergehende Zugangsverbot zu den Zunften haufig auch schlicht Armut hielten diesen Status aufrecht und verhinderten den Wechsel in andere soziale Schichten Immer neuen Zuzug erhielten sie von Absteigern aus dem sesshaften Unterschichtenmilieu 5 6 Wer in eine Familie mit unehrlichem Beruf hineingeboren wurde wurde darin in der Regel zeitlebens festgehalten Fliessend waren die Ubergange in das Milieu der rechtlich gesellschaftlich und wirtschaftlich ausgeschlossenen Menschen herrenloses Gesindel Janhagel aus der Mehrheitsbevolkerung die keinem Untertanenverband angehorten und zur Dauermigration gezwungen waren Sie mussten ihr Leben mit Betteln und mit wenig angesehenen oder verachteten Noterwerbsmethoden wie ambulant ausgeubtem Flickhandwerk Hausierhandel und Dienstleistungen mit niedrigem Status Scherenschleiferei Maulwurffang Kammerjagertatigkeit zu bestreiten versuchen Ein legendarer Reprasentant dieser vagierenden unterstandischen und ausserstandischen Bevolkerung war in Westdeutschland gegen Ende des 18 Jahrhunderts der Schinderhannes Johannes Buckler der als Sohn eines Abdeckers als Hausierer tatig war Eine besondere Position nahmen die Abdecker und die Scharfrichter Nachrichter ein Zwar standen auch sie in der gesellschaftlichen Rangordnung ganz unten Dafur steht das Verbot des offentlichen sozialen Kontakts wie es in einem separaten Tisch im Gasthaus oder in der Lage des Wohnhauses ausserhalb der Stadtmauer Ausdruck fand Andererseits waren vor allem Scharfrichter die auch fur die Durchfuhrung der Tortur verantwortlich waren gute Kenner des menschlichen Korpers und abweichender Korperverfassungen Ihre medizinischen Kompetenzen waren gefragt sie traten hierdurch in Konkurrenz zu Badern und Arzten und es kam im 18 Jahrhundert wiederholt zu Verordnungen in denen ihnen alles innerliche und ausserliche Curieren bei hoher fiscalischer Strafe ganzlich verboten oder nur unter bestimmten Auflagen erlaubt wurde 7 Nachdem im Laufe des 18 Jahrhunderts der Rechtsstatus der Unehrlichkeit allgemein und auch in ihrem Fall aufgehoben wurde wechselten sie oder ihre Sohne nicht selten in den Beruf des Arztes Unter den Angehorigen unehrlicher Berufe traten Roma nur sehr selten in Erscheinung Als Scharfrichter oder Abdecker sind sie nicht belegt Jenische Familiennamen findet man hingegen in den einschlagigen Quellen So war z B Jacob Peter Huber 1771 ein Stammvater des jenischen Politikers Robert Huber Wasenmeister im bundnerischen Oberhalbstein 8 Siehe auch BearbeitenParia Buraku in Japan Literatur BearbeitenWerner Danckert Unehrliche Leute Die verfemten Berufe 2 Auflage Francke Bern und Munchen 1979 ISBN 3772014518 Richard van Dulmen Der ehrlose Mensch Unehrlichkeit und soziale Ausgrenzung in der Fruhen Neuzeit Koln Weimar Wien 1999 ISBN 3 412 12498 2 Franz Irsigler Arnold Lassotta Bettler und Gaukler Dirnen und Henker Randgruppen und Aussenseiter in Koln 1300 1600 Koln 1984 Robert Jutte Arme Bettler Beutelschneider Eine Sozialgeschichte der Armut in der Fruhen Neuzeit Weimar 2000 ISBN 3 7400 1118 1 Angelika Kopecny Fahrende und Vagabunden Berlin West 1980 ISBN 3 8031 2068 3 Karl Sigismund Kramer Ehrliche unehrliche Gewerbe In Handworterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 1 Auflage Band 1 Erich Schmidt Verlag Berlin 1971 Sp 855 858 Jutta Nowosadtko Scharfrichter und Abdecker Der Alltag zweier unehrlicher Berufe in der Fruhen Neuzeit ISBN 3 506 76115 3 Jutta Nowosadtko Betrachtungen uber den Erwerb von Unehre Vom Widerspruch moderner und traditionaler Ehren und Unehrenkonzepte in der fruhneuzeitlichen Standegesellschaft In Ludgera Vogt Arnold Zingerle Hrsg Ehre Archaische Momente in der Moderne Frankfurt am Main 1994 ISBN 3 518 28721 4 S 230 248 Snezana Popovic Berufsprestige und der Transformationsprozess in Deutschland Eine Arbeit uber die heterogene Prestigebewertung von Berufen Saarbrucken 2008 ISBN 978 3 639 00235 5 Martin Rheinheimer Arme Bettler und Vaganten Uberleben in der Not 1450 1850 Frankfurt am Main 2000 ISBN 3 596 60131 2 Bernd Roeck Aussenseiter Randgruppen Minderheiten Fremde im Deutschland der fruhen Neuzeit Gottingen 1993 ISBN 3 525 33591 1 Herbert Schempf Ehrliche Gewerbe unehrliche Gewerbe In Handworterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 2 vollig uberarbeitete und erweiterte Auflage Band 1 Erich Schmidt Verlag Berlin 2008 Sp 1236 1240 Ernst Schubert Arme Leute Bettler und Gauner im Franken des 18 Jahrhunderts Neustadt a d Aisch 1983 ISBN 3 7686 9068 7 Ernst Schubert Mobilitat ohne Chance Die Ausgrenzung des fahrenden Volkes In Winfried Schulze Hrsg Standische Gesellschaft und soziale Mobilitat Munchen 1988 ISBN 3 486 54351 2 S 113 164 Anne Marie Dubler Unehrliche Berufe In Historisches Lexikon der Schweiz 25 Januar 2013 Einzelnachweise Bearbeiten Zu den folgenden Aussagen siehe zusammenfassend Richard van Dulmen Der ehrlose Mensch Unehrlichkeit und soziale Ausgrenzung in der Fruhen Neuzeit Koln Weimar Wien 1999 Jost Schneider Sozialgeschichte des Lesens zur historischen Entwicklung und sozialen Differenzierung der literarischen Kommunikation in Deutschland Walter de Gruyter Berlin 2004 ISBN 3 11 017816 8 S 154 Richard van Dulmen Der ehrlose Mensch Unehrlichkeit und soziale Ausgrenzung in der Fruhen Neuzeit Koln Weimar Wien 1999 S 24 f Wolfgang Oppelt Uber die Unehrlichkeit des Scharfrichters unter bevorzugter Verwendung von Ansbacher Quellen Phil Dissertation Wurzburg 1976 Lengfelder Libellen 1 Jurgen Kocka Weder Stand noch Klasse Unterschichten um 1800 Bonn 1990 S 108 Wolfgang Seidenspinner Jenische Zur Archaologie einer verdrangten Kultur In Beitrage zu Volkskunde in Baden Wurttemberg 8 1993 S 81 f Julius Gustav Alberti Der Stand der Arzte in Preussen F A Brockhaus Leipzig 1846 S 53 f Willi Wottreng Zigeunerhauptling Orell Fussli Verlag Zurich 2010 ISBN 978 3 280 06121 3 S 73 Normdaten Sachbegriff GND 4186844 4 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Unehrlicher Beruf amp oldid 235397748