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Als Thermoosmose englisch thermal osmosis wird in den Naturwissenschaften der Stofftransport durch Membranen unter Einwirkung eines Temperaturgefalles bezeichnet 1 Im Gegensatz zur Osmose unter isothermen Bedingungen tritt hier Materialtransport auch in Einstoffsystemen auf 2 Thermoosmose ist ein Spezialfall der Thermophorese oder Thermodiffusion und kann Flussigkeiten und Gase umfassen Im Bergbau bezieht sich der Begriff auf die Bewegung des Wassers von einem warmeren zu einem kalteren Bereich des Erdreichs 3 Die Begriffe Thermoosmose und thermische Transpiration werden oft synonym gebraucht 4 Inhaltsverzeichnis 1 Entdeckungsgeschichte 1 1 Erstmalige Beschreibung durch Reynolds 1 2 Thermoosmose in Flussigkeiten 2 Grundlagen 2 1 Thermoosmotische Permeabilitat 2 1 1 Vorzeichen und Temperaturabhangigkeit 2 1 2 Proportionalitat zur Uberfuhrungswarme 2 2 Osmotische Temperatur 3 Osmotischer Thermoeffekt 4 Biologische Bedeutung 4 1 Historische Diskussion 4 2 Thermoosmotischer Sauerstofftransport bei Pflanzen 5 Literatur 6 EinzelnachweiseEntdeckungsgeschichte BearbeitenErstmalige Beschreibung durch Reynolds Bearbeiten 1897 beschrieb der britische Physiker Osborne Reynolds ein Phanomen das er als thermische Transpiration engl thermal transpiration bezeichnete 5 Er verstand darunter den Fluss eines Gases durch eine porose Platte verursacht durch eine Temperaturdifferenz zwischen ihren beiden Seiten Bei ursprunglich gleichem Druck des Gases auf beiden Seiten bewegt sich das Gas von der kalteren zur warmeren Seite Dadurch erhoht sich dort der Gasdruck auf der warmeren Seite sofern die Platte fixiert ist und sich nicht bewegen kann Das thermische Gleichgewicht ist erreicht sobald die Drucke zueinander im selben Verhaltnis stehen wie die Quadratwurzeln der absoluten Temperaturen 6 Der von Reynolds beschriebene Effekt widerspricht der unmittelbaren Intuition Verursacht wird er durch Tangentialkrafte zwischen den Gasmolekulen und den Porenwanden der Platte Das Gas verhalt sich ahnlich wie suprafluides Helium keine Viskositat das sehr schnell zu der warmeren Region stromt wenn eine Kapillare in den Behalter getaucht wird Dieser Springbrunneneffekt wurde 1938 erstmals beschrieben 7 Thermoosmose in Flussigkeiten Bearbeiten Der Nachweis dass Thermoosmose in Flussigkeiten auftritt gelang 1907 dem franzosischen Physiker und Nobelpreistrager Gabriel Lippmann 8 Grundlagen BearbeitenThermoosmotische Permeabilitat Bearbeiten Der Stofftransport bei der Thermoosmose kann fur ein Einstoffsystem durch folgende Flussgleichung beschrieben werden J 1 B q d D T D p 0 D x 1 0 displaystyle J 1 B cdot frac q delta cdot Delta T qquad Delta p 0 Delta x 1 0 nbsp Dabei sind J1 der Stofffluss der Komponente 1 in mol s 1 B die thermoosmotische Permeabilitat in mol K 1 m 1 s 1 q der Querschnitt der Membranflache in m d die Dicke der Membran in m und DT die Temperaturdifferenz in K Durch die Thermoosmose stellt sich bei anfangs gleichem Druck zwischen beiden Phasen ein Druckunterschied ein dabei weist die Seite zu der hin der Stofftransport erfolgt den hoheren Druck auf Durch den nun anliegenden Druckunterschied zwischen beiden Phasen kommt es zur Permeation in die Gegenrichtung und schliesslich zum Verschwinden des Materiestroms J1 0 sobald sich ein stationarer Zustand einstellt D p D T s t a t B A displaystyle left frac Delta p Delta T right mathrm stat frac B A nbsp Diese stationare Druckdifferenz wird als thermoosmotische Druckdifferenz bezeichnet Dabei ist A die isotherme Permeabilitat der Membran in mol kg 1 s die den Stofftransport aufgrund eines Druckunterschieds beschreibt J 1 A q d D p D T 0 D x 1 0 displaystyle J 1 A cdot frac q delta cdot Delta p qquad Delta T 0 Delta x 1 0 nbsp mit der Druckdifferenz Dp in Pa Vorzeichen und Temperaturabhangigkeit Bearbeiten Die thermoosmotische Permeabilitat kann je nach Stoffkomponente und Art der Membran positive oder negative Werte annehmen entsprechend wird sich der Druck auf der warmeren oder kalteren Seite des Systems erhohen In Systemen bei denen Gas durch eine Gummimembran unterteilt wird stromt Kohlenstoffdioxid zur warmeren Seite B gt 0 positive thermoosmotische Permeabilitat wahrend Wasserstoff den Druck auf der kalteren Seite erhoht B lt 0 negative thermoosmotische Permeabilitat 9 10 11 Besteht das System aus Wasser und einer Zellophanmembran Cellophan 600 so nimmt die thermoosmotische Permeabilitat mit steigender Temperatur stetig ab bis bei ungefahr 56 C Vorzeichenumkehr auftritt und bei hoheren Temperaturen ihre Werte negativ sind Dabei wurden Werte im Bereich von 6 5 10 10 mol K 1 m 1 s 1 bei 10 7 C bis 11 7 10 10 mol K 1 m 1 s 1 bei 90 0 C ermittelt 12 Proportionalitat zur Uberfuhrungswarme Bearbeiten Die Uberfuhrungswarme Q und die thermoosmotische Permeabilitat sind im stationaren Zustand zueinander proportional Q B A T V displaystyle Q frac B A cdot T cdot bar V nbsp dabei ist Q die Uberfuhrungswarme in J mol 1 und V displaystyle bar V nbsp das partielle Molvolumen in m3 mol 1 Die Uberfuhrungswarme hat im Allgemeinen das gleiche Vorzeichen wie die thermoosmotische Permeabilitat In dem System aus Wasser und Cellophan 600 zeigt sie wie diese eine Vorzeichenumkehr bei 56 C dabei wurden fur die Uberfuhrungswarme Werte von 11 9 J mol 1 bei 10 7 C bis 5 7 J mol 1 bei 90 0 C gemessen 12 Osmotische Temperatur Bearbeiten Liegt ein System mit mehr als einer Stoffkomponente vor so kann die thermoosmotische Druckdifferenz zu einer stationaren Konzentrationsdifferenz zwischen beiden Phasen fuhren D T D x 1 stat D B displaystyle left frac Delta T Delta x 1 right text stat frac D B nbsp Dabei is D der osmotische Diffusionskoeffizient in m2 s 1 der die Flussgleichung fur den isotherm isobaren Stofftransport uber eine Membran charakterisiert J 1 D q d D x 1 D T 0 D p 0 displaystyle J 1 D cdot frac q delta cdot Delta x 1 qquad Delta T 0 Delta p 0 nbsp mit der Stoffmengendifferenz Dx1 der Komponente 1 in mol m 3Die stationare Temperaturdifferenz DT in diesem Fall wird als osmotische Temperatur bezeichnet Osmotischer Thermoeffekt BearbeitenZeigt eine Membran fur eine Stoffkomponente Thermoosmose ihre thermoosmotische Permeabilitat ist also ungleich 0 so kommt es bei ursprunglich gleicher Temperatur der beiden Phasen zu einem Warmetransport wenn durch die Wirkung einer Druck oder Konzentrationsdifferenz Stofftransport uber die Membran stattfindet Diese Erscheinung wird als osmotischer Thermoeffekt bezeichnet er wurde bei flussigen Helium experimentell nachgewiesen und ist auch unter dem Namen mechanokalorischer Effekt bekannt er ist die Umkehrung des Springbrunneneffekts 2 Biologische Bedeutung BearbeitenHistorische Diskussion Bearbeiten Die Bedeutung der Thermoosmose fur biologische Systeme wurde von Spanner 1954 diskutiert Er schatze die Uberfuhrungswarme von Wasser uber pflanzliche Zellmembranen auf ca 4 060 J mol 1 unter Annahme von Standardwerten fur die mittlere Temperatur und das Molvolumen von Wasser wurde eine Temperaturdifferenz von 0 01 K eine stationare Druckdifferenz von 134 kPa hervorrufen Ob allerdings eine 10 nm dicke Membran einen solchen Temperaturgradienten von 1 000 K pro mm aufrechterhalten kann war nicht bekannt Da aber andererseits in einer Zelle zahlreiche energieverbrauchende oder produzierende Reaktionen ablaufen konnte nicht ausgeschlossen werden dass Thermoosmose eine Rolle beim Membrantransport uber biologische Membranen hat 13 Thermoosmotischer Sauerstofftransport bei Pflanzen Bearbeiten Nachgewiesen wurde Sauerstofftransport aufgrund von Thermoosmose bei Pflanzen die in sauerstoffarmer Umgebung wurzeln wie der Gelben Teichrose oder der Schwarz Erle 14 Literatur BearbeitenA Katchalsky Peter F Curran Nonequilibrium Thermodynamics in Biophysics Band 13 2 Thermal Osmosis Harvard University Press Cambridge 1965 Christoph Steinert Thermoosmose in Flussigkeiten Dissertation an der Technischen Hochschule Aachen 1958 DNB 480000727 Masayasu Tasaka Thermal membrane potential and thermoosmosis across charged membranes In Pure Appl Chem Vol 58 1986 S 1637 1646 PDF bei iupac org 214 kB Karl Wirtz Kinetische Theorie der Thermoosmose Thermodiffusion durch Membranen Zeitschrift fur Naturforschung A Vol 3 Ausgabe 7 1948 S 380 386 Einzelnachweise Bearbeiten M Aubert Thermoosmosis In Ann Chim Physique Band 26 Nr 8 1912 S 145 a b Christoph Steinert Thermoosmose in Flussigkeiten Dissertation an der Technischen Hochschule Aachen 1958 DNB 480000727 Definition bei Webster s Online Dictionary engl Memento vom 2 Dezember 2008 im Internet Archive Wolfgang Grosse The mechanism of thermal transpiration thermal osmosis In Aquatic Botany Band 54 Nr 2 3 1996 S 101 110 doi 10 1016 0304 3770 96 01038 8 Osborne Reynolds Note on thermal transpiration 1879 In Papers on Mechanical and Physical Subjects Vol 1 1869 1882 Phill Gibbs How does a light mill work 1996 bei Usenet Physics FAQ J F Allen H Jones Superfluidity II the fountain effect In Nature Band 141 1938 S 243f G Lippmann In Compt rend Acad Sci Band 145 1907 S 104 K G Denbigh Thermo osmosis of Gases through a Membrane In Nature Band 163 1949 S 60 K G Denbigh G Raumann Thermo osmosis of Gases Through a Membrane In Nature Band 165 1950 S 199f K G Denbigh G Raumann In Proc Royal Soc A 210 1951 377 518 a b Hans Joachim de Greiff Thermoosmose und Permeation von Flussigkeiten durch Cellophan Membranen Dissertation an der Technischen Hochschule Aachen 1971 D C Spanner In Symp soc Exptl Biol Band 8 1954 S 76 Peter Schroder Thermoosmotischer Sauerstofftransport in Nuphar lutea L und alnus glutinosa Gaertn und seine Bedeutung fur ein Leben in anaerober Umgebung Inaugural Dissertation Universitat Koln 1986 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Thermoosmose amp oldid 212702066