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Als motivisch thematische Arbeit wird ein Kompositionsverfahren bezeichnet bei dem ein Musikstuck aus wenigen Themen oder Motiven entwickelt wird Zur Wiederholung etwa von Leitmotiven muss eine Abwandlung Verarbeitung hinzutreten damit von motivisch thematischer Arbeit gesprochen werden kann Dabei spielt die Okonomie der verwendeten Motive eine Rolle Die ideale motivisch thematische Arbeit wie sie um etwa 1900 verstanden wurde soll beliebige bloss dekorative Floskeln verhindern indem sich alle Bestandteile des Musikstucks auf einen gemeinsamen Kern zuruckfuhren lassen der ihren Zusammenhang ausmacht Die motivisch thematische Arbeit richtet sich gegen andere repetitive improvisatorische oder bewusst bruchige Kompositionsverfahren wie die Montage oder Collage Inhaltsverzeichnis 1 Begriffsgeschichte 1 1 Thematische Arbeit 1 2 Motivische Arbeit 2 LiteraturBegriffsgeschichte BearbeitenThematische Arbeit Bearbeiten Der Begriff thematische Arbeit geht auf das 18 Jahrhundert zuruck In damaligen Kompositionstheorien wurde der Begriff Ausarbeitung als eine grundlegende Kategorie betrachtet Der deutsche Musiktheoretiker Johann Mattheson schrieb in seiner Melodielehre von der dreiteiligen Tatigkeitsfolge inventio Erfindung dispositio Einrichtung und elaboratio Ausarbeitung welche er der antiken Rhetorik entnommen hatte Der Musikkritiker Johann Adolf Scheibe hielt fest dass der Begriff Ausarbeitung alle moglichen Formen der sogenannten Schreibart beinhalte mit welcher aus einem Hauptsatz der die inventio enthalt ein Werk hervorgebracht wird Eine begriffliche Annaherung an die thematische Arbeit geschieht ebenfalls bei Scheibe indem er das Verfahren der Imitation Nachahmung mit dem Wort durcharbeiten umschreibt Scheibe spricht im Zusammenhang mit der Zerteilung eines Hauptsatzes in den Zwischensatzen von einer Durcharbeitung der einzelnen Glieder Dies ist jedoch noch nicht identisch mit dem was im 19 Jahrhundert als thematische Arbeit gilt Die Aussage des Komponisten Friedrich August Baumbach von 1794 dass analog zur Abfassung einer Rede auch in der Musik die Hauptaufgabe eines Komponisten darin bestehe einen zugrundeliegenden Hauptsatz zu bearbeiten ist sachlich eng mit derjenigen Scheibes verknupft Somit war zu Ende des 18 Jahrhunderts durch die Verknupfung des ursprunglich rhetorischen Begriffs Ausarbeitung mit dem musikalischen Hauptsatz die Grundlage zur Schaffung des Begriffs thematische Arbeit gegeben Der Musiktheoretiker Heinrich Christoph Koch bemerkte 1802 im Artikel Contrapunktisch seines Musikalischen Lexikons dass der Begriff kontrapunktisch fur die Kompositionspraxis nicht mehr vollstandig zutreffe und besser durch die Redensart das Stuck ist thematisch gearbeitet ausgedruckt werde In der Folge benutzten weitere Musiktheoretiker wie Gustav Schilling 1838 Isidor Jeitteles 1839 Friedrich Ludwig Schubert 1869 August Reissmann 1878 und Hugo Riemann 1882 den Begriff thematische Verarbeitung beziehungsweise Bearbeitung Johann Daniel Andersch gebrauchte 1829 erstmals den Begriff thematische Arbeit wohl als Substantivierung von Kochs Wendung thematisch gearbeitet Bis zur Mitte des 19 Jahrhunderts hat der Begriff in Fachkreisen allgemeine Bekanntheit erlangt und wird durchgangig in den einschlagigen Musiklexika berucksichtigt wobei beispielsweise Eduard Bernsdorfs Definition in gewissem Widerspruch zu derjenigen Kochs steht Mit einer 1844 veroffentlichten Abhandlung zur thematischen Arbeit gab Johann Christian Lobe den Anstoss zur Kodifizierung in der Kompositionslehre Gemass Lobes Theorie beinhaltet die thematische Arbeit nicht nur melodisch intervallische Umbildungsmittel Transposition Verkehrung Erweiterung Verengung etc sondern auch technische Mittel Veranderung der Harmonisierung Instrumentation etc Dieser Schematismus provozierte Riemann spater zu heftiger Kritik Lobes Theorie beeinflusste in der Folge aber dennoch die weitere Begriffsentwicklung zum Beispiel die Beschreibungen von Arrey von Dommer 1865 und Ludwig Bussler 1878 Vom asthetischen Aspekt her wird die thematische Arbeit durchwegs mit lobenden Worten bedacht Im Kontrast zu dem in Renaissance und Barock zentralen Kontrapunkt gilt die thematische Arbeit als zentrales Gestaltungsprinzip der Wiener Klassik In dieser Hinsicht steht das Wiener Klassische Thema dem barocken und alteren Soggetto gegenuber da es selbst schon aus Motiven entwickelt ist wahrend letzteres aus einem einzigen melischen Zug besteht Die thematische Arbeit wird im Zusammenhang mit Joseph Haydn als grosse Erfindung des Schopfers und Grunders der modernen Musik genannt Ludwig van Beethoven gilt gemeinhin als der Komponist der Wiener Klassik der die motivisch thematische Arbeit in seinen Sonaten Quartetten und insbesondere seinen neun Sinfonien nicht nur zu absoluter und massstabgebenden Meisterschaft gefuhrt sondern diese innerhalb der Durchfuhrung zum zentralen und dramatisch bestimmenden Bestandteil seines kompositorischen Schaffens erhoben hat welches fur die kompositorische Nachwelt beispielsweise Johannes Brahms bestimmend blieb Bussler bezeichnete den kontrapunktischen Stil nicht mehr als herrschend sondern betrachtete ihn nur noch als ein Moment der thematischen Arbeit Adolf Sandberger schwachte um 1900 die Behauptung ab dass Haydn dies erfunden habe hielt ihm aber zugute fur die Neubestimmung der schon langst vorhandenen thematischen Arbeit einen ausserst bedeutenden Beitrag geleistet zu haben Sandberger bezeichnet die thematische Arbeit als Kind aus der Ehe des Kontrapunkts mit der Freiheit sowie als bisher fehlenden Vermittler zwischen strenger und freier musikalischer Gestaltung Motivische Arbeit Bearbeiten Nach 1850 kam es als Folge der begrifflichen Unterscheidung von Thema und Motiv welche Adolph Bernhard Marx 1837 vorgenommen hatte zur Pragung der Bezeichnung motivische Arbeit Bereits Lobe hatte 1844 die auf Motive bezogene Verarbeitung als thematische Arbeit im engeren weiteren Sinn bezeichnet und erwahnt im gleichen Atemzug auch das Wort Motivarbeit Riemann kritisierte Lobe fur seine Irrlehre da sie zu einer motivischen Arbeit anleite welche die zufalligen Elemente verschiedener Motive als Motive selbst behandle zudem stempelte er Lobes Definition von thematischer Arbeit als verstandnislose Handlangerarbeit ab Eine erste fundierte Differenzierung bietet 1904 Guido Adler der unter Berufung auf Richard Wagner die motivische Arbeit dem Musikdrama und die thematische Arbeit der Sinfonie zuweist Mit Blick auf Wagners Leitmotivtechnik sprechen auch andere Autoren von motivischer oder gar leitmotivischer Arbeit Anfang des 20 Jahrhunderts als Arnold Schonberg und Anton Webern mit der freien Atonalitat neue kompositorische Techniken verbreiteten wurden auch die traditionelle thematische und motivische Arbeit von ihnen aufgegeben Der Musikwissenschaftler Erwin Stein halt 1924 jedoch fest dass mit der Zwolftontechnik die motivische Arbeit wieder kompositorisch aktuell sei nur sei nun weniger das rhythmische als vielmehr das melodische Motiv von Bedeutung Der Begriff motivische Arbeit wurde damals in der Fachliteratur beinahe haufiger benutzt als thematische Arbeit und bis Mitte des 20 Jahrhunderts wurde die Abgrenzung der beiden Begriffe zunehmend undeutlicher sodass einige Autoren sie unter dem Ausdruck thematisch motivische Arbeit beziehungsweise motivisch thematische Arbeit zusammenfassten Bereits Adler hatte ab 1924 zuerst von thematisch motivischer Arbeit ohne Bindestrich und spater nur noch ausschliesslich von thematisch motivischer Arbeit gesprochen was sich in der Folge in Fachkreisen verbreitete In den meisten Definitionen von 1960 bis ins 21 Jahrhundert wird der begriffsgeschichtliche Hintergrund vor dem es zur Fusion der Begriffe motivische und thematische Arbeit kam selten behandelt Literatur BearbeitenChristoph von Blumroder Thematische Arbeit motivische Arbeit In Hans Heinrich Eggebrecht Hrsg Handworterbuch der musikalischen Terminologie Freiburg im Breisgau 1991 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Motivisch thematische Arbeit amp oldid 226340209