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Die St Poltner Synagoge war bis zu den Novemberpogromen 1938 die Hauptsynagoge der Israelitischen Kultusgemeinde St Polten Die in den Jahren 1912 bis 1913 von den Architekten Theodor Schreier und Viktor Postelberg im Jugendstil errichtete Synagoge befindet sich in der Dr Karl Renner Promenade in St Polten und ist heute Sitz des Instituts fur judische Geschichte Osterreichs Aussenansicht der ehemaligen St Poltner Synagoge 2008 Foto aus dem Jahr 1913Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 1 1 Die St Poltner Rabbiner 1 2 Vorgangerbauten 1 3 Neubau 1 4 Zerstorung 1 5 Situation nach 1945 2 Baubeschreibung 2 1 Aussen 2 1 1 Haupttrakt 2 1 2 Nebentrakte 2 1 3 Ehemaliges Schulgebaude 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenDie St Poltner Rabbiner Bearbeiten Zwischen 1863 und 1938 waren zehn Rabbiner in St Polten tatig Name AmtszeitMoritz Tintner 1863 1869Adolf Kurrein 1873 1876Samuel Marcus 1876 1878Adolf Hahn 1878 1882Jakob Reiss 1882 1889Bernhard Zimmels 1889 1891Leopold Weinsberg 1891 1897Adolf Schachter 1897 1934Arnold Frankfurter 1934 1936Manfred Papo 1936 1938Vorgangerbauten Bearbeiten nbsp Die alte Synagoge die zugunsten der neuen abgerissen wurdeDie ersten Gebetsraume der 1863 gegrundeten Israelitischen Kultusgemeinde St Polten befanden sich in den Raumen der ehemaligen Kattunmanufaktur der spateren Gasserfabrik am Schulring Ein Gebaude dieser Fabrik wurde zwischen 1885 und 1890 als Synagoge adaptiert Diese Adaptierung war mit erheblichem Aufwand verbunden weswegen sich die Mitglieder der Kultusgemeinde bereits seit 1888 um einen Neubau bemuhten bis 1903 wurde dies aber von der Stadtgemeinde abgelehnt Zu diesem Zeitpunkt war eine Neugestaltung der Promenade geplant die nur durch Abriss der in den geplanten Strassenverlauf stehenden Synagoge moglich war Nach langwierigen Vorbereitungen wurde im April 1907 ein Vorbereitungskomitee gewahlt das neben Bauplatz und Planen auch die benotigten Finanzmittel beschaffen sollte Neubau Bearbeiten 1911 wurde ein Baukomitee gewahlt und mit der Gemeinde ein Grundstuckstausch vereinbart An dem Architektenwettbewerb der im gleichen Jahr ausgeschrieben wurde nahmen unter anderen Jacob Modern Jakob Gartner Ignaz Reiser und Theodor Schreier teil Letzterer wurde gemeinsam mit seinem Kompagnon Viktor Postelberg vom Komitee beauftragt ein weiteres Projekt fur einen Tempel mit Platz fur 220 Manner und 150 Frauen einzureichen das dann verwirklicht wurde Die Grundlagen fur die Planung erarbeitete Rudolf Frass Die notigen Gelder wurden durch Sammlungen und Spendenaufrufe im ganzen Land aufgetrieben sodass im Juni 1912 mit dem Bau begonnen werden konnte Die Vergoldungsarbeiten im Innenraum wurden von Ferdinand Andri durchgefuhrt Nach etwas mehr als einem Jahr Bauzeit und 141 390 Kronen Gesamtinvestition konnte am 17 August 1913 die Synagoge feierlich eingeweiht werden 1 nbsp Modell der Synagoge 1912 nbsp Aufriss Fassade an der Dr Karl Renner Promenade nbsp Aufriss Fassade an der Lederergasse nbsp Langsschnitt parallel zur Dr Karl Renner Promenade nbsp Grundriss Parterre nbsp Grundriss Galerie nbsp Gleichenfeier nbsp Rohbau der KuppelZerstorung Bearbeiten Beim Novemberpogrom 1938 in der Nacht vom 9 auf den 10 November 1938 2 drangen mehrere SS und SA Angehorige in die Raume der Synagoge ein zerschlugen Fensterscheiben und legten Feuer das aber relativ schnell geloscht werden konnte Am darauffolgenden Vormittag versammelten sich 300 bis 400 Personen teils in Zivil vor dem Gebaude Sie zogen unter dem Absingen politischer Lieder in die geweihten Raume und zerstorten diese komplett Die Fenster wurden eingeschlagen Torarollen Toraschrein Banke und Bilder verbrannt Sogar Wasserleitungsrohre und Turpfosten wurden aus den Wanden gerissen Die Bucher der umfangreichen Bibliothek wurden grossteils auf die Strasse geworfen und verbrannt Einige Personen erklommen die Kuppel und rissen den Davidstern vom Dach Nahezu das gesamte bewegliche Vermogen der Kultusgemeinde wurde zerstort oder geraubt Einige wenige Bucher wurden in das Stadtarchiv gebracht im Stadtmuseum befinden sich noch eine Spendendose sowie ein Gemalde von Kaiser Franz Josef das im Eingangsbereich hing Ein einzelnes Gebetbuch befindet sich seit 1998 wieder im Besitz der Kultusgemeinde In den darauffolgenden Jahren wurden die Nebenraume des Gebaudes von der SA als Buro genutzt der Innenraum wurde unter anderem als Mobellager verwendet 1942 ging die Synagoge in den Besitz der Stadt St Polten uber die es als Auffanglager fur russische Zwangsarbeiter benutzte Bei den letzten Kampfen und Bombenangriffen 1945 wurde das Gebaude weiter beschadigt Situation nach 1945 Bearbeiten Die Rote Armee verwendete die ehemalige Synagoge als Getreidespeicher bis diese 1947 an die Stadt zuruckgegeben wurde Der Restitutionsantrag wurde 1952 von der Stadtverwaltung anerkannt die die Synagoge daraufhin an die IKG Wien zuruckgab In den folgenden Jahren verfiel das ehemalige Gotteshaus weiter da sich in St Polten nach dem Holocaust keine judische Gemeinde etablieren konnte Das Kuppeldach zeigte schwere Schaden einzelne Bauteile drohten komplett einzusturzen und durch die verschalten Fenster drang Regen und Schnee in das von Tauben bevolkerte Haus ein Im Jahr 1975 bot die IKG Wien der Stadt St Polten die Synagoge zum Kauf an die das Angebot aufgrund fehlender Verwendungsmoglichkeiten nicht annahm Danach wollte die Israelitische Kultusgemeinde Wien den Abbruch veranlassen was jedoch durch das Bundesdenkmalamt verhindert wurde indem es das Gebaude unter Denkmalschutz stellte Daraufhin wurde es von 1980 bis 1984 renoviert Dabei wurden beispielsweise viele Wandmalereien wiederhergestellt andererseits wurden einige bauliche Veranderungen vorgenommen v a Abbau der Wasserbecken fur die rituelle Handewaschung da von Anfang an feststand dass das Gebaude nicht mehr als Synagoge verwendet werden wurde sondern als Veranstaltungszentrum Seit 1988 befindet sich in den Raumen der ehemaligen Synagoge das Institut fur judische Geschichte Osterreichs weiters werden regelmassig Veranstaltungen durchgefuhrt Die ursprungliche Funktion konnte die Synagoge nicht mehr erfullen da zu wenige Juden nach dem Holocaust nach St Polten zuruckkehren konnten Anlasslich des 100 jahrigen Bestehens der Synagoge widmete das Stadtmuseum 2013 14 dem Gebaude eine eigene Sonderausstellung 3 Dabei wurde erstmals auch ein erst kurzlich aufgefundenes Foto des Inneren vor der Zerstorung gezeigt Auch wurde darauf hingewiesen dass die Synagoge aufgrund fehlender finanzieller Mittel bereits wieder einem gewissen Verfall preisgegeben ist nbsp Eingang mit der Gedenktafel fur Theodor und Anna Schreier nbsp Informationstafel nbsp Denkmal vor der Synagoge zur Erinnerung an die Opfer der JudenverfolgungBaubeschreibung BearbeitenAussen Bearbeiten Das dominierende Element der Synagoge ist der oktogonale von einer grossen Kuppel abgeschlossene Haupttrakt an den ostlich und westlich Nebentrakte angeschlossen sind Mit der Synagoge verbunden ist das ehemalige Schulgebaude in der Lederergasse 12 Haupttrakt Bearbeiten nbsp HaupttraktDer Haupttrakt beherbergt den ehemaligen Kultraum Die Fassade gliedert sich in ein niedriges Erdgeschoss ein hohes Obergeschoss sowie die Kuppel An der strassenseitigen Fassade finden sich in den beiden Stockwerken je drei Fenster die im Erdgeschoss als niedrige Segmentbogenfenster mit daruber durchgangig verlaufenden zackigen Kordongesims ausgefuhrt sind Die Fenster im Obergeschoss hingegen sind hohe rechteckige Fenster der Raum zwischen ihnen wird durch Lisenen gegliedert Die ursprunglich bunten Fenster wurden ab 1938 zerstort heute finden sich Klarglasscheiben in den Fenstern Direkt unter der Kuppel befindet sich ein grosser Segmentgiebel mit Darstellungen der Gesetzestafeln eingefasst in florale Ranken Darunter steht in hebraischer Schrift der Text von Psalm 118 Vers 19 פתחו לי שערי צדק אבא בם אודה יה Inschrift unter den Gesetzestafeln 4 Offnet mir die Tore der Gerechtigkeit ich will eintreten und Gott danken An den kurzen seitlichen Schragwanden des Haupttraktes finden sich im Erdgeschoss Nebeneingange im Ubergang zur Kuppel sind grosse ovale Fenster eingelassen Nebentrakte Bearbeiten An den ostlichen Nebentrakt der im Vergleich zum westlichen sehr schmal ausgefuhrt ist schliesst das ehemalige Schulgebaude an und beherbergte einst den Schrein Am durch Segmentgiebel und Tonnendach abgeschlossenen Trakt findet sich an der Nordfront im Obergeschoss ein hohes rechteckiges Fenster gleicher Bauart wie der des Haupttraktes An der ostlichen Seite ist ein Rundfenster eingelassen im Erdgeschoss beginnt ein Verbindungsraum zum Schulgebaude Der westliche Nebentrakt ist in der Grundform ident mit dem ostlichen er ist aber deutlich breiter Zudem sind ihm Eingangsbauten vorgelagert Sowohl an der Strassenseite als auch auf der gegenuberliegenden Seite sind zwischen Haupttrakt und dem westlichen Anbau weit auskragende halbrunde Stiegenhauser daneben finden sich bis zur halben Hohe des ersten Obergeschosses je ein Risalit mit zwei niedrigen Fenstern Strassenseitig ist diesem Risalit ein ebenerdiger Vorbau vorgelagert der an drei Seiten rundbogig geoffnet ist Der mit Dreieckgiebel abgeschlossene Bau endet in einer konkaven Einfriedung an der heute eine Gedenktafel angebracht ist Die Westfassade wiederholt die Gestaltung des Haupttraktes es finden sich im Erdgeschoss niedrige Segmentbogenfenster mit daruber durchgangig verlaufenden zackigen Kordongesims Im Obergeschoss sind die Fenster hingegen deutlich niedriger als im Haupttrakt Ehemaliges Schulgebaude Bearbeiten Das ehemalige Schulgebaude hat seine Hauptfassade Richtung Lederergasse und hat dort die Hausnummer 12 Die strassenseitige Hauptfassade des zweigeschossigen Bauwerkes ist vierachsig gegliedert Die Fenster im Erdgeschoss sind rundbogig ausgefuhrt die des Obergeschosses rechteckig Zwischen Nebentrakt der Synagoge und Haupttrakt des Schulgebaudes befindet sich ein turmartiger halbrunder Stiegenhausrisalit bis ins Dachgeschoss nbsp Wandlampe nbsp Wandornament nbsp Wandornament nbsp WandornamentLiteratur BearbeitenInstitut fur Geschichte der Juden in Osterreich Hrsg Geschichte wieder herstellen St Poltens judische Vergangenheit St Polten 2000 OCLC 470702553 Thomas Karl u a Die Kunstdenkmaler der Stadt St Polten und ihrer eingemeindeten Ortschaften Osterreichische Kunsttopographie Band 54 Berger Horn 1999 ISBN 3 85028 310 0 S 273 276 Kapitel Ehem Synagoge und ehem Wohn und Schulhaus der israelitischen Kultusgemeinde St Polten Bundesdenkmalamt Hrsg Die Kunstdenkmaler Osterreichs Niederosterreich sudlich der Donau in zwei Teilen Teil 2 M Z Verlag Berger Horn 2003 ISBN 3 85028 365 8 Kapitel Ehem Synagoge S 1997 1998 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons St Polten synagogue Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Neue Synagoge in Memorbuch Juden in St Polten Institut fur judische Geschichte Osterreichs heute in der Synagoge untergebracht Christoph Lind Niederosterreich 1938 Synagogen Bethauser und Betraume David OnlineausgabeEinzelnachweise Bearbeiten Albert Leicht Tempelweihe St Polten 18 August In Die Wahrheit Nr 33 1913 22 August 1913 S 7 Bericht uber die Tempelweihe am 17 August 1913 Digitalisat im Compact Memory bei der Universitatsbibliothek Frankfurt am Main abgerufen am 2 Marz 2019 Karl Gutkas St Polten Werden und Wesen einer osterreichischen Stadt 2 Auflage Magistrat der Stadt St Polten St Polten 1970 OCLC 867952378 S 55 Gott und Kaiser 100 Jahre ehemalige Synagoge St Polten auf den Seiten des Stadtmuseums St Polten abgerufen am 2 Marz 2019 Psalm 118 19 OT 48 2025 15 628888888889 Koordinaten 48 12 9 N 15 37 44 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Synagoge St Polten amp oldid 235803495