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Als Slawenlegende oder auch Slawenluge wird eine Geschichtstheorie bezeichnet nach der die im Fruh und Hochmittelalter in den ostlichen Gebieten des heutigen Deutschlands siedelnden Slawen eigentlich Ostgermanen seien die jedoch die Christianisierung abgelehnt hatten Sie entstand schon vor dem Zweiten Weltkrieg Erich Bromme und wurde und wird vornehmlich im nationalistisch rechtsextremen Spektrum verbreitet gelegentlich auch ausserhalb dieses Kreises aufgegriffen Zu den Vertretern gehoren Walther Steller Lothar Greil Helmut Schrocke und Arpad von Nahodyl Nemenyi Von den historischen Wissenschaften wie Geschichte Archaologie und Sprachwissenschaft wird die Theorie als unwissenschaftlich und geschichtsrevisionistisch abgelehnt Inhaltsverzeichnis 1 Anfange unter Walther Steller und die Reaktionen der historischen Wissenschaften 2 Das Wiederaufgreifen der Theorie ab den 1970er Jahren 3 Die Theorien Jochen Wittmanns 4 Die Verbindungen mit der Theorie vom Erfundenen Mittelalter 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseAnfange unter Walther Steller und die Reaktionen der historischen Wissenschaften BearbeitenDer Germanist und Volkskundler Walther Steller veroffentlichte 1959 in seiner Funktion als Bundeskulturwart der schlesischen Landsmannschaft in den Mitteilungen der Landsmannschaft Schlesien Landesgruppe Schleswig Holstein Nr 15 eine Arbeit uber Name und Begriff der Wenden Sclavi Eine wortgeschichtliche Untersuchung Darin griff er die im Nationalsozialismus populare Urgermanentheorie wieder auf fuhrte sie jedoch wesentlich weiter indem er nicht nur das Fortbestehen einer germanischen Bevolkerung Ostdeutschlands behauptete sondern zugleich eine nennenswerte Zuwanderung slawischer Gruppen leugnete Die hochmittelalterliche Ostsiedlung hatte demnach nicht zu einem Zusammenwachsen deutscher und slawischer Bevolkerung gefuhrt sondern es sei lediglich eine Christianisierung und Eindeutschung des alten ostgermanischen Elementes bei einem gewissen Zuzug deutscher Bevolkerung zu verzeichnen Mit diesen Ausfuhrungen verband er primar politische Ziele indem er mit seinen Entdeckungen in die Fragen der deutschen Ostgrenze eingreifen wollte Unter den Schlagworten Irrtum der Wissenschaft Verlust der Heimat warf er den historischen Wissenschaftlern vor durch die Duldung und Verbreitung alter Irrlehren den Verlust der deutschen Ostgebiete verschuldet zu haben In den Veroffentlichungen der Vertriebenenverbande und ideenverwandter Autoren wie des Berliners Hans Scholz wurden diese Thesen Stellers begeistert aufgegriffen Bald nach Erscheinen der Arbeit Stellers erschienen in verschiedenen Publikationen Erwiderungen und Rezensionen von namhaften Fachwissenschaftlern wie den Archaologen Wolfgang La Baume und Georg Kossack dem Slawisten Ludolf Muller dem Germanisten Gerhard Cordes und dem Landeshistoriker Wilhelm Koppe in denen diese Arbeit einmutig und mit scharfen Worten abgelehnt wurde Sehr intensiv setzte sich auch der Mittelalterhistoriker Wolfgang H Fritze 1961 mit den Thesen und Methoden Stellers auseinander Der Leser konstatiert mit einer von Seite zu Seite wachsenden Besturzung den haarstraubenden Dilettantismus des Verfassers der sich selbst mit diesem Buche in der peinlichsten Weise blossstellt ja es muss gesagt werden sich das wissenschaftliche Todesurteil spricht Seine umwalzenden Ergebnisse hat er lediglich dadurch erzielen konnen dass er sich auf einige wenige Quellenzeugnisse beschrankt die er noch dazu mit denkbarer Willkur interpretiert wahrend er von allen anderen absieht Zudem zieht er die bisherige Forschung nur dort heran wo es ihm passt Abschliessend stellte Fritze bereits fur eine der Urschriften derartiger Theorien aus der Feder Stellers fest dass wir es hier mit einem typischen Erzeugnis nationalsozialistischer Pseudowissenschaft zu tun haben Die bornierte Uberbewertung des Germanentums gegenuber dem Slawentum das durch seine sarmatische Qualifizierung als asiatisch diskriminiert werden soll der immer wieder im Buche herumspukende Rassismus und die primitive vorwissenschaftliche Gleichsetzung von nordischer Rasse und Germanentum sind deutliche Kennzeichen Das ganze Buch dieses groteske und gleichzeitig erschutternde Produkt einer von politischen Tendenzen geleiteten akademischen Halbbildung verdient vielleicht nur in einem Punkte ernst genommen zu werden in seiner Bedeutung als Symptom Das Wiederaufgreifen der Theorie ab den 1970er Jahren BearbeitenErst am Ende der 1970er Jahre wurde die Theorie von rechtsextremen Publizisten wieder aufgegriffen und in mehreren Buchern verbreitet Zu diesen gehoren vor allem Lothar Greil und Helmut Schrocke sowie in neuerer Zeit Arpad von Nahodyl Nemenyi Die archaologische historische und sprachwissenschaftliche Forschung lehnte solche Thesen weiterhin ab und ignoriert sie inzwischen ganzlich Auch dadurch konnten die Vertreter dieser Theorie ein in sich weitestgehend abgeschlossenes System von gegenseitigen Belegen und Zitaten schaffen bei denen die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschungen entweder negiert oder verfalschend und verkurzt herangezogen werden Die Theorien Jochen Wittmanns BearbeitenIn seinem 1990 und in zweiter Auflage 2005 im als rechtsextrem geltenden Verlag des Osterreichers Michael Dambock 1 erschienenen Buch Die Daglinger Piasten und die germanische Kontinuitat behauptete der Autor Jochen Wittmann das polnische Herrschergeschlecht der Piasten sei ein ursprunglich aus dem heutigen Norwegen stammendes germanisches Geschlecht Mieszko I ware lediglich miseco mesica genannt worden hatte aber eigentlich Dago oder Dagr geheissen weswegen er das Geschlecht der Piasten als Daglinger oder Dagoner bezeichnet Seine Theorie wurde die durchgehend germanische Kontinuitat dieses Herrschergeschlechts belegen und Mieszko I hatte den Grundstein an Warthe und Netze fur das spatere und allgemein ebenfalls erst vom 13 Jahrhundert an als Polen benannte Land im ostgermanischen Bereich gelegt Auch diese Arbeit wird in der Wissenschaft weitestgehend ignoriert 2 Die Verbindungen mit der Theorie vom Erfundenen Mittelalter BearbeitenVon einigen Vertretern der von der Wissenschaft ebenfalls als unwissenschaftlich abgelehnten Theorie vom Erfundenen Mittelalter wurde die Theorie der Slawenlegende seit den 1990er Jahren verschiedentlich aufgegriffen So finden sich Buchbesprechungen zu den Veroffentlichungen von Helmut Schrocke in der von Heribert Illig herausgegebenen Zeitschrift Zeitensprunge 2004 Hf 3 Literatur BearbeitenVertreter der TheorieLothar Greil Slawenlegende Die Deutschen Opfer einer irrigen Geschichtsbetrachtung Aufklarungs Dokumentation Volkstum Wien Munchen 1971 ISBN 3 85342 024 9 2 erg u erw Aufl Landig Wien Munchen 1972 4 erg u erw Aufl AKZ Schlee Eschweiler 1988 Helmut Schrocke Indogermanen Germanen Slawen Ihre Wurzeln im mittel und osteuropaischen Raum Orion Heimreiter Verlag 2003 ISBN 3 89093 024 7 Helmut Schrocke Germanen Slawen Vor und Fruhgeschichte des ostgermanischen Raumes 2 Aufl Verlag fur ganzheitliche Forschung Verlag der Ludendorffer 1999 Viol Nordfriesland ISBN 3 922314 97 X wieder Panorama Wiesbaden 1999 ISBN 3 932296 00 1 Arpad von Nahodyl Nemenyi Der Slawen Mythos Wie aus Ostgermanen ein Volk der Slawen mit fremder Sprache und Mythologie wurde Books on Demand Norderstedt 2015 ISBN 978 3 7386 3786 1Kritik an Stellers Slawen TheseWolfgang H Fritze Slawomanie oder Germanomanie Bemerkungen zu W Stellers neuer Lehre von der alteren Bevolkerungsgeschichte Ostdeutschlands Jahrbuch fur die Geschichte Mittel und Ostdeutschlands 9 10 1961 W Kuhn in Zeitschrift fur Agrargeschichte und Agrarsoziologie 8 1960 S 214 Wolfgang La Baume in Ostdeutscher Literatur Anzeiger 6 1960 S 145 Georg Kossack Ludolf Muller Gerhard Cordes Wilhelm Koppe in ZSHG 85 86 1960 61 S 296 318 H D Kahl in Forschungsfragen unserer Zeit 7 1960 S 74 ff L Muller Ostholstein slawisch Entgegnung zu einem Aufsatz von Prof Steller Schleswig Holstein Monatsheft fur Heimat und Volkstum 12 1960 S 292 f Auseinandersetzungen mit der TheorieTorsten Kempke Ein Beitrag zum Thema Slawenlegende Streitfrage Ostelbien germanisch oder slawisch In Lubeckische Blatter 145 1985 S 121 124 Weblinks Bearbeitenmemelland adm de Zur Slawentheorie Auszug aus Bernhard Lindenblatt Alt PreussenlandEinzelnachweise Bearbeiten Handbuch des osterreichischen Rechtsextremismus Wien 1994 gekurzte Fassung des Handbuchs online Memento vom 20 November 2007 im Internet Archive mit dem Eintrag zu Dambock Nur vereinzelt erschienen Reaktionen auf das Buch Rezension in Genealogische Mitteilungen Arbeitskreis Genealogie Braunschweig Bd 33 34 1995 S 35 54 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Slawenlegende amp oldid 228599911