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Der sogenannte Schweinemord auch Professorenschlachtung war eine staatlich angeordnete Massenschlachtung von Schweinen im Deutschen Reich wahrend des Ersten Weltkriegs 1 Inhaltsverzeichnis 1 Die Schlachtungen 2 Die Folgen 3 Weitere Begriffsverwendung 4 Siehe auch 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseDie Schlachtungen BearbeitenVor dem Ersten Weltkrieg war im Deutschen Reich eine 95 prozentige Selbstversorgung mit Fleisch moglich Der grosste Anteil des Viehs bestand aus Schweinen fur deren Futterung man allerdings auf importierte Gerste aus Russland angewiesen war Die gesamte Import Menge an Gerste betrug im Jahr 1912 etwa 2 969 415 Tonnen im Gegenwert von 444 213 000 Mark 2 Der Beginn des Ersten Weltkriegs fuhrte zwangslaufig zum Ende des Handels mit Russland welches nun ein Kriegsgegner Deutschlands war Ohne die Gerste Importe ergab sich bei der Futterung der Schweine eine Knappheit ferner war auch die Brotversorgung der Bevolkerung gefahrdet Das Kaiserliche Statistische Amt zahlte Anfang 1915 den Bestand an Getreide und Futterkartoffeln Die Statistik zeigte dass fur die rund 25 Millionen deutschen Schweine nicht genugend Futtervorrate vorhanden waren Die Qualitat dieser Statistik wird in der Literatur in Frage gestellt Aus Angst vor Beschlagnahmungen oder um hohere Preise zu erzielen wurden die tatsachlichen Futtervorrate von den Bauern vielfach niedriger angegeben als sie wirklich waren Da man mit Fleisch hohere Gewinne machen konnte wurden die verheimlichten Kartoffeln an die Schweine verfuttert Die Futterkartoffelerhebung Ende 1914 unterschatzte daher den tatsachlichen Vorrat Da man die zur Schweinemast benotigten Kartoffel und Getreidebestande alternativ auch direkt zur Versorgung der Bevolkerung einsetzen konnte wurde die Schlachtung von funf Millionen Schweinen angeordnet Eine Bekanntmachung des Bundesrates verpflichtete alle Gemeinden mit mehr als 5 000 Einwohnern einen Vorrat an Fleischdauerwaren anzulegen Die Folgen BearbeitenUber funf Millionen Schweine wurden im ersten Quartal 1915 geschlachtet Eine Uberschwemmung des Marktes mit Fleischdauerwaren und ein erheblicher Preisverfall waren die unmittelbaren Folgen Man sah sich zur Konservierung gezwungen doch da wegen kriegsbedingten Metallmangels fur Konservendosen minderwertiges Material verwendet werden musste verdarb ein Grossteil des konservierten Fleischs Allerdings stiegen die Preise fur Schweinefleisch in der zweiten Jahreshalfte 1915 aufgrund eines hohen Mangels an Schlachtvieh rasant an Ende 1915 wurde deshalb ein Hochstpreis fur Schweinefleisch festgesetzt der letztlich aber nur dazu fuhrte dass sich ein Schwarzmarkt fur Schweinefleisch entwickelte und Schweinefleisch auf dem Markt noch knapper wurde Nachfolgend Viehbestand nach der Zahlung vom 1 Dezember 1916 3 Jahr Pferde Rinder Schafe Schweine Ziegen Federvieh1916 3 304 168 20 873 629 4 979 128 17 002 401 3 940 147 65 177 8741915 3 341 624 20 316 948 5 073 478 17 287 211 3 438 296 nicht bekannt1914 3 435 283 21 828 783 5 471 468 25 341 272 3 538 414 nicht bekannt1913 nicht bekannt 20 994 344 5 520 837 25 659 140 3 548 384 nicht bekanntHinweis In den Pferdebestandszahlen sind die Militarpferde nicht enthalten Es handelt sich also ausschliesslich um Pferde im Privatbesitz im Regelfall Zugpferde der Landwirtschaft Ausserdem fehlte durch die Schweineschlachtung tierischer Dunger fur die Acker Dieser konnte nicht durch Kunstdunger ersetzt werden da die britische Seeblockade auch die Einfuhr von Salpeter verhinderte So sanken auch die Ertrage an Getreide und Kartoffeln gegenuber der Vorkriegszeit um mehr als die Halfte was schliesslich zu einer Hungerkatastrophe fuhrte 4 Die Totung von Millionen von Schweinen wurde vielfach als Fehler der Planwirtschaft und der Statistik betrachtet und daher auch als Professorenschlachtung bezeichnet da die Professoren die Schlachtungen ausschliesslich aufgrund ihrer theoretischen Modelle als notwendig erachtet hatten Weitere Begriffsverwendung BearbeitenIn der Zeit des Nationalsozialismus wurde die Massenschlachtung von 1915 propagandistisch als ein Komplott judischer Akademiker dargestellt 5 etwa im 1937 erschienenen Buch Der Schweinemord von Reichsbauernfuhrer Walther Darre 6 In Erinnerung an die Schlachtungen 1915 wurden auch die Schweine Notschlachtungen der Jahre 1951 und 1952 in der DDR als Schweinemord bezeichnet Der Funfjahresplan sah fur beide Jahre eine deutliche Erhohung der Schweinezahlen vor Entsprechend wurden die Schweinebestande jeweils massiv erhoht Nachdem aber die Futtermittelernte zu gering fur die Schweinemast war wurden die meisten Tiere zu Weihnachten 1951 und 1952 vor Schlachtreife geschlachtet 7 Verantwortlich dafur wurde der Minister fur Handel und Versorgung Karl Hamann gemacht Siehe auch BearbeitenDeutsche Wirtschaftsgeschichte im Ersten Weltkrieg SteckrubenwinterLiteratur BearbeitenReinhard Gull Der Schweinemord oder die Professorenschlachtung In Statistisches Monatsheft Baden Wurttemberg 6 2004 S 55 Online PDF 164 kB Dieter Baudis Vom Schweinemord zum Kohlrubenwinter Streiflichter zur Entwicklung der Lebensverhaltnisse in Berlin im Ersten Weltkrieg August 1914 bis Fruhjahr 1917 In Jahrbuch fur Wirtschaftsgeschichte Sonderband 1986 Zur Wirtschafts und Sozialgeschichte Berlins vom 17 Jahrhundert bis zur Gegenwart S 129 152 Akademieverlag OnlineWeblinks BearbeitenWalter Koch Chef des Sachsischen Landeslebensmittelamtes Lebenmittelrationierung 1916 Udo Pollmer Der Schweinemord von 1915 Als die Wissenschaft eine Hungersnot provozierte Deutschlandradio Kultur 25 September 2015 Einzelnachweise Bearbeiten Roger Chickering Das Deutsche Reich und der Erste Weltkrieg Verlag C H Beck ISBN 3406475922 S 57 Jahrbuch fur Deutschlands Seeinteressen Nauticus Sechzehnter Jahrgang 1914 auf S 325 Der Schweinemord oder die Professorenschlachtung beim Statistischen Landesamt Baden Wurttemberg Udo Pollmer Als die Wissenschaft eine Hungersnot provozierte Deutschlandfunk Kultur 25 September 2015 Florian Lorz Was wir vom Ernahrungswesen des Weltkrieges nicht wissen In Walter Jost Friedrich Felger Hrsg Was wir vom Weltkriege nicht wissen Fikentscher Leipzig 1936 2 Auflage Fikentscher Leipzig 1938 S 386 398 bes S 394f und 398 digi landesbibliothek at Digitalisat der Oberosterreichischen Landesbibliothek Linz Gesine Gerhard Nie wieder Kohlruben Nationalsozialistische Ernahrungspolitik im Zeichen des Zweiten Weltkrieges In Ernst Langthaler Ina Markova Hrsg Landwirtschaft und Ernahrung im Nationalsozialismus V amp R unipress GmbH Gottingen 2018 ISBN 978 3 8471 0850 4 S 273 292 Fussnote 29 auf S 281 PDF 2 6 MB Schweinemord in Spiegel 3 1953 vom 14 Januar 1953 Artikel als pdf Dokument 1 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Schweinemord amp oldid 236252126