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Das Buch Russische Schatten des franzosischen Reiseschriftstellers und Diplomaten Astolphe de Custine ist die gekurzte Ubersetzung seines Buches La Russie en 1839 Es wurde von Adolph Diezmann ubersetzt und ist zuerst 1843 im gleichen Jahr wie das franzosische Original in Leipzig erschienen In Russland selbst war das Buch bis 1917 verboten Russland im Jahre 18391985 wurde das Buch in der von Hans Magnus Enzensberger herausgegebenen Reihe Die Andere Bibliothek neu veroffentlicht Inhaltsverzeichnis 1 Vorgeschichte 2 Inhalt 3 Nachwirkung 4 Literatur 4 1 Quelle 4 2 SekundarliteraturVorgeschichte BearbeitenAstolphe de Custine hatte im Sommer des Jahres 1839 eine langere Reise durch Russland unternommen Seine Aufzeichnungen dieser Fahrt hat er in Form einer Briefsammlung 1843 herausgegeben Ein Ausloser dieser Reise soll unter anderem Tocquevilles Uber die Demokratie in Amerika gewesen sein In diesem Werk hat Tocqueville die USA und Russland als die zukunftigen Grossmachte bezeichnet Wahrend sich Tocqueville mit der amerikanischen Demokratie auseinandersetzt versucht Custine etwas Ahnliches mit der russischen Despotie Inhalt BearbeitenCustine entwirft ein sehr negatives Bild vom Russland seiner Zeit Bereits die Einreise er wahlte die Schiffsroute von Lubeck nach Sankt Petersburg konfrontiert ihn mit ausufernder Burokratie Mit ihm reisende russische Fursten werden bevorzugt behandelt wahrend er bei den Behorden eher Misstrauen hervorzurufen scheint Auch landschaftlich ist die Gegend um Petersburg eine Enttauschung fur ihn Die Stadt sticht kaum aus der sumpfigen Gegend hervor Er sieht Petersburg zwar als ein Weltwunder an kann sich aber mit der Stadt nicht anfreunden zu sehr erkennt er uberall eine Kunstlichkeit die allein durch den Willen des Zaren Peter I eine Trutzburg gegen Schweden und ein Fenster nach Norden zu schaffen bestimmt ist Custine lernt auch Zar Nikolaus I kennen und sieht ihn zunachst relativ positiv Dies andert sich erst als er die Geschichte der Furstin Trubetzkoi hort Die Furstin hatte sich entschieden ihrem Mann der als einer der Fuhrer des Dekabristenaufstandes verurteilt wurde in die Verbannung zu folgen Zwei Gnadengesuche innerhalb von vierzehn Jahren die allein die Ausbildungsmoglichkeit ihrer Kinder betrafen wurden von Zar Nikolaus emporenderweise abgelehnt Diese Unnachgiebigkeit erscheint Custine als vollkommen unpassend fur einen wahrhaft modernen und aufgeklarten Staatsfuhrer Von Petersburg fahrt Custine nach Moskau Die ewige Gleichformigkeit Russlands wird Custine dabei immer wieder betonen allerdings nicht nur landschaftlich sondern auch menschlich Die Despotie unterdruckt die freie Entfaltung der Menschen alle sind Knechte und gerade Fremden gegenuber werden sie vorsichtig und geheimniskramerisch Ein Feldjager der Custine begleitet erscheint ihm als zumindest potentieller Spion Moskau selbst bedeutet fur Custine vor allem den Kreml den er wegen seiner ursprunglichen russischen Bauweise bewundert Hier sieht er ein wahrhaftiges Vorbild fur die russische Entwicklung die sich seiner Meinung nach ansonsten zu sehr an auslandischen Baustilen orientiert und nicht auf die russischen Bedurfnisse eingeht Vor seiner Ruckreise besucht Custine schliesslich noch das Dreifaltigkeitskloster von Sergijew Possad fahrt an die Wolga und besucht in Nischni Nowgorod die damals sehr wichtige Messe die er als einen Treffpunkt zwischen Europa und Asien schildert Neben zahlreichen Beschreibungen von Sehenswurdigkeiten Besonderheiten Sitten und Trachten aber auch den Zumutungen fur den Reisenden der sich mit erschreckendem Schmutz und Ungezieferplagen in den Herbergen konfrontiert sieht stehen vor allem die politischen und sozialen Bedingungen Russlands im Mittelpunkt Auf den ersten Blick erscheint Russland Custine als ein zivilisiertes Land doch sehr schnell bemerkt er dass dies Fassade ist Die geruhmte Gastfreundschaft etwa ist vor allem eine Moglichkeit der Prasentation und mangelt wahrhaft empfundener Herzlichkeit und die grosse Hoflichkeit verwandelt sich schnell in rohe Gewalt wenn die soziale Position des anderen nur gering ist Auffallig ist Custine dabei die allgemeine Schicksalsergebenheit der Fatalismus der aber plotzlich wie er zu horen bekommt bei Aufstanden in ausserste Brutalitat umschlagen kann Custine versucht diese Besonderheiten aus der Geschichte Russlands heraus zu verstehen Peter I und Katharina II haben der Welt eine grosse und nutzliche Lehre gegeben welche Russland bezahlen musste sie zeigten uns dass der Despotismus nie mehr zu furchten ist als wenn er Gutes schaffen will denn dann glaubt er seine emporendsten Handlungen durch seine Absichten rechtfertigen zu konnen und das Schlechte das sich als Heilmittel ausgiebt hat keine Grenzen mehr Vor allem Peter I wird von ihm dabei ausserst kritisch gesehen Er wurdigt zwar dessen Leistungen und die Kraftanstrengungen sieht aber zugleich dass das Gute dieser Reformen sich verfluchtigt hat wahrend sich das Schlechte weiter verstarkt Zar Nikolaus I hat nach Custine zwar die richtigen Ideen der Veranderung doch muss ein einzelner Mensch und sei er noch so machtig an den vielfaltigen notigen Reformen verzweifeln Zar Nikolaus sei dabei zu sehr auf sich selbst fixiert und baue zu wenig auf die Unterstutzung anderer als dass er die Fulle der Aufgaben wirklich bewaltigen konne Die Menschenfreunde haben hier nicht gegen den Tyrannen sondern gegen die Tyrannei zu kampfen Es wurde ungerecht sein wenn man dem Kaiser das Ungluck des Reiches und die Fehler der Regierung zur Last legen wollte die Kraft eines Menschen ist der Aufgabe des Souverains nicht gewachsen der mit einem Male menschlich uber ein unmenschliches Volk herrschen wollte Auffallig ist ihm auch die Diskrepanz von nationaler Eitelkeit und ubertriebener Nachahmungssucht moderner Kunste und Moden die sich auf Peter I grundet und von den nachfolgenden Zaren weiter verfestigt wurde Wenn man die Form einer Gesellschaft nachahmt ohne auch den Geist sich anzueignen der sie belebt wenn man Unterricht in der Civilisation nicht von den alten Lehrern des Menschengeschlechts sondern von Fremden verlangt die man um ihre Reichthumer beneidet ohne ihren Character zu achten wenn die Nachahmung feindselig ist und zu gleicher Zeit kindisch wird wenn man einem Nachbar den man verachten will abguckt wie er sein Haus eingerichtet hat wie er sich kleidet wie er spricht so wird man ein Echo ein Widerschein und existiert nicht mehr durch sich selbst Die Nachahmungssucht und die mangelnde Selbstandigkeit seien eine direkte Folge der fehlenden Freiheit Die Einformigkeit Russlands sei nicht allein durch die extremen Wetterverhaltnisse begrundet sondern vom despotischen Willen zu Kontrolle und Einheitlichkeit bestimmt Von seiner katholischen Konfession aus kritisiert Custine zudem auch die orthodoxe Kirche und macht sie wegen ihrer Abhangigkeit vom Zaren mitverantwortlich fur die Zustande in Russland Die Zukunft Russlands sieht Custine vor allem davon abhangig ob es gelinge eine Mittelklasse aufzubauen denn bisher bestehe das Volk nur aus dem Kaiser und Leibeigenen die zum Teil wiederum Leibeigene besitzen Custine hat sich nur vier Monate in Russland aufgehalten umso bewunderungswurdiger ist sein sehr genauer und kritischer Blick auf die russischen Zustande seiner Zeit die gepragt sind von Despotie Menschenverachtung und Burokratie Wer Russland kennt so sein Fazit dem wird es uberall sonst gefallen Im Vorfeld des Krimkriegs pragte sein vielfach aufgelegtes Buch das negative Russlandbild in Frankreich und Westeuropa Nachwirkung BearbeitenIn dem Film Russian Ark von Alexander Sokurow spielt Sergei Dreiden den Marquis de Custine Er begleitet den Ich Erzahler auf eine Zeitreise durch die Eremitage in Sankt Petersburg Seine Anschauungen uber Russland finden sich hier wieder wenn er etwa das Kopieren auslandischer Kunst anklagt Peter I als Tyrannen bezeichnet der von den Russen trotzdem verehrt wird oder die Hauptstadtverlegung nach Moskau begrusst Literatur BearbeitenQuelle Bearbeiten Astolphe de Custine La Russie en 1839 Brussel 1844 Astolphe de Custine Russische Schatten Prophetische Briefe aus dem Jahre 1839 Die Andere Bibliothek 12 Nordlingen Greno 1985 Astolphe de Custine Journey For Our Time The Journals of the Marquis de Custine Hg von Phyllis Penn Kohler Washington 1987 Astolphe de Custine Empire of the Czar A Journey Through Ethernal Russia Auklend 1989 Sekundarliteratur Bearbeiten Irena Grudzinska Gross The Scar of Revolution Custine Tocqueville and the Romantic Imagination Berkeley 1991 George F Kennan The Marquis de Custine and His Russia in 1839 London 1972 Albert Marie Pierre de Luppe Astolphe de Custine Monaco 1957 Francine Dominique Liechtenhan Astolphe de Custine voyageur et philosophe Paris 1990 Anka Muhlstein Astolphe de Custine The Last French Aristocrat London 2001 Christian Sigrist Das Russlandbild des Marquis de Custine Von der Zivilisationskritik zur Russlandfeindlichkeit Frankfurt 1990 Julien Frederic Tarn Le Marquis de Custine ou Les malheurs de l exactitude Paris 1985 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Russische Schatten amp oldid 235541714