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Rote Zone hiess im Zweiten Weltkrieg das 400 km lange und etwa 10 km breite Freimachungsgebiet entlang der deutsch franzosischen Grenze im Vorfeld und zwischen den Wehranlagen des Westwalls Die Bewohner dieses Bereichs etwa eine Million Menschen wurden zwischen 1939 und 1945 teilweise mehrfach in das Innere des Deutschen Reiches evakuiert Im Zuge dieser Massnahme mussten die Bewohner ihren Besitz aufgeben und zurucklassen Inhaltsverzeichnis 1 Vorgeschichte 2 Ruckfuhrung 1939 3 Wiederbesiedlung 1940 4 Freimachung 1944 5 Niemandslandpolitik 1945 6 Notstandsgebiet 7 Vergleichbare Massnahmen in anderen Landern 8 Literatur 9 Weblinks 10 EinzelnachweiseVorgeschichte BearbeitenBereits wahrend der Sudetenkrise im September 1938 bestand die Gefahr eines Kriegs zwischen Deutschland und Frankreich Privatpersonen verliessen aus eigener Initiative das im Kriegsfall bedrohte Grenzgebiet Die Parteifuhrung bezeichnete die Leute als Sudetengauner und Kofferpatrioten dennoch begann sie zur selben Zeit mit Planungen fur eine Evakuierung der Bevolkerung im Grenzgebiet im Falle eines Kriegs Das betreffende Gebiet erhielt die Bezeichnung Rote Zone und umfasste von Basel im Suden bis Aachen im Norden eine etwa 400 km lange und 10 km breite Flache die neben landlichen Regionen ebenso dicht besiedelte Gebiete wie Karlsruhe Saarbrucken Saarlautern und Trier umfasste Im vorgesehenen Evakuierungsgebiet lebte etwa eine Million Menschen Die Evakuierung der Bevolkerung sollte mit Bussen Lastkraftwagen Privatfahrzeugen und Fuhrwerken uber Nebenstrassen erfolgen um die Transportmittel vor gegnerischem Zugriff zu bewahren und um die Menschenstrome zu kanalisieren indem Eisenbahn und Hauptstrassen fur den zeitgleich zu erwartenden militarischen Vormarsch in gegenlaufiger Richtung genutzt werden konnten Die Planungen blieben geheim und waren lediglich einem eingeschrankten Personenkreis bekannt Die offizielle Bekanntgabe der Plane behielt sich Hitler selbst vor Vom 13 Mai bis zum 19 Mai 1939 bereiste er die Westgrenze und liess sich uber den Stand des Westwallbaues und die Evakuierungsmassnahmen unterrichten Fur das Anlaufen der einzelnen Freimachungsphasen wurden Kennworter vergeben Kennwort BedeutungAdventskranz Vorbereitung zur Ruckfuhrung der BevolkerungBeleuchtung Einweisung der Marschblock und Marschgruppenfuhrer und der BevolkerungDrehbank Beginn der Vorbereitungen zur Unterbringung und Verpflegung der RuckgefuhrtenMobelwagen Ruckfuhrung von Sachwerten der Behorden und der WirtschaftFruhlingsfest Freimachung von Einrichtungen wie Krankenhausern Pflegeanstalten GefangenenanstaltenGeduldspiel Ruckfuhrung Nichtmarschfahiger mit der BahnVorgarten Freimachung der Roten ZoneHinterhaus Freimachung der Grunen ZoneRuckfuhrung 1939 BearbeitenZwei Tage vor Beginn des Zweiten Weltkriegs wurden die Codeworte Adventskranz und Beleuchtung durchgegeben In den nachsten Tagen folgten die weiteren Phasen der Raumung in kurzen zeitlichen Abstanden aufeinander zuletzt am 3 September 1939 Vorgarten und Hinterhaus Die Phase Hinterhaus umfasste die als Grune Zone im Ruckraum des Westwalls bezeichnete Region und wurde letztendlich nicht ausgefuhrt Nicht Marschfahige und Mutter mit Kindern unter 14 Jahren wurden mit Omnibussen befordert in den Dorfern wurden Marschkolonnen und Trecks mit Fuhrwerken zusammengestellt die sich auf festgelegten Routen in das Landesinnere in Marsch setzten 1 30 kg Gepack durften mitgenommen werden Hauser mussten unverschlossen zuruckgelassen werden Viehbestande mussten komplett zuruckgelassen werden Dies bewirkte dass viele Bewohner ihren Besitz aufgeben mussten und verloren Die Betroffenen wurden in Auffanggebiete im Inneren des Deutschen Reiches verbracht und dort in Raume einquartiert die ihnen von Einheimischen zur Verfugung gestellt worden waren Nach einer Konsolidierungsphase bei der sich auseinandergerissene Familien uber die Zentralkartei der Evakuierten wieder zusammenfanden und Quartiere gewechselt wurden lebten sich die Betroffenen in den Auffangquartieren notdurftig ein Nicht nur Privatpersonen waren von der Evakuierung betroffen Ganze Unternehmen wurden mit ihren Fertigungsstatten nebst Belegschaft verlegt Gleiches galt auch fur Krankenhauser und Verwaltungseinrichtungen 2 Im Westen wurden unterdessen entlang der Grenze Kirchturme Sendeanlagen und Aussichtsturme gesprengt und selbst der Menhir Gollenstein niedergelegt um dem franzosischen Militar keine Landmarken als Orientierungspunkte zu belassen dazu wurden Brucken vermint und gesprengt um den Vormarsch aufzuhalten Die franzosische Armee drang im September 1939 uber die Grenze in das geraumte Gebiet vor Saar Offensive Es kam zu Gefechten bei denen mehrere Ortschaften zerstort wurden Betroffen war insbesondere der Abschnitt zwischen Saarbrucken und dem Pfalzerwald wo der Schwerpunkt der Offensive lag 3 Wahrend des folgenden Sitzkrieges 1939 40 unterblieb eine Grossoffensive auf beiden Seiten Durch den Westfeldzug wurde Frankreich im Mai und Juni 1940 besiegt und besetzt wobei der Hauptvorstoss die Maginot Linie umging und stattdessen die neutralen Benelux Lander zum Kampfgebiet machte Drei Tage nach der Unterzeichnung des Waffenstillstands von Compiegne verfugte Hitler in einem Erlass dass der Rucktransport der Bevolkerung durch die gleichen Instanzen ubernommen werden sollte die 1939 den Abtransport organisiert hatten z B die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt NSV Wiederbesiedlung 1940 BearbeitenUm eine ungeordnete und ubersturzte Ruckkehr der Bevolkerung zu vermeiden durfte die Ruckkehr nur mit einem Heimkehrerschein erfolgen Zunachst raumte die Wehrmacht seit der zweiten Junihalfte 1940 die Minengurtel und den Westwall Anschliessend reparierten Vorkommandos Schaden an den Versorgungsleitungen und brachten die Lebensmittel Wasser und Energieversorgung in Gang Zuletzt misteten die Hitlerjugend und der Bund Deutscher Madel diejenigen Hauser aus die nach fast einem Jahr Leerstand und vielfacher Plunderung durch die Soldaten verwahrlost waren Die Personen und Gepackbeforderung erfolgte gegen Vorzeigen des Heimkehrerausweises kostenlos die Kosten ubernahm das Reich Der grosste Teil der Bevolkerung kehrte in der zweiten Julihalfte und im August 1940 wieder in die Heimat zuruck Zur Belebung der Wirtschaft diente eine Sonderkreditaktion die Reichswirtschaftshilfe fur die Wiederingangsetzung der Wirtschaft in den ehemals freigemachten westlichen Grenzgebieten Zerstorungen und Gebaudeschaden in den geraumten Gebieten wurden amtlich erfasst und Entschadigungen ausgezahlt Schon bald nachdem die Kommission zur Schadensfeststellung ihre Tatigkeit aufgenommen hatte kam der Gedanke auf mit der Behebung der Kriegs und Raumungsschaden zugleich eine Flurbereinigung und einen grosszugigen Neuaufbau der am meisten zerstorten Dorfer einzuleiten Die Wiederbesiedlung der betroffenen Orte wurde daher aufgeschoben die Ortskerne durch Abriss zahlreicher nicht oder kaum beschadigter Gebaude aufgelockert Die westpfalzische Kleinstadt Hornbach war davon besonders betroffen und verlor einen Grossteil ihres Gebaudebestandes Ein Neuaufbau durch franzosische Kriegsgefangene war vorgesehen der sich durch Fachkraftemangel Planungs und Materialbeschaffungsschwierigkeiten wahrend des Krieges verzogerte Entgegen der ursprunglichen Planung wurde er schliesslich vollig aufgegeben als mit Fortdauer des Krieges andere Prioritaten gesetzt werden mussten Freimachung 1944 BearbeitenNach der Landung der Alliierten in der Normandie im Juni 1944 eroberten die Alliierten bis zum Spatjahr 1944 ganz Frankreich zuruck sodass die Hauptkampflinie sich erneut auf den Westwall zubewegte In dieser Lage kam es wieder zu einer Evakuierung der Roten Zone die weniger geordnet und weniger organisiert als 1939 ausfiel Ein Teil der Bewohner weigerte sich dieses Mal die Heimat erneut zu verlassen wahrend andere diejenigen Orte aufsuchten in denen sie bereits 1939 gewesen waren Teilweise kamen die Menschen im allgemeinen Chaos bei Bekannten Verwandten und Fremden unter um dort bis zum Kriegsende im Mai 1945 auszuharren Zwischenzeitlich war durch Kriegsschaden die gesamte Infrastruktur im Deutschen Reich beschadigt oder zerstort Nach der Kapitulation des Deutschen Reiches am 7 und 8 Mai 1945 machten sich manche daher zu Fuss und mit Fahrradern auf den Heimweg durch das Land in ihre zum Teil vollig zerstorten Wohnorte Diejenigen die mobilitatseingeschrankt waren mussten bis zum Herbst 1945 warten bis wieder Zuge fuhren Damit war der zweite wiederum etwa einjahrige Leerstand der Gebaude und des gesamten geraumten Gebietes beendet Niemandslandpolitik 1945 BearbeitenIn den Wirren des Kriegsendes erliess die franzosische Fuhrung am 6 beziehungsweise 7 Mai 1945 den sogenannten Niemandslandbefehl Alle Orte die weniger als funf Kilometer von der Grenze entfernt lagen sollten dauerhaft geraumt und zum Niemandsland werden Damit wurden z B im Landkreis Bergzabern alleine acht der 16 schon zweimal geraumten Siedlungen zum dritten Mal geraumt und die Bevolkerung unter Zurucklassung ihres Eigentums vertrieben Der Befehl wurde bald aufgehoben und die Bevolkerung durfte im Laufe des Juni und Juli 1945 dauerhaft in die Heimat zuruckkehren Notstandsgebiet BearbeitenIn der Nachkriegszeit wurde der Begriff Rote Zone ausgeweitet In Rheinland Pfalz wurde das gesamte Notstandsgebiet damit bezeichnet das die mehrfach geraumten grenznahen Landkreise und kreisfreien Stadte umfasste in denen durch Raumungen und Zerstorungen eine Wirtschaftstatigkeit kaum noch moglich war 4 Erst mit der Ruckgliederung des Saarlandes war diese Phase abgeschlossen Vergleichbare Massnahmen in anderen Landern BearbeitenVergleichbare Aktionen liefen bei Kriegsbeginn in Frankreich und im Vereinigten Konigreich an Auf franzosischer Seite der Grenze wurde 1939 die Bevolkerung aus dem Vorfeld der Maginot Linie in das Innere Frankreichs evakuiert Unter ihnen befanden sich 300 000 Elsasser davon alleine 190 000 aus Strassburg und 300 000 Lothringer Im Vereinigten Konigreich wurden 1 5 Millionen Kinder aus den Grossstadten evakuiert da deutsche Luftangriffe befurchtet wurden Literatur BearbeitenBirgit Arnold Die Freimachung und Raumung der Grenzgebiete in Baden 1939 40 Heidelberg 1994 Johannes Grossmann Fabian Lemmes Nicholas Williams Les evacuations dans l espace frontalier franco allemand pendant la Seconde Guerre mondiale Vers une histoire comparee In Francois Roth Hrsg La Lorraine et les pays de la rive gauche du Rhin Sarre Palatinat pays de Treves du XVIIIe siecle a nos jours edhisto Moyenmoutier 2011 S 125 139 Hans Walter Herrmann Die Freimachung der Roten Zone 1939 1940 Ablauf und Quellenlage In Zeitschrift fur die Geschichte der Saargegend 32 Jahrgang Saarbrucken 1984 S 64 89 Hans Hess Westwallbau Raumung und Wiederbesiedlung in den Grenzgemeinden des ehemaligen Landkreises Bergzabern In Zeitschrift fur die Geschichte der Saargegend 32 Jahrgang Saarbrucken 1984 S 90 106 Fritz Jacoby Quellen zur ersten Evakuierung 1939 1940 im Stadtarchiv Saarbrucken In Zeitschrift fur die Geschichte der Saargegend 32 Jahrgang Saarbrucken 1984 S 107 110 Fabian Lemmes Johannes Grossmann Nicholas Williams Olivier Forcade Rainer Hudemann Hrsg Evakuierungen im Europa der Weltkriege Les evacuations dans l Europe des guerres mondiales Evacuations in World War Europe Berlin 2014 mehrere Beitrage zum Thema Nicholas J Williams Grenzen der Volksgemeinschaft Die Evakuierung 1939 40 in Deutschland und Frankreich In Zeitschrift fur die Geschichte der Saargegend 60 Jahrgang Saarbrucken 2012 S 113 126 Nicholas J Williams Von Saarfranzosen und Zigeunervolk Saarbrucker Evakuierte als Opfer In Hans Christian Herrmann Ruth Bauer Hrsg Widerstand Repression und Verfolgung Beitrage zur Geschichte des Nationalsozialismus an der Saar Rohrig St Ingbert 2014 S 279 312 Stefan Sauer Wolfgang Steche Gesichter des Krieges Auf den Schlachtfeldern Europas 1939 1945 Rhein Mosel Verlag 2021 S 39ff ISBN 978 3 89801 380 2 Weblinks BearbeitenDer 30 Mai 1950 Rote Zone Die Grenzlandproblematik in Rheinland PfalzEinzelnachweise Bearbeiten Eine vergleichende Geschichte der Evakuierungen im deutsch franzosischen Grenzgebiet wahrend des Zweiten Weltkrieges In nng uni saarland de Abgerufen am 18 November 2013 Vgl dazu Sauer Steche S 41 m w N Vgl dazu Sauer Steche S 53 m w N Vor 50 Jahren Der 30 Mai 1950 Rote Zone Die Grenzlandproblematik in Rheinland Pfalz In landeshauptarchiv de Abgerufen am 18 November 2013 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Rote Zone Westwall amp oldid 236928781