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Der Raum der Lebensstile ist ein Begriff des franzosischen Soziologen Pierre Bourdieu Er wird erstmals in seinem 1979 veroffentlichten Werk Die feinen Unterschiede verwendet das auf einer grossangelegten empirischen Studie im Frankreich der 1960er Jahre beruhte Demnach streiten sich die sozialen Akteure im Raum der Lebensstile um symbolisches Kapital Bourdieu zufolge gehen materielle Auseinandersetzungen im Raum der sozialen Positionen mit symbolischen Auseinandersetzungen im Raum der Lebensstile einher Die zwei relativ eigenstandigen Subraume Felder Raum der Lebensstile sowie Raum der sozialen Positionen bilden uber den Habitus vermittelt den sozialen Raum Darstellung BearbeitenDer Habitus leistet dabei zweierlei Zum einen bringt er klassifizierbare Praxisformen hervor und zum anderen die Unterscheidung und Bewertung der Praxisformen und Produkte Zunachst offnen und begrenzen die ausseren okonomischen sozialen und kulturellen Voraussetzungen des Individuums seinen Spielraum von Handlungsmoglichkeiten Jede Klasse entwickelt fur sie typische Lebensstile die sich allerdings partiell uberschneiden und nicht klar voneinander abgegrenzt werden konnen Eine der wichtigsten Grundlagen der durch den Habitus gesteuerten Handlungen ist der Geschmack Bourdieu versteht den Begriff des Geschmacks als hervorragendes Merkmal von Klasse weil Menschen ahnlicher Herkunft in der Regel ahnliche Vorlieben entwickeln und gleichzeitig Netzwerke bilden die die herrschenden Verhaltnisse stabilisieren Er hebt die traditionelle Trennung zwischen hoherwertiger Kultur vgl dazu auch Zivilisation und minderwertigem blossem Konsum auf beispielsweise die in Deutschland haufig praktizierte Unterscheidung zwischen E und U Musik und untersucht zum einen Musik und Kunstgeschmack verschiedener gesellschaftlicher Schichten bzw Klassen aber auch das tagliche Leben wie die Auswahl der Nahrung und deren Zubereitung die Entscheidung fur einen bestimmten Kleidungsstil oder die Wohnungseinrichtung u a und ordnet diese Aspekte der Lebensweise einem differenzierten Klassenhabitus zu Dabei berucksichtigt er historische Entwicklungen und andere dynamische Faktoren Der Geschmack lasst Ruckschlusse auf das Individuum seine Herkunft und seine gegenwartige Stellung innerhalb der Gesellschaft zu Er ist ein Mittel zur Unterscheidung und somit ein distinktives Zeichen von Wertigkeit in einer symbolischen Ordnung Jede Praxis ist distinktiv unabhangig davon ob sie bewusst ausgefuhrt wird oder nicht Illusio Vor allem ist die Differenzierung von Geschmack in Bezug auf die bildende Kunst fur die Herstellung von Klasse auf symbolischer Ebene bedeutsam So macht es z B einen Unterschied ob jemand sogenannten Kitsch van Gogh oder moderne Kunst bevorzugt Daruber hinaus besitzen alltagliche Guter und Verhaltensweisen wie z B die Bevorzugung von Fast Food und anderer ubermassiger Mahlzeiten auf der Seite der Angehorigen der unteren Klassen gegenuber teuren gesunden und seltenen Nahrungsmitteln auf der Seite der Herrschenden ebenfalls klassifizierende Wirkung In erster Linie nehmen an den symbolischen Auseinandersetzungen diejenigen erfolgreich teil die uber die notigen kulturellen und okonomischen Voraussetzungen in Form von kulturellem und okonomischem Kapital verfugen und auf Grund ihrer Herkunft Kompetenzen zum kreativen und innovativen Gebrauch legitimer Kulturguter und Lebensstile erworben haben Die herrschende Klasse setzt somit die Standards Sie definiert die anerkannte Kultur bestimmt was ein Luxusgut ist und wie legitime Aneignungsweisen aussehen Geeignet zur Unterscheidung der Schichten sind Guter und Stilformen die einen Seltenheitswert besitzen und damit ihre Funktion der Abgrenzung von Besitztumern und Verhaltensweisen der breiten Masse erfullen Die Erfahrung von grosszugiger Ausstattung mit okonomischem und kulturellem Kapital pragt den Habitus der herrschenden Klasse Ihr Habitus ist der reine sichere Geschmack der spielerische Umgang mit Vorschriften im Alltag wie in der Asthetik das Wohlgefallen am Nicht Notwendigen das Anders sein Wollen der gekonnte Umgang mit Dingen und Menschen der Wille die eigenen differenzierten Massstabe und Praxisformen durchzusetzen Die Lebensstile der beherrschten Klassen sind laut Bourdieu dagegen eher passiv und stehen im Kontrast zu denen der oberen Schichten Auf Grund ihrer angespannten okonomischen Situation ist ihr Habitus durch die alltaglichen Anforderungen gepragt Ihre existenzielle Not fuhrt haufig zu einem am Nutzen orientierten Streben nach materiellen Gutern Ein nutzlicher Materialismus und die Vorliebe fur das Praktische sind charakteristisch Das von Bourdieu in mehrere Gruppen eingeteilte und differenziert beschriebene Kleinburgertum hingegen strebe nach dem Aufstieg und orientiere sich am Geschmack und Lebensstil der Oberschicht Dadurch nimmt es so Bourdieu den jeweils aktuellen symbolischen Gutern ihre Exklusivitat und damit ihren Wert und zwingt die kulturell hegemonialen Schichten sich neue legitime Kulturguter zu suchen Die Mittelschichten bemuhen sich die von den oberen Schichten vorgegebenen Konventionen zu erfullen Sie ubernehmen deren Kultur und versuchen durch den Erwerb von Bildung sozial aufzusteigen Uberanpassung die kritiklose Befolgung von Regeln und die angstliche Vermeidung von Fehlern sind haufig kennzeichnend Neben den symbolischen Auseinandersetzungen zwischen den Klassen beschreibt Bourdieu die Rivalitat innerhalb der Oberschicht zwischen der Wirtschafts und Kulturelite Die symbolischen Auseinandersetzungen zwischen und innerhalb der Klassen beziehungsweise Schichten sind laut Bourdieu die vergessene Dimension des Klassenkampfes Literatur BearbeitenPierre Bourdieu Die feinen Unterschiede Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft Suhrkamp Frankfurt a M 1982 ISBN 3 51828 258 1 Franz Original La distinction Critique sociale du jugement 1979 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Raum der Lebensstile amp oldid 221331174