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Strahlenangst oder Radiophobie ist die Furcht vor negativen Folgen bestimmter Strahlungsarten In der deutschsprachigen Literatur taucht der Begriff erstmals 1 Anfang der 1950er Jahre im Zusammenhang mit den Folgen der Atombombenabwurfe auf Hiroshima und Nagasaki auf Weitere Wellen der Radiophobie entstanden im Zusammenhang mit der Katastrophe von Tschernobyl 2 und der Diskussion um Elektrosmog 3 In der Ukraine wo sich 1986 die Katastrophe von Tschernobyl ereignete wird mit dieser Diagnose von einigen Medizinern und Behordenvertretern unterstellt Kranke wurden simulieren und sich Radioaktivitat als Ursache fur ihre Krankheit nur einbilden 4 Inhaltsverzeichnis 1 Risikowahrnehmung 1 1 Auswirkungen 1 2 Risikokommunikation 2 Siehe auch 3 EinzelnachweiseRisikowahrnehmung BearbeitenDie psychologische Forschung zur Risikowahrnehmung hat ergeben dass Laien die Gesundheitsrisiken der Kernenergie hoher einschatzen als Experten Zudem wird das Gesundheitsrisiko durch Strahlung in der Offentlichkeit nicht uber alle Strahlungsquellen hinweg konsistent empfunden 5 Bei einer der ersten psychometrischen Studien 1978 in der drei Gruppen von Laien und eine Expertengruppe jeweils 30 verschiedene Aktivitaten und Technologien in eine Rangfolge gemass ihren relativen Gesundheitsrisiken bringen sollten schatzten Experten die Risiken der Kernenergie als deutlich niedriger ein als die Laien Hingegen unterschatzten die Laien das Strahlenrisiko durch Rontgen im Vergleich zu Experten Die Kernenergie wurde als weniger freiwillig katastrophaler furchteinflossender eher todlich weniger kontrollierbar und neuer empfunden Eine Faktorenanalyse ergab zwei zentrale Faktoren Furcht und zu einem geringeren Ausmass Unbekanntheit Diese zwei Hauptfaktoren wurden in Folgeuntersuchungen bestatigt Sie gelten fur Laien Experten sehen Risiko stattdessen als synonym mit der erwartbaren Mortalitatsrate 5 Weitere reprasentative Studien der folgenden Jahrzehnte aus den USA Schweden Kanada Norwegen und Ungarn kamen ebenfalls zu dem Ergebnis dass die Kernenergie als Hochrisikotechnologie mit niedrigem Nutzen fur die Gesellschaft empfunden wird hingegen die Rontgenstrahlung als sehr nutzlich und risikoarm 5 Vor dem Unfall im Kernkraftwerk Three Mile Island erwarteten die Amerikaner Katastrophen immenser Ausmasse durch derartige Unfalle vergleichbar mit den Folgen eines Atomkriegs In nach dem Unfall durchgefuhrten Replikationen dieser Umfragen wurden noch extremere Vorstellungen festgestellt 5 Weart wies darauf hin dass historisch mit der Entdeckung der Radioaktivitat besonders wegen der mit ihr verbundenen Stoffumwandlungen Transmutation alte mythische Vorstellungen von gefahrlichen verborgenen Machten wieder popular wurden 6 Smith 1988 betonte die Wahrnehmung der Kernenergie sei untrennbar mit der Atombombe verbunden Erikson 1990 wies auf das breite Thema der Toxizitat hin das mit neuen Technologien assoziiert wird ebenso wie auch im Bereich der Chemikalien Durch unsichtbare durchdringende und kaum zu beseitigende Kontaminationen ergebe sich in der Risikowahrnehmung ein prinzipieller Unterschied zu Naturkatastrophen Viele Studien fanden dass die meisten Menschen 60 75 glauben auch vorubergehendes Getroffenwerden von Strahlung aus radioaktiven Quellen konne eines Tages Krebs auslosen Diese Empfindung erklart warum es fur viele Menschen nie zu teuer sein kann Strahlung zu vermeiden In einer Analyse 1993 von mehr als 500 lebensrettenden Interventionen wurden fur Strahlenschutz die hochsten Kosten pro gerettetem Lebensjahr ermittelt 5 Auswirkungen Bearbeiten Die Auswirkungen der Risikowahrnehmung sind entscheidend Obwohl beispielsweise kein Mensch an den Folgen des Three Mile Island Unfalls starb und nur wenige durch ihn verursachte Krebstodesfalle erwartet wurden hat kein anderer Unfall in der US amerikanischen Geschichte derart hohe soziale Kosten verursacht strengere Auflagen geringere Auslastung der Kraftwerke Verlagerung auf teurere Energiequellen Laut Kaperson et al ist hier der Signalwert zentral also Erwartungen uber die Wahrscheinlichkeit und das Ausmass zukunftiger Unfalle Der Signalwirkung eines Unfalls mit einer bekannten Technologie z B Eisenbahnungluck kann damit selbst bei vielen Todesopfern deutlich unter der einer als weniger gut verstandenen empfundenen Technologie wie der Kernenergie liegen 5 Die mit der Strahlenschadigung einhergehende Stigmatisierung kann ebenfalls erhebliche soziookonomische Folgen haben Beispielsweise fuhrte der Goiania Unfall 1987 dazu dass Bewohner der Region in anderen Landesteilen nicht mehr als Hotelgaste akzeptiert wurden und Piloten sich weigerten mit ihnen an Bord zu fliegen Der Tourismus in der Region nahm erheblichen Schaden und die Verkaufspreise von Produkten aus der Region brachen fur mindestens einen Monat ein obwohl bei keinem untersuchten Produkt je eine Kontamination festgestellt wurde 5 Risikokommunikation Bearbeiten Viel wurde uber die Notwendigkeit der Risikokommunikation und die dabei erfahrenen Schwierigkeiten geschrieben Wichtig ist stets die Information so zu vermitteln dass die Entscheidungsfindung erleichtert wird Beispielsweise zeigten sich Medien in einem Fall einer sehr niedrigen 1 2 Dibromethan Belastung von Lebensmitteln in den 1980er Jahren nicht imstande die von der Environmental Protection Agency EPA herausgegebenen Informationen in praktische Verzehrsempfehlungen zu ubersetzen 5 Vergleiche von Risiken sind eine Standardherangehensweise in der Risikokommunikation Statements wie Das jahrliche Risiko neben einem Kernkraftwerk zu leben ist aquivalent zu drei Meilen Autofahren sind jedoch nicht immer effektiv und konnen statt Aufklarung Arger produzieren Effektivere Vergleiche lassen sich zwischen verschiedenen Strahlungsquellen ziehen Beispielsweise war die zusatzliche lebenslange Strahlendosis nach dem Tschernobyl Unfall fur Menschen in Weissrussland deutlich geringer als die lebenslange Strahlendosis durch einen Umzug von New York City nach Denver Als die Strahlung des Tschernobyl Unfalls die USA erreichte verdeutlichte die EPA uber die Medien dass die dadurch erhaltenen Dosen weitaus kleiner waren als die einer Rontgenuntersuchung In Europa war die Risikokommunikation zu Tschernobyl hingegen ein Desaster Behorden machten unterschiedliche Angaben die Masseinheiten wurden durcheinander geworfen die Offentlichkeit misstraute den Vergleichen mit naturlicher Strahlung und reagierte teilweise erzurnt 5 Psychologische Forschung hat gezeigt dass Risikoempfindungen sehr persistent sind und sich nur langsam andern Neue Erkenntnisse werden eher als zuverlassig empfunden wenn sie die ursprungliche Auffassung bestatigen Wenn die ursprungliche Meinung hingegen wenig geformt ist reagieren Menschen sehr schnell auf Meldungen Dem Framing Effekt kommt dann eine entscheidende Bedeutung zu 5 Das Scheitern von Risikokommunikation kann in vielen Fallen durch einen Mangel an Vertrauen erklart werden Medizinischen Technologien wie Rontgen wird mehr Vertrauen geschenkt als industriellen Technologien wie der Kernenergie Es ist zudem sehr schwer Vertrauen aufzubauen aus folgenden Grunden 5 negative vertrauensmindernde Ereignisse sind leichter erkennbar als positive Wahrend negative Ereignisse haufig die Form spezifischer klar umrissener Vorfalle wie Unfalle Lugen oder Fehler annehmen sind positive Ereignisse haufig schwer greifbar Wie viele positive Ereignisse beispielsweise in einem 24 stundigen unfallfreien Betrieb eines Kernkraftwerks enthalten sind ist nicht offensichtlich negativen Ereignissen wird grosseres Gewicht beigemessen als positiven selbst wenn letztere als solche erkannt werden Psychologische Experimente bezuglich hypothetischer Ereignisse in Kernkraftwerken belegen dies negative Nachrichten werden als glaubwurdiger empfunden als positive Nachrichten dies ist ebenfalls durch psychologische Experimente bewiesen Misstrauen ist selbstverstarkend Erstens weil Misstrauen die personlichen Kontakte und Erfahrungen verhindert die Misstrauen senken konnen Zweitens beeinflusst Misstrauen die Interpretation von Ereignissen gemass ursprunglicher Auffassungen Siehe auch BearbeitenZum Risiko nicht ionisierender Strahlen siehe Elektromagnetische Umweltvertraglichkeit Zum Risiko ionisierender Strahlen siehe StrahlenrisikoEinzelnachweise Bearbeiten Radiophobia a new psychological syndrome In West J Surg Obstet Gynecol Band 59 Nr 11 Nov 1951 S viii x passim PMID 14877113 R H Pastel Radiophobia long term psychological consequences of Chernobyl In Mil Med Band 167 Nr 2 Suppl Feb 2002 S 134 136 B I Davydov V G Zuev S B Obukhova Electromagnetic fields is there any probability of the risk of cancer In Aviakosm Ekolog Med Band 37 Nr 2 2003 S 16 19 PMID 12722420 russisch Annette Langer Tschernobyl Ingenieurin Das Sterben wird weitergehen Interview mit der Atomphysikerin Larissa Lebedewa einestages spiegel de 31 Juli 2007 a b c d e f g h i j k Paul Slovic Perception of Risk from Radiation In Radiation Protection Dosimetry Band 68 Nr 3 4 1996 S 165 180 Spencer R Weart The Rise of Nuclear Fear Harvard University Press 2012 ISBN 978 0 674 05233 8 S 7 10 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Strahlenangst amp oldid 217932377