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Mit Pseudo Phokylides bezeichnet man einen unbekannten vermutlich judischen Spruchdichter der etwa zwischen 50 v Chr und 50 n Chr ein langes griechisches Spruchgedicht verfasst engl The Sentences of Pseudo Phocylides und es unter den Namen des altehrwurdigen griechischen Dichters Phokylides von Milet 6 Jahrhundert v Chr Kleinasien gestellt hat Inhaltsverzeichnis 1 Das Pseudonym Phokylides 2 Ein neuer Zugang zum Gedicht 3 Textbestand und Eigenart 3 1 Zum literarischen Charakter 3 2 Sinnabschnitte 3 3 Thematische Blocke 4 Quellen 5 Judische Identitat des Autors 6 Literatur in Auswahl 6 1 Textausgaben 6 2 Deutsche Ubersetzung 6 3 Untersuchungen und KommentareDas Pseudonym Phokylides BearbeitenBevorzugt wurden im ausgehenden Altertum beruhmte Personlichkeiten aus alter Zeit als Namensgeber fur ein Pseudepigraph verwendet Fur die Wahl des Namens Phokylides lassen sich einleuchtende Grunde erschliessen Das Gedicht wurde so von vornherein als Sammlung von Weisheitsspruchen zur praktischen Lebensfuhrung erkennbar denn Phokylides war eben dafur beruhmt Und es bekam den Nimbus der verehrten alten Zeit da Phokylides gleichzeitig mit dem ebenfalls beruhmten Theognis und nur gut 100 Jahre nach Homer und Hesiod gelebt hatte Der Pseudo Phokylides Autor hat sein Pseudonym mit zwei Mitteln getarnt Zum einen hatte Phokylides seine Spruche von denen lediglich 15 bis 16 erhalten sind am Anfang mit seinem Namen gesiegelt Auch dies von Phokylides Kai tode Fwkylidew Ahnlich beginnt der Plagiator wenn auch etwas hochtrabend sein Gedicht Diese Ratschlage offenbart Phokylides der Weiseste der Manner Das zweite wichtigere Mittel der Tarnung ist die antiquierende Sprache Wie Phokylides dichtet er in Hexametern und im ionischen Dialekt den alle Gebildeten aus der Ilias und der Odyssee kannten und erkannten Gut 1500 Jahre lang glaubte man dieser Selbstvorstellung des Gedichtanfanges Noch im 16 Jahrhundert wurde das Gedicht haufig abgedruckt und als altehrwurdige zugleich gefallige und moralisch hochwertige Schullekture geschatzt Erst 1607 erkannte der Gelehrte Joseph Scaliger den sprachlichen Unterschied zu den kurzen Worten des Phokylides Er schloss aus den Bibelanspielungen im Text dass ein Jude oder ein Christ der Autor sein musse Damit verlor die gebildete Welt schlagartig das Interesse an dem Gedicht Ein neuer Zugang zum Gedicht BearbeitenNeues Interesse am Gedicht weckte 1856 der Altphilologe und orthodoxe Jude Jacob Bernays in dem bis heute nicht uberholten Fachaufsatz Uber das phokylideische Gedicht Er beschrieb den geistigen Ort des Werkes im hellenistischen Judentum und arbeitete die biblischen und judischen Anteile des Gedichtes heraus In den vielen seither erschienenen Untersuchungen und wenigen Kommentaren setzte sich die These vom judischen Autor mehr und mehr durch Sie ist inzwischen aus der Forschung die sich mit hellenistisch judischer Weisheit der Beziehung altjudischer und griechischer Bildung und fruhjudischer Jugendunterweisung beschaftigt nicht mehr wegzudenken Textbestand und Eigenart BearbeitenDie handschriftliche Uberlieferung des Gedichtes bietet 219 vermutlich originale Verse Zeilen die heute mit spateren Zufugungen und Duplikaten als Nr 1 230 gezahlt werden Zum literarischen Charakter Bearbeiten Das Gedicht wendet sich an Manner in der Mitte des Lebens und mit einem gewissen Bildungsstand Sollte es zur Jugendbildung gedacht sein dann stellt es den Jugendlichen die Pflichten des Erwachsenen vor Augen Trau nicht dem Volk Wetterwendisch ist die Masse V 95 Im Unterschied zu anderen Weisheitsdichtungen besonders der spekulativen Weisheit wird das Gedicht dominiert vom Mahnspruch der vielfach aus Imperativ und begrundendem Indikativ besteht Zerquale nicht deine Leber wegen verganglicher Ubel Nimmer kann ja was geschah ungeschehen werden V 55 56 dd Die Abfolge der Spruche des Gedichtes V 3 227 ist nach Art der weisheitlichen Spruchliteratur scheinbar ungegliedert und enthalt uberwiegend einversige aber auch zwei und mehrversige Spruche Sentenzen Maximen Man soll sie einzeln wahrnehmen und sein ethisches Wollen daran schulen Eine ubergreifende Lehre kommt nur indirekt in den Blick Wie sie vorzustellen ware kommt in Stichworten der griechischen Vier Tugenden Lehre in der Interpretation der Gerechtigkeit als Fursorge fur Unterprivilegierte im Erfordernis von Weisheit fur Fuhrungspositionen und gesittetes Verhalten und in Maximen zur Vermeidung sexueller Unreinheit Verletzung von Sexualtabus zum Ausdruck Sinnabschnitte Bearbeiten Die Sinnabschnitte die zu beobachten sind beginnen meist mit einem konkreten lebenspraktischen Imperativ Niemals sollst du ungebildete Leute Recht sprechen lassen V 86 V 86 90 Thema Gerichtswesen Zermurb dir nicht fruchtlos am Feuer dasitzend das liebe Herz V 97 V 97 115 Thema Trauer Tod Unsterblichkeit Bleibe nicht ehelos damit du nicht schliesslich namenlos vergehst V 175 V 175 206 Thema Sexualitat Ehe und Familie Thematische Blocke Bearbeiten Inhaltlich erkennbar sind ausser dem Prolog V 1 2 der den angeblichen Dichter und seine Absicht nennt und dem Epilog mit einem Resumee V 228 230 funf besondere Mahnungsblocke Die Eroffnung V 3 8 die den Zehn Geboten nachgebildet scheint schlagt den Ton der kommenden Ermahnungen an Auf die Themen der Zweiten Tafel V 3 7 mit Ehebruch Blutvergiessen Stehlen und Lugen die umformuliert und zeitgemass erganzt werden folgt die Erste Tafel mit der Ehre Gottes und der Eltern Alle Gebote werden spater wieder aufgegriffen so z B in V 32 34 Gurte das Schwert nicht zum Toten sondern zum Wehren Ach dass du es nie gebrauchtest weder ungesetzlich noch mit Recht Denn auch wenn du einen Feind totest befleckst du deine Hand dd Mit Trauer Tod und Unsterblichkeit lasst sich die themenreiche und interessante Folge V 97 121 bezeichnen Sie hat der religionsgeschichtlichen Forschung Probleme gestellt Mit dem Preis des guten Wortes und der Weisheit V 122 131 setzt der Autor Massstabe fur gesellschaftliche Fuhrungsamter und betont zugleich die Wurde seines eigenen dichterischen Bemuhens Landereien und Stadte und Schiffe Weisheit regiert sie V 130 131 Die Empfehlung fleissiger Handarbeit V 153 174 nach Bernays wohl der schonste Teil des Gedichtes nimmt provokativ zu der verbreiteten Verachtung der Handarbeit Stellung ganz im Sinne kynischer Philosophie und judischer Moral Der letzte und grosste Mahnungsblock V 175 227 hat als Haustafel d h als tabellarische Auflistung der Pflichten der Hausgenossen besonderes Interesse der Neutestamentler gefunden vgl z B Kol 3 18 4 1 Quellen BearbeitenPseudo Phokylides hat reichlich aus Quellen geschopft deren Anregungen er aber meist sehr eigenstandig seinem Gedicht adaptiert hat Wie weit er im Allgemeinwissen wie weit in der Lekture seine Themen und Formulierungen fand ist schwer zu ermitteln Am Text der mosaischen Tora der Septuaginta zeigt er ein vehementes Interesse So scheinen neben den Zehn Geboten V 3 8 das grosse Kapitel der Nachstenliebe aus Lev 19 V 9 41 dazu Lev 18 V 175 189 und weitere Toragebote ihn beeinflusst zu haben Auffallige Parallelen zu zwei Kurzfassungen judischer Lebensform bei Philo von Alexandrien und Flavius Josephus die dort aber in ganz anderem Zusammenhang stehen lassen nach einer Stoffsammlung fur Jugend und Proselytenunterweisung fragen die den Autor angeregt haben durfte Aus der griechischen Literatur kannte er wenigstens teilweise die Epen von Homer und Hesiod den Phokylides sowie Dichtung von Theognis Zur Wahrung des Pseudonyms hat der Autor die biblischen Vorlagen sprachlich bis zur Unkenntlichkeit umgeformt dagegen die Anklange an die altgriechischen Dichter deutlich gemacht Er wollte biblisches Ethos als Weisheit aus grosser griechischer Vergangenheit prasentieren Judische Identitat des Autors BearbeitenDer Autor enthalt sich aller Werbung fur das Judentum und aller apologetischen Verteidigung des vielfach angegriffenen Judentums Sabbatgebot Beschneidung und judische Riten werden nicht erwahnt Auffallig ist ein gewisses Tandeln mit Namen polytheistischer Gotter neben einem durchgehend monotheistischen Grundton Die Verschmelzung judischer Normen mit griechischer Redeweise ist so weitreichend dass Zweifel an seinem Interesse ein Jude zu sein aufkamen In der Fachwelt werden drei Positionen in dieser Frage vertreten Pseudo Phokylides war ein assimilierter Jude dem es genugte zwischen seinem judischen Erbe und der griechischen Bildungswelt eine Harmonie zu erkennen und zu vertreten Er wollte seine Mitjuden besonders die Jugend dazu anleiten griechische Tugendlehre und Mysteriensprache v 229 zur Vertiefung des eigenen Ethos und zum Ausgleich mit der griechischen Bildungswelt zu nutzen Er schatzte die Tora als hochste Weisheit und wollte ihre Inhalte so viel wie moglich im Rahmen allgemein gepflegter Weisheitslehre nichtjudischen Lesern nahebringen ohne dass diese ihn als Juden erkennen konnten Literatur in Auswahl BearbeitenTextausgaben Bearbeiten Douglas Young Theognis usw 2 Auflage Leipzig 1971 S 95 112 Pascale Derron Hg franz Ubers Pseudo Phocylide Sentences Collection des Universites de France Bude 1986 Deutsche Ubersetzung Bearbeiten Dietrich Ebener Hg Griechische Lyrik in einem Band S 440 448 Bibliothek der Antike Griechische Reihe 2 durchges Aufl Aufbau Verlag Weimar 1980 Nachdichtung in Hexametern Paul Riessler Altjudisches Schrifttum ausserhalb der Bibel Augsburg 1928 Nachdrucke S 862 870 und 1318 1321 Nikolaus Walter Pseudepigraphische judisch hellenistische Dichtung In Judische Schriften aus hellenistisch romischer Zeit Band IV Teil 3 Gutersloh 1983 Mit allgemeinverstandlichem Kommentar Untersuchungen und Kommentare Bearbeiten Jacob Bernays Uber das Phokylideische Gedicht Breslau 1856 Gesammelte Abhandlungen I 192 236 Berlin Hildesheim 1885 1971 P W van der Horst The Sentences of Pseudo Phocylides With Introduction and Commentary Leiden 1978 mit griechischem Text und englischer Ubersetzung P W van der Horst Pseudo Phocylides und das Neue Testament In Zeitschrift fur die neutestamentliche Wissenschaft und die Kunde der alteren Kirche ZNW Band 69 1978 S 187 202 Wilhelm Kroll Phokylides In Paulys Realencyclopadie der classischen Altertumswissenschaft RE Band XX 1 Stuttgart 1941 Sp 505 510 Max Kuchler Fruhjudische Weisheitstraditionen Orbis Biblicus et Orientalis 26 Freiburg Schweiz 1979 Johannes Thomas Der judische Phokylides Novum Testamentum et Orbis Antiquus 23 Freiburg Schweiz Gottingen 1992 Walter T Wilson The Sentences of Pseudo Phocylides Commentaries on Early Jewish Literature Berlin 2005Normdaten Person LCCN n93061260 VIAF 21152380105501761924 Wikipedia Personensuche Kein GND Personendatensatz Letzte Uberprufung 2 Juni 2023 PersonendatenNAME Pseudo PhokylidesKURZBESCHREIBUNG vermutlich judischer SpruchdichterGEBURTSDATUM 1 Jahrhundert v Chr oder 1 JahrhundertSTERBEDATUM 1 Jahrhundert v Chr oder 1 Jahrhundert Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Pseudo Phokylides amp oldid 234543471