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Die Aufgabe der Politischen Polizei im Volksstaat Wurttemberg bestand in der Beobachtung und Uberwachung von Vereinen Parteien und einzelnen Personen die sie als potentiell staatsfeindlich ansah Ausserdem oblag ihr die Spionageabwehr In Lageberichten machte sie den massgeblichen Landes und Reichsbehorden diese nachrichtendienstlichen Informationen zuganglich Sie ging im Zuge der Gleichschaltung schliesslich in der Geheimen Staatspolizei Gestapo des nationalsozialistischen Deutschen Reiches auf Inhaltsverzeichnis 1 Fruhe Ursprunge 2 Die Politische Polizei wahrend des Ersten Weltkrieges 1914 1918 3 Politische Polizei in der Weimarer Republik 3 1 Entwicklung ab 1919 3 2 Personal und Organisation 3 3 Lageberichte der Politischen Polizei 3 4 Kontroverse zur Rolle der Politischen Polizei 4 Zeit des Nationalsozialismus 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseFruhe Ursprunge BearbeitenUrsprunge einer Politischen Polizei lassen sich bis zur Zeit des Konigreichs Wurttemberg zuruckverfolgen Bereits 1808 unterstellte Konig Friedrich I von Wurttemberg das Zensurkollegium zunachst dem Kabinettsministerium und hiernach einem besonderen Polizeiministerium dem auch die Landespolizei untergeordnet war Nach Verkundigung der Karlsbader Beschlusse 1819 war eine Zensurkommission fur die Uberwachung der Presse zustandig die diese Aufgabe bis 1848 wahrnahm Hiernach hob Wurttemberg die Zensur vorerst wieder auf jedoch wurde bereits 1854 der Konzessionszwang im Deutschen Bund wieder eingefuhrt 1851 wurde der Stadtdirektor Emil Majer im Zuge der Reaktionsara durch Konig Wilhelm I zum Sonderbeauftragten des Innenministeriums ernannt Als solcher sollte Majer die revolutionaren Krafte und Parteien uberwachen und die Belange des Konigreichs Wurttemberg im sog Siebenerverein vertreten In seiner Funktion gab Majer wochentliche Lageberichte zur politischen Situation heraus Im Deutschen Kaiserreich ab 1871 wurden die Tatigkeiten der wurttembergischen Politischen Polizei zunehmend von den preussischen Entwicklungen bestimmt Dort wurde ab 1878 die Politische Polizeidienststelle des Polizeiprasidiums Berlin zu einer Dienststelle ausgebaut die Handlungskompetenzen fur ganz Preussen erhielt Spater verfugte diese Einrichtung nicht nur im ganzen Reich uber Verbindungsbeamte sondern auch uber Kontakte in auslandischen Hauptstadten Sie unterhielt als zentrale Dienststelle des Reiches auch Verbindungen nach Stuttgart wo die Politische Polizei aus der Ara Majer noch immer in den Raumlichkeiten der Stuttgarter Stadtdirektion firmierte Diese wurde ab 1891 in Stadtpolizeiamt umbenannt und 1913 in Stadtische Polizeidirektion Am 17 Juni 1907 wurde in einem geheimen Erlass des Koniglichen Wurttembergischen Ministeriums des Innern verfugt beim Stadtpolizeiamt Stuttgart die Landespolizeizentralstelle zur Spionagebekampfung und zur Verfolgung und Aufdeckung von landesverraterischen Bestrebungen einzurichten Diese Einrichtung hielt nun den Nachrichtenaustausches mit den anderen Bundesstaaten im Reich aufrecht Die Politische Polizei wahrend des Ersten Weltkrieges 1914 1918 BearbeitenWahrend des Ersten Weltkrieges wurden die Aufgaben der Politischen Polizei zunehmend von militarischen Belangen uberlagert Daher wurden diese nunmehr einer Militarischen Zentralpolizeistelle ubertragen Diese war in der Konigstrasse 31B in Stuttgart untergebracht und firmierte unter der Bezeichnung Pollavastelle Sie wurde am 30 November 1918 aufgelost Ihre Staatsschutzaufgaben fielen an die Konigliche Landespolizeizentralstelle zuruck die wiederum im Wurttembergischen Landespolizeiamt LPA ihre organisatorische Fortsetzung fand Politische Polizei in der Weimarer Republik BearbeitenEntwicklung ab 1919 Bearbeiten Das Landespolizeiamt LPA war nach Kriegsende in der alten Landjager Unterkunft in der Bebenhauserstrasse Nr 7 beheimatet Auch im Volksstaat sah man die Notwendigkeit die junge Republik mit einer politischen Polizei auszustatten Das LPA wurde daher am 20 Dezember 1920 offiziell angewiesen eine Abteilung N einzurichten Diese ubernahm die standige Verbindung zu den ausserwurttembergischen Nachrichtendiensten und zu dem zwischenzeitlich in Berlin gegrundeten Reichskommissar fur Offentliche Ordnung RKO 1 Personal und Organisation Bearbeiten 1922 war die Politische Polizei im LPA als eine von mindestens funf Abteilungen organisiert Die Abteilung war uberdies dezentral im Stadtgebiet von Stuttgart untergebracht So verteilten sich ihre sechs Unterabteilungen auf das Neue Schloss Leitung und Gruppe IIIb auf die Stadtische Polizeidirektion Aussendienste IIa und IIIa ohne Leitung und auf das Alte Schloss alle restlichen Beschaftigten Die Beamten der Politischen Polizei konnten im Rahmen ihrer Tatigkeit auf funf nachgeordnete Zweigstellen zuruckgreifen Ebenso auf 95 bestellte Hilfsbeamte die sich im ganzen Land verteilten Einige dieser Hilfsbeamten waren den Postprufstellen in Stuttgart Ulm und Heilbronn zugeordnet Ab der Polizeireform von 1923 nahm das neu geschaffene Polizeiprasidium Stuttgart eine Sonderstellung ein Es war aus der Vereinigung der Stadtischen Polizeidirektion mit dem LPA hervorgegangen Damit war es Ortspolizei fur Stuttgart und gleichzeitig Landespolizeibehorde fur die Belange der Kriminal und der Politischen Polizei Zu diesem Zweck wurden die Kriminalabteilungen des LPA und der Stadtpolizeidirektion zu einem Landeskriminalpolizeiamt vereinigt Das Polizeiprasidium Stuttgart bestand aus funf Abteilungen Die Abteilung 4 bildete schliesslich die Politische Abteilung Die Politische Polizei wurde Ende 1928 ebenso wie der Polizeiprasident Rudolf Klaiber in das ehemalige Postdienstgebaude in der Dorotheenstrasse 2 4 verlegt Bei dem Gebaude handelte es sich um das ehemalige Hotel Silber darin blieb die Politische Polizei bis zum Kriegsende 1945 untergebracht Die personelle Ausstattung der Politischen Polizei blieb nicht konstant Trotz der zunehmenden Verscharfung der innenpolitischen Zustande nahm diese tendenziell sogar ab Waren der Abteilung N im Jahre 1923 noch 85 Stellen Beamte und Angestellte zugewiesen sank der Personalbestand bis 1929 auf 59 Stellen 39 Polizeibeamte und 20 Angestellte was einem Stellenabbau von 31 entspricht 2 Gegen Ende der Weimarer Republik werteten etwa 60 Beamte und Angestellte Zeitungen Flugblatter und Berichte von Spitzeln und V Leuten aus besuchten Kundgebungen der verschiedenen Parteien und ermittelten mit kriminaltechnischen Methoden 3 Lageberichte der Politischen Polizei Bearbeiten Die Berichte beinhalten Erkenntnisse und Einschatzungen zu politischen Parteien Verbanden und zu allgemeinen tages politischen Entwicklungen Sie waren fur ubergeordnete staatliche Stellen und fur die Politischen Polizeien anderer Lander bestimmt Sie dienten aber auch der Unterrichtung des wurttembergischen Staatsprasidenten sowie zur internen Orientierung der Polizeiamtsvorsteher 4 Fur die Berichte zeigten sich die Angehorigen der Abteilung IIb vorher Abteilung IV im Polizeiprasidium Stuttgart verantwortlich Bis Marz 1931 wurden die Berichte uberwiegend in 14 tagigen Zeitabstanden herausgegeben hiernach nahm die Berichtstatigkeit in ihrem Umfang ab Eine systematischen Auswertung der Berichte aus der Zeit von 1929 bis 1933 ergab dass 57 Prozent der Berichtstatigkeit ausschliesslich linke Gruppierungen betrafen wahrend sich 18 Prozent mit Gruppierungen des rechten Lagers befassten Ungefahr die Halfte aller Lageberichte ca 50 sowie die Halfte aller geschriebenen Seiten rd 50 handeln von der KPD und ihren Hilfsorganisationen Auf die NSDAP und deren Hilfsorganisationen entfallen knapp 10 aller Berichte und ca 11 aller geschriebenen Seiten Tendenziell ist bis 1932 festzustellen dass der Berichtsumfang zwar insgesamt nachlasst aufgrund wiederholter Pausen in der Berichterstattung die Anzahl der Berichte uber die NSDAP aber tendenziell zunimmt Auch ist festzustellen dass die Berichte uberwiegend betont sachlich formuliert sind und grosstenteils keinerlei politische Tendenzen erkennen lassen Vereinzelt wird uber linke Gruppen eher verachtlich gesprochen als uber rechte Gruppierungen 5 Kontroverse zur Rolle der Politischen Polizei Bearbeiten Die politische Unparteilichkeit der Politischen Polizei in Wurttemberg wurde immer wieder angezweifelt Ob die Politische Polizei gegen Ende der Weimarer Republik die NSDAP systematisch schonte und somit unterstutzte ist nicht mit Sicherheit zu sagen 6 Wahrend ihr teilweise vorgeworfen wird ausschliesslich die politische Linke verfolgt zu haben 7 kommen andere Untersuchungen zu dem Ergebnis dass die Politische Polizei in ihren Lageberichten sehr detailliert auch uber die NSDAP berichtete und ihr hochste Aufmerksamkeit schenkte Allerdings bildete die KPD unstrittig den Schwerpunkt der polizeilichen Uberwachungstatigkeit Diese vermeintliche Benachteiligung ist aber nicht unbegrundet Auf Basis der bei der Politischen Polizei dokumentierten Informationen war ihre Gefahrlichkeit hoher einzuschatzen Die KPD unterschied sich hinsichtlich ihrer Organisation im Umfang ihrer konspirativen und aggressiven Betatigung sowie im Ausmass ihrer Gewaltbereitschaft erheblich von der NSDAP im damaligen Wurttemberg 8 Letztere verzeichnete in Wurttemberg generell deutlich weniger Zulauf als im Rest der Weimarer Republik 9 Zeit des Nationalsozialismus BearbeitenUnter Bezugnahme auf die Reichstagsbrandverordnung vom 28 Februar 1933 wurden unter dem Vorwand der Gefahrenabwehr noch am selben Abend rund 500 Angehorige der linkspolitischen Opposition verhaftet Diese Verhaftungen wurden massgeblich durch die Orts und Personenkenntnisse der Politischen Polizei unterstutzt Auf Weisung des Innenministeriums wurde die Politische Polizei am 7 April 1933 wieder zu einer eigenstandigen Abteilung IV beim Polizeiprasidium Stuttgart erhoben Schon am 28 April 1933 wurde diese Abteilung als Wurttembergische Politische Polizei in das Innenministerium eingegliedert Zugleich wurde ihr die Verwaltung der neuen Schutzhaftlager ubertragen Am 12 Mai 1933 wurde ihre Neuorganisation per Erlass geregelt Die Leitung der Abteilung wurde Hermann Mattheiss ubertragen der in seiner Funktion direkt dem Innenminister unterstand Die Neue Wurttembergische Politische Polizei legte ihren ersten Wochenbericht mit Stand vom 15 Juli 1933 vor Mit dem Zusatz Nicht in den Geschaftsgang geben schildert sie darin den Ablauf der Deutschen Revolution in Wurttemberg die sie als Umwalzung auf allen Gebieten des menschlichen Daseins darstellt Ausserdem beschreibt die Politische Polizei darin selbst ihre zukunftigen Aufgabe damit Wachter des nationalsozialistischen Programms zu sein und die Feinde des Dritten Reiches zu erforschen aber auch sie wenn es sein muss rucksichtlos zu bekampfen Der Bericht macht somit deutlich wie schnell die Politische Polizei zu einem Repressionsinstrument der neuen Machtinhaber unter Mattheiss mutiert war Von nun an standen die Gegner der Nationalsozialisten in ihrem Fokus Schon bevor der Reichsfuhrer SS Heinrich Himmler am 9 Dezember die Leitung der Politischen Polizei von Wurttemberg ubernahm erwies sich diese als eine wesentliche Stutze der Macht fur die Nationalsozialisten und hatte sich bereits selbst das Geprage einer spateren Gestapo verliehen Diese Stutze rekrutierte sich uberwiegend aus der alten Politischen Polizei des Stuttgarter Polizeiprasidiums Von den zuletzt dort 76 Beschaftigten wechselten 74 in den Dienst der neuen Machtinhaber 10 Literatur BearbeitenIngrid Bauz Sigrid Bruggemann Roland Maier Hrsg Die Geheime Staatspolizei in Wurttemberg und Hohenzollern Schmetterling Verlag Stuttgart 2013 ISBN 978 3 89657 138 0 Andre Grimm Die Politische Polizei von Wurttemberg und ihr Umgang mit der NSDAP Die Lageberichte des Stuttgarter Landeskriminalpolizeiamts von 1930 bis 1932 Eine qualitative Inhaltsanalyse GRIN Verlag Munchen 2015 ISBN 978 3 346 03572 1 Weblinks BearbeitenVirtueller Geschichtsort Hotel Silber Die Politische Polizei in Wurttemberg wahrend der Weimarer RepublikEinzelnachweise Bearbeiten Manfred Teufel Das Kgl Wurttembergische Landespolizeiamt 1914 1923 Entwicklungslinien der polizeilichen Verbrechensbekampfung in Wurttemberg PDF Gewerkschaft der Polizei 2004 abgerufen am 19 Oktober 2019 Polizeiprasidium Stuttgart Hrsg Geschaftseinteilung der Abteilung IV Stand 1 Mai 1929 Az E151 03 Bu Nr 257 334 Hauptstaatsarchiv Stuttgart 1929 Mikrofilmkopie Haus der Geschichte Baden Wurttemberg Polizei im Silber Vor 1933 Abgerufen am 18 Oktober 2019 Friedrich Wilhelm Die wurttembergische Polizei im Dritten Reich Stuttgart 1989 S 48 Andre Grimm Die Politische Polizei von Wurttemberg und ihr Umgang mit der NSDAP Die Lageberichte des Stuttgarter Landeskriminalpolizeiamts von 1930 bis 1932 Eine qualitative Inhaltsanalyse GRIN Verlag Munchen 2015 S 54 Haus der Geschichte Baden Wurttemberg Polizei im Silber Vor 1933 Abgerufen am 18 Oktober 2019 Bauz Ingrid Sigrid Bruggemann und Roland Maier Die Geheime Staatspolizei in Wurttemberg und Hohenzollern 2 Auflage Schmetterling Verlag Stuttgart 2012 S 17 Andre Grimm Die Politische Polizei von Wurttemberg und ihr Umgang mit der NSDAP Die Lageberichte des Stuttgarter Landeskriminalpolizeiamts von 1930 bis 1932 Eine qualitative Inhaltsanalyse GRIN Verlag Munchen 2015 S 84 Dr Thomas Schnabel Die Machtergreifung in Sudwestdeutschland Das Ende der Weimarer Republik in Baden Wurttemberg 1928 1933 Verlag W Kohlhammer GmbH Berlin Koln Mainz 1982 S 49 ff Ingrid Bauz Sigrid Bruggemann und Roland Maier Die Geheime Staatspolizei in Wurttemberg und Hohenzollern 2 Auflage Schmetterling Verlag Stuttgart 2012 S 51 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Politische Polizei im Volksstaat Wurttemberg amp oldid 229014049