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Der Siedlungsplatz Oldenburg Dannau LA 77 ist ein mehrphasiger neolithischer Siedlungsplatz in Ostholstein Er war eingebunden in ein Siedlungssystem das sich durch die Nutzung der ehemaligen Inseln bzw Halbinseln und der Randbereiche des Oldenburger Grabens auszeichnet Bei den Ausgrabungen stellte sich der Fundplatz als besonders heraus Von allen bekannten fruh und mittelneolithischen Trichterbecherkultur Siedlungsplatzen Norddeutschlands stellt Oldenburg Dannau LA 77 einen der grossten und besterhaltenen dar Die Siedlung bestand uber viele Jahrhunderte ca 3270 2920 v Chr besass zeitweilig vermutlich uber 50 Hauser und Hutten und bot bei konservativer Schatzung etwa 120 bis 160 Einwohnern Platz Fur das Mittelneolithikum in Norddeutschland und Sudskandinavien sind derart grosse Siedlungen selten und eine derart lange Siedlungsdauer ist ohne Vergleich in der Region Die Ausgrabungen erfolgten vom DFG geforderten Schwerpunktprogramm SPP 1400 Fruhe Monumentalitat und soziale Differenzierung in den Jahren 2009 bis 2012 Eine umfassende Publikation erschien 2016 1 Hohenmodell des westlichen Oldenburger Grabens und die Lage Oldenburgs LA 77 und weiterer neolithischer Fundplatze Inhaltsverzeichnis 1 Generelles und Besonderheiten 2 Lage und Umweltrekonstruktion 3 Forschungsgeschichte 4 Die Siedlung 4 1 Architektur 4 2 Brunnen 4 3 Bestattungen 5 Funde 5 1 Keramik 5 2 Steinartefakte 5 3 Weitere Fundstucke 6 Umwelt und Wirtschaftsweise 7 Phasen und Gliederung 8 Populationsgrosse 9 Bedeutung Neolithikum Region 10 Bedeutung fur die Forschung 11 Literatur 12 Weblinks 13 EinzelnachweiseGenerelles und Besonderheiten BearbeitenIm Rahmen des von Johannes Muller geleiteten SPP 1400 Teilprojektes Megalithanlagen und Siedlungsmuster im trichterbecherzeitlichen Ostholstein 3500 2700 v Chr Mittleres Travetal und Westlicher Oldenburger Graben wurden mehrere Siedlungsplatze und ein Bestattungsplatz der mittelneolithischen Trichterbecherkultur im ostlichen Holstein von Jan Piet Brozio untersucht und umfassend publiziert Der Fundplatz Oldenburg Dannau LA 77 erwies sich als hervorragendes Studienobjekt da hier eine zeitliche und raumliche Differenzierung der Trichterbecherkultur erfolgen konnte Mit der Aufarbeitung des Fundplatzes liegt die erste systematische chronologische Differenzierung von Mustertypen unter Einbeziehung von naturwissenschaftlichen Datierungen fur das Mittelneolithikum in Holstein vor 1 Das heisst dass erstmals eine lokale Typochronologie der Gefasskeramik im Siedlungskontext fur die Region Holstein vorliegt Weiterhin ist die Siedlung aufgrund ihrer Grosse und der Besiedlungsdauer als besonders anzusehen s u Lage und Umweltrekonstruktion BearbeitenDer Fundplatz liegt im Oldenburger Graben auf der Wagrischen Halbinsel Der Graben ist eine Niederung die sich sudostlich des wahrend der Weichsel Kaltzeit gebildeten Ostlichen Hugellandes erstreckt und im Gegensatz zu diesem Relief ein flaches und tiefliegendes Gebiet bildet Das 23 km lange und bis zu 3 km breite Niederungsgebiet teilt die Wagrische Halbinsel Es liegt grosstenteils unter dem Meeresspiegel und Strandwalle verhindern das Eindringen der Ostsee Oldenburg Dannau LA 77 liegt im westlichen Teil dieses Grabens Dieses Gebiet stellt vermutlich das Tal einer Gletscherzunge dar Die Niederung wird hier von einigen Gelandeerhohungen durchzogen Diese Region blickt auf eine wechselvolle jungere Erdgeschichte zuruck 2 3 Verschiedene Meeresspiegelschwankungen bedingt durch einander beeinflussende Prozesse infolge des Abschmelzens der Gletscher und Landhebungen haben die Region immer wieder mit Wasser der Ostsee fullen und dann wieder austrocknen lassen vgl Littorina Transgression nbsp Die ehemaligen Inseln sind als leichte Erhebungen im Relief und auf diesem Hohenmodell zu erkennen Auf dieser Erhohungen wurden im Neolithikum Siedlungen errichtet u a Oldenburg LA 77 Zur Zeit der fruh und mittelneolithischen Besiedlung bildete die Region eine flache Forde mit Brackwasser und die Gelandeerhohungen bildeten viele verstreute kleine Inseln und Halbinseln Diese wurden fur etliche Siedlungsplatze genutzt die zum Teil durch Ausgrabungen vor allem aber durch Gelandebegehungen bekannt sind Auf einer dieser Inseln einer 280 125 m messenden Gelandeerhohung liegt der Fundplatz Oldenburg Dannau LA 77 in unmittelbarer Nahe zu anderen Siedlungsplatzen wie LA 191 und LA 232 Am Ende des Mittelneolithikums wurde das Gewasser von der Ostsee abgeschnitten und es kam zur Aussussung die um 2900 v Chr abgeschlossen war Forschungsgeschichte BearbeitenIn den 1930er Jahren wurde der Fundplatz erstmals unter seinem heutigen Namen LA 77 in der Landesaufnahme aufgenommen nachdem beim Anlegen von Drainagen und anschliessenden Begehungen und einem Prospektionsschnitt umfangreiches neolithisches Material gefunden wurde In den nachfolgenden Jahrzehnten wurde der Fundplatz von vielen Privatsammlern begangen Auf der benachbarten Gelandeerhohung liegt der Fundplatz LA 191 der in den Jahren 1979 1980 und 1996 1997 gegraben wurde Oldenburg Dannau LA 77 wurde im Zuge des SPP 1400 in den Jahren 2009 bis 2012 untersucht Hierbei wurde eine Flache von 2433 m ausgegraben 1 Die Siedlung BearbeitenEin Grossteil der ehemaligen Insel wurde im Neolithikum besiedelt Neben den Ausgrabungsschnitten haben zahlreiche Bohrungen stattgefunden Mit diesen wurde die Ausdehnung der Siedlungsschicht erfasst Sie betragt 19 600 m Da an den Randbereichen der Gelandeerhohung mit Erosion zu rechnen ist wurde die ehemalige Siedlungsflache auf 1 35 ha errechnet Auf Grundlage der Anzahl der Hausbefunde in den Grabungsschnitten wurde eine Gesamtzahl von 126 Hausbefunden fur das Siedlungsareal hochgerechnet Diese sind in Hauser und Hutten zu trennen sowie auf die Siedlungsphasen 1 3b aufzuteilen s u Die Siedlung war im ehemaligen Uferbereich teilweise mit Pfahlen umgeben In den Grabungsflachen wurden 95 Pfahle 14 92 48 cm Lange und 5 5 15 5 9 43 cm Dicke vorrangig aus Esche 41 3 Erle 20 6 Hainbuche 17 5 und Eiche 11 1 errichtet Vermutlich war die gesamte Siedlung ursprunglich mit einer Pfahlreihe umgeben Es ist unklar ob diese Pfahlreihe eine fortifikatorische reprasentative mit Tierhaltung oder Erosionsschutz assoziierte Funktion besass 1 Architektur Bearbeiten nbsp Ausgrabungsflache mit mehreren rekonstruieren Haus und HuttenbefundenDer Grabungsschnitt Flache 1 und 2 erbrachte sehr viele Pfostenspuren anhand derer Hausbefunde zu rekonstruieren waren Es wurden funf Langhauser und vier Hutten rekonstruiert und weitere drei Lagergruppen identifiziert Die drei Lagergruppen stellen eine Ansammlung von Funden und Befunden dar sind aber keine eindeutigen Haus oder Huttenstrukturen Diese sind nicht in die Berechnung der Modelle s u eingegangen Generell sind durch zahlreiche Vergleichsfundplatze vor allem in Danemark Lang Hauser und Hutten bekannt sodass anzunehmen war diese Befunde auch hier anzutreffen Tatsachlich zeigten die Muster der Pfostengruben und des Fundmaterials dass auch hier derartige Strukturen vorkommen Die ausseren Hausgrundrisse zeigen sich im archaologischen Befund durch Pfosten in Abstanden von mehreren Metern Die Hauser sind zweischiffig D h sie besitzen neben den Aussenmauern eine zentrale Pfostenreihe Die Pfosten liegen in Abstanden von 2 2 5 m zueinander und werden die Dachkonstruktion getragen haben Die Hauser besitzen apsidenformige rundliche Stirnseiten 1 Das Haus 1 mit Dimensionen von 15 5 m ist am besten zu rekonstruieren Dieses besitzt zudem eine grossflachige Bodenverfarbung die durch Vergleiche zu Danemark vor allem spatneolithische Befunde als sog sunken floors angesprochen wurde z B 4 In der Flache des als Haus 3 gedeuteten Befundes fand sich einer der beiden bei den Ausgrabungen gefundenen Brunnen Ausserdem wurde das Individuum 1 hier begraben s u Die Langhauser konnen als Typ Mossby klassifiziert werden ein weitverbreiteter Haustyp in Norddeutschland und Sudskandinavien 5 Die Hutten wurden anhand von U formig angeordneten Pfostengruben rekonstruiert Hutte 1 von 5 3 4 m ist die deutlichste da ihre Wande durch zahlreiche sehr kleine Pfostengruben markiert sind Hutte 2 von 4 2 5 m ergibt sich als eine dunkle Verfarbung zu erkennen die Analogien zu den genannten sunken floors besitzt Hier wurde der zweite Brunnen installiert Hutte 3 und 4 sind sehr klein und nicht eindeutig Sie werden nicht als Hutten sondern huttenartige Konstruktionen betitelt Neben diesen Befunden ist das gesamte Areal von einer dicken Siedlungsschicht uberzogen 1 Brunnen Bearbeiten Wahrend der Ausgrabungen wurden zwei Befunde entdeckt die als Brunnen angesprochen wurden 6 Die Ansprache erfolgte aufgrund der zylindrischen Form der Gruben sowie des Kontaktes zum Grundwasserleiter Brunnen 2 ist ahnlich aufgebaut wie Brunnen 1 jedoch mit weniger Funden assoziiert und mit nur 80 cm Tiefe deutlich kurzer Brunnen 1 hingegen ist 1 3 m breit und 2 3 m tief Er wurde in mehreren Etappen verfullt wie die 13 differenzierbaren Verfullschichten offenbaren Unten im Brunnen wurden viele botanische Makroreste v a Wildapfel und Holzkohlepartikel gefunden die der Schicht ihre dunkle Farbe verliehen In den daruberliegenden Schichtpaketen wurden Tierknochenfragmente Huttenlehm Keramikscherben Silex und Felsgesteinartefakte sowie ein menschlicher Knochen gefunden s u Die oberen Schichten enthielten Silexartefakte Keramikscherben marine und limnische Muscheln und Schneckengehause Die insgesamt 187 Keramikscherben reprasentieren eine Mindestanzahl von zehn Gefasseinheiten hierunter zwei Trichterbecher ein Konusrandgefass und zwei Tonscheiben Die Felsgesteingerate werden vor allem durch Mahlsteine 13 Fragmente von Unterliegern zwei Laufer reprasentiert Beide Brunnen wurden intentional unbrauchbar gemacht indem sie mit Mahlsteinen Schleifplatten und Siedlungsabfallen gefullt wurden 1 Bestattungen Bearbeiten Erhaltene Skelette neolithischer Individuen sind in Norddeutschland ausgesprochen selten weshalb der Fund von gleich funf Individuen wahrend der Ausgrabung als Besonderheit hervorzuheben ist Individuum 1 stammt aus einer Grube von 2 m Es ist ein weibliches Individuum von 156 160 cm Korpergrosse das zwischen ihrem 30 und 40 Lebensjahr verstarb Es wurde in Bauchlage und mit angewinkelten Armen niedergelegt Diesem Individuum fehlt der rechte Oberschenkelknochen der sich im Brunnen 1 fand Weiterhin fehlen die Halswirbel und der Kopf liegt in unnaturlicher Position ca 20 cm hoher als der anschliessende Korper Das Grab lag vermutlich nicht offen da Tierverbisse fehlen Grabbeigaben wurden nicht beobachtet Das Grab wurde also vermutlich wieder geoffnet um den Oberschenkelknochen endgultig und den Kopf temporar zu entnehmen 1 nbsp Individuum 1 aus Oldenburg LA 77 Der Schadel liegt in erhohter Position im Vergleich zum Korper und in hoher Entfernung Er wurde von der neolithischen Gesellschaft temporar entnommen Ebenso wurde einer der Oberschenkelknochen entnommen und dieser wurde im Brunnen deponiert Das zweite Individuum ist mannlichen Geschlechts Die Person wurde 45 55 Jahre alt Mit Ausnahme des Schadels sowie den Hand Finger und Langknochen fehlen die restlichen Korperteile Auch hier wurden keine Beigaben beobachtet Die Individuen 1 und 2 zeigen dass Graber fur sekundare Manipulationen wiedergeoffnet werden konnten Das deckt sich mit Beobachtungen an Megalithgrabern Eine Idee ist dass dort keine kompletten Individuen sondern nur Teile bestattet wurden Dies ist aber letztlich nicht zu ergrunden da die Knochenerhaltung meist zu schlecht ist Ausserdem wird jeder Befund eine einzigartige Biographie besitzen sodass sowohl die Deponierung selektierter Knochen als auch die Bestattung ganzer Individuen im Bereich des Anzunehmenden liegen fur beides sind Nachweise vorhanden 1 5 Im Bereich der ehemaligen Uferzone wurden Skelettteile dreier Individuen gefunden Ein Schadel ohne Unterkiefer zusammen mit zwei Handwurzelknochen einem Becken und einer Rippe gehort zu einem vermutlich mannlichen Individuum das ein Alter von 12 15 Jahre erreichte Ein weiteres Individuum ist durch einen Unterarmknochen reprasentiert und ein letztes durch ein Schadelfragment 1 Funde BearbeitenKeramik Bearbeiten Es wurden unzahlige Funde gemacht Diese stammen aus den Begehungen aus den systematischen Ausgrabungen der Schnitte sowie vor allem aus der grossflachigen Abtragung der Fundschicht anhand derer das Fundaufkommen in 1 m grossen Pixeln fur einen Grossteil der Flache dargestellt wurde Diese Funde stammen jedoch nicht aus eindeutigen Befundzusammenhangen Absolut dominant sind hier die Silexartefakte In Befundzusammenhangen in den Grabungsschnitten wurden 4 955 Keramikscherben 59 96 kg gefunden Das Material ist in der Regel stark und kleinteilig zerscherbt und umfasst primar unverzierte Stucke Nur 741 Scherben waren fur nahere Untersuchungen nutzbar Diese bilden eine Mindestanzahl von 266 Gefasseinheiten Diese stammen in abnehmender Menge aus Siedlungsgruben gefolgt von Pfostenverfarbungen sunken floors Brunnen und schliesslich aus sonstigen Befunden Verschiedene Formen von Konusrandgefassen dominieren das Spektrum an Gefassformen mit 72 Gefasseinheiten Hierauf folgt mit 45 Gefasseinheiten die ubergeordnete Form der Zylinderrandgefasse Tonscheiben sind mit 23 Gefasseinheiten vertreten Hierauf folgen Schalen und Trichterrandgefasse Im Gegensatz zu Keramikgefassen aus Grabkontexten ist die Siedlungsware im Mittelneolithikum selten verziert Fur 71 Gefasseinheiten liess sich eine Verzierung feststellen Dies sind zum grossten Teil verschiedene Ritzlinien und Einstiche zusammen uber 90 Durchlochungen Abdrucke und Stempel sind hingegen ausserst selten zusammen unter 10 Der Grossteil der bestimmbaren Gefasskeramik ist anhand ihrer Form und Verzierung typologisch erwartungsgemass ins Mittelneolithikum MN I IV v a MN III IV zu stellen 1 Steinartefakte Bearbeiten Es wurden hunderttausende Silexartefakte gefunden wovon 75 000 fur weitere Analysen klassifiziert wurden In knapp 42 000 Fallen liess sich die Grundform bestimmen Hier dominieren 24 769 Abschlage gefolgt von 16 094 Trummern 1 240 Kernen und 974 Klingen Da sehr viele dieser Artefakte mit Rinde versehen waren und zudem relativ betrachtet wenige dieser Artefakte modifiziert waren ist zu folgern dass Silex aus den Lagerstatten vermutlich nahegelegene Ostseestrande vor Ort verarbeitet wurde Den Geratebestand bestimmen 660 Schaber Abschlagsschaber und Klingenkratzer Daneben wurden 68 Querschneider sieben Stichel 28 Beilklingen und Beilklingenfragmente u a dunnnackig dunnblattige sowie dicknackig dickblattige Beile und ein spatneolithischer Silexdolch des Typs I gefunden Neben den Silexartefakten wurden auch Felsgesteingerate gefunden Wie im Siedlungskontext zu erwarten waren dies vor allem Mahl und Schleifsteine 27 komplette oder fragmentierte Mahlsteine verteilen sich auf 22 Unterlieger und funf Laufer Diese bestehen vor allem aus Dioritoid oder Granitoid 55 Artefakte stellen vermutlich Schleifsteine dar die im Unterschied zu den Mahlsteinen vor allem aus Sandstein oder Sedimentgestein gefertigt wurden Ein besonderer Fund ist ein Keulenkopf mit erhaltenem Holzschaft Dieser stammt aus der Uferzone wodurch sich die Erhaltung erklart Der Keulenkopf gehort nicht der mittelneolithischen Besiedlung an Er datiert ins mittlere bis spate Jungneolithikum Einzelgrabkultur Endneolithikum Dies wurde aufgrund typologischer Vergleiche sowie einer 14C Probe 2470 2341 calBC ermittelt 1 Der 28 cm lange Schaft besteht aus einem Eschenschossling Fraxinus excelsior und ist am Griff verstarkt und verziert s u Weitere Fundstucke Bearbeiten nbsp Im ehemaligen Uferbereich wurde wahrend des Jungneolithikums Einzelgrabkultur eine Keule aus Felsgestein deponiert Der Schaft konnte sich im feuchten Milieu erhalten Die Verzierung ist als besonders zu betrachten Es wurden wenige Funde aus anderen Materialien gemacht Dies sind einige Holzartefakte vor allem bearbeitete Holzstucke daneben ein Holzschaber Wenige Bernsteinobjekte wurden gefunden zudem einige Knochenartefakte z B Knochenspitzen Umwelt und Wirtschaftsweise BearbeitenDie guten Erhaltungsbedingungen des Fundplatzes sorgen dafur dass zahlreiche Knochen erhalten sind Anhand der Knochen lasst sich nachvollziehen welche Haustiere gehalten wurden Die Spezies Schwein und Rind dominieren das Spektrum Schaf und Ziege wurden auch gefunden aber in weitaus geringeren Anzahlen In einem geringen Umfang wurde auch Jagd betreiben wie die Knochen von Hirschen Elchen Hasen Fischen und Vogeln demonstrieren Es wurden Sammelpflanzen konsumiert wie Wildapfel Malus sylvestris Generell sind Sammelpflanzen im Siedlungskontext weitaus weniger stark vertreten als im Bestattungskontext 7 nbsp Einer der Brunnen Deutlich ist der Oberschenkelknochen zu sehen der der Bestattung des Individuums 1 entnommen wurde Die Getreideverarbeitung vor Ort ist zum einen indirekt durch zahlreiche Mahlsteine belegt und weiterhin direkt durch verkohlte Makroreste Es dominieren die Getreide Emmer Triticum dicoccum und Nacktgerste Hordeum vulgare Zudem wurden Spuren von Einkorn Triticum monococcum und anderen Weizenarten Triticum astivium Triticum durum oder Triticum turgidum gefunden Die Dominanz ersterer beiden Getreidearten wird in vielen Fundorten Norddeutschlands und Sudskandinaviens bestatigt 8 Interessant ist dass kreuzformig angelegte Pflugspuren sowie Deponierungen von Getreidekornern in Pfostenlochern zusammen auf einem Fundplatz beobachtet wurden Dasselbe wurde auf den benachbarten Fundplatzen LA 191 und LA 232 gemacht Es ist nicht absolut gesichert doch scheint sich hier eine symbolische Praktik anzudeuten 9 Weiterhin deutet eine neuere Studie an dass die Getreide vor allem die Gerste mit Seegras gedungt wurde oder mit Dung von mit Seegras gefutterten Tieren Hierfur sprechen die gemessenen sehr hohen Werte an d15N 10 Dieses Ergebnis ist noch vorlaufig und muss noch verifiziert werden Ware dies nachzuweisen ware es der erste derartige Nachweis fur die Urgeschichte in Norddeutschland und Sudskandinavien Phasen und Gliederung BearbeitenAnhand von 48 14C Daten sowie einer typochronologischen Einordnung Seriation der gefundenen Gefasskeramik wurde ein absolutchronologisches Phasenmodell zur mittelneolithischen Besiedlung erstellt 1 Oldenburg 1 3270 3110 calBC Oldenburg 2 3110 3020 calBC Oldenburg 3A 3020 2990 calBC Oldenburg 3B 2990 2920 calBCAuf Basis der 14C Datierungen und des Phasenmodells erfolgt eine Differenzierung der in den Grabungsschnitten rekonstruierten Hausbefunde der Siedlung die also den Phasen zugeteilt wurden In Bezug auf diese chronologische Einordnung wurde die Anzahl der neun Hausbefunde funf Langhauser vier Hutten auf die gesamte 1 35 ha messende Siedlungsflache bezogen um eine theoretische Gesamtzahl an Hausbefunden zu erlangen Mit diesem Modell ergeben sich folgende Anzahlen Oldenburg 1 18 Hauser Oldenburg 2 36 Hauser und 18 Hutten Oldenburg 3A 27 Hauser und 18 Hutten Oldenburg 3B 9 HauserDiesem Modell zufolge war Oldenburg Dannau LA 77 in den Phasen 2 und 3A am dichtesten besiedelt Mit Oldenburg 3B ist ein drastischer Ruckgang verbunden dem ein Besiedlungsende folgt Die Intensivierung der Siedlungsaktivitat mit der Phase 2 sowie die Abnahme mit der Phase 3 sind durch verschiedene Beobachtungen zu untermauern Einerseits nehmen Anzahl der datierbaren Keramik und Silexartefakte zunachst stark zu und dann wieder ab Auch die Brunnen wurden in Phase 2 errichtet Jungneolithische bis bronzezeitliche Funde und Befunde bezeugen dass weiterhin Aktivitaten womoglich auch Siedlungsaktivitaten vor Ort stattfanden die vom Modell nicht berucksichtigt werden Hier ist z B Lagergruppe 1 zu nennen oder vereinzelte die 14C Daten des Jungneolithikums erzielten oder der Fund des Keulenkopfes s o Bronzezeitlich datiert eine Holzkonstruktion im sudostlichen Bereich der Fundstelle Die Holzpfahle wurden auf 1516 calBC Median und 1114 calBC Median datiert was auf nachtragliche Reparaturen und somit auf eine Nutzung uber mindestens vier Jahrhunderte hinweist Populationsgrosse Bearbeiten nbsp Entwicklung der Populationsgrosse Oldenburgs LA 77Wie viele Hauser letztlich gleichzeitig existierten ist nicht bekannt Im linearbandkeramischen Modell wird eine Hausgeneration auf 25 Jahre geschatzt s Hofplatzmodell Ubertragen auf Oldenburg bedeutet dies dass in der Phase 1 zwei bis drei Hauser gleichzeitig existierten in der Phase 2 elf Hauser und funf bis sechs Hutten in der Phase 3A 16 Hauser und zehn bis elf Hutten und in der Phase 3B vier bis funf gleichzeitige Hauser Diese Zahlen erscheinen in Anbetracht der dendrodatierten Befunde der alpinen Seeufersiedlungen realistisch 11 Wie viele Menschen in der Siedlung lebten ist kaum zu ermitteln Als Annaherung wurde vorgeschlagen anzunehmen dass jedes Haus mit acht bis zehn Individuen zu assoziieren ist Somit waren in Phase 1 20 30 Individuen in Phase 2 80 110 Individuen in Phase 3A 120 160 Individuen und in Phase 3B 30 50 Individuen anzunehmen Bedeutung Neolithikum Region BearbeitenOldenburg Dannau LA 77 ist eingebunden in ein Siedlungssystem das sich durch die Nutzung der ehemaligen Inseln bzw Halbinseln und der Randbereiche des Oldenburger Grabens auszeichnet Dies zeigen weitere durch Ausgrabungen 12 oder Begehungen bekannte Siedlungen zahlreiche Einzelfunde sowie viele Grabmonumente in der naheren Umgebung Aufgrund ihrer Grosse und des breiten Spektrums an nachgewiesenen Tatigkeiten wie Silexgerateherstellung mitsamt Verarbeitung von Rohstucken Nahrungsmittelproduktion besass die Siedlung vermutlich eine hohe Bedeutung in der Region Womoglich stellt sie eine Zentralsiedlung in einem System dar das durch die Koexistenz von Haupt und Nebensiedlungen saisonale Siedlungen fur ein spezifische Tatigkeiten charakterisiert ist Solch ein System ist fur das trichterbecherzeitliche Danemark belegt 13 Bedeutung fur die Forschung BearbeitenDie meisten bisher bekannten fruhneolithischen Siedlungen sind Einzelgehofte Aus dem Mittelneolithikum sind grossere Siedlungsagglomerationen zwar bekannt doch bestanden sie oft nur kurzzeitig wie z B Budelsdorf 5 Oldenburg Dannau LA 77 hingegen ist eine der wenigen grosseren Siedlungen aus dem Verbreitungsgebiet der Trichterbechernordgruppe die uber einen langen Zeitraum hinweg kontinuierlich genutzt wurden Bestehende Annahmen und Modelle zur Besiedlung wahrend des Mittelneolithikums in Norddeutschland und Sudskandinavien sind somit zu uberarbeiten Solch ein komplett erfasstes Siedlungssystem stellt eine Seltenheit fur die Forschung in Norddeutschland dar Als ein anderes umfassend erfasstes System liegt in der Region Budelsdorf Borgstedt vor Die rekonstruierte Forde und Lagunenlandschaft ist allerdings bislang ohne Parallele in Norddeutschland Ahnliche Situationen sind aus Danemark Djursland bekannt 14 Die Bestattungsrituale wahrend der mittelneolithischen Trichterbecherkultur sind sehr komplex Dies hat der Fundplatz Oldenburg Dannau LA 77 weiter verdeutlicht Die sekundare Manipulation von Verstorbenen wurde vermutlich in den Megalithgrabern praktiziert doch lasst sich dies aufgrund der Knochenerhaltung kaum beweisen Die Bestattungen auf dem Fundplatz s o belegen dass Entnahmen von Knochen und ihre Deponierung an anderen Orten praktiziert wurde Der Schaft des Keulenkopfes s o ist besonders Er ist am Griff verstarkt und verziert Generell sind erhaltene Holzschafte eine absolute Seltenheit Wenige sind aus den alpinen Seeufersiedlungen bekannt Verzierte Exemplare sind aus demselben zeitlichen Kontext bislang unbekannt Lediglich ein beinahe zwei Jahrtausende alteres verziertes Exemplar ist aus der Schweiz bekannt 15 Somit ist der Fund fur die Forschung sehr bedeutend doch wirft er viele Fragen auf Waren womoglich alle Streitaxte und Keulen mit verzierten Schaften versehen Oder war die Keule aus Oldenburg auch seinerzeit ein besonderes Objekt Literatur BearbeitenW Dorfler J Muller W Kirleis Hrsg MEGALITHsite CAU Ein Grosssteingrab zum Anfassen Wachholtz Murmann Publishers 2015 J Muller K Rassmann Fruhe Monumente soziale Raume Das neolithische Mosaik einer neuen Zeit In E Banffy K P Hofmann P v Rummel Hrsg Spuren des Menschen 800 000 Jahre Geschichte in Europa WBG Darmstadt 2020 S 134 158Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Neolithische Siedlung Oldenburg Dannau LA 77 Sammlung von Bildern Videos und AudiodateienEinzelnachweise Bearbeiten a b c d e f g h i j k l m Jan Piet Brozio Megalithanlagen und Siedlungen im Trichterbecherzeitlichen Ostholstein In Johannes Muller Hrsg Fruhe Monumentalitat und soziale Differenzierung Band 9 Dr Rudolf Habelt GmbH Bonn 2016 ISBN 978 3 7749 4013 0 Daniel Knitter Jan Piet Brozio Walter Dorfler Rainer Duttmann Ingo Feeser Transforming landscapes Modeling land use patterns of environmental borderlands In The Holocene Band 29 Nr 10 1 Oktober 2019 ISSN 0959 6836 S 1572 1586 doi 10 1177 0959683619857233 sagepub com abgerufen am 16 November 2021 Jakobsen 2004 O Jakobsen Die Grube Wesseker Niederung Oldenburger Graben Ostholstein Quartargeologische und geoarchaologische Untersuchungen zur Landschaftsgeschichte vor dem Hintergrund des anhaltenden postglazialen Meeresspiegelanstiegs Dissertation Univ Kiel 2004 Torben Sarauw On the Outskirts of the European Bell Beaker Phenomenon the Danish Case In Journal of Neolithic Archaeology 15 September 2007 S 9 2007 doi 10 12766 JNA 2007 23 uni kiel de abgerufen am 16 November 2021 a b c Muller 2017 J Muller Grosssteingraber Grabenwerke Langhugel Fruhe Monumentalbauten Mitteleuropas Sonderheft Archaologie in Deutschland WBG Darmstadt 2017 Jan Piet Brozio Walter Dorfler Ingo Feeser Wiebke Kirleis Stefanie Klooss A Middle Neolithic well from Northern Germany a precise source to reconstruct water supply management subsistence economy and deposition practices In Journal of Archaeological Science The world reshaped practices and impacts of early agrarian societies Band 51 1 November 2014 ISSN 0305 4403 S 135 153 doi 10 1016 j jas 2013 03 029 sciencedirect com abgerufen am 16 November 2021 Kirleis u a 2012 W Kirleis S Klooss H Kroll J Muller Crop growing and gathering in the northern German Neolithic a review supplemented by first new results Vegetation History and Archaeobotany 21 2012 221 242 Kirleis Fischer 2014 W Kirleis E Fischer Neolithic cultivation of tetraploid free threshing wheat in Denmark and Northern Germany implications for crop diversity and societal dynamics of the Funnel Beaker Culture Veg Hist Archaeobotany Feb 23 2014 1 16 Dragana Filipovic Jan Piet Brozio Jan Kaczmarek Johannes Muller Wiebke Kirleis Food transformed Taphonomical investigation into a potentially symbolic role of crops at two Neolithic settlements in northern Germany In Praehistorische Zeitschrift Band 94 Nr 1 1 Juni 2019 ISSN 1613 0804 S 31 59 doi 10 1515 pz 2019 0014 degruyter com abgerufen am 16 November 2021 Dragana Filipovic Jan Piet Brozio Peter Ditchfield Stefanie Klooss Johannes Muller Middle Neolithic agricultural practices in the Oldenburger Graben wetlands northern Germany First results of the analysis 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Archaologie der Schweiz 23 Heft 1 2000 2 9 54 29306 10 85112 Koordinaten 54 17 35 N 10 51 4 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Neolithische Siedlung Oldenburg Dannau LA 77 amp oldid 235924540