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Die Molare Inzisive Hypomineralisation MIH englisch Molar incisor hypomineralization im Volksmund auch Kreidezahne genannt ist eine spezielle Form der Schmelzbildungsstorung namlich einer systemisch bedingten Hypomineralisation der Sechsjahrmolaren Zahne 16 26 36 46 und oder der oberen bleibenden Inzisivi Schneidezahne Es handelt sich um eine Variante der Strukturstorungen der Zahnhartsubstanz Zahnschmelz Schmelzhypoplasie an den oberen mittleren Schneidezahnen Inhaltsverzeichnis 1 Endogen bedingte Strukturstorung 2 Atiologie 3 Klinisches Bild 4 Schweregrade der Hypoplasien 5 Differentialdiagnose 5 1 Exogen bedingte Strukturstorungen 5 2 Genetisch bedingte Strukturstorungen 5 3 Regionale Odontodysplasie 5 4 Dentalfluorose 5 5 Tetracyclin Zahne 6 Therapie 7 Begriffshistorie 8 Literatur 9 Weblinks 10 EinzelnachweiseEndogen bedingte Strukturstorung BearbeitenDie Molare Inzisive Hypomineralisation gehort zu den endogen bedingten Strukturstorungen die als Folge eines temporaren Mangelzustandes oder einer direkten Funktionsbeeintrachtigung oder Schadigung der normal angelegten zahnbildenden Zellen auftreten Die Storungen konnen pra peri und postnatal eintreten Daher konnen beide Dentitionen sowohl Milchzahne als auch bleibende Zahne betroffen sein die bleibenden Zahne sind dabei deutlich haufiger betroffen insbesondere Zahne bzw Zahngruppen die zeitgleich mineralisieren Die Strukturschadigung beschrankt sich auf eine bestimmte Entwicklungsphase der Zahne Atiologie BearbeitenDer Einfluss auf die Mineralisation der zur MIH fuhrt vollzieht sich hauptsachlich im ersten Lebensjahr Die Ursache der MIH ist weitgehend ungeklart Der Evidenzgrad der Mehrzahl der bisherigen diesbezuglichen Studien ist niedrig Es gibt Hinweise darauf dass die Aufnahme von Dioxinen oder polychlorierten Biphenylen PCB mit der Muttermilch an der Atiologie der MIH beteiligt sind Diese initialen Ergebnisse konnten jedoch nicht bestatigt werden und es ergaben sich keine Assoziationen zwischen Stillen und MIH 1 Ernahrung Geburtszwischenfalle und zahlreiche akute oder chronische Kinderkrankheiten beziehungsweise deren Behandlung konnten eine Rolle spielen wobei eine Amoxicillin oder Erythromycingabe im ersten Lebensjahr das Risiko einer MIH Entstehung deutlich erhoht 2 3 Eine starkere Verbreitung in nordeuropaischen Landern gegenuber sudlicheren Landern spricht auch fur einen Einfluss des Vitamin D Haushalts 4 Eine Studie zur Verbreitung und Verteilung von MIH in Deutschland ergab dass die durchschnittliche Anzahl der von MIH betroffenen permanenten Zahne 2 8 1 7 betrug Die meisten Zahne wiesen dabei umschriebene Opazitaten auf aber gut die Halfte der Kinder litten an der schweren Form mit Substanzverlust atypischen Restaurationen oder Schmerzen Es konnte ein eindeutiger Zusammenhang zu Veranderungen an zweiten Milchmolaren festgestellt werden und bei der schweren Form erhohte sich auch im Durchschnitt die Anzahl der betroffenen Zahne Ein Vergleich mit dem regionalen Antibiotikakonsum bei kleinen Kindern konnte keinen Zusammenhang zu Unterschieden in der MIH Rate herstellen 5 Es besteht ein Zusammenhang zwischen Amelotin AMTN und Zahnschmelzdefekten und ihrer Entstehung In Abwesenheit von AMTN entstehen schwache Stellen an den Zahnkanten die leichter zerbrechen oder splittern In diesem Fall findet die Mineralisierung des Zahnschmelzes verlangsamt statt Im Reifestadium ist das Volumenwachstum der Kristalliten eingeschrankt was wiederum zu einer Hypomineralisation fuhrt 6 Klinisches Bild BearbeitenDie Mineralisationsstorung der betroffenen Zahne ist sehr variabel Sie reicht von weiss gelblichen oder gelb braunen abgegrenzten Opazitaten bis hin zu schweren Hypomineralisationen mit fehlenden Schmelz und Dentinarealen von unterschiedlichen Ausmassen 7 Hypomineralisierte Zahne weisen haufig eine Hypersensibilitat insbesondere auf Kaltereize auf die im Alltag zu einer naturlichen Schonhaltung fuhrt die oft von Eltern nicht wahrgenommen wird Die Kinder leiden dadurch betrachtlich Schweregrade der Hypoplasien BearbeitenSchweregrade der Hypoplasien nach Wetzel und Reckel 8 Grad BeschreibungGrad I Einzelne cremefarbene bis braune Areale an Kauflachen Hockerspitzen beziehungsweise an den vestibularen Flachen von Schneidezahnen Grad II Uberwiegend gelb brauner Zahnschmelz hypomineralisierte Bereiche uber die Okklusalflache hinaus beziehungsweise an der gesamten vestibularen Flache von Schneidezahnen Erhohte Gefahr fur Schmelzfrakturen und gesteigerte Empfindlichkeit der betroffenen ZahneGrad III Grosse gelblich braune Areale im gesamten Zahnbereich Gegebenenfalls Schmelzverluste oft vor dem vollstandigen Durchbruch der Zahne Hohe Empfindlichkeit der Zahne Klassifikation der MIH nach Alaluusua et al 9 Klasse BeschreibungKlasse I milde Defekte farbliche VeranderungenKlasse II massige moderate Defekte isolierte SchmelzverlusteKlasse III schwere Defekte Schmelzverluste mit betroffenen DentinanteilenDifferentialdiagnose BearbeitenMan unterscheidet bei den Strukturstorungen der Zahnhartsubstanz zwischen exogen endogen und genetisch bedingten Strukturstorungen Verschiedene Theorien wie zum Beispiel eine Antibiotikagabe wahrend der Schwangerschaft Bisphenol A Belastungen Dioxine und Furane aus der Umwelt ein bestehender Vitamin D Mangel und auch Infektionen mit Windpocken wurden als Ursache dafur diskutiert dass Kinderzahne vorwiegend die Sechsjahrmolaren oder die Schneidezahne sich nicht normal entwickeln Exogen bedingte Strukturstorungen Bearbeiten Exogen bedingte Strukturstorungen sind durch exogene also aussere entzundliche traumatische oder strahlenphysikalische Noxen an einzelnen Zahnkeimen verursacht Dabei treten die Strukturstorungen solitar asymmetrisch und uberwiegend unilateral an einzelnen Zahnen oder Zahngruppen auf Hauptartikel Turner Zahn Genetisch bedingte Strukturstorungen Bearbeiten Genetisch bedingte Strukturstorungen sind erblich bedingt Man erkennt ein generalisierte Vorkommen in der ersten und zweiten Dentition Die Familienanamnese kann hierbei Aufschluss geben falls familiar vergleichbare Schaden an den Zahnen aufgetreten sind die in gleicher Art und Weise betroffen sind Hierzu gehort die Amelogenesis imperfecta Hauptartikel Amelogenesis imperfecta Regionale Odontodysplasie Bearbeiten Die regionale Odontodysplasie Zahnmissbildung gehort zu den nicht genetisch bedingten Strukturstorungen Die Ursachen sind unbekannt Vermutet werden eine Storung der Entwicklung mesenchymaler und ektodermaler Strukturen der Zahne eine Storung in den Zellen der Neuralleiste eine Infektion oder ein Mangel an vaskularer Versorgung wobei letztere Hypothese am weitesten verbreitet ist Auch eine Strahlentherapie kann zur Odontodysplasie fuhren 10 Von dieser Abnormalitat betroffene Zahne konnen persistieren nicht durchbrechen Die Zahne sind kleiner zeigen vermehrte Grubchen und Furchen und haben haufig eine braune bis gelbliche Verfarbung Rontgenologisch erkennt man ein grosses Pulpenlumen mit einem dunnen Hartsubstanzmantel das Wurzelwachstum ist verzogert Schmelz und Dentin lassen sich kaum voneinander abgrenzen die Radioopazitat Strahlenundurchlassigkeit ist vermindert Auf Rontgenbildern erscheinen diese Zahne oft durchsichtig und verwaschen was ihnen den Namen Ghost teeth engl Geisterzahne eingebracht hat 11 Dentalfluorose Bearbeiten Hauptartikel Zahnfluorose Wahrend Fluorid in einer Dosierung von ca 1 mg Tag als ein wirksames Mittel zur Kariesprophylaxe Fluoridierung angesehen wird erzeugt es in hoheren Dosen die Zahnfluorose bei der sich weisse bis braune Verfarbungen in Form von Flecken oder Streifen auf der Zahnschmelzoberflache bilden Tetracyclin Zahne Bearbeiten Bei Schwangeren da Tetracycline die Plazentaschranke frei passieren und Stillenden sind Tetracycline kontraindiziert da sie mit Calcium in irreversibler Komplexbildung in den kindlichen Zahnschmelz und Knochen eingebaut werden Dies fuhrt zu einer erhohten Frakturanfalligkeit und brauner Verfarbung der Zahne Erst ab einem Lebensalter von 10 bis 12 Jahren konnen Tetracycline auch bei Kindern angewendet werden Nicht gesichert ist ob Tetracycline auch Schmelzhypoplasien verursachen konnen Eine Tetracyclintherapie soll deshalb u a in der Therapie der Akne bei Kindern und Jugendlichen nicht eingesetzt werden 12 13 Therapie BearbeitenLokalanasthetika haben an diesen Zahnen haufig nur eine eingeschrankte Wirkung woraus eine Behandlung meist nur unter Analgosedierung oder in Allgemeinanasthesie moglich ist Als Fullungs bzw Ersatzwerkstoffe bei MIH Zahnen sind Komposite Konfektionierte Metallkronen Glasionomerzement nur als temporare Fullung geeignet Nicht empfehlenswert ist die Verwendung von Amalgam wegen der hohen Kalte Warmeleitfahigkeit dieser temperaturempfindlichen Zahne und weil der heranwachsende Organismus moglichst keinen zusatzlichen Schwermetallbelastungen ausgesetzt sein soll Bei nur geringen Defekten kann eine Fissurenversiegelung ausreichend sein Grad I Uberempfindlichkeit nach Fullungstherapie konnen durch korrekte Anwendung des Adhasivsystems und der dadurch erreichten vollstandigen Versiegelung der Dentinkanalchen vermieden werden Engmaschige Nachsorgetermine im Abstand von drei bis vier Monaten einschliesslich professioneller Zahnreinigung und regelmassiger lokaler Fluoridierung fur die Kariesprophylaxe werden empfohlen Extraktionen der hypomineralisierten 6 Jahr Molaren sind sinnvoll wenn schnell fortschreitende Abplatzungen der Zahnhartsubstanzen zu diagnostizieren sind es sich um einen Platzmangel handelt der sowieso eine kieferorthopadische Behandlung nach sich zieht oder die Mundhygiene aufgrund der ausgepragten Temperaturempfindlichkeit stark eingeschrankt ist 14 Die definitive Versorgung der Defekte erfolgt im fruhen Erwachsenenalter mittels Zahnkronen Erganzend zu der herkommlichen Mund und Zahnpflege konnen Produkte mit Calciumphosphaten z B amorphes Calciumphosphat ACP Tricalciumphosphat Hydroxylapatit verwendet werden um eine mogliche Nachreifung der Hypomineralisationen zu erreichen 15 16 17 Begriffshistorie BearbeitenDer Begriff der Molaren Inzisiven Hypomineralisation wird seit dem Kongress der European Academy of Paediatric Dentistry EAPD der Europaischen Akademie fur Kinderzahnheilkunde 18 im Jahre 2001 verwendet Zuvor wurden diese Strukturstorungen als nicht endemische Schmelzflecken 19 Idiopathische Schmelzhypomineralisation der ersten Molaren 20 Cheese molars 21 oder nicht fluoridbedingte Hypomineralisationen der ersten Molaren 22 beziehungsweise auch als Molare Inzisive Hypoplasie bezeichnet Literatur BearbeitenVerena Knapp Silke Nies Molar Incisor Hypomineralization In Zahnmedizin up2date Band 3 Nr 05 Oktober 2009 S 491 510 doi 10 1055 s 0029 1185707 N M Kellerhoff A Lussi Die Molaren Inzisiven Hypomineralisation PDF 158 kB In Schweiz MonatsschrZahnmed Vol 114 3 2004 S 244 249 P Fischer V Bardenheuer et al Molaren Inzisiven Hypomineralisation PDF In Bayer Zahnarzteblatt 05 2009 S 54 58 Weblinks BearbeitenZahnschmelzstorung gibt Ratsel auf Focus online 23 Oktober 2014 Ireme Berres Kreidezahne bei Kindern Zahnarzte warnen vor neuer Volkskrankheit Spiegel Online 24 Mai 2018 Antibiotika konnten Kreidezahne verursachen Tagesschau de 1 Juni 2021Einzelnachweise Bearbeiten Jan Kuhnisch Marie Standl Reinhard Hickel und Joachim Heinrich Molaren Inzisiven Hypomineralisation MIH Haufigkeit und mogliche Ursachen unter besonderer Berucksichtigung der Ergebnisse aus den Munchner Geburtskohorten GINIplus und LISA In NIH National Library of Medicine 2 Juli 2021 abgerufen am 10 April 2023 F Crombie D Manton N Kilpatrick Aetiology of molar incisor hypomineralization a critical review In International journal of paediatric dentistry the British Paedodontic Society and the International Association of Dentistry for Children Band 19 Nummer 2 Marz 2009 S 73 83 doi 10 1111 j 1365 263X 2008 00966 x PMID 19250392 Review S Laisi H Kiviranta u a Molar incisor hypomineralisation and dioxins new findings 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und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www zmk aktuell de ZMK Spitta Verlag 2010 W E Wetzel U Reckel Fehlstrukturierte Sechsjahrmolaren nehmen zu eine Umfrage Zahnarztl Mitt 1991 81 650 652 S Alaluusua P L Lukinmaa u a Polychlorinated dibenzo p dioxins and dibenzofurans via mother s milk may cause developmental defects in the child s teeth In Environmental Toxicology and Pharmacology Bd 1 Nummer 3 Mai 1996 S 193 197 PMID 21781681 B W Neville et al Oral amp Maxillofacial Pathology 2 Auflage 2002 S 99 M A Kahn Basic Oral and Maxillofacial Pathology 2001 S 88 S Q Cohlan Tetracycline staining of teeth In Teratology Bd 15 Nummer 1 Februar 1977 S 127 129 doi 10 1002 tera 1420150117 PMID 841479 L G Antonini H U Luder Discoloration of teeth from tetracyclines even today In Schweizer Monatsschrift fur Zahnmedizin Revue mensuelle suisse d odonto stomatologie Rivista mensile svizzera di odontologia e stomatologia SSO Bd 121 Nummer 5 2011 S 414 431 PMID 21656385 S A Fayle 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