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Die Lehre von den Minima naturalia ist eine Theorie aus dem Mittelalter und der fruhen Neuzeit nach der ein physischer Korper nicht unendlich geteilt werden kann ohne seine wesentlichen Eigenschaften zu verlieren vgl Materia prima Ursprung dieser Theorie ist eine Aristoteles Interpretation die insbesondere von Averroes ausgearbeitet wurde der diese These aus verschiedenen Passagen des Werkes Physik sowie anderen Werken wie der Meteorologie von Aristoteles ableitete Aristoteles selbst lehnte die Existenz von Minima im Sinne kleinster Teilchen ab 1 Er diskutierte die Frage vor dem Hintergrund seiner biologischen Uberlegungen dahingehend ob es Grenzen der Teilbarkeit gabe Fur ihn haben vorkommende Pflanzen und Tiere gewisse quantitative Grenzen nach oben und nach unten Und fur Aristoteles war es offenkundig dass dies auch fur die Teile dieser Dinge gilt Dabei ubersah er allerdings dass er keine Begrundung dafur hatte dass kleinste Teilchen nicht noch weiter geteilt werden konnen 2 Die Theorie der Minima naturalia steht im prinzipiellen Gegensatz zum Atomismus von Demokrit und Epikur Die Unterschiede liegen insbesondere in Folgendem 3 Stoffe haben ihnen je eigene Minima die sich bei allen Stoffen durch ihre Eigenschaften unterscheiden Fur jede Stoffart haben die Minima eine ihnen eigene Grosse Die geometrische Form der Minima ist nicht festgelegt Durch gegenseitige Einwirkung erzeugen die Minima neue Qualitaten qualitas media und damit neue Stoffe forma mixta Die Minima sind nach Averroes das Erste was sich bei der Entstehung eines Stoffes aus der formlosen Urmaterie herausbildet und das Letzte was beim Vergehen eines Stoffes zuruckbleibt Averroes diskutierte dies in seinem Kommentar zur Physik des Aristoteles am Beispiel des Feuers 4 Wenn man ein Feuer immer wieder teilt wird es irgendwann einmal vergehen weil es ein Minimum an Quantitat benotigt um als Feuer zu bestehen Mathematische Entitaten wie eine Linie kann man nach Averroes hingegen unendlich oft teilen solange es sich bei einer solchen Linie nicht um einen physikalischen Korper handelt Die Notwendigkeit fur ein naturliches Minimum sah er darin dass sich jede Substanz auf eine spezifische Weise verandert etwa durch Wachstum oder Schrumpfung Hierfur gibt es naturliche Grenzen der Quantitat Die Theorie wurde im Verlaufe der Zeit immer wieder neu interpretiert 5 Thomas von Aquin hielt an der unendlichen Teilbarkeit der Materie fest und sah die Grenze durch die Form bestimmt Ab einer gewissen Kleinheit kann eine Materie Form Kombination bei einer weiteren Teilung die Form nicht mehr aufrechterhalten Aegidius Romanus unterschied zwischen bestimmter Materie die ausgedehnt ist und eine messbare Grosse hat einerseits und der unbestimmten Materie die Grundlage aller Substanzen ist und als solche keinen Veranderungen unterliegt 6 Diese Vorstellung entspricht den spater formulierten Satzen von der Erhaltung der Masse oder der Energie Mathematische Grossen haben keine obere und keine untere Grenze Die unbestimmte Materie hat eine Obergrenze weil die Materie nicht vermehrt werden kann sie ist aber unbegrenzt teilbar Erst fur die bestimmte Materie gibt es eine Untergrenze der Grosse unterhalb derer sie ihre charakteristischen Eigenschaften verliert 7 Roger Bacon betrachtete die Frage nach den Minima unter dem Aspekt der Wirkung Man kann Substanzen zwar kontinuierlich und unbegrenzt teilen aber unterhalb einer bestimmten Grenze verlieren sie ihre Wirkung Damit verbunden ist die Vorstellung dass Wirkungen von der Grosse eines Gegenstandes abhangen Wenn ein Partikel zu klein wird dann verliert er die Kraft auf andere Gegenstande zu wirken Ahnliche Auffassungen finden sich spater bei Albertus Magnus Siger von Brabant oder Richard von Mediavilla 8 Bei den Scotisten unterschied Walter Burleigh zwischen homogenen Dingen die unendlich teilbar sind und heterogenen Dingen mit begrenzter Teilbarkeit wie Lebewesen und vertrat damit eine nahe an den ursprunglichen aristotelischen Text angelehnte Theorie 9 Zu Beginn der Neuzeit findet sich eine Verknupfung der Lehre von den Minima naturalia mit der Atomistik bei dem Mediziner Daniel Sennert der eine unendliche Teilbarkeit von Korpern ablehnte und stattdessen lehrte dass die Natur bei der Auflosung und der Erzeugung der Korper bei bestimmten kleinsten Teilchen haltmacht 10 Ahnlich hat Johan Baptista van Helmont die Minima naturalia als kleinste Teile von Substanzen atomistisch aufgefasst Er verknupfte diese Theorie in Anlehnung an Paracelsus mit einer Theorie der Keime der Dinge semina rerum wonach qualitative Veranderungen von Substanzen nicht allein mechanistisch zu erklaren sind sondern zugleich auch spirituelle Krafte wirken mussen 11 Die Arbeiten von Sennert oder von Helmont waren wichtige Schritte im Ubergang von der Alchemie zur modernen Chemie ohne jedoch bestimmte Annahmen der Antike wie die Vier Elemente Lehre aufzugeben Literatur BearbeitenAnneliese Maier Die Vorlaufer Galileis im 14 Jahrhundert Studien zur Naturphilosophie der Spatscholastik Edizioni di Storia e Letteratura Rom 1949 155 215 John E Murdoch The Medieval and Renaissance Tradition of Minima naturalia in Christoph Herbert Luthy John Emery Murdoch William Royall Newman Hrsg Late Medieval and Early Modern Corpuscular Matter Theories Brill Leiden 2001 91 131 Vasilii Zubov Zur Geschichte des Kampfes zwischen Atomismus und Aristotelismus im 17 Jahrhundert Minima Naturalia und Mixtio 1960Einzelnachweise Bearbeiten Kurt von Fritz Grundprobleme der Geschichte der antiken Wissenschaft de Gruyter Berlin 1971 92 FN 168 mit Verweis auf Aristoteles Ausfuhrungen auf das Apeiron in Physik III 4 202b sowie auf De caelo 271b De generatione et corruptione 328a Anneliese Maier Die Vorlaufer Galileis im 14 Jahrhundert Studien zur Naturphilosophie der Spatscholastik Edizioni di Storia e Letteratura Rom 1949 180 181 Eduard J Dijksterhuis Die Mechanisierung des Weltbildes Nachdruck der deutschen Erstauflage von 1956 Springer Berlin 1983 231 232 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