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Als Homo signorum deutsch Tierkreiszeichenmann wird die bildliche Darstellung der zodiakalen den Korper als Spiegelbild kosmischer Vorgange begreifenden Melothesie bezeichnet d h jenes zentralen Konzeptes der vormodernen auf Astrologie basierenden Medizin Iatromathematik die den Regionen des menschlichen Korpers die zwolf Tierkreiszeichen und deren Einfluss zuwies Die Darstellung ist gewohnlich eine Halfte einer aus zwei separaten Teilen bestehenden medizinischen Illustrationsfolge die durch eine Abbildung eines Aderlassmannchens vervollstandigt wird Homo signorum aus den Tres Riches Heures des Herzogs von Berry 1412 16 Chantilly Musee Conde Ms 65 fol 14v Aufgrund seiner uberragenden Bedeutung in der arztlichen Praxis zwischen dem 13 und 18 Jahrhundert sind Bilder des Homo signorum in unzahligen handschriftlichen und gedruckten Quellen des mittelalterlichen und fruhneuzeitlichen Europa zu finden Inhaltsverzeichnis 1 Ursprunge 2 Medizinische Bedeutung 3 Ikonographie 3 1 Typen und Aufbau 3 2 Geschichte der Illustration 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseUrsprunge BearbeitenDie theoretische Grundlage fur den Tierkreiszeichenmann ist das auf antiken Wurzeln beruhende mittelalterliche Konzept des Zusammenhangs zwischen Mikro und Makrokosmos Der Mensch als Mikrokosmos mundus minor kleine Welt und damit auch seine korperlichen Vorgange korrespondieren nach dieser Vorstellung mit den Ereignissen im Makrokosmos d h vor allem den Prozessen die in den supralunaren Spharen ablaufen Dies ist das Grundparadigma der auf magischem Denken beruhenden Astrologie deren anthropozentrische Aspekte sich im Homo signorum besonders stark manifestieren Die Lehre dass die Tierkreiszeichen verschiedene Teile der menschlichen Anatomie beherrschen geht vermutlich bereits auf die Schriftensammlung des Pseudo Nechepso Petosiris zuruck 1 Der romische Schriftsteller Manilius stellte im 1 Jahrhundert n Chr die zodiakale Melothesie im Astronomicon Buch 2 Hauptstuck XI kurz aber bereits als vollstandig ausgepragtes System vor In der Folge erlangte das Konzept erheblichen Einfluss in der astrologischen Medizin Auch die Ablehnung der katholischen Kirche die auf dem Provinzialkonzil von Braga die Melothesie These als mit der christlichen Lehre unvereinbar ablehnte konnte ihren Siegeszug im Mittelalter nicht aufhalten 2 Besonders durch die Ubersetzung der Syntaxis mathematica dem Hauptwerk des antiken Gelehrten Ptolemaus im Almagest vor 1200 des Gerhard von Cremona verbreitete sich diese Idee seit dem Hochmittelalter 3 Neben der zodiakalen Melothesie existierte eine Dekanmelothesie die uberliefert im Corpus Hermeticum auf 36 gesundheitsrelevanten altagyptischen Gottheiten Dekanen die Gestirnen entsprechen beruht 4 Medizinische Bedeutung BearbeitenAbbildungen des Homo signorum dienten vor allem als Hilfsmittel fur den Aderlass Nach iatromathematischer Vorstellung war das Eroffnen einer Ader zum Blutablassen an einem Korperteil der von dem gerade herrschenden Tierkreiszeichen regiert wurde streng verboten Man rechnete damit dass als nahezu unausweichliche Folge der Tod oder der Irrsinn des Patienten eintreten wurde wenn man gegen diese Regel verstiesse Ikonographie BearbeitenTypen und Aufbau Bearbeiten Die Ikonographie des Homo signorum lasst sich in vier verschiedene Typen einteilen Sie unterscheiden sich je nach Art der Verknupfung der Korperteile des abgebildeten menschlichen Korpers mit dem Tierkreiszeichen Die Tierkreiszeichen sind direkt auf oder am Korper positioniert Die Tierkreiszeichen sind ausserhalb der eigentlichen Figur dargestellt und werden mit Hilfe von Hinweislinien mit den zugehorigen Korperstellen verbunden Eine weitere Variante weist zusatzliche seitlich angebrachte Beschriftung auf die aber auch die Tierkreiszeichen im Sinne der beiden vorgenannten Typen ganz ersetzen kann Zuletzt kann der Tierkreiszeichenmann auch im Zentrum konzentrischer Kreise stehen die einen Ausschnitt des Spharenmodells meist gebildet aus den Ringen der sieben Planeten und des Fixsternhimmels darstellen wobei die Tierkreiszeichen gewohnlich wiederum mit Hinweislinien den zugehorigen Korperregionen zugeordnet sind Die folgende Tabelle stellt die Beziehung der Tierkreiszeichen zu den Korperteilen d h die zodiakale Melothesie dar Tierkreiszeichen Korperregion umfasst Widder Kopf Augen Nase Ohren Mund usw Stier Hals Kehle Zwillinge Schulter Achseln Arme Hande Finger Krebs Brustbereich Milz Lungen Rippen Lowe Bauchbereich Herz Rucken Seiten Jungfrau Eingeweide des BauchesWaage Nabel Lenden Gesass Nieren Skorpion Schamregion Gebarmutter Schutze Huftpartie OberschenkelSteinbock Knie Kniescheiben Wassermann Waden SchienbeineFische Fusse Zehen Sohlen Fersen Die Korperhaltung des Homo signorum stimmt dabei mit der in den verbreiteten Darstellungen des Mikrokosmos ublichen weitgehend uberein so dass nicht nur von einer inhaltlichen Abhangigkeit sondern auch von einer formalen Verwandtschaft auszugehen ist Die symbolische Bedeutung des Tierkreiszeichenmanns als Verbildlichung der Verbindung von Makro und Mikrokosmos durfte damit noch lange Zeit mit der Illustration konnotiert worden sein Geschichte der Illustration Bearbeiten nbsp Liber divinorum opera CepheusEs ist nicht bekannt ob schon antike Abbildungen des Tierkreiszeichenmannes existiert haben Eine Art Vorlaufer findet die Illustration in den Aratea Handschriften des Mittelalters etwa derjenigen aus Leiden Diese zeigen u a das Sternbild Cepheus in dem explizit ein Zusammenhang zwischen Sternen und dem frontalen Korper eines Menschen dargestellt wurde Damit konnen diese Bilder als Vorganger der Mikrokosmos Ikonographie angesehen werden Auch die beruhmten Mikrokosmos Darstellungen selbst wie etwa die der beruhmten illuminierten Liber divinorum Handschriften der Hildegard von Bingen durfen als Vorganger des Homo signorum gelten Der Bildtyp des Aderlassmannchen stammt ebenso wie der Homo signorum aus dem 13 Jahrhundert Das Calendarium des spateren Rektors der Pariser Universitat Petrus de Dacia enthalt das alteste bekannte Tierkreiszeichenmannchen Seine wirkmachtige Kalender Komputus Kombination ist in mehreren Textzeugen uberliefert Gleich drei Handschriften des Calendariums enthalten eine Illustration des Homo signorums und des Aderlassmannchens wodurch eine gewisse Tradition dieser Abbildungen in der Kalenderliteratur begrundet wurde Beide Abbildungen tauchen bald vornehmlich in medizinischen Handschriften auf Ihre ahnliche Funktion und Form fuhren dazu dass sie in der 2 Halfte des 14 Jahrhunderts in eine feste Folge gebracht wurde Bisweilen legte man sie auch in eine einzige Illustration zusammen Aderlassmannchen und Homo signorum stehen sich bald immer ofter in den Handschriften auf zwei Seiten direkt gegenuber oder bilden die Vor und Ruckseite eines Blattes Dies bleibt auch dann oft so wenn die Erlauterungen der beiden Abbildungen an vollig unterschiedlichen Stellen erfolgt Auch bei Peter Apian findet sich 1524 5 ein traditionelles Tierkreiszeichenmannlein 6 Literatur BearbeitenHarry Bober The zodiacal miniature of the Tres Riches Heures of the Duke of Berry its source and meaning In Journal of Warburg and Courtauld Institutes 11 1948 S 1 34 Reprint Vaduz 1965 Ruth Finckh Minor Mundus Homo Studien zur Mikrokosmos Idee in der mittelalterlichen Literatur Dissertation Palaestra Band 306 Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1999 ISBN 3 525 20579 1 Isabel Grimm Stadelmann Magie Heilen mit Amulett und Astrologie In Medizin im Mittelalter Zwischen Erfahrungswissen Magie und Religion Spektrum der Wissenschaften Spezial Archaologie Geschichte Kultur Band 2 19 2019 S 16 18 Wolfgang Hubner Korper und Kosmos Untersuchungen zur Ikonographie der zodiakalen Melothesie Gratia Band 49 Harrassowitz Wiesbaden 2013 Marian Kurdzialek Der Mensch als Abbild des Kosmos In Albert Zimmermann Hrsg Der Begriff der Repraesentatio im Mittelalter Stellvertretung Symbol Zeichen Bild Miscellanea Mediaevalia Band 8 De Gruyter Berlin New York 1971 ISBN 3 11 003751 3 K Marcelis De afbeelding van de aderlaat en de zodiakman in astrologisch medische handschriften van de 13de en 14de eeuw Verhandelingen van de Koninklijke Academie voor Wetenschappen Letteren en Schone Kunsten van Belgie Klasse der Schone Kunsten Band 43 Palais der Academien Brussel 1986 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Homo signorum Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Zodiac Man in einer virtuellen Ausstellung der Bibliotheque nationale de France englisch Einzelnachweise Bearbeiten Vgl Johannes Mayer Gundolf Keil Tierkreiszeichenlehre In VL Band 9 Sp 924 Vgl Otto Holl Zodiakos In LCI Band 4 Sp 574 Paul Kunitzsch Almagest In Lexikon des Mittelalters LexMA Band 8 LexMA Verlag Munchen 1997 ISBN 3 89659 908 9 Sp 444 f Isabel Grimm Stadelmann Magie Heilen mit Amulett und Astrologie 2019 S 17 f Peter Apian Eine kleine und guete unterrichtung wye man sich in Aderlassen halten sol In Peter Apian Ein kunstlich Instrument oder Sonnen ur dardurch auch vil nutzbarliche Dinge gefunden werden Landshut 1524 Friedrich Lenhardt Coelum Ingolstadiense Himmelsbilder in Ingolstadt um 1550 In Rudolf Schmitz Gundolf Keil Hrsg Humanismus und Medizin Acta humaniora Weinheim an der Bergstrasse 1984 Deutsche Forschungsgemeinschaft Mitteilungen der Kommission fur Humanismusforschung Band 11 S 87 98 hier S 94 Normdaten Sachbegriff GND 1045485497 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Homo signorum amp oldid 230759298