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Meeresstrand ist der Titel eines Gedichts von Theodor Storm das 1853 54 entstand und 1856 erstmals gedruckt wurde Das Werk gehort zu seinen Naturgedichten und findet sich in zahlreichen Anthologien Die wahrend des Exils in Potsdam entstandenen Verse schildern eine Abendstimmung am Wattenmeer geben dabei aber nicht nur Natureindrucke wieder Wie in dem bekannten zuvor geschriebenen Gedicht Die Stadt weilt das lyrische Ich in einer Szenerie am Wasser und ist von Vogelstimmen und anderen Klangen umgeben Ein Brief Storms an seinen Vater belegt dass er mit den Versen auch sein Heimweh nach Husum zum Ausdruck brachte Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 2 Form und Besonderheiten 3 Hintergrund und Deutungsansatz 4 Literatur 5 EinzelnachweiseInhalt BearbeitenDas Gedicht lautet Ans Haff nun fliegt die Mowe Und Damm rung bricht herein Uber die feuchten Watten Spiegelt der Abendschein Graues Geflugel huschet Neben dem Wasser her Wie Traume liegen die Inseln Im Nebel auf dem Meer Ich hore des garenden Schlammes Geheimnisvollen Ton Einsames Vogelrufen So war es immer schon Noch einmal schauert leise Und schweiget dann der Wind Vernehmlich werden die Stimmen Die uber der Tiefe sind 1 Form und Besonderheiten BearbeitenDie Form ist nicht so streng gebaut wie im Gedicht von der grauen Stadt In den vierzeiligen Strophen reimen sich nur die zweiten und vierten Verse mit mannlicher Kadenz wahrend die ersten und dritten reimlos bleiben und weiblich enden Das Klangbild ist variabler zeigt Assonanzen geheimnisvollen einsames einmal schweiget und Alliterationen Graues Geflugel schauert schweiget Die metrische Struktur ist ebenfalls abwechslungsreicher Das Versmass ist dreihebig Jamben und Daktylen folgen einander unregelmassig und wirken an einigen Versanfangen wie schwebende Betonungen Bei den weiblichen Kadenzen werden die Versenden durch Enjambements uberspielt 2 Motive des beruhmten Husum Gedichts finden sich auch in seinem Meeresstrand sind dort aber anderes gewichtet Storm beschreibt eine Wattenmeerlandschaft 3 in der das Ich von Vogelstimmen und anderen Klangen umgeben ist 4 Der Text bewegt sich zwischen Realitat und Imagination mit Bildern die unkonturiert bleiben und gerade so ihre poetische Kraft entfalten Die Unbestimmtheit entsteht in der ersten Halfte durch optische in der zweiten durch akustische Eindrucke Ungenaue Ortsbestimmungen wie ans Haff uber die Watten auf dem Meer und uber der Tiefe verstarken die Wirkung 5 Nach dem anfanglichen Vogelruf malt Storm ein Bild im Abendlicht am Rande des Wattemeers aus das diffus und unklar ist In der Dammerung huscht Geflugel voruber Inseln erscheinen und liegen wie Traume im Nebel Die Vieldeutigkeit ergibt sich schon aus der ortlichen und zeitlichen Grenzsituation zwischen Land und Meer Tag und Abend hell und dunkel Realitat und Traum Unklar bleibt auch ob die Mowe vom offenen Meer kommend das Haff erreicht und gleichsam heimwarts fliegt oder sich vom Festland entfernt Die akustischen Wahrnehmungen des zweiten Teils sind ebenso undeutlich wie die optischen und munden in ein Schweigen dem mit den vernehmlich werdenden Stimmen uber der Tiefe eine Wendung ins Konkrete zu folgen scheint 6 Hintergrund und Deutungsansatz Bearbeiten nbsp Watt bei VollerwiekStorms Naturlyrik mit ihren Anklangen an die norddeutsche Kustenregion machte ihn als Heimatdichter bekannt Die Gedichte Die Stadt und Meeresstrand finden sich in zahlreichen Anthologien wie dem Grossen Conrady oder dem Ewigen Brunnen und zeichnen sich durch ihre Verbundenheit mit der Stadt Husum und der Nordseekuste aus In beiden Werken versicherte Storm sich seiner Heimat die ihm zunachst wegen eines moglichen Berufsverbots spater wegen der Umsiedlung nach Potsdam bedroht schien Mit bildlichen rhythmischen und klanglichen Elementen beschwort er nicht nur dekorativ die geliebte Landschaft sondern erzeugt Bedeutungen die uber eine blosse Realitatswiedergabe hinausgehen 7 Wie Karl Ernst Laage beschreibt zeichnete Storm in Meeresstrand ein typisches Bild der Westkuste Schleswig Holsteins mit der besonderen Vogelwelt dem Schlamm der Watten den Inseln und Halligen die er spater auch in Novellen wie Eine Halligfahrt festhielt Er habe eine Region erschlossen in der die konkrete Welt in eine Sphare der Traume das Diesseitige ins Jenseitige ubergeht und den geheimnisvollen Ton der Landschaft wie kein anderer Dichter lyrisch gestalten konnen 8 Am 9 Juni 1854 wahrend seines Exils in Potsdam schickte er seinem Vater einen Entwurf des Gedichts den er mit den Worten einleitete Du wunderst Dich wie ich Heimweh haben konne ich will es Dir sagen 9 Die Bezeichnung Heimatdichtung trifft nur auf die Halfte seines lyrisches Œuvres zu Die Naturgedichte lassen sich eher mit Kategorien wie Erlebnis oder Stimmungslyrik erschliessen mit denen die Rolle lyrischen Subjekts untersucht wird das seine Gefuhle und Wahrnehmungen verarbeitet 10 Nach Auffassung Regina Fasolds erschopft sich die Sehnsucht nach der Heimat in den beiden Gedichten nicht in blossem Heimweh nach Husum oder dem Strand an der Nordsee die Verse loten vielmehr eine Seelenlandschaft aus Storm selbst waren die beiden Werke so wichtig dass er sie in der zweiten und vierten Auflage seiner Gedichte im Nachhinein an die funfte und sechste Stelle einfugte So ergab sich eine Reihenfolge an die in den massgeblichen Ausgaben festgehalten wurde 11 Fur Gerhard Kaiser ist der Standpunkt des Gedichts ein unsicherer amphibischer Zwischenraum in dem Land und Meer verschoben werden Da es dunkler wird kann das Auge die Welt nur noch ungenau erfassen und unscharf erahnen Die im Nebel liegenden Inseln erscheinen wie Traumbilder im Ubergangsbereich von der optischen zur akustischen Wahrnehmung und geben eine Stimmung wieder 12 Ziehen in der ersten Halfte des Gedichts die Bilder voruber nimmt das Ich nun den einsamen Vogelruf wahr Dabei ist nicht der unbeantwortete Vogelruf einsam sondern der empfindungsfahige Mensch der die Natur wahrnimmt aber spurt dass sie ihn teilnahmslos sich selbst uberlasst Mit einem Pathos der Verlassenheit projiziere er seine Vereinzelung in ihre Einzelerscheinungen und in ihre Gesamtheit und glaube nur noch biologisch in Zerfallsprozessen Anteil am Naturzyklus zu haben 13 Literatur BearbeitenKarl Ernst Laage Theodor Storms Halligwelt und seine Novelle Eine Halligfahrt Boyens Heide 2004 ISBN 3 8042 1140 2 S 16 18 Irmgard Roebling Die Stadt und Meeresstrand In Christian Demandt und Philipp Theisohn Hrsg Storm Handbuch Metzler Stuttgart 2017 ISBN 978 3 476 02623 1 S 66 69Einzelnachweise Bearbeiten Theodor Storm Meeresstrand In Gottfried Honnefelder Hrsg Theodor Storm Gedichte Insel Verlag Berlin 2017 S 12 13 Irmgard Roebling Naturlyrik In Christian Demandt und Philipp Theisohn Hrsg Storm Handbuch Metzler Stuttgart 2017 S 68 Karl Ernst Laage Theodor Storms Halligwelt und seine Novelle Eine Halligfahrt Boyens Heide 2004 S 16 Irmgard Roebling Naturlyrik In Christian Demandt und Philipp Theisohn Hrsg Storm Handbuch Metzler Stuttgart 2017 S 68 Irmgard Roebling Naturlyrik In Christian Demandt und Philipp Theisohn Hrsg Storm Handbuch Metzler Stuttgart 2017 S 68 Irmgard Roebling Naturlyrik In Christian Demandt und Philipp Theisohn Hrsg Storm Handbuch Metzler Stuttgart 2017 S 69 Irmgard Roebling Naturlyrik Die Stadt und Meeresstrand In Christian Demandt und Philipp Theisohn Hrsg Storm Handbuch Metzler Stuttgart 2017 S 66 Karl Ernst Laage Theodor Storms Halligwelt und seine Novelle Eine Halligfahrt Boyens Heide 2004 S 16 18 Karl Ernst Laage Theodor Storm und seine Vaterstadt Husum Ein widerspruchliches Kapitel seiner Biografie In Schriften der Theodor Storm Gesellschaft Band 54 2005 S 70 Irmgard Roebling Naturlyrik In Christian Demandt und Philipp Theisohn Hrsg Storm Handbuch Metzler Stuttgart 2017 S 61 Irmgard Roebling Naturlyrik In Christian Demandt und Philipp Theisohn Hrsg Storm Handbuch Metzler Stuttgart 2017 S 66 Gerhard Kaiser Im Gefluster der Stimmen oder vom Selbstgenuss der Verlassenheit In 1000 Deutsche Gedichte und ihre Interpretationen Marcel Reich Ranicki Hrsg Von Heinrich Heine bis Friedrich Nietzsche Insel Verlag Frankfurt am Main und Leipzig 1994 S 288 Gerhard Kaiser Im Gefluster der Stimmen oder vom Selbstgenuss der Verlassenheit In 1000 Deutsche Gedichte und ihre Interpretationen Marcel Reich Ranicki Hrsg Von Heinrich Heine bis Friedrich Nietzsche Insel Verlag Frankfurt am Main und Leipzig 1994 S 289 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Meeresstrand amp oldid 230130169