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Die Marcus Theorie 1 benannt nach Rudolph Arthur Marcus tritt bei Redoxreaktionen ohne Bindungsbildung oder Bindungsbruch an die Stelle der Eyring Theorie Beide Theorien fuhren zu Geschwindigkeitsgleichungen der gleichen exponentiellen Form Wahrend aber bei der Eyring Theorie die Bindungsveranderungen der Reaktanten wahrend der Reaktion bestimmend sind spielt bei diesen Redoxreaktionen Einelektronenaustauschreaktionen das Losungsmittel outer sphere die zentrale Rolle Die Marcus Theorie zeigt diese auf und erlaubt die Berechnung der Gibbsschen Freien Aktivierungsenthalpie aus den Polarisationseigenschaften des Losungsmittels der Grosse und dem Abstand der Reaktanten bei der Elektronenubertragung und der freien Enthalpie der Redoxreaktion Inhaltsverzeichnis 1 Hinfuhrung 2 Das Problem 3 Das Modell von Marcus 4 Die Marcus Theorie 4 1 Das makroskopische System zwei leitende Kugeln 4 2 Das mikroskopische System das Redox Paar 5 Die experimentellen Ergebnisse 6 Belege und AnmerkungenHinfuhrung BearbeitenChemische Reaktionen fuhren zu stofflichen Veranderungen Sie konnen z B zur Substitution einer Gruppe im Molekul oder eines Liganden im Komplex fuhren der Abspaltung eines Molekulteils oder eines Liganden oder zu einer Umlagerung Es kann sich aber auch nur der Ladungszustand der Reaktionsteilnehmer andern und diese Redoxreaktionen scheinen in der anorganischen Chemie bei Ionen und Komplexen besonders einfach zu sein Zu beobachten sind solche Reaktionen bei Ionen der Ubergangsmetalle oft an Farbanderungen aber auch organische Molekule konnen sich bei Elektronenaufnahme bzw abgabe verfarben wie das Herbizid Paraquat 1 1 Dimethyl 4 4 bipyridinium das bei Elektronenaufnahme blau wird Daher stammt auch der alternative Name Methylviologen Fur einen Typ der Redoxreaktionen ohne Strukturveranderungen hat Marcus seine Theorie entwickelt Fur die mathematische Argumentation sollten die Originalarbeiten herangezogen werden 2 3 In einer Redoxreaktion fungiert ein Partner als Elektronendonor D der andere als Elektronenakzeptor A Damit die Partner reagieren konnen mussen sie zusammen diffundieren Sie bilden dabei den sogenannten Precusorkomplex meist ein kinetischer instabiler solvatisierter Stosskomplex der durch die Elektronenubertragung in einen Successorkomplex ubergeht der seinerseits auseinander diffundiert Fur die Einelektronenubertragung ergibt dies die Reaktionsgleichung D A k 21 k 12 D A k 32 k 23 D A k 30 D A displaystyle mathrm D A overset xrightarrow k 12 xleftarrow k 21 D dotsm A overset xrightarrow k 23 xleftarrow k 32 D dotsm A xrightarrow k 30 D A nbsp D und A konnen selbst Ladungen tragen Dabei sind k12 k21 und k30 Diffusionskonstanten k23 und k32 Geschwindigkeitskonstanten aktivierter Teilreaktionen Die Gesamtreaktion kann diffusionskontrolliert sein wenn die Elektronenubertragung schneller ist als die Diffusion Jeder Stoss fuhrt dabei zu einer Reaktion Ist die Reaktion aktivierungskontrolliert stellt sich das Assoziationsgleichgewicht ein wobei die Elektronenubertragung der langsamere Schritt und die Trennung des Successorkomplexes der schnellere Schritt ist Redoxreaktionen finden meist in polaren Losungsmitteln statt Donor und Akzeptorzentren tragen dann eine Solvathulle und auch Precursor und Sucessorkomplex sind solvatisiert Die inneren Molekule der Solvathulle die sehr fest gebunden sind bei Komplexen auch die Liganden werden als innere Sphare bezeichnet Redoxreaktionen an denen diese Sphare beteiligt ist nennt man inner sphere Reaktionen Die aussere Sphare besteht aus den freien Losungsmittelmolekulen Bei den outer sphere Reaktionen verandert sich die innere Sphare nicht es werden keine Bindungen gebrochen oder gebildet R A Marcus hat sich mit dem Wesen und der Grosse der Freien Aktivierungsenthalpie bei Redoxreaktionen genauer Ein Elektronentransfer Reaktionen des outer sphere Typs beschaftigt und die zentrale Rolle des Losungsmittels erkannt Er hat zunachst zwei Arbeiten veroffentlicht 2 3 Deren Ergebnisse werden haufig als Marcus Theorie bezeichnet obwohl Marcus Arbeiten spater weit daruber hinausgehen 1 Das Problem BearbeitenBei outer sphere Redoxreaktionen werden keine Bindungen geknupft oder gebrochen Es findet nur ein Elektronentransfer ET statt Ein einfaches Beispiel ist die Fe2 Fe3 Redoxreaktion Bei der Selbstaustauschreaktion die in einer wassrigen Losung die z B sowohl FeSO4 als auch Fe2 SO4 3 enthalt in beiden Richtungen mit gleicher messbarer Bruttogeschwindigkeit stattfindet ist die thermodynamische freie Standard Reaktionsenthalpie DG0 gleich Null Aus der Temperaturabhangigkeit der Geschwindigkeit z B einer Reaktion wie der SN2 Substitutionsreaktion der Verseifung eines Alkylhalogenids wird meist eine Aktivierungsenergie bestimmt und diese wiederum als Energie eines Ubergangszustandes im Reaktionsdiagramm charakterisiert Letzteres wird nach Arrhenius und Eyring als Energiediagramm mit der Reaktionskoordinate als Abszisse gezeichnet die den energetisch gunstigsten Weg von den Edukten zu den Produkten beschreibt Dabei sind die Punkte der Reaktionskoordinaten eine Folge von Kombinationen von Abstanden und Winkeln zwischen und in den Reaktanten im Laufe der Bildung und oder des Bruchs von Bindungen Das Maximum im Energiediagramm der Ubergangszustand ist durch eine ganz bestimmte Konfiguration der Atomkerne gekennzeichnet In der Theorie des Ubergangszustandes von Eyring 4 5 ist auch eine ganz bestimmte Kernkoordinatenanderung fur das Uberqueren des Maximums verantwortlich weshalb die Schwingung in dieser Koordinatenrichtung in der Eyring Theorie als Translation behandelt wird Bei den outer sphere Redoxreaktionen kann es diesen Reaktionsweg nicht geben Dennoch beobachtet man eine Aktivierungsenergie Dabei hat die Geschwindigkeitskonstante fur die aktivierungskontrollierte Reaktion dieselbe Form wie die Eyringsche Gleichung k a c t A e D G R T displaystyle k act A cdot e frac Delta G ddagger RT nbsp In A displaystyle A nbsp wirkt vor allem die Ubergangswahrscheinlichkeit und D G displaystyle Delta G ddagger nbsp ist die freie Enthalpie fur die Bildung des Ubergangszustandes Das Modell von Marcus BearbeitenBeim Elektronenaustausch verandert sich die Ladungsverteilung und dies hat grosse Auswirkungen auf die Losungsmittelumgebung denn die Losungsmittelmolekule richten sich im Feld der Ladungen aus man nennt dies Orientierungspolarisation und auch die Atome und Elektronen in den Losungsmittelmolekulen werden leicht verschoben Atom bzw Elektronenpolarisation Diese Losungsmittelpolarisation beeinflusst bei Redoxreaktionen massgeblich die Grosse der Aktivierungsenergie und damit die Reaktionsgeschwindigkeit Substitutions Eliminierungs und Isomerisierungsreaktionen unterscheiden sich von den outer sphere Redoxreaktionen aber nicht nur durch Strukturanderungen sondern auch dadurch dass alle einzelnen Kern und Ladungsverschiebungen Ladungstransfer charge transfer CT in den Reaktanten auf dem energiegunstigsten Reaktionsweg konzertiert ablaufen die Kernkonfigurationen sind damit relativ zueinander stets im Gleichgewicht das Energiemaximum tritt also nur in einer Dimension der Potentialhyperflache auf in allen anderen liegt weiterhin ein Minimum vor Ein Beispiel ist die SN2 Substitution der Hydrolyse eines Alkylhalogenids bei dem durch den Ruckseitenangriff des OH Ions ein Halogenidion verdrangt und die uber einen Ubergangszustand mit einem funfbindigen Kohlenstoffatom verlauft Die Reaktantensysteme sind im Lauf der Reaktion so stark gekoppelt dass sie ein einheitliches Gebilde und schliesslich einen aktivierten Komplex darstellen Das Losungsmittel hat einen zwar nicht zu vernachlassigenden im Vergleich dazu jedoch nur kleinen Einfluss Bei outer sphere Redoxreaktionen sind die Kernverschiebungen in den Reaktanten sehr klein dagegen ist das Losungsmittel bestimmend Die Kopplung von Donor und Akzeptor ist schwach beide behalten wahrend der ganzen Reaktion ihre Identitat Deshalb kann das Elektron als Elementarteilchen nur als Ganzes springen Elektronentransfer ET Der Elektronensprung wenn er denn stattfindet ist sehr viel schneller als sich die Losungsmittelmolekule bewegen konnen Born Oppenheimer Naherung Die Konsequenz ist damit das Elektron springen kann mussen die Kernpositionen der beiden Reaktanten und aller Losungsmittelmolekule vor und nach dem schnellen Elektronensprung die gleiche sein Franck Condon Prinzip 6 und auch die Energie darf sich beim Elektronensprung nicht andern Die Losungsmittelanordnung ist von den Ladungsverhaltnissen abhangig Wenn sie vor und nach dem Elektronensprung die gleiche sein soll dann ware jede richtige Anordnung fur die Selbstaustauschreaktion schon aus Symmetriegrunden durch eine Losungsmittelkonfiguration verwirklicht die sich bei der Ubertragung einer halben Elementarladung einstellte Gleichzeitig hatten in dieser Losungsmittelumgebung Precursor und Sucessorkomplex die gleiche Energie In dieser Losungsmittelanordnung waren die Bedingungen fur den Elektronensprung erfullt Weil das Elektron als Elementarteilchen aber nicht geteilt werden kann muss es entweder auf dem Ausgangs oder Zielatom oder molekul lokalisiert sein Damit sind im Ubergangszustand Losungsmittelkonfiguration entsprache der Ubertragung einer halben Ladung und Ladungsverteilung Ladung auf einem der Partner nicht im Gleichgewicht Dennoch muss dieser Ubergangszustand vor dem Elektronensprung erreicht werden und dies kann durch thermische Fluktuationen im Losungsmittel geschehen Die Erzeugung der richtigen Losungsmittelkonfiguration und der Elektronensprung sind gewissermassen entkoppelt und geschehen nicht mehr synchron Eigentlich haben sie nichts miteinander zu tun Die Energie des Ubergangszustandes ist also zum grossten Teil eine Polarisationsenergie des Losungsmittels Die Marcus Theorie BearbeitenDas makroskopische System zwei leitende Kugeln Bearbeiten nbsp Abb 1 Die Parabeln der outer sphere Reorganisationsenergie des Systems zweier Kugeln im Losungsmittel Parabel i Ladung auf der ersten Ladungsubertragung auf die zweite Parabel f Ladung auf der zweiten Ubertragung zur ersten Die Abszisse ist die ubertragene Ladungsmenge De bzw die dadurch verursachte Polarisation P die Ordinate die freie Enthalpie DG 0 lo 4 ist die Reorganisationsenergie bei De 0 5 sie entsprache der Aktivierungsenthalpie der Selbstaustauschreaktion Auf Grund dieser Uberlegungen hat Rudolph A Marcus eine klassische Theorie entwickelt Ihr Ziel ist die Berechnung der Polarisationsenergie des erwahnten Nichtgleichgewichtszustandes Aus der Thermodynamik weiss man dass die Energie eines solchen berechnet werden kann wenn man einen reversiblen Weg dahin findet Dies ist Marcus gelungen Vier Elemente sind konstitutiv fur das der Theorie zugrunde liegende Modell 1 Marcus benutzt zunachst ein klassisches rein elektrostatisches Modell bei dem die Ladung sehr viele Elementarladungen in beliebigen Portionen zwischen zwei Korpern ubertragen werden kann 2 Marcus trennt die schnelle Elektronenpolarisation Pe des Losungsmittels und die langsame Atom und Orientierungspolarisation Pu auf Grund der um Zehnerpotenzen verschiedenen Zeitkonstanten mit denen sie sich einstellen 3 Marcus trennt innere Sphare Reaktant fest solvatisierte Losungsmittelhulle bei Komplexen Liganden und die aussere Sphare freies Losungsmittel ausserhalb 4 Marcus berechnet hier nur die outer sphere Energie der Nichtgleichgewichtspolarisation des Ubergangszustands in einem Losungsmittel die wegen der weit reichenden elektrostatischen Krafte vgl die Debye Huckel Theorie der Elektrochemie meist wesentlich grosser ist als der Beitrag der inneren Sphare Dazu wahlt er einen Weg uber zwei reversible Auf bzw Umladungsschritte Das Werkzeug liefert die Theorie der dielektrische Polarisation in Losungen Marcus lost das Problem allgemein fur eine Ladungsubertragung zwischen 2 Korpern beliebiger Gestalt mit bestimmten Volum und Oberflachenladungen Fur den Fall der Selbstaustausch Redoxreaktion wird das Redoxpaar z B Fe H2O 63 Fe H2O 62 durch zwei makroskopische leitende Kugeln bestimmten Ladungszustandes in bestimmtem Abstand ersetzt zwischen denen eine bestimmte Ladungsmenge reversibel ausgetauscht werden soll Im ersten Schritt wird die Energie WI des Zustands berechnet in dem beide Kugeln je die Halfte der auszutauschenden Ladung tragen Dieser Zustand kann durch die reversible Ubertragung der halben Ladungsmenge von der einen zur andern Kugel durch die Uberfuhrung dieser Austauschladung von der Donor Kugel ins Vakuum und von dort auf die Akzeptor Kugel erreicht werden 7 Die so geladenen Kugeln erzeugen im Losungsmittel ein bestimmtes elektrisches Feld in dem sich die Gesamt Losungsmittelpolarisation Pe Pu einstellt Andererseits erzeugt nun auch die Polarisation des Losungsmittels einen Feldanteil der auf Ladung und Polarisation zuruckwirkt Im zweiten Schritt wird die Energie WII der reversiblen Ruck Ubertragung der halben ausgetauschten Ladung wieder uber das Vakuum auf die erste Kugel bestimmt Dabei wird aber die Atom und Orientierungspolarisation Pu festgehalten lediglich die Elektronenpolarisation kann sich im Feld der neuen Ladungsverteilung und der nun festen Pu einstellen Danach befindet sich das System in dem angestrebten Zustand mit einer Elektronenpolarisation die dem Ausgangszustand der Redoxreaktion entspricht und einer Atom und Orientierungspolarisation die dem aktivierten Komplex entsprechen Die Energie WI WII dieses Zustands ist thermodynamisch eine freie Enthalpie G Naturlich ist in diesem klassischen Modell die Ladungsubertragung nicht nur fur die halbe Ladungsmenge sondern auch fur andere Portionen De moglich So kann man die Energie als Funktion der Verteilung der Ladung auf die beiden Kugeln und damit der Losungsmittelpolarisation abtasten Marcus hat auf diese elegante Weise die Koordinaten aller Losungsmittelmolekule in eine einzige Polarisationskoordinate Dp die durch die Ladungsubertragung De bestimmt ist zusammengefasst und damit eine Vereinfachung der Energiedarstellung in nur zwei Dimensionen erzielt G f De Das Ergebnis fur zwei leitende Kugeln in einem Losungsmittel ist die Marcus Formel G 1 2 r 1 1 2 r 2 1 R 1 ϵ o p 1 ϵ s D e 2 displaystyle G left frac 1 2r 1 frac 1 2r 2 frac 1 R right cdot left frac 1 epsilon op frac 1 epsilon s right cdot Delta e 2 nbsp wobei r1 und r2 die Radien der beiden Kugeln sind R deren Abstand ist und es und eop die statische und Hochfrequenz optische Dielektrizitatskonstante des Losungsmittels sind De ist die ubertragene Ladungsmenge der Graph G vs De ist eine Parabel Abb 1 In der Marcus Theorie wird die Energie die der Ubertragung einer ganzen Ladung entspricht De 1 als outer sphere Reorganisationsenergie lo bezeichnet d h die Energie des Zweikugelsystems in dem die Polarisation der einer ganzen ubertragenen Ladung entspricht die Ladungsverteilung aber dem Zustand vor der Ubertragung 8 Das System ist symmetrisch in Bezug auf die Austauschrichtung Das mikroskopische System das Redox Paar Bearbeiten nbsp Abb 2 Marcus Parabeln fur verschiedene Redoxreaktionen f1 fur solche mit positivem DG0 f 0 fur die Selbstaustauschreaktion mit DG0 0 gestrichelt f2 fur massig negatives DG0 so gewahlt dass DG 0 und f3 fur stark negatives DG0 Die freie Aktivierungsenergie DG b1 nimmt von f1 b uber f 0 a bis f2 Null ab und steigt bei f3 wieder an Marcus invertiertes Gebiet Bei Verkleinerung des klassischen Zwei Kugel Systems bis zur Selbstaustauschreaktion kommt man zum quantenbestimmten Redox Paar in dem die Ladung nicht mehr in beliebigen Portionen sondern nur noch als eine ganze Elementarladung ubertragen werden kann Die Losungsmittelpolarisation kann aber nach wie vor klassisch behandelt werden d h sie ist nicht gequantelt da sie durch sehr viele Losungsmittelmolekule gemeinsam bestimmt wird Deshalb kann man die Reorganisationsenergie fur eine hypothetische Ubertragung und Ruckubertragung einer Partial Elementarladung nach der Marcus Formel berechnen Die Reorganisationsenergie ist auch fur chemische Redoxsysteme eine Parabel Abb 2 und sie entspricht einer freien Energie bzw freien Enthalpie Die Energie die das System bei der hypothetischen Ubertragung einer halben Elektronenladung De 0 5 hatte ist die Aktivierungsenthalpie der Selbstaustauschreaktion DG 0 lo 4 vgl Abb 1 und Abb 2 Schnittpunkt der Parabeln i und f bzw f 0 Bis hierher war alles reine Physik nun kommt etwas Chemie dazu Die Selbstaustauschreaktion ist unter den Redoxreaktionen eine Besonderheit Die meisten Redoxreaktionen laufen zwischen verschiedenen Partnern ab z B F e I I C N 6 4 I r I V C l 6 2 F e I I I C N 6 3 I r I I I C l 6 3 displaystyle mathrm Fe II CN 6 4 mathrm Ir IV Cl 6 2 rightleftharpoons mathrm Fe III CN 6 3 mathrm Ir III Cl 6 3 nbsp und zeigen damit auch eine positive endergonisch oder negative exergonisch freie Reaktionsenthalpie DG0 Da sich die Marcus Berechnungen ausschliesslich auf die elektrostatischen Verhaltnisse im Losungsmittel outer sphere beziehen sind DG0 und lo voneinander unabhangig und einfach additiv d h die Marcus Parabeln von Systemen mit verschiedenem DG0 sind im G vs De Diagramm lediglich nach oben oder nach unten verschoben Abb 2 Eine Variation von DG0 kann man experimentell beispielsweise dadurch erreichen dass man einem Donor verschiedene Akzeptoren anbietet Aus einfacher Rechnung mit den Parabeln i Gleichung y x2 f 0 Gleichung y x d 2 und f1 bis f3 Gleichung y x d 2 c ergibt sich fur die freie Aktivierungsenthalpie D G l o D G 0 2 4 l o displaystyle Delta G ddagger frac lambda o Delta G 0 2 4 lambda o nbsp Man sollte vielleicht nochmals betonen dass der Schnittpunkt der Parabeln die Polarisationsenergie darstellt nicht die Energie einer bestimmten Konfiguration aller Kerne der Reaktanten wie z B bei der erwahnten Substitutionsreaktion Wahrend idealiter bei dieser die Geometrie des Ubergangszustands in jedem Reaktantenpaar dieselbe ist konnen Redoxpaare mit vielen verschiedenen Polarisationsumgebungen die energetische Bedingung erfullen Schon deshalb ist die Verwendung der Freien Aktivierungsenergie als thermodynamische Grosse angemessen Die Formel von Marcus 2 zeigt eine quadratische Beziehung zwischen freier Reaktionsenthalpie und freier Aktivierungsenthalpie Es ist eine Erfahrung aus dem grossen experimentellen Material der Chemie Reaktionen verlaufen meist umso schneller je negativer DG0 ist In vielen Fallen wird sogar eine lineare freie Energie Beziehung LFE festgestellt Auch nach der Marcus Formel nehmen die Reaktionsgeschwindigkeiten zu wenn die Reaktionen exergonischer werden aber nur solange DG0 im positiven oder massig negativen Wertebereich liegt Uberraschend ist dass die freie Aktivierungsenthalpie fur Redoxreaktionen in Losung nach der Formel 3 bei sehr stark negativer freier Reaktionsenthalpie wieder grosser werden sollte namlich dann wenn DG0 negativ und absolut grosser ist als lo Dieser Bereich der freien Reaktionsenthalpie wird Marcus invertiertes Gebiet genannt In Abb 2 sieht man dass bei weiterem Absinken von DG0 der Schnittpunkt der i und f Parabeln nach links oben wandert was eine Zunahme der freien Aktivierungsenthalpie und Abnahme der Geschwindigkeit bedeutet Die Darstellung ln k vs DG0 sollte also eine Maximumskurve sein Das Maximum der Reaktionsgeschwindigkeit wird bei DG 0 erwartet Hier ist auch De 0 bzw q 0 Abb 2 Dies bedeutet dass das Elektron bei der Gleichgewichts Losungsmittelpolarisation der Edukte springen kann die naturlich viel wahrscheinlicher realisiert ist als eine thermisch angeregte die Reaktion ist dann barrierelos Im invertierten Bereich entspricht die Polarisation der denkschwierigen Vorstellung einer hypothetischen Ladungsverteilung auf den Reaktanten bei der der Donor Ladung aufgenommen und der Akzeptor Ladung abgegeben hatte In Wirklichkeit geschieht das naturlich nicht denn nicht eine reale Ladungsubertragung erzeugt diese Polarisation sondern thermische Fluktuationen im Losungsmittel Die Polarisation die fur den invertierten Bereich notig ist kann sich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit durch die thermische Fluktuation ebenso gut einstellen jede andere gleicher Energie 9 Das Elektron wartet gewissermassen auf die richtige Polarisation bis es springt Die experimentellen Ergebnisse Bearbeiten nbsp Abb 3 Marcus Verhalten in einem Molekul das aus einem Biphenylteil dessen Anion erzeugt durch Pulsradiolyse als Donor dient einem Steroidteil der als starrer Abstandshalter dient und verschiedenen aromatischen Kohlenwasserstoffen 1 3 und Chinonen 4 8 die als Akzeptoren dienen besteht 10 Marcus hat seine Theorie 1956 publiziert Uber lange Jahre wurde das invertierte Gebiet gesucht die Experimente ergaben jedoch bei Reaktionsreihen mit kleiner werdendem DG0 nur einen Anstieg von k bis zum diffusionskontrollierten Wert d h zu dem Wert bei dem jeder Zusammenstoss der Reaktanten zur Reaktion fuhrt und dieser Grenzwert blieb auch im Bereich sehr stark negativer DG0 Werte erhalten Rehm Weller Verhalten 11 Es hat ca 30 Jahre gedauert bis der invertierte Bereich von Miller Calcaterra und Closs eindeutig nachgewiesen werden konnte und zwar bei der innermolekularen Elektronenubertragung in einem Molekul in dem Donor und Akzeptor durch eine starre Brucke auf festem Abstand gehalten wurden Abb 3 12 Ex post kann man vermuten dass bei frei diffundierenden Reaktionspartnern der Elektronensprung bei dem Abstand R erfolgt bei dem lo DG0 ist also DG 0 ist Denn lo ist von R abhangig lo wird bei grosserem R grosser die Offnung der Parabel kleiner und es ist formal immer moglich die Parabeln der Abb 2 so zu verengen dass die f Parabel durch den Scheitel der i Parabel geht Das bedeutet dass immer DG 0 und die Geschwindigkeitskonstante k einen maximalen Wert den der diffusionsbedingten Grenze fur alle Redoxreaktionen mit sehr negativer Reaktionsenthalpie DG0 annimmt 13 Es gibt aber auch die Ansicht dass eine Abnahme der Geschwindigkeit bei sehr schnellen Elektronenubertagungen jenseits der experimentell erreichbaren sehr negativen DG0 Werte liege Auch die Beteiligung von angeregten Elektronenzustanden ist diskutiert worden 1 R A Marcus und Mitarbeiter haben in den auf die Erstveroffentlichung der Theorie folgenden Jahren verschiedene Aspekte dieser Theorie verfeinert Sie haben u a statistische Uberlegungen und Quanteneffekte 14 berucksichtigt sie auf Chemiluminszenzsysteme 15 und Elektrodenreaktionen 16 ausgeweitet R A Marcus erhielt fur seine Arbeiten 1992 den Nobelpreis fur Chemie sein Nobel Vortrag 1 gibt eine umfassende Ubersicht uber sein Werk Belege und Anmerkungen Bearbeiten a b c d ELECTRON TRANSFER REACTIONS IN CHEMISTRY THEORY AND EXPERIMENT PDF 1 0 MB In Nobelstiftung Abgerufen am 2 April 2007 oder Artikel in Die Zeit dazu hier a b R A Marcus On the Theory of Oxidation Reduction Reactions Involving Electron Transfer I In The Journal of Chemical Physics Bd 24 Nr 5 1956 S 966 978 doi 10 1063 1 1742723 a b R A Marcus Electrostatic Free Energy and Other Properties of States Having Nonequilibrium Polarization I In The Journal of Chemical Physics Bd 24 Nr 5 1956 S 979 989 doi 10 1063 1 1742724 Peter W Atkins Physikalische Chemie 2 korrigierter Nachdruck der 1 Auflage Ubersetzt und erganzt von Arno Hopfner VCH Verlagsgesellschaft Weinheim u a 1990 ISBN 3 527 25913 9 S 763 770 R Stephen Berry Stuart A Rice John Ross Physical Chemistry Wiley New York NY 1980 ISBN 0 471 04829 1 S 1147 ff Willard F Libby Theory of Electron Exchange Reactions in Aqueous Solution In The Journal of Physical Chemistry Bd 56 Nr 7 1952 S 863 868 doi 10 1021 j150499a010 Marcus legt bei seinen Berechnungen den Energienullpunkt in den Vakuumzustand der Reaktanten Deshalb enthalten viele seiner Gleichungen auch die Solvatatisierungsenergien der isolierten Reaktanten Wiso und die elektrostatische Bildungsenergie des Precusorkomplexes Die quadratische Abhangigkeit der outer sphere Reorganisationsenergie ist keine Folge gequantelter Schwingungen in den Reaktanten oder im Losungsmittel die Theorie ist rein klassisch Die Ruckreaktion kann vielleicht das Verstandnis erleichtern fur diese genugt die Polarisation bei der hypothetischen Ruckubertragung eines ganzen Elektrons nicht um eine Polarisation zu schaffen in der die Polarisationsenergien von A D und A und D gleich gross sind Diese Situation wird erst bei der hypothetischen Ubertragung von mehr als einer Elementarladung erreicht Es wird empfohlen die Originalarbeit anzusehen JACS gibt fur Wikipedia keine Ubernahmeerlaubnis fur Abbildungen Dieter Rehm Albert Weller Kinetik und Mechanismus der Elektronenubertragung bei der Fluoreszenzloschung in Acetonitril In Berichte der Bunsen Gesellschaft fur physikalische Chemie Bd 73 Nr 8 9 1969 S 834 839 onlinelibrary wiley com doi 10 1002 bbpc 19690730818 zurzeit nicht erreichbar haben dieses Verhalten durch die empirische Formel D G D G 0 2 D G 0 2 D G 0 2 2 displaystyle Delta G ddagger frac Delta G 0 2 sqrt Delta G ddagger 0 2 left frac Delta G 0 2 right 2 nbsp beschrieben John R Miller L T Calcaterra Gerhard L Closs Intramolecular long distance electron transfer in radical anions The effects of free energy and solvent on the reaction rates In Journal of the American Chemical Society Bd 106 Nr 10 1984 S 3047 3049 doi 10 1021 ja00322a058 Dafur sprechen die Ergebnisse von Arbeiten in denen die Grosse eines Komplexes systematisch verandert worden ist z B Hermann Rau Rolfdieter Frank Gerhard Greiner Rate Dependence of Electron Transfer on Donor Acceptor Separation and on Free Enthalpy Change The Ru bpy 32 Viologen2 System In The Journal of Physical Chemistry Bd 90 Nr 11 1986 S 2476 2481 doi 10 1021 j100402a042 Paul Siders R A Marcus Quantum Effects in Electron Transfer Reactions In Journal of the American Chemical Society Bd 103 Nr 4 1981 S 741 747 doi 10 1021 ja00394a003 Paul Siders R A Marcus Quantum Effects for Electron Transfer Reactions in the Inverted Region In Journal of the American Chemical Society Bd 103 Nr 4 1981 S 748 752 doi 10 1021 ja00394a004 R A Marcus On the Theory of Chemiluminescent Electron Transfer Reactions In The Journal of Chemical Physics Bd 43 Nr 8 1965 S 2654 2657 doi 10 1063 1 1697190 R A Marcus On the Theory of Electron Transfer Reactions VI Unified Treatment for Homogeneous and Electrode Reactions In The Journal of Chemical Physics Bd 43 Nr 2 1965 S 679 701 doi 10 1063 1 1696792 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Marcus Theorie amp oldid 232844576