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Das Manifest des freien Urchristenthums an das deutsche Volk Kurztitel Manifest des freien Urchristent h ums auch Kobners Manifest ist eine 1848 erschienene Streitschrift der deutschen Baptisten Sie richtete sich gegen das Staatskirchentum und forderte Religionsfreiheit nicht nur fur die Anhanger der eigenen Konfession sondern fur Alle seien sie Christen Juden Muhamedaner oder was sonst 1 Autor des Manifests war der baptistische Grundervater Julius Kobner Herausgegeben wurde die 22 Seiten umfassende Schrift erstmals vom Verlag Johann Gerhard Onckens dem heutigen Oncken Verlag Titelseite des Manifests des freien Urchristenthums nach Mai 1848 Zum Vergleich Titelseite des Kommunistischen Manifests Februar 1848 Julius Kobner Verfasser des Manifests Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 2 Hintergrund 3 Geschichte und Rezeption Auswahl 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseInhalt BearbeitenKobner verzichtete bei der Abfassung seines Manifests auf gliedernde Zwischenuberschriften Markus Wehrstedt geht in seiner Einleitung zu Kobners Manifest von vier Abschnitten aus in die die Streitschrift grob unterteilt werden kann 2 Ohne sie direkt zu erwahnen begrusst Julius Kobner im ersten Teil seiner an das deutsche Volk adressierten Schrift die revolutionaren Ereignisse des Jahres 1848 Hinter ihnen sieht er das Werk des allmachtigen Gottes der die Ketten deiner burgerlichen Unterjochung zerbrach 3 Er unterstreicht dabei besonders die neu gewonnene Meinungs und Redefreiheit die es nicht nur ermoglicht die politische Wahrheit auszusprechen sondern auch der Verkundigung der christlichen Wahrheit Raum verschafft Bislang war nur dem monopolisierten Kirchentum das Wort gestattet um zu verbergen dass Christentum und Staats Pfaffentum ebenso verschieden sind wie Christus und Kaiphas Im zweiten Teil erhebt Kobner Anklage gegen die vom Staat privilegierten Kirchen Folge dieses Privilegs sei Machtmissbrauch der sich vor allem in Gestalt von inquisitorischen Massnahmen gegenuber Andersdenkenden aussere Zahlreiche Belege dafur findet er in der Kirchengeschichte Das haben nicht nur die Zeiten der Ketzerverbrennungen nicht nur die Zeiten der Reformation das haben auch unsere Tage dargetan Man hat diejenigen deiner Sohne und Tochter deren Verbrechen es war mit Verwerfung des Staatspfaffentums allein dem Urchristentum zu huldigen mit Polizeivogten und Gendarmen in den heiligsten gottgeweihten Augenblicken ihres Lebens uberfallen sie mit Gewalt zerstreut sie genotigt wie in den Tagen der Hugenottenverfolgungen in Frankreich in den verborgensten Schlupfwinkeln einsamer Walder ihren Gottesdienst zu halten ihnen auf den Landstrassen aufgelauert man hat sie getrennt von Weib und Kind in Gefangnissen schmachten lassen um sie zu dem Versprechen zu bewegen dass sie ihre Gottesverehrung aufgeben wollten doch ohne Erfolg auch nicht in einem einzigen Falle Seine Kritik richtet sich in diesem Zusammenhang besonders an die protestantische Geistlichkeit 4 Im dritten Teil stellt Kobner das Urchristentum dem romischen beziehungsweise protestantischen Staatskirchentum gegenuber und beschreibt es als eine rein geistige religiose Verbindung die auf den Gebrauch von Staatsgewalt verzichtet Zu den Prinzipien der urchristlichen Gemeinde gehort das Dienen nicht die Ausubung von Herrschaft Sie achtet die Gleichheit ihrer Mitglieder und gebraucht bei der Entscheidungsfindung und Beschlussfassung die Mittel der Demokratie Sie soll deshalb nur aus freien und mundigen Mitgliedern bestehen Aufnahme in die urchristliche Gemeinschaft finden nur solche die sie aus freier Herzensuberzeugung begehren Das freie Urchristenthum kann deshalb als System der reinen gesunden erleuchteten Vernunft verstanden werden Der vierte Teil beschliesst das Manifest mit der Forderung nach Redlichkeit und dem Aufruf aller Scheinfrommigkeit und Heuchelei der ein Staatskirchentum Vorschub leistet ein Ende zu setzen Jeder soll im neuen demokratischen Deutschland seine Ansichten und religiosen Uberzeugungen frei aussern durfen Es sei ebenso burgerlich ehrenvoll Antichrist Humanist oder wie man sich sonst nennen will zu sein als Christ damit Niemand verleitet werde einen falschen Namen zu tragen Gelobt sei Gott dass die burgerliche Emancipation und vollige Gleichstellung aller Religionen herbeigekommen ist Julius Kobner Manifest des freien Urchristenthums 5 Hintergrund BearbeitenDie im Manifest angesprochenen politischen Umwalzungen standen im Zusammenhang der sogenannten Marzrevolution 1848 die vor allem von liberalen Kraften getragen wurde und neben der Einigung der deutschen Furstentumer vor allem demokratische Reformen und die Durchsetzung burgerlicher Freiheitsrechte zum Ziel hatte Fur Kobner war diese revolutionare Bewegung ein wunderbares Erdbeben welches vom Westen bis zu Osten vom Suden bis zum Norden dem festen Schlosse der Furstenmacht den Einsturz drohte Dieses Erdbeben so Kobner ergriff auch das Gebaude der Priestermacht Seit funfzehn Jahrhunderten standen beide Machte zusammen selbst die Reformation trennte sie nicht sondern verband sie nur noch inniger miteinander Da ertont 1848 allenthalben der Ruf Religionsfreiheit Trennung der Kirche vom Staate Die 1848er Revolution und die aus seiner Sicht mit ihr beginnende Auflosung der Ehe von Thron und Altar versteht Kobner als das Gericht des Herrn des grossen Gottes 6 Schon vorher hatte er in einer baptistischen Zeitschrift die Aufhebung der Pressezensur der Unterdruckerin gottlicher und menschlicher Rechte freudig begrusst Auch darin sah er ein Eingreifen Gottes Ihm der alles zu machen weiss sei Dank und Preis fur die Freiheit des Wortes 7 Als Kobner sein Manifest im Revolutionsjahr 1848 veroffentlichte war die deutsche baptistische Bewegung knapp 15 Jahre alt In dieser relativ kurzen Zeitspanne waren in den verschiedenen deutschen Landern 25 Gemeinden und zahlreiche Missionsstationen gegrundet worden Diese Ausbreitung geschah jedoch nicht ohne Widerstand der staatlichen und staatskirchlichen Behorden Versammlungen der Baptisten wurden polizeilich aufgelost uber die Prediger und Missionare Geld und Gefangnisstrafen verhangt Eheschliessungen verweigert und die Kinder baptistischer Familien zwangsgetauft Das Verhaltnis zu Staat und Obrigkeit so der Theologe Thorwald Lorenzen ist bei Baptisten von leidvollen Erfahrungen gepragt ihre Praxis von Glauben als Nachfolge Kirche als Lebensgemeinschaft und Glaubenstaufe haben Anstoss und Widerstand ausgelost 8 Wesentlicher jedoch als diese leidvollen Erfahrungen die vor den Baptisten auch die Mennoniten Taufer und andere freikirchlich orientierten Gemeinschaften machten war fur Kobner die Forderung nach Trennung von Kirche und Staat die er aus dem Neuen Testament ableitete und die von Anfang an zu den Grunduberzeugungen der Baptisten gehorte Sowohl der baptistische Grundervater Thomas Helwys 1550 1616 9 als auch Roger Williams 1603 1683 10 der Vater des amerikanischen Baptismus waren Vorkampfer der Religionsfreiheit und fruhe Vertreter der Trennung von Staat und Kirche Geschichte und Rezeption Auswahl BearbeitenJulius Kobner ubersandte sein Manifest auch an die in Frankfurt tagende Nationalversammlung Unter dem Datum 1 bis 4 September 1848 protokollierte der Stenographische Bericht uber die Verhandlungen der deutschen constituirenden Nationalversammlung unter anderem den Eingang seiner Petition adressiert an den Verfassungs Ausschuss der Nationalversammlung Dort heisst es unter der Nummer 5 2913 Eine Anzahl Exemplare des Urchristenthums an das deutsche Volk von Julius Kobner Prediger an der Baptistengemeinde in Hamburg 11 Ob diese Eingabe Gegenstand von Verhandlungen war geht aus dem Stenographischen Bericht nicht hervor Kobners Manifest wurde alsbald nach seinem Erscheinen durch die staatliche Zensur verboten Erst 79 Jahre nach der Erstveroffentlichung erfahrt das Manifest des freien Urchristenthums eine kommentierte Neuauflage Es findet sich in dem 1927 durch den Bund der Freunde christlicher Bucher e V herausgegebenen Sammelband Um die Gemeinde Ausgewahlte Schriften von Julius Kobner 12 Fur die Auswahl der Schriften und damit auch fur die Aufnahme des Manifests zeichnete Hermann Gieselbusch verantwortlich 13 Der von Gieselbusch eingestellte Text ist allerdings gekurzt Er strich die von Kobner verwendeten Bibelzitate einen Verweis auf das baptistische Glaubensbekenntnis von 1847 sowie drei Satze die einen unnotigen Ausfall gegen die Bezahlung von kirchlichen Amtshandlungen enthalten 14 1989 wies Erich Geldbach in seiner Schrift Freikirchen Erbe Gestalt und Wirkung auf Kobners Manifest und seine Bedeutung hin 15 Eine Veroffentlichung im Internet erfolgte 1999 aufgrund einer Initiative von Frank Ley Dortmund 16 2004 fugte der freikirchliche Beauftragte am Sitz der Bundesregierung seinem sogenannten Arbeitsbericht einen Abdruck der Kobner Streitschrift bei 17 2006 erschien anlasslich des 200 Geburtstages von Julius Kobner das von Markus Wehrstedt und Bernd Wittchow herausgegebene Buch Julius Kobner Manifest des freien Urchristenthums an das deutsche Volk Der in diesem Buch veroffentlichte Text des Manifests wurde von Gunter Balders anhand des Originals erstellt Literatur BearbeitenMarkus Wehrstedt Bernd Wittchow Hrsg Julius Kobner Manifest des freien Urchristenthums an das deutsche Volk Berlin 2006 ISBN 3 86682 102 6 Andrea Strubind Widerstandsrecht als elementares Thema in der freikirchlichen Tradition In Zeitschrift fur Theologie und Gemeinde ZThG Nr 10 2005 S 162 192 Bernd Wittchow Ein Prediger der sich in die Revolution einmischte Julius Kobner und sein Manifest des freien Urchristentums an das deutsche Volk In Zeitschrift Die Gemeinde 13 1990 S 4f Erich Geldbach Freikirchen Erbe Gestalt und Wirkung In Bensheimer Hefte Nr 70 Gottingen 1989 S 145 154 Hermann Gieselbusch Um die Gemeinde Ausgewahlte Schriften von Julius Kobner Berlin 1927 S XLIV XLIX S 157 177 Julius Kobner Staat und Kirche verbunden oder getrennt Elberfeld 1882Weblinks BearbeitenJulius Kobner Manifest des freien Urchristenthums an das deutsche Volk PDF online 366 kB eingesehen am 26 Marz 2013Einzelnachweise Bearbeiten Julius Kobner Manifest des freien Urchristenthums Hamburg 1848 S 39 PDF eingesehen am 26 Marz 2013 Markus Wehrstedt Einleitung zu Kobners Manifest In Markus Wehrstedt Bernd Wittchow Hrsg Julius Kobner Manifest des freien Urchristenthums an das deutsche Volk Berlin 2006 ISBN 3 86682 102 6 S 21ff Die in Anfuhrungszeichen gesetzten Zitate sind folgendem Nachdruck des Manifests entnommen Hermann Gieselbusch Um die Gemeinde Ausgewahlte Schriften von Julius Kobner Berlin 1927 S 157 177 Markus Wehrstedt Einleitung zu Kobners Manifest In Markus Wehrstedt Bernd Wittchow Hrsg Julius Kobner Manifest des freien Urchristenthums an das deutsche Volk Berlin 2006 ISBN 3 86682 102 6 S 21 Zitiert nach Hermann Gieselbusch Um die Gemeinde Ausgewahlte Schriften von Julius Kobner Berlin 1927 S 176 Die Zitate entstammen Kobners Manifest siehe Hermann Gieselbusch Um die Gemeinde Ausgewahlte Schriften von Julius Kobner Berlin 1927 S 160f Artikel Deutschland In Missionsblatt der Evangelisch Taufgesinnten hrsg von Johann Gerhard Oncken in Verbindung mit mehreren Missionsfreunden Hamburg Mai 1848 vergleiche dazu Hermann Gieselbusch Um die Gemeinde Ausgewahlte Schriften von Julius Kobner Berlin 1927 S XLV Die Satze tragen keine Unterschrift stammen jedoch nach der Versicherung von Kobners Freund und Biographen Ed Scheve ohne Zweifel aus Kobners Feder Man wird dieser Angabe um so mehr Glauben schenken durfen als Wortwahl und Satzbau sie bestatigen Thorwald Lorenzen Zumutungen Baptisten und die Weltgemeinschaft christlicher Kirchen In Dietmar Lutz Hrsg Die Bibel hat die Schuld daran Festschrift zum 175 Jubilaum der Oncken Gemeinde in Hamburg 2009 Hamburg 2009 S 441 Siehe dazu Ian M Randall Communities of Conviction Baptist Beginnings in Europe Schwarzenfeld 2009 S 23ff Andrea Strubind Widerstandrecht als elementares Thema in der freikirchlichen Tradition In Erich Geldbach Markus Wehrstedt Dietmar Lutz Hrsg Religions Freiheit Festschrift zum 200 Geburtstag von Julius Kobner Berlin 2006 S 213 216 Franz Wigard Hrsg Stenographischer Bericht uber die Verhandlungen der deutschen constituirenden Nationalversammlung zu Frankfurt am Main Dritter Band Nr 62 89 Frankfurt am Main 1848 S 1939 Bund der Freunde christlicher Bucher e V Hrsg Um die Gemeinde Ausgewahlte Schriften von Julius Kobner Berlin SW19 1927 Die Einleitung zum Manifest findet sich auf den Seiten XLV XLIX der Gesammelten Schriften das Manifest auf den Seiten 157 177 Gieselbuschs Anmerkungen zum Manifest auf den Seiten 212f Bund der Freunde christlicher Bucher e V Hrsg Um die Gemeinde Ausgewahlte Schriften von Julius Kobner Berlin SW19 1927 S 213 Erich Geldbach Freikirchen Erbe Gestalt und Wirkung Band 70 der Bensheimer Hefte 70 Gottingen 1989 S 145 154 Homepage der Evangelisch Freikirchlichen Gemeinde Dortmund Mitte Wayback Internetarchiv Kobner Memento vom 26 April 2006 im Internet Archive Dietmar Lutz Freikirchen melden sich zu Wort Ein Arbeitsbericht In Freikirchliche Beitrage zur Theologie Nr 10 Berlin 2004 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Manifest des freien Urchristenthums an das deutsche Volk amp oldid 238795621