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Unter dem Mossbauer Effekt nach dem Entdecker Rudolf Mossbauer auch Mossbauer Effekt geschrieben versteht man die ruckstossfreie Kernresonanzabsorption von Gammastrahlung durch Atomkerne Kombiniert man Emission der Gammaquanten und ihre erneute Absorption erhalt man mit der Mossbauerspektroskopie eine extrem empfindliche Messmethode fur die Energieanderung der Gammaquanten Dazu muss sich der Atomkern in einem Kristallgitter befinden das den Ruckstoss ubernehmen kann und durch seine grosse Masse dem Gammaquant kaum Energie entzieht siehe auch elastischer Stoss Rudolf Mossbauer erhielt fur seine Entdeckung 1961 den Nobelpreis fur Physik Inhaltsverzeichnis 1 Eigenschaften der Gammastrahlung 2 Die Ausgangssituation vor Mossbauer 3 Mossbauers Experiment 4 Das zunachst uberraschende Ergebnis 5 Anwendungen 6 Literatur 7 Weblinks 8 AnmerkungenEigenschaften der Gammastrahlung BearbeitenSeit Beginn des 20 Jahrhunderts kennen Physiker die Gammastrahlung als eine Erscheinung der Radioaktivitat Als Entdecker gelten Antoine Henri Becquerel und Paul Villard wobei letzterer um 1900 nachweisen konnte dass es sich bei der Gammastrahlung um extrem energiereiche elektromagnetische Wellen handelt Gammastrahlung entsteht u a infolge eines vorausgehenden Alpha oder Betazerfalls da sich der Atomkern nach diesem Zerfall in einem angeregten Zustand befindet Die Emission des Gamma Quants verandert dabei den Kern im Gegensatz zu einem a oder b Zerfall materiell nicht es findet keine Umwandlung in ein anderes Nuklid statt Lediglich die im Kern gespeicherte Anregungsenergie wird als ein oder mehrere Strahlungsquanten abgegeben genau wie auch angeregte Elektronen ihre Energie in Form von Lichtquanten abgeben Atomkerne konnen Gamma Quanten auch absorbieren wodurch sie in einen relativ zum vorherigen Zustand gesehen angeregten Zustand ubergehen Aus theoretischen Uberlegungen folgerte man fruh dass die von den meisten Kernen emittierte Gammastrahlung durch sehr scharfe Energieniveaus gekennzeichnet ist und somit eine extrem geringe Linienbreite haben muss Man kann Atomkerne auch mit einem Schwingquarz vergleichen der nur mit einer bestimmten Frequenz angeregt werden kann Tatsachlich ist die Energiekonstanz und damit die Frequenzgenauigkeit vieler Gamma Strahlungsubergange vergleichbar mit der Genauigkeit von Atomuhren Die Ausgangssituation vor Mossbauer BearbeitenSiehe auch Resonanz in der Kernphysik Die theoretisch vorausgesagte spektrale Reinheit der Gamma Strahlung war vor der von Mossbauer gemachten Entdeckung praktisch nicht nachweisbar Aufgrund der hohen Energie der Gamma Quanten kann man deren Frequenz nur recht grob durch kalorimetrische Methoden bestimmen Ein elektronischer Frequenzzahler funktioniert im Frequenzbereich der Gamma Strahlung nicht mehr Daruber hinaus erfahrt der Kern beim Aussenden eines Gamma Quants einen nicht zu vernachlassigenden Ruckstoss Dies liegt an der hohen Energie der Quanten die als Photonen zwar keine Masse jedoch einen Impuls besitzen Der auf den Kern wirkende Ruckstoss bewirkt eine Verringerung der Energie des Gamma Quants Verliert der Kern mit der Masse M displaystyle M nbsp durch die Emission des Photons die Energie E 0 displaystyle E 0 nbsp so erfahrt er wegen Energie und Impulserhaltung einen Ruckstoss der Energie E R displaystyle E R nbsp Das abgestrahlte Photon besitzt dann die um D E displaystyle Delta E nbsp verringerte Energie E g E 0 D E displaystyle E gamma E 0 Delta E nbsp E R D E E g 2 2 M c 2 displaystyle E R Delta E frac E mathrm gamma 2 2Mc 2 nbsp Das ergibt sich aus E R p 2 2 M displaystyle E R tfrac vec p 2 2M nbsp mit der Kernmasse M displaystyle M nbsp und der relativistischen Energie Impuls Beziehung fur das Photon E g p c p c displaystyle E mathrm gamma pc vec p c nbsp Gleichwertig zu dieser Beschreibung ist eine Betrachtung aus der Sicht des sich nun bewegenden Kerns unter Berucksichtigung der Doppler Frequenzverschiebung Soll nun ein Kern das von einem anderen Kern emittierte Gamma Quant wieder absorbieren so ist dies eigentlich nur dann moglich wenn zuvor beide Kerne genau mit der doppelten Ruckstossgeschwindigkeit aufeinander zugeflogen sind doppelt weil auch bei der Absorption ein gleich starker Ruckstoss erfolgt Die erforderliche Geschwindigkeit kann experimentell zum Beispiel dadurch erzeugt werden dass man Quelle oder Absorber auf den Rand einer schnell rotierenden Zentrifuge oder eines Drehtellers setzt oder die Quelle erhitzt um die thermische Linienverbreiterung zu erhohen Mossbauer verfolgte beide Methoden Die Verwendung einer Zentrifuge oder eines Drehtellers wie sie zuerst Philip B Moon 1951 fur die Kernresonanzfluoreszenz verwendete 1 war aber bei der von ihm verwendeten Iridium Quelle nicht realisierbar da sie ohne den spater von ihm entdeckten Effekt Uberschallgeschwindigkeit erfordert hatte Mossbauers Experiment BearbeitenMossbauer wollte im Rahmen seiner Dissertation die 1958 an der TU Munchen bei Heinz Maier Leibnitz erfolgte und fur die er zuvor am Max Planck Institut fur medizinische Forschung in Heidelberg experimentierte die Wahrscheinlichkeit fur eine solche Emission und anschliessende Absorption eines Gamma Quants ermitteln Die Voraussetzung dass die beiden beteiligten Kerne sich mit der richtigen Geschwindigkeit aufeinander zubewegen sollte durch die Warmebewegung der Atome erfullt werden Hier der schematische Versuchsaufbau seines Experimentes nbsp Auf der linken Seite befindet sich eine radioaktive Quelle fur Gamma Strahlen Einige der Strahlen treffen rechts auf einen Absorber der die gleichen Atome wie die Quelle enthalt diese sind jedoch von sich aus nicht radioaktiv Wird nun ein Kern im Absorber von einem Gamma Photon getroffen so kann falls oben genannte Voraussetzung erfullt ist das Gamma Photon zum Detektor hin gestreut werden Der direkte Weg der Strahlung zum Detektor wird durch eine Abschirmung aus Blei blockiert Die Temperatur von Festkorpern Flussigkeiten und Gasen ist korreliert mit der Geschwindigkeit der Teilchen Atome Molekule in denselben Je hoher die Temperatur desto schneller bewegen sich die Teilchen im Mittel Allerdings ist die Geschwindigkeit aller Teilchen nicht gleich sondern statistisch verteilt ebenso wie die Bewegungsrichtungen der Teilchen Mossbauer erwartete dass mit steigender Temperatur die Wahrscheinlichkeit fur eine Emission und anschliessende Absorption eines Gamma Quants ansteigen sollte da sich statistisch gesehen mehr Atome mit der richtigen Geschwindigkeit aufeinander zubewegen Umgekehrt sollte sich bei sehr niedrigen Temperaturen die Wahrscheinlichkeit fur diesen Vorgang nahezu auf Null verringern da die Atome im Mittel so langsam sind dass die erforderliche Geschwindigkeitsdifferenz kaum einmal erreicht wird Das zunachst uberraschende Ergebnis BearbeitenDie ersten Messungen nahe der Zimmertemperatur und daruber schienen Mossbauers Erwartungen zunachst zu bestatigen Als er jedoch aus Neugier begann Quelle und Absorber abzukuhlen stellte er uberraschend fest dass die Wahrscheinlichkeiten fur die Gammaemission und absorption bei tiefen Temperaturen plotzlich wieder steil anstiegen und zwar uber das Mass hinaus welches bei hoheren Temperaturen gemessen worden war Mossbauer fuhrte seine Experimente an Festkorpern durch In diesen schwingen die Atome um ihre Ruhepositionen im Kristallgitter bei steigender Temperatur mit zunehmender Amplitude Jedoch sind aufgrund der Quantenmechanik nicht alle Schwingungszustande erlaubt sondern nur diskrete Energiezustande Phononen Aus diesem Grund kann der Kern bei der Emission und Absorption eines Gamma Quants keinen beliebig starken Impuls in Form von Schwingungsenergie abgeben Da die Aufnahme und Abgabe der Schwingungsenergie gequantelt ist besteht eine bestimmte Wahrscheinlichkeit gegeben durch den sog Debye Waller Faktor dass das Atom keine Schwingungsenergie erzeugt und seinen Ruckstossimpuls an das gesamte Kristallgitter 2 ubertragen kann Da dessen Masse die des Kerns wesentlich ubersteigt erfolgen Gamma Emission und Absorption in diesem Fall nahezu ruckstossfrei Mossbauer uberprufte daraufhin das Ergebnis genauer indem er die Quelle auf einem Drehteller befestigte und so uber den Dopplereffekt die Energie variieren und die Resonanz vermessen konnte Bei dem von Mossbauer verwendeten Isotop Iridium 191 war die Gammastrahlenenergie 129 keV und die naturliche Linienbreite in der Grossenordnung von 10 5 displaystyle 10 5 nbsp eV Die Energieauflosung betrug damit vorher nie erreichte 10 10 displaystyle 10 10 nbsp Bald darauf wurden weitere Mossbauerlinien entdeckt insbesondere Fe 57 mit ruckstossfreier Emission bei Zimmertemperatur einer Gammastrahlenenergie von 14 4 keV und einer naturlichen Linienbreite von 5 10 9 displaystyle approx 5 cdot 10 9 nbsp eV 3 Anwendungen BearbeitenDurch die ruckstossfreie Kernresonanzabsorption ergeben sich vollig neuartige Messverfahren auf den Gebieten der Festkorperphysik Materialforschung und Chemie Des Weiteren konnen auch Vorhersagen der allgemeinen Relativitatstheorie mit diesem Effekt untersucht werden So wurde 1960 in einem Mossbauer Experiment von Robert Pound und Glen Rebka festgestellt dass wenn sich Quelle und Absorber in rund 20 Metern Abstand senkrecht voneinander entfernt befinden das Gravitationspotential der Erde zu einer messbaren Energieanderung der Lichtquanten beim Durchlaufen des Hohenunterschiedes fuhrt Pound Rebka Experiment Die vielfaltigsten Anwendungen findet der Mossbauer Effekt heute in der Chemie Da die Auspragung der Elektronenhulle eines Molekuls geringfugig auf die Energieniveaus der Anregungszustande seiner Atomkerne zuruckwirkt hat sich der Mossbauer Effekt zu einem unersetzlichen Instrument in der chemischen Analyse entwickelt siehe hierzu Mossbauerspektroskopie Literatur BearbeitenRudolf Mossbauer Gammastrahlung in Ir191 In Zeitschrift fur Physik Band 151 1958 S 124 143 doi 10 1007 BF01344210 Rudolf Mossbauer Recoilless Nuclear Resonance Absorption of Gamma Radiation Nobel Lecture 1961 Online Hans Frauenfelder The Mossbauer Effect W A Benjamin New York 1962 Leonard Eyges Physics of the Mossbauer Effect In American Journal of Physics Band 33 1965 S 790 802 doi 10 1119 1 1970986 Philipp Gutlich Physikalische Methoden in der Chemie Mossbauer Spektroskopie I In Chemie in unserer Zeit Band 4 1970 S 133 144 doi 10 1002 ciuz 19700040502 Horst Wegener Der Mossbauer Effekt und seine Anwendung in Physik und Chemie BI Wissenschaftsverlag 1965 Weblinks BearbeitenMossbauer Effekt LEIFI Anmerkungen Bearbeiten P B Moon Resonant Nuclear Scattering of Gamma Rays Theory and Preliminary Experiments In Proceedings of the Physical Society Section A Band 64 Nr 1 Januar 1951 S 76 82 doi 10 1088 0370 1298 64 1 311 Zitiert im Nobelvortrag von Mossbauer Der Bereich des Kristallgitters der Ruckstossenergie aufnehmen kann ergibt sich grob aus dem Volumen der Kugel deren Radius der Entfernung entspricht die der Schall in diesem Gitter wahrend der mittleren Lebensdauer des Gamma Ubergangs zurucklegen kann Hans Kuzmany Solid State Spectroscopy An Introduction Springer Science amp Business Media 1998 S 300 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Mossbauer Effekt amp oldid 236923834