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Das Konzil von Tours lateinisch Concilium Turonese wurde im Mai 813 von Karl dem Grossen in der Stadt Tours zur Wiederherstellung der kirchlichen Disziplin einberufen 1 Inhaltsverzeichnis 1 Beschlusse 1 1 17 Kanon 2 Anmerkung 3 Siehe auch 4 EinzelnachweiseBeschlusse BearbeitenInsgesamt wurden 51 Kanones beschlossen 1 17 Kanon Bearbeiten Visum est unanimitati nostrae ut quilibet episcopus habeat omelias continentes necessarias ammonitiones quibus subiecti erudiantur id est de fide catholica prout capere possint de perpetua retributione bonorum et aeterna damnatione malorum de resurrectione quoque futura et ultimo iudicio et quibus operibus possit promereri beata vita quibusve excludi Et ut easdem omelias quisque aperte transferre studeat in rusticam Romanam linguam aut Thiotiscam quo facilius cuncti possint intellegere quae dicuntur 2 Das Hauptverdienst des Konzils von Tours war dass in den Kapitularien erlaubt wurde dass Bischofe in der Kirche zu offentlichen Zwecken die vor Ort und dem Volke die in der Pastoralregel lateinisch grex 3 Herde verstandliche Sprache fur Predigten zu verwenden und nicht mehr nur in Latein Damit wurden die durch Karl dem Grossen angestossene Forderung dass der christliche Glaube von seinen Untertanen auch verstanden werden soll und daher in der Kirche secundum proprietatem linguae praedicare ut omnes intellegere posent deutsch in der jeweiligen Volkssprache zu predigen ist damit es alle verstehen konnen Diese Forderung formulierte Karl der Grosse bereits mit der Admonitio generalis von 789 und der Synode von Frankfurt 794 Mit dem 17 Kanon wurde diese Forderung nun gefestigt und die gallo romanische rustica Romana lingua 4 meliorativ landliche einfach schlicht pejorativ bauerliche tolpisch plump romanische Sprache 5 bzw vulgaris lingua 6 Vernakularsprache und die germanische lingua Thiotisca lingua Teotisca bzw lingua Theodisca volksstumliche Sprache aus der Taufe gehoben den Volkssprachen eigene Namen zugewiesen und der Weg frei gemacht fur die Entstehung gallo romanischer Schriftsprachen die eine Zeit der lateinisch romanischen volkssprachlichen Diglossie Situation im romanischen Raum des Mittelalters bzw lateinisch romanisch germanische Dreisprachigkeit siehe Nithard in Historiae uber Strassburger Eide von 842 die mindestens die Amtszeiten Ludwig des Frommen und Karls des Kahlen umfasste wahrscheinlich aber noch bis ins 11 Jahrhundert andauerte pragen sollte 7 8 9 10 Er ist die Anerkennung der beiden grossen geokulturellen Komponenten aus denen das Frankenreich des Karls des Grossen bestand die Welt die romisch war die Romanwelt der lateinischen Tradition bis zum Rhein und die germanische Welt ab dem Rheinraum Im Rat von Tours gab es Bischofe beider Welten 11 Mit dieser amtskirchlichen Unterscheidung zwischen den verschiedenen lokalen Weiterentwicklungen des gesprochenen Vulgarlateins einerseits und dem geschriebenen Latein andererseits wird ein diglossisches Bewusstsein offenkundig das heisst die allgemeine Anerkennung einer Sprachgemeinschaft die zwei Sprachen fur jeweils unterschiedliche Zwecke begreift Diese Veranderung resultiert aus einer Neukonstruktion des lateinischen Varietatenraumes Dort wo vorher die Wahrnehmung eines lediglich stilistischen Unterschiedes zwischen einem sermo rusticus und einer sermo scholasticus war die sprachlichen Unterscheide also in ein Diasystem integriert wurden wird nunmehr eine rustica romana lingua anerkannt und ausgegliedert denn die Anerkennung der Volkssprachen wie sie in metasprachlichen Zeugnissen expliziert wird geschieht also niemals mit Bezug auf die Distanzsprache Latein das heisst innerhalb der Diglossiesituation sondern mit Bezug auf eine parallele Volkssprache Nahesprache die als different kategorisiert wird Nachfolgend wurden die lokalen romanischen Sprechweisen auch nicht mehr pauschal als Spielarten des klassischen Lateins begriffen und dementsprechend benannt sondern meist als romanisch nicht Latein oder romanz womit aber auch eine romanische einzelsprachliche Varietat denotiert werden kann 12 Damit wurde das Konzil von Tours in gewisser Weise zur Geburtsstunde der romanischen Sprachen und ein Vorbereiter fur die Entstehung der deutschen Sprache 7 13 Im Frankenreich mit seinen unterschiedlichen Volksgruppen und Sprachen war Mehrsprachigkeit auch in kleinen Regionen keine Seltenheit und Soldaten wie ihre Heerfuhrer zwei bis mehrsprachig 9 Das Lateinische ausserhalb der Kloster und kirchlichen Bildungsstatten aber nicht weit verbreitet 14 es blieb als Schrift und Zeremonialsprache der Messe erhalten und war weiterhin eine wichtige Sprache des Mittelalter Kirchenlatein Anmerkung BearbeitenA Das Adjektiv theodiscus bezieht sich in der stehenden Verbindung lingua theodisca amtliche Bezeichnung der altfrankischen Volkssprache im Reiche Karls des Grossen oder als Adverb theodisce auf diejenigen die weder lateinisch noch einen fruhromanischen vulgarlateinischen Dialekt sprachen Es bezeichnet also die Zugehorigkeit zur germanisch frankischen Sprachgemeinschaft Das Wort wurde zunachst vom 8 bis zum 10 Jahrhundert nur in mittellateinischer Sprache als Kennzeichnung der Zugehorigkeit zu einer bestimmten Sprachgruppe und den damit verbundenen Rechten verwendet Der alteste lateinische Beleg stammt aus dem Jahr 786 n Chr entsprechende deutsche Belege tauchen erst 1000 n Chr auf Im sogenannten deutschsprachigen Annolied auf der Wende zum 12 Jahrhundert tauchen erstmals von den Begriffen theodiscus und thiutisk abgeleitet Wendungen wie diutschi man diutischi liuti und diutsche lant Somit ist das Annolied gewissermassen die Geburtsurkunde der deutschen Sprache das erste sichere Zeugnis dass deutschsprechende Menschen ihre Sprache nicht mehr nur als frankisch bairisch alemannisch oder sachsisch empfanden 15 Siehe auch BearbeitenAdmonitio generalis von 789 Synode von Frankfurt 794 Strassburger Eide von 842 Reichenauer Glossen Sequence de Sainte EulalieEinzelnachweise Bearbeiten a b Tours Councils of Concilium Turonese from the McClintock and Strong Biblical Cyclopedia In McClintock and Strong Biblical Cyclopedia Abgerufen am 22 Januar 2021 englisch Reichskonzil von Tours In Universitat Leipzig Abgerufen am 23 Januar 2021 Silke Floryszczak Die Regula Pastoralis Gregors des Grossen Studien zu Text kirchenpolitischer Bedeutung und Rezeption in der Karolingerzeit Mohr Siebeck 2005 ISBN 978 3 16 148590 9 google de abgerufen am 22 Januar 2021 Die Bezeichnung ist die Fortfuhrung der fruhmittelalterlichen Kategorisierungspraxis der Volkssprache als bauerliches derbes Latein Quelle B Frank Job Mehrsprachigkeit im Ubergang vom Latein zum Romanischen Zeno Worterbucheintrag Latein Deutsch zu rusticus Karl Ernst Georges Ausfuhrliches Abgerufen am 22 Januar 2021 Mehrsprachigkeit im Ubergang vom Latein zum Romanischen PDF Free Download Abgerufen am 22 Januar 2021 a b Camille Prieux CETHIS Journee d etude Tours 813 2013 Le concile de Tours et la diversite des langues de l Europe medievale Abgerufen am 18 Januar 2021 franzosisch Tilman Mayer Prinzip Nation Dimensionen der nationalen Frage dargestellt am Beispiel Deutschlands Springer Verlag 2013 ISBN 978 3 322 95587 6 google de abgerufen am 22 Januar 2021 a b B Frank Job Mehrsprachigkeit im Ubergang vom Latein zum Romanischen In DocPlayer org Abgerufen am 22 Januar 2021 Owen M Phelan The Formation of Christian Europe The Carolingians Baptism and the Imperium Christianum OUP Oxford 2014 ISBN 978 0 19 102790 1 google de abgerufen am 23 Januar 2021 Paolo Mattei L inculturazione nel primo millennio Intervista con Bruno Luiselli professore ordinario di letteratura latina In 30 Giorni Abgerufen am 22 Januar 2021 italienisch langue vernaculaire opposee au latin qui etait la langue ecrite et savante et au germanique des Franc francique appele thiois en moyen francais Rey 1992 s v roman cf auch Heim 1984 Silke Floryszczak Die Regula Pastoralis Gregors des Grossen Studien zu Text kirchenpolitischer Bedeutung und Rezeption in der Karolingerzeit Mohr Siebeck 2005 ISBN 978 3 16 148590 9 google de abgerufen am 22 Januar 2021 Wolfgang Haubrichs Heinrich Beck Theodisca Beitrage zur althochdeutschen und altniederdeutschen Sprache und Literatur in der Kultur des fruhen Mittelalters eine internationale Fachtagung in Schonmuhl bei Penzberg vom 13 bis zum 16 Marz 1997 Walter de Gruyter 2000 ISBN 978 3 11 016316 2 google de abgerufen am 18 Januar 2021 Alle Informationen und Zitate aus Dieter Kartschoke Geschichte der deutschen Literatur im fruhen Mittelalter 2 Alphabetisierung Deutsche Literatur im Mittelalter S 69 vgl MA DK S 31 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Konzil von Tours 813 amp oldid 224922901